Während auch die unsinnigsten und hingeworfensten Gedichte von Ernst Jandl ein unmittelbarer und starker Ausdruck von Geist sind, kommt in der Poesie der Mayröcker immer nur die Geistlosigkeit zum Vorschein. Das zwar in einem coolen Stil, der aber auch schnell satt macht und vor allem zu einer Masche wird; während bei Jandl niemals was zu einer Masche wird. Warum gibt es da draußen solche Probleme, authentischen Geist von simuliertem Geist zu unterscheiden beziehungsweise echte Gedanken von derivativen, und dieser Schlaf des Beurteilungsvermögens gebiert Monster; ich kann mich erinnern, wie einer im Feuilleton mal geschrieben hat, bei der Mayröcker würde sich die Poesie und der Gedankenstrom „wie flüssiges Gold“ ergießen. Diese Literaturkritiker immer wieder mal! Ich glaube, wo bei normalen Menschen das Hirn ist, ist bei denen auch so ein bisschen was wie flüssiges Gold.
Archiv der Kategorie: Literature and Poets
Die künstlichen Paradiese des Charles Baudelaire
Der unersättliche Durst nach allem, was jenseits der Hüllen dieses Lebens liegt, ist der lebendigste Beweis für unsere Unsterblichkeit –: Wenn ein vollendet schönes Gedicht die Augen von Tränen überquellen macht, so beweisen diese Tränen nicht einen Ausbruch von Wonne, vielmehr sind sie Zeugen einer verirrten Melancholie, einer Forderung der Nerven, einer Natur, in die das Land des Unvollkommenen hineingestoßen ist und die im Augenblicke sogar auf dieser Erde hier eines offenbar gewordenen Paradieses sich bemächtigen möchte. So ist denn recht und schlecht das Prinzip der Poesie das menschliche Streben nach einer höheren Schönheit.
Charles Baudelaire
Charles Baudelaire gilt als ein Wegbereiter der literarischen Moderne. Was ist eigentlich Moderne, was ist Charakteristikum der Moderne? Laut Max Weber bedeutet Moderne die Ausdifferenzierung der Lebenssphären. Es kommt zu einer Zunahme von Wissen in der Welt, zu einer Zunahme von (technologisch, industriell konstruierten) Gegenständen, zu einer Vertiefung der Arbeitsteilung, zu einer Neuordnung und offensichtlichen Verkomplizierung der sozialen Verhältnisse u. dergl. mehr. Die verschiedenen Lebenssphären werden vergleichsweise autonom, zur gleichen Zeit durchdringen sie – im Gegensatz zu ihrer vormaligen feudalen Abgegrenztheit voneinander – einander immer mehr. Gleichzeitig werden die Lebenssphären vergleichsweise heteronom zueinander: keine Instanz hat mehr umfassende Kontrolle über einzelne oder über die Gesamtheit der Sphären. Die Sphären und die Gegenstände in den jeweiligen Sphären werden durch die Durchmischung einerseits einander vertrauter, andererseits aber unheimlicher, einem ewigen, unbeherrschbaren Außen zugehörend, fremder. Wenn man so will, werden die autonomen Sphären in einem gewissen Grad zu sich selbst heteronom (einem fremden Gesetz unterliegend). Ausgeglichen wiederum wird das, indem die Sphären reflexiv werden, das Verhältnis der Sphären verhandelbar, wenn nicht überhaupt urtümlich Gegenstand der Reflexion und der Verhandlung. Die Sphären werden, in einer vorher nicht dagewesenen Weise, durchleuchtbar und potenziell transparent und feststellbar. All das ist eben – gar kein Geheimnis, sondern – Ausdifferenzierung. Ausdifferenzierung ist nichts Magisches, sondern etwas banal Rationales – an deren banaler Rationalität man verzweifeln oder sich dem Ennui hingeben kann: wie es in der Moderne ja auch passiert bzw. wie in der Moderne damit kokettiert wird. Die Ausdifferenzierung schafft aber auch neue Geheimnisse. Ursprung, Ziel, Logik, Moral, Sinn der Ausdifferenzierung sind letztendlich dunkel und unbekannt. In all dieser Autonomie und Heteronomie der Sphären, in ihrer zunehmenden Abgrenzung voneinander wie umfassenden Durchdringung ineinander, in ihrer dunklen Geheimnishaftigkeit wie in ihrer erhellenden Reflexivität usw. ist es vielleicht das zentrale Charakteristikum der Moderne, dass sie zentrumslos ist; dass ihr Zentrum – in Bezug auf herkömmliche Vorstellungen davon – leer ist. Sowohl die klassische als auch die romantische Dichtung haben – im herkömmlichen Sinn – ein Zentrum. Bei der Klassik ist es das objektive Ideal, das letztendlich in der Natur liegt und über altehrwürdige Tradition vermittelt wird; in der Romantik ist es die autonome Subjektivität. Trotz all ihrer Gefinkeltheit sind sowohl das klassische objektive Ideal (der Schönheit) und das romantische Ideal der Subjektivität kompakte Zentren. Die Moderne, und daher auch die moderne Dichtung, hat demgegenüber kein kompaktes Zentrum. Das Zentrum der Moderne ist jedoch: Beweglichkeit. Das manchmal elegant glatte, manchmal ächzend-krachend-schwerfällige Gegeneinanderbewegen und Einanderdurchdringen der Sphären, die dezentrierenden Gänge der Reflexivität, die Flüchtigkeit der Wahrnehmung: das ist Moderne. Sowohl die klassische und die romantische Dichtung sind Verfahren bzw. geben Verfahren an zur (Selbst)Vergewisserung ihrer Zentren: dem objektiven Ideal, der autonomen Subjektivität. Die moderne Dichtung muss ein Verfahren sein, in der es solche kompakte Zentren nicht mehr gibt, bzw. sie nicht mehr glaubwürdig sind. Das Verfahren der modernen Dichtung gilt der Vergewisserung ihres nebulosen, dezentrierten Zentrums: der Beweglichkeit. Insofern ist es zutiefst modern, indem der moderne Dichter Flaneur ist und Dandy. Das aber waren die Verfahren der Selbstvergewisserung von Charles Baudelaire.
Charles Baudelaire war ein mit einem echten Schönheitssinn begabter Mensch. Er hat Schönheit gesucht und Schönheit verstanden. Baudelaire gilt, nach Nietzsche, als der tiefste Kunst-Denker und Kunstrezipient des 19. Jahrhunderts. Er hat der Kunst zu einem tieferen Selbstverständnis verholfen. Damit ist Baudelaire zunächst einmal eine hochgradig autonome und überzeitliche Erscheinung, und nicht vornehmlich, so wie es die Kulturwissenschaften und ähnliche Disziplinen immer wieder in den Vordergrund zu rücken versuchen, ein „Ausdruck“ seines Zeitalters. Er hat Schönheit als was Universelles verstanden und, vor allem, als etwas Universelles gesucht, und sich selbst als einen „Kosmopoliten“ (im Reich der Schönheit) gesehen: Wenige Menschen haben – Im großen Ganzen – diese göttliche Gnade des Kosmopolitismus; doch alle können sie in verschiedenen Graden erwerben. „Universelle“ Schönheit bedeutet dabei nicht notwendig, dass sie statisch und eindeutig ist; denn: Jedermann begreift ohne Schwierigkeit dieses: Wenn die Menschen, deren Amtes es ist, das Schöne auszudrücken, den Regeln der beeideten Professoren sich fügen würde, so würde das Schöne selbst von der Erde verschwinden, da alle Typen, alle Ideen, alle Empfindungserlebnisse in eine große Einfachheit sich ergießen würden, die monoton und unpersönlich wäre und unermesslich wie die Langeweile und das Nichts. Die Verschiedenheit, die Lebensbedingung sine qua non, wäre alsdann im Leben ausgelöscht. So wahr ist´s, dass es in den vielfältigen Hervorbringungen der Kunst ein Etwas gibt, das, immer neu, für immer den Regeln und den Schulanalysen sich entziehen wird! Die Schönheit hat etwas Objektives, Universelles, Überzeitliches. Zumindest scheint es so, und ohne einen solchen Schein würde man es ja kaum als Suprematie wahrnehmen und anerkennen. Das Schöne erscheint jedoch auch in Zeit und Raum, und um authentisch zu sein, sollte sich das Schöne auch zeitgemäß ausdrücken. In seiner berühmten Formel begreift Charles Baudelaire das Schöne als aus einem überzeitlichen und einem zeitgenössischen Element zusammengesetzt: Das Schöne wird aus einem ewigen, unveränderlichen Element gebildet, dessen Qualität außerordentlich schwierig zu bestimmen ist, und aus einem relativen, bedingten Element, das, wenn man will, um und um oder allzugleich, von dem Zeitabschnitt, der Mode, dem geistigen Leben, der Leidenschaft dargestellt wird. Ohne dieses zweite Element, als welches gleichsam der amüsante, glänzende Überguss ist, der den göttlichen Kuchen und verdaulich macht, wäre das erste Element für die menschliche Natur unzuträglich, ungeeignet, unverdaulich. Damit entsteht die Notwendigkeit, das Schöne zeitgenössisch auszudrücken. Eigentlich kann zum universellen, überzeitlichen Schönen nur vorgedrungen werden, wenn ein profunder zeitgenössischer Ausdruck des Schönen gelingt. Der profunde Ausdruck der Schönheit muss nicht nur das Überzeitliche beherrschen, sondern auch die Gegenwart. Profundheit ist exklusiv: Nein! wenig Menschen sind mit der Fähigkeit begabt, zu sehen; noch geringer ist die Anzahl derer, die die Macht des Ausdrucks besitzen. Schönheit hat Qualitäten, die sich entziehen, Ausdruck jedoch ist kompakt. Wenn man so will, ist es das Problem der modernen Kunst, wie man für das nicht-kompakte Zentrum der Moderne einen kompakten Ausdruck finden kann. Baudelaire hat als Dichter nicht unbedingt neue Ausdrucksformen entworfen. Aber er hat neue Verständnisse entwickelt davon, was Schönheit ist und wie sie sich ausdrückt. Es ist schwierig, oder bei genauerer Betrachtung gar nicht einmal so leicht, wie es auf den ersten Blick scheint, bei Baudelaire und seiner Kunst ein kompaktes Zentrum zu identifizieren und eine kompakte Botschaft. Was Baudelaire aber getan hat, ist, dass er ein differenziertes, sich ausdifferenzierendes Verständnis von Schönheit entwickelt hat. Damit ist er vielleicht tatsächlich der zentrale moderne Dichter.
Das überzeitliche, universelle, kosmopolitische Wesen – und das kompakte Zentrum – von Charles Baudelaire war sein authentischer, nach überdauernden Formen suchender Kunstsinn und Schönheitsdrang. Darüber hinaus hat es Baudelaire ungemein geholfen, dass er, gleich dem modernen Zeitalter, scheinbar kein kompaktes Zentrum in seiner Persönlichkeit hatte. Laut Sartre, der einen einsichtsvolle und detaillierte Betrachtung über ihn geschrieben hat (für deren Negativität und Despektierlichkeit er sich später geschämt hat), war das zentrale Streben von Baudelaire das nach Alterität, sich in seiner Alterität zu vergewissern. Baudelaires Leben war traumatisch. Nach dem Tod seines kunst- und literaturliebhabenden Vaters als er fünf Jahre alt war, durchlebte Baudelaire einige glückliche Jahre in seiner Kindheit in einer Art symbiotischen gefühlsmäßigen Beziehung mit seiner Mutter. Als die Mutter erneut heiratete, erlebte er das als Zerstörung dieses Glücks. Er entwickelte daraufhin lebenslänglich einen widersprüchlichen Charakter. Kaum erwachsen, verbrauchte er sein beträchtliches Erbe schnell, um daraufhin nicht nur stets in ziemlicher Armut, sondern auch unter Vormundschaft gestellt zu leben. Er betrieb einen Kult der „Willensstärke“, Arbeit und Unabhängigkeit suchte er jedoch nicht. Vielmehr entwickelte er einen Kult des Müßiggangs, er wollte am liebsten ein „gehätscheltes Luxustier“ sein. Er hasste Autorität, unterwarf sich ihr aber immer wieder. Obwohl er sich rühmte, zum dichterischen Sehen begabt zu sein, blieb er in einer fortwährenden Distanz zur Welt. Ihm fehlte die Unmittelbarkeit. Obwohl seine Dichtung überladen ist mit Sinnlichkeit, fühlte er sich, wie man munkelt, vom eigentlichen Zentrum der Sinnlichkeit, dem Geschlechtsverkehr, abgestoßen. Befriedigung suchte er im Supplement, in Haaren, in Düften, in Anschauungen, in denen er schwelgte. Er träumte von der Ferne, brachte aber keine Reisen zustande; er bejahte das Alleinsein, brauchte aber ständig Menschen um sich. Obwohl er moderner Dichter ist und „das Neue“ liebte, blieb er vergangenheitsfixiert; Realität und Wert hatte für ihn eigentlich nur die Vergangenheit. Trotz seiner Rebellion gegen die Gesellschaft entzog er sich ihr nicht vollständig, sondern nahm immer wieder exzentrische soziale Rollen (wie die des Dandy) ein. Er verkleidete sich gerne, lackierte sich die Fingernägel, färbte sich die Haare, blieb aber damit letztendlich auch innerhalb der Arena des Gesellschaftlichen. Die Einsamkeit Rimbauds erreichte er nie und strebte sie auch nie an. Laut Sartre blieb Baudelaire bei allem immer auf halbem Wege stehen. Wenn man so will, hat man in all dem das Verhalten eines trotzigen, eigentümlich egozentrischen und eigentümlich egozentrisch auf die Mutter bezogenen Kindes, das eine Art Machtkampf mit der Mutter bzw. seinem dyadischen Gegenüber vollzieht, für immer. Bei Hölderlin galt es als ähnlicher Schock, als er, seiner glücklichen Kindheit entrissen, ins Tübinger Stift gesteckt wurde. Deswegen suchte Hölderlin immer nach seinem glücklichen Arkadien der Vergangenheit und hoffte auf die Wiederkunft des Gottes und des Ideals in der Zukunft. Sonst gab es bei ihm wenig an Themen. Hölderlin war jedoch ernsthaft pathologisch und allein schon über dieses Verhalten „schizophren“ (abgespalten von der Realität). Baudelaire war auch, in einem irgendwie ernsthaften Sinn, kein normaler Mensch. Aber auch er hat eine Pathologie in Dichtung von universeller Bedeutung umgesetzt. Zeit seines Lebens blieb er damit vorwiegend unter Eingeweihten bekannt. 1867, im Alter von 46 Jahren starb er. Die Mutter, Caroline, hat ihn um beinahe vier Jahre überlebt und durfte noch Zeugin seines daraufhin einsetzenden Nachruhms werden.
Im Gegensatz zu Hölderlin, und entsprechend seinem passiv-aggressiven Charakter, ist das Schöne, das Göttliche, das Ideal bei Baudelaire aber nicht nicht vollständig, kompakt, ungeteilt. Das Schöne ist bei Baudelaire bekanntlich meistens vom Morbiden durchzogen, oder steht mit ihm im Bund. Baudelaire delektiert sich am Verfall, am Alten, am Ekelerregenden, am Krankmachenden. Mit so was kann man versuchen, Mütter zu schockieren. Man kann es auch als Ausdruck von Melancholie sehen: das Bewusstsein, dass alles Wertvolle, dass das Ideal vom Verfall bedroht und kontaminiert ist. Dichter und Denker sind bekanntlich in der Regel Melancholiker; Baudelaire ging darin aber weiter. Melancholie war etwas, das Baudelaire als Grundbefindlichkeit artikulierte; der Spleen, der bei Baudelaire so zentral ist (Spleen und Ideal, Der Spleen von Paris) bedeutet im Französischen: Melancholie. Ich will nicht sagen, dass sich nicht die Freude mit der Schönheit verschwistern könne, muss aber die Freude als eines der vulgärsten Ornamente bezeichnen, indess die Melancholie der Schönheit hehre Gefährtin ist, derart, dass ich wenigstens mir keinen Typus von Schönheit vorzustellen vermag, dem das „Unglück“ ferne stände, bekennt er. Auf der anderen Seite stellt sich aber die Frage, wie verschwistert Baudelaire mit der Melancholie denn dann tatsächlich auch war (ohne natürlich das in Abrede stellen zu wollen). Lebensfeindlich und -müde schienen weder Baudelaire noch seine Dichtung. Die ist vielmehr prall, überladen, pulsierend, geradezu vital. Wenn sich auch die Schönheit für Baudelaire immer wieder entzieht, findet er sie zunächst ja einmal überall. Er jagt keiner blauen Blume hinterher, sondern schwelgt in einem dauernden sinnlichen Rausch. Ihm gefällt die Mode und das Flüchtige. Das schafft Melancholie nicht notwendigerweise aus der Welt. Aber bei Baudelaire geht sie geradezu mit einer Sanguinik einher, beziehungsweise mit der sanguinischen Empfindlichkeit des Kindes und des Genies. Ein ganzheitliches Sinnbedürfnis bleibt sowieso unerfüllt in der Moderne: heil dem also, der fähig ist, das Vorbeiziehende zu genießen, die Mode zur höchsten Schönheit zu erheben und das Flüchtige als das Dauerhafte und Substanzielle zu erkennen. Im Himmel und, wie Baudelaire ja selber sagt, angesichts statischer Schönheit wird einem schnell langweilig: in der Abwechslung liegt und pulsiert das Leben. Wenn man so will: zwischen den Polen Gott und Satan. Baudelaire ist folgerichtig Flaneur, und erhebt den Flaneur zum urtümlichen Rezipienten moderner, urbaner Schönheit. Insofern in der Moderne keine objektiven Standards für Schönheit mehr existieren, werden die Standards flexibel und kann Schönheit künstlich geschaffen werden. Baudelaire sieht sich als Dandy, als eine Art Aristokrat, dessen einziger Daseinszweck es ist, Schönheit zu kultivieren. Nicht zuletzt delektiert sich Baudelaire am Bizarren. Das Schöne ist immer bizarr, so sein Diktum. Damit ist generell gemeint, dass das Schöne immer ein individuelles Element enthalten muss, um schön zu sein. Ei, das sage ich auch immer. Auch das Bizarre ist mir durchaus bekannt, es liegt innerhalb meiner Arena. An meiner Liliana liebe ich, dass sie sowohl das Schöne versteht, als auch das Bizarre. Wer vollständig sein will, muss ja auch das ganze Spektrum vom Schönen bis zum Bizarren verstehen. Allerdings ist das Bizarre bei mir nicht zentral, sondern eher das Individuelle. Ich finde Frauen, die irgendwie individuell aussehen, schön, nicht solche, die bizarr aussehen. Bei Baudelaire hat das Bizarre einen deutlich zentraleren Stellenwert und das Bemühen um Bizarrerie. Er fühlte sich auch zu bizarren Frauen hinzugezogen. Seine Lebensgefährtin (und „Muse aller Musen“) war Jeanne Duval, eine kreolische Schauspielerin und Tänzerin, die neben ihrer exotischen Ausstrahlung offenbar auch eine ähnlich komplizierte Persönlichkeit war wie Baudelaire selbst, was für eine bizarre Beziehung sorgte.
Sartre macht als das psychologische Zentrum bei Baudelaire dessen Bedürfnis nach Alterität aus. Alterität bezeichnet die Identität stiftende Verschiedenheit zweier aufeinander bezogener, sich bedingender Identitäten. Baudelaire vergewissert sich seiner Identität grundsätzlich, indem er sich als anders definiert. Es ist der eigenartige, dyadische Kampf zwischen dem Bedürfnis nach Unabhängigkeit und nach Geborgenheit, die als Bedürfnisse so extrem empfunden werden, dass sie, obwohl sie ja in gegensätzliche Richtungen laufen, bei Baudelaire dann auch wieder fest aneinander gekettet bleiben und sich in einer fortwährenden Mischung aus Faszination und Abscheu ineinander spiegeln. Baudelaires psychologische Spiegelfechterei und sein Bedürfnis nach Alterität gehen (gemäß Sartre) so weit, dass die Alterität de facto inhaltlich leer bleibt, stattdessen sich selbst zum Inhalt erhebt. Seine Einzigartigkeit, die Baudelaire anstrebt, liegt für ihn in seiner ewigen Alterität, die in ihrem Bedürfnis, sich abzustoßen vom anderen umso radikaler auf den anderen bezogen bleibt. Damit wird seine Identität umso mehr zu einem Bild, beziehungsweise geschieht in der Auseinandersetzung mit einem Bild. Poeten schaffen Bilder. In der Dichtung von Baudelaire vollzieht sich das jedoch in einem abnormen Maße. Man hat bei Baudelaire den Eindruck, dass die Welt, bzw. sein Gegenüber, für ihn tatsächlich in erster Linie Bild ist. Man hat bei Baudelaire scheinbar eine intensive und gegenüber den eigentlichen Weltgehalten additive Wahrnehmung, die die Welt erhebt, indem sie mehr in sie hineinlegt als in ihr eigentlich ist, gleichzeitig aber auch eine flache und blutarme Wahrnehmung, der vieles von der eigentlichen Konsistenz von sowohl dem Selbst als auch dem Gegenüber entgeht. Gleiches gilt für die Emotionalität Baudelaires. Indem sie so dyadisch ist (archaisch zwischen den Polen „Ich“ und „Mutter“ schwingt), ist sie ziemlich asozial. Trotzdem er ein ganzes neues Zeitalter zum Ausdruck brachte, hatte Baudelaire offenbar wenig sozialen Sinn; seine Versuche, sich asozial zu geben (indem er sich sich schminkt, Dandy sein will, Bürgerschreck) wirken vielleicht deswegen ein wenig inkonsistent, da sie sich auf das mütterliche Gegenüber beziehen und scheinbar von keinem eigentlichen gesellschaftlichen Sensorium begleitet werden. Auf der Habenseite steht dann aber doch eine erhebliche Souveränität Baudelaires – gerade durch diese Reflexivität, die in all der Auslebung dieser Alterität und Spiegelfechterei liegt. Wenn man so will, kann (modern betrachtet) weder im Ich noch im Gegenüber, weder im Betrachter noch im Bild das Absolute, das Ganze und Ungeteilte liegen. Superiorität kann das Subjekt erlangen, indem es sich reflexiv und autoreflexiv zwischen diesen beiden Polen verhält. Mit dieser Reflexivität kann das Subjekt sich selbst und die Welt weiterentwickeln, oder zumindest ausgestalten und ausdifferenzieren. Damit ist man bei Baudelaire tatsächlich im Zentrum der Moderne. Was Baudelaire außerdem anstrebte war Luzidität (außerdem: berauscht zu sein und sich zu berauschen. Aber Poesie ist genau genommen eine ins Rauschhafte gesteigerte Luzidität). Luzidität bedeutet aber Durchreflektiertheit; genau gesagt, eine derartige Durchreflektiertheit, dass der Gegenstand transparent wird. Luzidität ist also Modernität. Laut der Philosophin Jadranka Skorin-Kapov steht Alterität mit dem tatsächlich Neuen und Originären, dem Überraschenden in Verbindung, beziehungsweise ist die Basis dafür, dass dergleichen entstehen kann. Baudelaire liebte Neues und Überraschendes, es ist wesentliches Element seines ästhetischen Verständnisses. Und modern bedeutet ja: neuartig. Das Gute an der Alterität ist auch, dass sie das Andere nicht übermannt oder zu übermannen versucht, sondern es als Anderes bestehen lässt. Aus der Alterität entsteht (idealerweise) keine Diktatur und kein verobjektivierender oder stereotypisierender Blick. Alterität inkludiert eine gewisse Anpassungsfähigkeit. Alterität sollte mit Komplexität was anfangen können und sollte in der Lage sein, Komplexität einzufangen. Moderne bedeutet eine gewisse Komplexität und Moderne beinhaltet auch ihre eigene Alterität. Insofern ist es, wenn man die Moderne begreifen oder ausdrücken will, vielleicht ganz gut, wenn man Alterität in sich trägt.
Indem die Moderne kein kompaktes Zentrum hat, gibt es kein eindeutiges Symbol für sie, kein eindeutiges Bild, dass sie darstellt und zum Ausdruck bringt. Man kann zum Beispiel die Moderne utopisch zum Ausdruck bringen, anhand ihrer Leistungen, ihrem Potenzial, ihren Glücksversprechen; oder dystopisch, also über ihr Potenzial zur Potenzierung von Unglück. Beide Ausdrucksformen gibt es, und beide Trajektorien sind in der Realität vorhanden. Aber beide sind unvollständig. Einem Literaturwissenschafter zufolge, dessen Namen ich leider vergessen habe, bringt Baudelaire im Spleen von Paris die Stadt Paris über eine Heterotopie zum Ausdruck. Eine Heterotopie – ein von Michel Foucault geprägter und kurzzeitig verwendeter Begriff – ist eine Art Außenraum, ein Widerlager, eine Gegenplatzierung, die eine verfremdende, gleichzeitig erhellende Sicht auf die Gesamtheit konstruieren. In seinen Prosadichtungen und auch in den Blumen des Bösen beschreibt Baudelaire die moderne Stadt kaum über ihre kulturellen oder politischen Zentren, sondern hauptsächlich über ihre exzentrischen Extremitäten: Armenviertel, alte Jahrmärkte, den Hafen… Genau gesagt, kommt die Stadt in seinen Dichtungen überhaupt nur ziemlich am Rande vor. Dessen ungeachtet evoziert seine Dichtung eine Atmosphäre der Urbanität – hat dann aber trotzdem auch etwas eigentümlich Pastorales, Kontemplatives, Undynamisches und (Morbid-) Idyllisches: was vielleicht auch daran liegen will, dass heterotope Orte, in ihrer Devianz, teilweise nach eigenen Regeln funktionieren und, laut Foucault, eine „tatsächlich realisierte Utopie“ sein mögen (natürlich aber hat, davon abgesehen, eine melancholische Weltbetrachtung durchaus auch all diese Qualitäten bzw. schafft dahingehend ihr eigenes pastorales Territorium). Aller Moderne zum Trotz erscheint die Welt, wie sie Baudelaire vor allem in den Prosadichtungen beschreibt, gleichsam als sehr alt; darin heteronom und fremd, viel älter als das Subjekt, gleichzeitig hat sie durch diese Altheit aber auch die Kraft, Geborgenheit und Platziertheit für das Subjekt zu schaffen und, trotz all ihrer Baufälligkeit, das Subjekt zu überdauern, es in ihrer Erinnerung aber gleichsam aufzunehmen. Sie präsentiert sich als Mimesis des Überzeitlichen, des Ewigen und sie hat etwas Totales und total Immersives. Überhaupt hat die Welt Baudelaires etwas exzessiv Traumhaftes und Bildhaftes – in einer Manier traumhaft und bildhaft, die über das gewöhnliche Maß bei Poeten hinausgeht. Auch ist sie dementsprechend leicht unangenehm, so wie Träume meistens irgendwie unangenehm sind. Wie in Träumen ist dieses Unangenehme dann aber auch wieder ohne echten Belang. Wie in Träumen scheint diese Welt keinen echten Gesetzen zu unterliegen, wie in Träumen ist die Welt fremd, dann aber auch wieder vertraut. Es ist, von den Motiven her, eine mondsüchtige Welt, in der Luna zum Poeten sagt: „Du sollst lieben, was ich liebe und was mich liebt: das Wasser, die Wolken, das Schwingen und die Nacht; das unermessliche, das grüne Meer; das ungeformte, formenreiche Wasser; die Stätte, da du nicht sein wirst; den Liebenden, den du nicht kennen wirst; die ungeheuerlichen Blumen; die taumelschwangeren Düfte; die Katzen, die auf Pianos fast ersterben und seufzen wie die Frauen, mit einer rauen, doch so linden Stimme.“ Die Artefakte der Moderne scheinen (allzu) präzise Konturen zu haben, Baudelaire liebt aber das Unkonturierte, das, was keine klaren Konturen hat und sich, wie das Meer, die Wolken, die Düfte usw. ergießt, das in dem man sich verlieren kann (unkonturiert und zum endlosen Denken und Betrachten anregend ist dann aber eben die Moderne selbst). In den Bildern des modernen Dichters Baudelaire kommen keine Fabriken vor, keine Telegraphenmasten und keine Eisenbahnen. Es kommen bei ihm Arme und Benachteiligte – vor allem Deformierte – vor, aber kein Proletariat. Walter Benjamin fixiert Baudelaire als „Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus“ – aber in seiner Lyrik gibt es kein Geschäftsleben, keine Arbeitsteilung und kein Geld (wenngleich die Zeit Baudelaires aus heutiger Sicht wohl kaum als eine des Hochkapitalismus erscheint, sondern tatsächlich als eine, in der der Kapitalismus noch vergleichsweise wenig Lebensbereiche kolonialisiert hat). Bei alldem scheinen alle Dinge (bzw. die menschlichen und nicht-menschlichen Gegenstände) in seinen Dichtungen eine Selbstständigkeit und Getrenntheit, eine Autonomie voneinander zu bekommen. Die ganze Welt hat ein undurchsichtiges, aber offensichtliches Eigenleben. Baudelaires Welt scheint eine von ächzenden, schnaufenden – eben erzmodernen – Verkettungen zu sein, einer dauernden Dynamik von Verkettungen: etwas Maschinenhaftes also, das nicht zuletzt eine maschinenhafte Verkettung von Begehren zu sein scheint: das freilich gerade bei Baudelaire niemals durch eigentliche Lust „unterbrochen“ wird (obwohl er somit scheinbar auf so zahlreiche ihrer Lieblingsthemen referiert, nehmen sich ausgerechnet die Landsmänner Deleuze und Guattari – soweit mir erinnerlich ist – Baudelaires aber nicht an). 1848 sollte sich Baudelaire tatkräftig an der Februarrevolution beteiligen; er sympathisierte mit den Idealen von Fourier und Blanqui. Nach deren Niederschlagung und der konservativen Restauration zog er sich jedoch frustriert auf die Existenz eines unpolitischen Schriftstellers zurück. Sonderlich tiefgreifend war sein Flirt mit der Politik und mit dem Sozialismus und dessen avantgardistischer Ansprüche offenbar nicht. Insgesamt scheint Baudelaire (zumindest als Dichter) die Welt vorwiegend als ein ästhetisches Phänomen wahrgenommen zu haben, und er hat sie auch als solches überhöht.
Ein Kennzeichen von genialer Kunst dürfte sein, dass in der Darstellung einer Welt noch eine andere Welt hindurchzuscheinen scheint. Eine Welt ist kaum vollständig darstellbar und beschreibbar. Geniale Kunst scheint aber alle Welt, und das auch noch über die bisher bekannten Grenzen hinaus, zur Darstellung zu bringen. Indem sie nun in der Darstellung einer Welt auch noch eine andere Welt zum Ausdruck kommen lässt, könnte über dieses Fluktuieren und Oszillieren das Problem gelöst werden. Obendrein wird es derart ein beweglicher und die Komplexität imitierender Ausdruck sein. Und das hat man in der Kunst Charles Baudelaires. Seine scheinbaren Widersprüche und Inkonsistenzen spannen nur ein weiteres Feld und eine größere Weltsicht auf. Seine Heterotopien sind Brennpunkte der großen Ellipse. Charles Baudelaire hatte die Fähigkeit, eine überzeitliche Welt zu begreifen, und eine zeitgenössische vorausschauend zu definieren. Dass Baudelaire in vielen Aspekten so unmodern und gegenüber seiner Zeit blind zu sein scheint, ist natürlich allein schon einmal dem geschuldet, dass er ja Vorläufer und Prototyp moderner Dichtung ist. Gleichzeitig ist er viel umfassender modern, und außerdem überzeitlicher und generell komplexer als diverse moderne Dichter, die zwar die Schönheit von Stahlbauten mit Antennen dran beschreiben, darin aber auch steckenbleiben und intellektuell in ihrer jeweiligen Zeit verhaftet bleiben. Baudelaire hingegen blickte tief in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er war luzide und berauscht: genau gesagt, von und in seiner Luzidität berauscht. Er war alt wie die älteste und entwickeltste Intelligenz, aber auch jung und frisch wie das Kind: Kind und Genie standen für ihn sowieso in einem Bund: Das Kind sieht alles immer im Lichte der „Neuheit“; es ist immer „berauscht“ … Aber das Genie ist doch nichts anderes als die freiwillig wiedergefundene Kindheit, die nun, um sich Ausdruck zu verschaffen, begabt ist mit mannbaren Organen und mit dem analytischen Geist, der es erlaubt, die Gesamtheit des unwillkürlich aufgespeicherten Materials zu ordnen. Sowohl das Kind als auch das Genie haben eine Lust und sind beherrschend gegenüber dem Paradoxen. In dieser Beherrschung des Paradoxen gelingt es ihnen auch, die diversen sozialen Bezirke (wie zum Beispiel „das Hohe“ und „das Niedrige“) zusammenzubringen, während ein normaler Verstand und eine normale Emotionalität daran scheitert (laut Friedrich Schiller kann nur das Genie (oder eben auch das Kind) verschiedene Lebenssphären, die sich mitunter unversöhnlich gegenüberstehen, zusammenbringen). Bei Baudelaire mag man Trauer über die Unerreichbarkeit des Ideals haben, alle Sphären werden jedoch zusammengehalten über sein spezifisches Sensorium, das alles überbrückt. Im Schluss zu den Künstlichen Paradiesen zitiert er einen bemerkenswerten, wenig bekannten Philosophen, Barbereau. … „Die großen Dichter, die Philosophen, die Propheten sind Wesen, welche durch die reine, freie Ausübung der Willenskraft zu einem Zustande gelangen, darin sie zugleich Ursache und Wirkung, Subjekt und Objekt, Magnetiseur und Somnambule sind.“ Baudelaire gilt als Ausdifferenzierer des Verständnisses von Schönheit, indem er das „Niedrige“ Einzug halten lies in seine Poesie. Tatsächlich war er aber auch Verteidiger eines Ideals der Schönheit gegenüber dem generell Niedrigen, das in den tieferen Logiken des Zeitalters zu liegen schien. Laut Clement Greenberg ist die künstlerische Moderne ein Versuch, bedrohte Qualitätsmaßstäbe gegen die Logik des Zeitalters aufrecht zu erhalten: Der Modernismus ist als ein Versuch des Bewahrens zu verstehen, als ein fortwährendes Bestreben, die bedrohten ästhetischen Qualitätsmaßstäbe zu sichern … Er besteht in einem fortwährenden Bestreben, den Niedergang der ästhetischen Qualitätsmaßstäbe aufzuhalten, die in der Industriegesellschaft von der relativen Demokratisierung der Kultur bedroht werden; die alles beherrschende innerste Logik des Modernismus ist es, das Niveau der Vergangenheit gegen Widerstände zu behaupten, die in der Vergangenheit noch nicht vorhanden waren. (Er fügt an anderer Stelle noch hinzu: Jetzt kommt die Bedrohung der ästhetischen Maßstäbe, der Qualität, aus nächster Nähe, sozusagen von innen her, von den Freunden der Avantgarde-Kunst … man sehe sich nur einmal an, was diesen „postmodernen“ Menschen in der heutigen Kunst gefällt und was ihnen nicht gefällt. Mir scheint, dass sie eine größere Gefahr für die hohe Kunst sind, als es die Banausen früher je waren. Sie machen den banausischen Geschmack wieder aktuell, indem sie ihn als sein eigenes Gegenteil verkleiden und ihn in einem hochtrabenden Kunstjargon verpacken. Sehen Sie sich nur an, wie dieser Jargon sich heute ausbreitet, in New York und Paris und London, sogar in Sydney … Was all dem zugrunde liegt, ist das mangelhafte Sehvermögen der betreffenden Leute, ihr schlechter Geschmack in Sachen der bildenden Kunst.) Baudelaire hatte das vielleicht nicht absichtlich im Sinn – er wusste ja auch noch gar nicht, wovon dementsprechend die Rede war – wahrscheinlich würde er das aber sofort verstanden haben.
Baudelaires Oeuvre ist schmal geblieben, und für mich immer noch eine etwas unebene Landschaft. Seine Dichtung vom Haschisch und seine Künstlichen Paradiese finde ich immer noch sehr langweilig, seine Kunstbetrachtungen und kunstkritischen Schriften sind von atemberaubenden Intelligenz, dann aber auch nur an einigen Stellen gut (der Rest scheint überflüssiger Ballast), seine Blumen des Bösen habe ich erst jetzt, nach über 25 Jahren geschafft, vollständig zu lesen und tiefer zu begreifen – seine Prosadichtungen, Der Spleen von Paris, haben mich hingegen immer schon eingenommen; und ich finde: so sollte Prosa sein. In seiner zentralen kunstkritischen Schrift, wo er sein modernes Programm formuliert, Der Maler des modernen Lebens, exemplifiziert Baudelaire seine Kunstauffassung anhand eines heute schon lange vergessenen Malers, Constantin Guys. Über den und seine Kunst schreibt er zum Beispiel: Wenn aber etwa ein übel Beratener in diesen Kompositionen Guys´, die sich durch sein ganzes Werk zerstreut finden, die Gelegenheit suchen möchte, einer krankhaften Begierde zu frönen, so bin ich menschenfreundlich genug, ihn im voraus zu benachrichtigen, dass er nichts finden wird, was eine krankhafte Phantasie erregen kann. Nichts als das unvermeidliche Laster wird er sehen … nichts als die reine Kunst: die besondere Schönheit des Bösen, das Schöne, das im Grauenvollen wohnt. Oder: Er (Guys) hat überall die flüchtige, vergängliche Schönheit des gegenwärtigen Lebens gesucht, den Charakter dessen, was als die „Modernität“ zu bezeichnen der Leser uns verstattet hat. Oftmals bizarr, gewaltsam, exzessiv, immer aber poetisch hat er in seinen Zeichnungen die bittere oder benebelnde Blume des Weines des Lebens zu konzentrieren verstanden. Offenbar spricht er von Guys, weil er damit genausogut über sich selbst sprechen könnte.
Charles Baudelaire war eine Art Prototyp für den Poéte maudit, den verfemden, unverstandenen Dichter, der – freiwillig oder unfreiwillig/gezwungenermaßen – auf Konfrontationskurs mit der Welt und den Werten seiner Zeit geht, und daher von ihr ausgestoßen wird; der ein gefährliches, an und für sich sauerstoffarm-tödliches und daher auch oft praktisch kurzes Leben hat, um dann nach seinem Tod Anerkennung zu finden. Als Landsmänner seines Jahrhunderts kommen diesbezüglich auch Rimbaud, Lautréamont oder Alfred Jarry in den Sinn, ebenso wie Emily Dickinson, Kierkegaard, Nietzsche oder Büchner. Ei, das ist ja eine ganz charmante Gesellschaft, denn das sind ja alle welche, die die blaue Blume ohne größere Umstände gefunden und bei sich gehabt haben. Sie leben im oder sind Kreaturen aus dem Reich der Ideale, und das Reich des Idealen ist ein ebenes, pazifiziertes, eben pastorales Reich. Es ist daher seltsam, wieso sie sich im Zeitlichen so stoßen und beinahe oder tatsächlich von ihm zermalmt werden. Aber ein ebenes, planes Reich ist die Kultur nur überzeitlich betrachtet. Jeweils aktuell ist die Kultur das Ringen um Werte und Ideale – und daher eine Arena der Auseinandersetzung. Mit diesen Überzeitlich-Idealen will man sich vielleicht lieber nicht anlegen – und so legt man sie zeitgenössisch beiseite. Es erscheint seltsam, aber diese Dichter(innen) selbst scheinen so seltsam, dass es nicht so sehr verwundert, dass die Menschenfamilie sie kaum als unmittelbar ihresgleichen erkennt. Es scheint sich bei den Poétes maudits vielleicht um eine eigene Spezies zu handeln? Aber was ist es dann, was diese Spezies ausmacht und sie so speziell macht? Dass jene Poétes maudits ausgesprochen individuell und subjektiv sind, und daher von zeitgenössischen objektiven Standards nicht erkannt werden, erscheint auch irgendwie als zu kurz gegriffen: denn ausgesprochen subjektiv ist ja so gut wie jeder dann auch wieder. Vielleicht ist das, was die Poétes maudits miteinander teilen, ihre Essenz, eben die Alterität. Ja, so betrachtet erscheinen sie gleichsam als Verkörperungen der Alterität: und das ist dann doch so gut wie niemand – außer eben sie. Und echte Alterität ist mit etwas, das eine Identität sein will, und sich als Identität, als etwas Eindeutiges zu bestimmen versucht, relativ inkompatibel, eventuell Anathema. Das Zeitalter nimmt Individualität gerne auf, um sich selbst zu vergewissern, diverse individuelle Ausformungen sind einem beliebigen Zeitalter ja systemimmanent. Über solche systemimmanenten individuellen Ausformungen und Devianzen mag sich das Zeitalter freuen. Die Alterität ist aber kaum systemimmanent, sondern kommt von einem Anderswo; bzw. ist sie umso unheimlicher, als sie gleichzeitig aus dem tiefsten Inneren, wie auch aus einem entlegensten Außen zu kommen scheint. Um noch einmal auf Foucault zurückzukommen, so kommt der – und die (Post)Strukturalisten mit ihrer topographisch inspirierten Terminologie – öfter mit der Idee/Kategorie von einem „Außen“; das jenseits der bekannten Diskurse und Dispositive liegt, für sie teilweise konstitutiv ist, das bei Foucault et al. aber relativ unbekannt und inhaltlich unterbestimmt bleibt. Für die Poétes maudits scheint dieses „Außen“ gleichsam kein so großer Unbekannter zu sein, sondern eher ihr natürliches Habitat. Sie beherrschen das Außen, und scheinen gleichsam aus dem Außen zu kommen. Aber ihrer Alterität gemäß stehen sie eben mit einem Bein im Diskurs und mit dem anderem in dessen Außen. Das eben ist, ihrem Wesen nach, Alterität. Alteritäten sind, so wie Identitäten, zuletzt noch verschieden. Meine Alterität ist anders als die von Baudelaire. Ich interessiere mich bekanntlich eminent für das Andere, und indem ich mich mit dem Anderen verbinde, erweitere ich meinen Aktionsradius immer mehr, ins unendlich Offene. Meine Alterität beruht nicht auf einem Konflikt. Baudelaires Alterität ist ein dyadisch hin- und herpendelnder Konflikt und ergibt daher einen eindeutigeren Attraktor. Und so schwingt er dann aus dem Außen wieder zurück. Er ist gegenüber allem Möglichen beherrschend, wird dann aber doch wieder in den Bannkreis seiner Faszination für das Morbide und Pathologische gezogen. Mich interessiert das nur am Rande. Ich unterscheide zwischen Geistern, die eine positiv gekrümmte Raumzeit beschreiben, und solchen, die eine negativ gekrümmte Raumzeit beschreiben. Die positiv Gekrümmten sind sphärisch und kommen immer wieder auf sich selbst zurück und die Dinge kommen immer wieder an ihren Platz. Die negativ Gekrümmten sind hyperbolisch, bei ihnen fliegt alles ins Unendliche, sie wollen fortwährend von sich weg. Charles Baudelaire war, so betrachtet, positiv gekrümmt (Rimbaud, der auf ihn folgen sollte, war negativ gekrümmt usw.).
Henrik Ibsen und die Schuldfrage
Leben ist: dunkler Gewalten
Spuk bekämpfen in sich,
Dichten ist: Gerichtstag halten
über sein eigenes Ich.
Henrik Ibsen
Sie sind krank, Baumeister. Ich glaube sogar, sehr krank, sagt Hilde Wangel zu Baumeister Solness, einem literarischen Alter Ego Henrik Ibsens. Zwar nicht im somatischen Sinn oder aber verrückt, denn am Verstand, da fehlt es bei ihnen wohl kaum … Mir scheint eher, dass Sie mit einem gebrechlichen Gewissen zur Welt gekommen sind … Ich meine, dass ihr Gewissen sehr zart und anfällig ist. So – überempfindlich. Dass es keinen Stoß verträgt. Nichts Schweres heben und tragen kann. An einer anderen Stelle gesteht der Baumeister seiner Frau Aline: Ich habe Schuld, unermessliche Schuld – dir gegenüber … Aber es steckt ja doch gar nichts dahinter. Ich habe dir niemals irgend etwas Böses angetan. Jedenfalls nicht wissentlich und willentlich. Und trotzdem – trotz alledem habe ich das Gefühl einer lastenden Schuld, die mich erdrückt. – Ja dann – dann bist du ja doch krank, Halvard, entgegnet die darauf. Offenbar. Krank – oder so was Ähnliches, dann wieder der Baumeister.
Ein Gewissen ist unruhig oder fühlt sich belastet durch eine tatsächliche oder mögliche Schuld. In den Dramen von Henrik Ibsen wimmelt es von Schuld. Die ausformulierteste, dramatischste Figur bei Ibsen, die ein ganzes Stück trägt, Peer Gynt, findet ihr Selbst nicht; ihre Schuld besteht darin, dass sie gar nicht das Niveau eines tatsächlichen Subjekts erreicht und gar nicht im eigentlichen Reich des Menschlichen, im Ethischen, ankommt. Die Ibsenschen Figuren verstricken sich in Lebenslügen, oder aber folgen ihren (meistens lobenswerten) Lebensaufgaben mit einer Einseitigkeit und einer Borniertheit, auf dass es ihre guten Intentionen oder aber ihre eigene Subjektivität zunichte macht. Diejenigen, die die anderen aus ihrer schuldhaft verstrickten Subjektivität befreien wollen, sind irrationale Fanatiker, die schließlich erst recht die Katastrophe auslösen und noch mehr Schuld in die Welt reinbringen. Geschäfte machen heißt bei Ibsen in aller Regel: sich schuldig machen. Kunst machen heißt bei Ibsen in aller Regel: sich schuldig machen. Man hat ein schuldiges Patriarchat und noch schuldigere Frauen als dessen willigste Opfer. Hin und wieder schaffen es die Ibsenschen Charaktere, ihrer Schuld zu entrinnen, insgesamt aber ist die Farbe dunkel. Die Freiheit, die Bewegungsmöglichkeiten, der Reichtum der Figuren stehen immer wieder ursächlich mit dunklen Machenschaften aus der Vergangenheit im Zusammenhang: mit Betrügereien, Unterschlagungen, Fälschungen, Raubbau, die den Figuren dann in der dramatischen Situation auf den Kopf fallen. Überall wo man bei Ibsen hinsieht, gibt es illegitime, gar inzestuöse Liebschaften und – erbsündenartige – degenerative Erkrankungen bei den armen Kindern, die daraus entsprungen sind. Eine abartige Menschheit und Gesellschaft hat man bei Ibsen letztendlich, eine große Gesellschaft des Perversen und des universalen Schuldzusammenhangs … die große Gesellschaft … was steckt im Grunde dahinter? Kein moralisches Fundament, auf dem man stehen kann. Mit einem Wort, diese große Gesellschaft von heutzutage ist ein übertünchtes Grab, so der Adjunkt Rörlund in Die Stützen der Gesellschaft. Ob die große Gesellschaft tatsächlich so ist, weiß ich nicht – aber es ist auf jeden Fall ein Schuldspruch über die große Gesellschaft.
Ibsen gilt als Dramatiker mit großem gesellschaftlichen Sinn. Aber warum zeigt er dann so viele mögliche gesellschaftliche Situationen nicht? Warum funktionieren die Gesellschaften bei Ibsen niemals auch so, als dass sich alle mit einer übertriebenen Freundlichkeit versuchen, gegenseitig zu schwächen, weil sie so viel Angst voreinander haben und so viel Angst, dass eine Art archaische Gewaltorgie ausbrechen könnte, wenn sie sich durch ihre Höflichkeitsrituale nicht gegenseitig fast vollständig pazifizieren und einlullen? Warum begegnen sich die Menschen nicht entweder übertrieben freundlich oder aber misstrauisch und mürrisch, in einer Mischung aus Angst und Arroganz, bis sie herausgefunden haben, ob der andere nicht etwa überlegen ist, sondern eh nur unterlegen oder zumindest pari? Warum gibt es nicht, in Anlehnung an Rene Girard, mehr mimetische Konflikte in den Dramen von Henrik Ibsen (als nur in Hedda Gabler), also Konflikte, die entstehen, weil der eine was will, nur weil es der andere will oder hat? Denk dir eine eingeschworene Gesellschaft von Idealisten, die dann auseinanderbricht, als sie merken, dass sie diese Ideale jeweils aus ganz unterschiedlichen, und oftmals gar nicht idealen Gründen verfolgen. Warum zeigt Ibsen nicht eine Gesellschaft von enthusiasmierten Kunstfreunden und Kunstwissenschaftlern, die plötzlich ganz still und verschlossen wird und deren Abwehrmechanismen Amok laufen, wenn ein Künstler höchsten Ranges tatsächlich auftritt? Warum zeigt er nicht eine Gesellschaft von vollmundig „sapiosexuellen“ Frauen, deren „Sapiosexualität“ ganz plötzlich implodiert, deren hübsche Gesichter ganz plötzlich vereisen und aus ihren Augen blitzt der blanke Hass etc., wenn ein tatsächlich intelligenter Mann daherkommt? All das tut Ibsen nicht. Alles schuldig machen, alle in schuldhafte Verstrickungen verwickeln, unlösbare Knoten der Schuld knüpfen, Netze von Schuldzusammenhängen weben, in denen sie sich verlieren wie Insekten im Netz der Spinne – das ist es, was ich will, das ist der Sinn meiner Existenz, ja das ist ganz klar, deshalb bin ich ja hier – grummelt er im fahlen Licht in der Ecke, senkt sein beeindruckendes, einschüchterndes Löwenhaupt und macht sich an die Arbeit.
Ihr Frauen, ihr seid die Stützen der Gesellschaft, erkennt Konsul Bernick am Ende des gleichnamigen Stücks – auf das dann das „feministischste“ Drama Ibsens folgen sollte: Nora – Ein Puppenheim. Aber die „feministischen“ Heldinnen bei Ibsen bleiben ein ziemliches Ärgernis. Nora im Puppenheim lässt sich von ihrem Gatten über Jahre hinweg als singende Lerche, als lockerer Zeisig, als Leckermäulchen, als seltsames kleines Ding, als Du kleiner Leichtsinn oder als Du schwaches, hilfloses Wesen titulieren (was angesichts ihrer Persönlichkeit auch durchaus angemessen ist), kauft ein wie eine Blöde, kennt sich nirgendwo aus und übernimmt für nichts Verantwortung. Schließlich verlässt sie nicht nur ihren unsympathischen Mann, um sich selbst zu finden, sondern kurzerhand auch ihre Kinder (was symbolisch gesehen eine gewisse Konsequenz und Folgerichtigkeit in der Abrechnung mit dem Patriarchat hat, seinerseits aber auch etwas Unheilvolles symbolisiert oder ankündigt). Hedda Gabler ist hinter ihrer eindrucksvollen Oberfläche noch stärker von Männern abhängig und lebt von deren Energie wie ein Vampir, sie kann bösartig, gefährlich und zerstörerisch werden und ist überhaupt kein Charakter, dem man im Leben begegnen will. Ellida, die Frau vom Meer, ist langweilig; im gleichnamigen Stück symbolisiert sich aber auch, dass „Freiheit“ ein verzwicktes, verwickeltes Ding ist: Sie funktioniert an und für sich nur, wenn man sie sich selber nimmt, aber auch, wenn sie einem von anderen gegeben wird (ansonsten hat sie etwas Solipsistisches und Anarchisches). Das Verlangen nach dem Grenzenlosen, Endlosen, nach dem Unerreichbaren, das treibt deinen Geist zuletzt noch ganz ins nächtige Dunkel hinein, warnt überhaupt der Doktor Wangel die Frau vom Meer. In diese leere, anarchische Freiheit, ins Meer, läuft Ellida dann aber nicht, weil ihr die Freiheit gegeben wird, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen: Denn nun komme ich zu dir in Freiheit – freiwillig – und in eigener Verantwortung, beschließt sich Die Frau vom Meer als eines der wenigen Stücke Ibsens heiter und beschwingt.
Als Feminist verstand sich Ibsen aber sowieso nicht. Die „Menschenschilderung“ hat er als seine Aufgabe betrachtet. So gilt Ibsen auch als Schilderer und Analytiker des Durchschnittsmenschen: und in der Hinsicht verdanken wir ihm wertvollste Einsichten. Der Durchschnittsmensch aber, wie er in der Wirklichkeit erscheint, hat zahlreiche liebenswerte Eigenschaften; er mag in der Lage sein, beträchtliche Energien zu mobilisieren; er mag zielstrebig, arbeitssam und konsequent sein; immer wieder einmal wartet er mit klugen Einsichten und so trefflichen sprachlichen Formulierungen auf, so dass selbst uns Dramatikern die Spucke wegbleibt. Peer Gynt und Ekdal Vater und Sohn hingegen sind unternormal. Das einzige Genie hinwiederum, das bei Ibsen auftritt, Ejlert Lövborg in Hedda Gabler, ist verwahrlost und lebensuntüchtig und stirbt; der genialische Mensch, Ulrich Brendel in Rosmersholm, fällt, nur weil er die Schwelle zum Genialen doch nicht überschreiten kann, einfach ins Nichts. Die stattlichen, annähernd majestätischen Kunstmenschen, Baumeister Solness oder Professor Rubek, sind innerlich fragil, die majestätischen Geschäftsmenschen und Bankiers sowieso. Die einzige Figur, die die Menschheit und die Gesellschaft tatsächlich durchschaut, der Arzt Relling in der Wildente, ist wesentlich zynisch und beharrt darauf, dass die Gesellschaft nur durch Lügen zusammengehalten werde. (Was nicht heißt, dass nicht auch, in anderen Stücken, Lona Hessel oder der Volksfeind Doktor Stockmann auftreten, die in der Wahrheit und am Festhalten an der Wahrheit die eigentliche kohäsive Kraft erkennen wollen.)
Der Baumeister Solness ist der Kunstmensch als Willensmensch, geradezu als Gewaltmensch. Er lässt seine Zuarbeiter, Vater und Sohn Brovik, nicht aufkommen und fördert und lobt den talentierten Sohn nicht. Er hat Angst vor der jungen, aufstrebenden Künstlergeneration (Knut Hamsum). Na gut. Und sonst? Aber wir wissen nicht, was sonst ist. Vielleicht ist das alles, im harmlosen Sinn. Vielleicht ist es aber auch alles, im potenziell gefährlichen Sinn. Vielleicht ist der Baumeister Solness außerhalb seines Kunstwillens tatsächlich fast so gut wie nichts. Vielleicht ist der Baumeister ein reiner Wille zur Macht und daher etwas Sinistres. Oder aber, vielleicht ist er zu hauptsächlich das – deswegen verfügt er über Sensibilität genug, sich dafür zu schämen. Ich verdiene (Ehre) nicht; denn ich bin bis zum heutigen Tage kein uneigennütziger Mensch gewesen. Hatte ich auch nicht immer pekuniäre Vorteile im Auge, so bin ich jedenfalls doch jetzt überzeugt, dass größtenteils das brennende Verlangen nach Macht, Einfluss und Ansehen die Triebfeder meiner Handlungen war, gibt Konsul Bernick gegen Ende der Stützen der Gesellschaft zu. Auch der napoleonisch gestimmte, jedoch glücklose Bankier John Gabriel Borkman (einer fratzenhaften Selbstkarikatur Ibsens) sieht sich als Stütze (sogar eher als Fundament) der Gesellschaft, deren Wohlstand er auf ein höheres Niveau heben will. Geradezu ausschließlich und besessen rotiert er jedoch um seinen eigenen, aus seiner eigenen archaischen Urtümlichkeit kommenden Willen zur Selbstbehauptung.
Ich war damals kaum erwachsen, aber ich fühlte die Kraft Gottes in mir, und ich meinte, der Herr selbst habe mich gezeichnet und mich auserkoren, offenbarte Ibsen einmal über sich selbst. Ibsen war als Künstler ein Willens- und Machtmensch. Mehr noch, opferte er alles der Arbeit an seinem Lebenswerk, das, wie ich unerschütterlich glaube und weiß, Gott mir auferlegt hat. Ein solcher Glauben an sich selbst und an seine Sendung ist bei einem Genie nichts Ungewöhnliches (außerdem auch nichts, was sich das Genie von den Nichtgenies ausreden lassen sollte). Eine derartige „Unerschütterlichkeit“ ist dann aber vielleicht doch nicht so gut. Sie behindert das Genie in seiner wertvollsten Gabe, seiner Versatilität, und sie interferiert erheblich mit der typischen Gelassenheit des Genies. Vor allem hat Unerschütterlichkeit auch etwas Unmenschliches. Man sagt, über das Privatleben von Henrik Ibsen gibt es kaum was zu berichten. Er sei ganz in seinem Werk aufgegangen. Menschen hat er ziemlich gemieden. Vielleicht war er recht eingeschränkt in seiner Genussfähigkeit. Die Menschen um sich habe er sich und seinem Schaffensdrang untergeordnet. Am Ende schämt er sich, seiner Frau in seinem Willen zum Werk, wie er meint, das Leben versaut zu haben. Er glaubt zu erkennen, nie „gelebt“ zu haben (ein Drang zu „leben“ beherrscht etliche Figuren im Ibsenschen Kosmos). Ja, – was sehen wir da eigentlich? (wenn wir Toten erwachen) fragt Professor Rubek im gleichnamigen Fanal. Wir sehen, dass wir niemals gelebt haben, antwortet seine verflossene, verstoßene Liebe Irene. Es gewährt mir eine gewisse Befriedigung, so bekannt zu sein in den Ländern ringsum, aber ein Glücksgefühl bringt es mir nicht. Und was ist es schließlich wert, das Ganze?, gesteht Ibsen (eventuell ein wenig launenhaft) über sich selbst in einem Brief. Schon Ella Rentheim prophezeit John Gabriel Borkman: Niemals wirst du als Sieger Einzug halten in dein kaltes, finsteres Reich. Klar – denn wie sollte man in ein kaltes, finsteres Reich denn überhaupt auch als Sieger Einzug halten? So ein bisschen was von einem kalten, finsteren Reich hat das ganze dramatische Werk Henrik Ibsens.
Es ist keine revolutionäre Erkenntnis, dass die „Menschheits“- und „Gesellschaftsdramen“ von Henrik Ibsen in einem erheblichen Maße nach außen gewandte innere Dramen ihres Schöpfers sind. Dass die Figuren, die auftreten, Ibsensche Selbstprojektionen sind oder aber erhebliche Ich-Anteile von ihm verkörpern und illustrieren. All seine Dichtung beruhe darauf, was er selbst – zwar nicht notwendigerweise erlebt, aber doch – durchlebt habe, offenbart Ibsen. Daher kommt, wie man meint, auch der große psychologische Sinn bei Ibsen – weil diese („vermeintlich“) gesellschaftlichen Dramen innerliche psychologische Dramen bzw. Auseinandersetzungen und Vivisektionen sind. Literarisches Genie besteht darin, dass jemand seine Gedanken und psychologischen Zustände dermaßen objektivieren und auf eine solche Ebene der Analyse, der Abstraktion, der Konkretion und der Integration erheben kann, dass er damit so sinnvolle Aussagen über Mensch und Gesellschaft machen kann, dass es scheint, dass er das „Wesen“ von Mensch und Gesellschaft insgesamt durchschaut hätte. Einen solchen Fall hat man natürlich auch bei Ibsen. Es gibt dann aber größere und kleinere Genies. Den Reichtum und die Mannigfaltigkeit (und das Komödiantische) des Figuren- und Ideenkosmos von Shakespeare oder Dostojewski hat der Ibsensche dann nicht. Ich habe Ibsen früher für gigantisch gehalten, jetzt aber arbeite ich mich an der Laune ab, dass ich in seinen Dramen nicht einmal wirkliche Dramen sehen kann. Dramen sind etwas Dynamisches. Bei Ibsen hat man aber etwas beinahe Statisches, seine Dramen erscheinen wie ein bleierner Mantel, die er um seine Figuren und um die Welt legt – indem er alle in Schuld verwickelt. Bei Dante laufen Sünder in der Hölle in bleiernen Mänteln herum und sind mit ihnen beschwert. (Ibsen selbst ist in schweren Mänteln herumgegangen, als hätte er sich hinter ihnen verbergen wollen, genauso wie hinter seinem rauschenden Bart und Haar.) Groce macht es als große künstlerische Feinsinnigkeit bei Ibsen aus, dass man in seinen Dramen nie so genau weiß, wer eigentlich schuld ist. Man kann sich in seine Figuren meistens hineinversetzen und ihre Handlungen und ihre Motive verstehen. Umgekehrt führt diese nicht eindeutige Lokalisierbarkeit von Schuld aber auch irgendwie dazu, dass die Schuld so breit wie möglich gestreut wird und dass alle so ein wenig Schuld sind. Vielleicht hat die ständige Beschwörung der Schuldhaftigkeit bei Ibsen eine Wurzel auch in einer narzisstischen Selbstaufblähung. Auch dann aber irritiert die Omnipräsenz der schuldhaften Verstrickungen in seinem Universum; weist aber auch auf die schuldhafte Wurzel (der narzisstischen Selbstbezogenheit und sadomasochistischen Lust an der schuldbeladenen Selbstbespiegelung) ihrer selbst hin. Insofern die Ibsenschen Dramen so gesehen nicht ganz Dramen sind, ist die Ibsensche Tragik, aus der sein Weltbild scheinbar besteht, vielleicht nicht ganz Tragik. Tragik ist: Eine Figur, die auch gewinnen könnte, verliert. Bei Ibsen sind die Figuren aber kaum darauf angelegt, gewinnen zu können. Man hat bei Ibsen kein tragisches Universum, sondern ein sadistisches Universum. Es ist ein aggressives Universum, gegenüber seinen Bewohnern. Man hat bei Ibsen etwas Degradierendes gegenüber dem Menschen – was so wohl kaum in seiner Absicht gelegen ist. Johannes Rosmer auf jeden Fall zerbricht in Rosmersholm an seiner unerfüllbaren Lebensaufgabe, daran, dass er, wie er meint, doch nicht über die Fähigkeit verfügt, die Menschen zu adeln, er den Glauben daran verliert, dass es möglich ist, die Herzen zu läutern und zu veredeln, und bringt sich um (was schon wieder als unnötige Aggressivität irritiert).
Angesichts einer derartigen sadistischen (Auto-) Aggressivität verwundert es dann nicht, dass Ibsen dann ordentliche Gewissensbisse verspürt haben muss. Oder vielleicht noch mehr: Erinnere ich mich da an den einen Nachtschwärmer neulich um 2 Uhr früh in der Fledermaus, der mit allen Leuten aggressiv ins Gespräch kommen wollte. Er hasse sich selbst, hat er mir ganz unvermittelt und distanzlos erklärt: Klar, wenn man so aggressiv ist wie ich, muss man sich ja selbst hassen, ned wahr?
Wenn einer Gewissensbisse hat, sieht er überall Schuld – und will (zur eigenen Entlastung) überall Schuld sehen. Q.E.D.
*
Einer der wichtigsten Texte in der Menschheitsgeschichte ist der Text von Otto Weininger über Henrik Ibsen. In dem geht es vor allem um das Menschheitsproblem, das der Peer Gynt aufwirft. Der Peer Gynt gilt als der „nordische Faust“, oder auch als „bizarre Satire“ auf den Faust (mein Rompf hinwiederum ist eine bizarre Satire auf den Peer Gynt). Zunächst einmal fungiert er als bizarre Satire auf die lethargische Rückständigkeit und Verträumtheit Norwegens zur damaligen Zeit. Darüber hinaus und vor allem sind aber sowohl Peer Gynt als auch Faust Figuren, anhand derer sich „Menschheitsprobleme“ illustrieren; beziehungsweise sind sie Figuren, in denen sich die Menschheit individualisiert. Sie sind beide auf der Suche nach einem „Selbst“, und sie sind beide auf der Suche danach (so wie die Ibsenschen Charaktere generell), das Leben zu beherrschen. Peer Gynt tut das auf triviale Weise: er will Reichtümer anhäufen, Macht, Annehmlichkeiten, er will Kaiser werden. Das Stück schildert praktisch sein ganzes Leben, in dem er zwar älter wird, aber nicht reifer. Peer Gynt strebt nach Ich-Genuss, der sich noch dazu vorwiegend in der Befriedigung seiner Eitelkeit vollzieht. Diese Egozentrik führt dazu, dass er im Wesentlichen durch äußere Gegenstände sich definieren lässt, und gar kein „Ich“ ausprägt, symbolisiert durch das Schälen einer Zwiebel, bei der man immer nur zu neuen Schalen, aber niemals zu einem Kern vorstößt.
Faust ist da gescheiter und reflektierter; er ist kein „Durchschnittsmensch“. Er ist mehr als nur ein Ego, er hat (in etwa) so etwas wie ein Selbst. Er strebt manisch nach Wissen, Bildung, Erfahrung; durch Wissen, Bildung, Erfahrung will man idealerweise Gegenstände in sich selbst ausprägen, eine Welt in sich werden, die dann auch in sich ruht. Aber Faust schafft das nicht ganz; da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor u. dergl. Irgendwie kann er keine prägenden Erfahrungen machen (wird also, in den Sinn, ebenfalls „älter, aber nicht reifer“), und bekanntlich auch nichts genießen. Er überschreibt, wie man weiß, dem Teufel seine Seele, sollte der ihm einen Augenblick verschaffen, von dem er wünschte, er würde verweilen. So gesehen hat der Faust gleichsam ein „leeres“ Selbst, das gewisse Funktionalitäten eines Selbst hat, aber nicht die Integriertheit (und das Integre) eines Selbst. Sowohl Peer Gynt als auch Faust sind einigermaßen (nicht vollständig, da sie ein bestimmtes Gewissen ja haben) amoralisch, egozentrisch und nihilistisch. Sie sind keine in sich integrierten Menschen, sie haben nicht wirklich ein Selbst.
Henrik Ibsen strebte nach Wahrheit und nach Aufrichtigkeit. Die Emanzipation von der Lebenslüge und das Übernehmen von moralischer Verantwortung durch das Individuum war sein Lebensthema und das durchgehende Thema seiner Literatur. Damit ein Individuum echte moralische Verantwortung übernehmen kann und in sich ausprägen kann, muss es sich dafür entscheiden. Wahrhafte Selbstentfaltung und das Übernehmen von moralischer Verantwortung des Individuums kann nur in Freiheit und auf der Basis von freien Entscheidungen stattfinden; eine authentische Entscheidung ist nur in Freiheit und selbstgewählt möglich (ansonsten ist sie ja mehr oder weniger aufgezwungen und ein Gegenstand, der mehr oder weniger von außen kommt). Der Geist der Wahrheit und der Geist der Freiheit – das sind die Stützen der Gesellschaft; mit dieser Proklamation der Lona Hessel beschließt sich das gleichnamige Stück.
Auch Otto Weininger strebte nach Wahrheit und nach Freiheit und nach der Kultivierung eines moralisch kompetenten Ich: eines Selbst. Er war vom Peer Gynt begeistert. Ich wiederum bin von Otto Weininger begeistert: weil der, so weit ich sehen kann, es tatsächlich geschafft hat, die Frage nach dem Sinn des Lebens zu beantworten. Die gleichzeitige Verwirklichung von Logik und Ethik ist der Imperativ, der Otto Weininger an das Subjekt aufstellt. Tatsächlich wird über die Verwirklichung von Logik als auch Ethik das Subjekt konsistent in sich und gegenüber sich selbst, sowohl als Individuum wie als Wesen einer Gesellschaft; es bringt seine Doppelnatur als Individual- wie als Kollektivwesen in Einklang und verwirklicht so sein Selbst. Ich finde das einfach wirklich sehr gut, obwohl ich mich mittlerweile nicht mehr davon übermannen lasse. Im Gegensatz dazu hat der Idealismus von Otto Weininger offensichtlich aggressive Züge. Vielleicht war er sogar wesenshaft Aggressivität. So gesehen hat Otto Weininger eventuell deswegen so gut mit Henrik Ibsen resoniert (er hat sogar extra Norwegisch gelernt, um Ibsen im Original zu lesen), weil sie sich in dieser Aggressivität (oder irgendetwas dergleichen, sagen wir halt zumindest: in dieser Angestrengtheit) ihres Idealismus ja offenbar getroffen haben. Noch ausgeprägter – in einer grotesken Weise ausgeprägt – war bei Otto Weininger die Besessenheit von Schuldgefühlen, die er da hin und dort hin reinprojiziert hat. Auch wenn man sich an diese Schuldkomplexe und ihre Projektionen mit rationalen Erklärungen annähern kann, versagen sie schließlich im Fall Weininger. Er – einer der absolut intelligentesten und einsichtigsten, intellektuell vielversprechendsten Menschen aller Zeiten und im persönlichen Umgang hochgradig harmlos – hat sich bekanntlich mit 23 Jahren erschossen: weil er sich für einen „Verbrecher“ gehalten hat.
(Im Übrigen warnt Otto Weininger in seinem Ibsen-Aufsatz auch davor, zu glauben, man könne die „Symbole“ eines Dichters eindeutig erklären und sie eindeutig psychologisch, soziologisch usw. rückverfolgen. Aber das wollen wir hier ja gar nicht tun. Wie immer, sind auch diese Reflexionen über Ibsen nur ein angeregtes Experiment.)
Ich sehe, ich habe scheinbar sehr viel Glück: dass meine Emotionalität gut funktioniert und dass ich eine transparente Persönlichkeit habe. So etliche andere haben es offenbar nicht so leicht, selbst wenn sie Genies sein sollten. Aber mein Werk ist im Wesentlichen ein einziges Gebet für sie.
Allahs trunkene Poeten (Hafis, Rumi und Chajjam) (in memoriam Wiener Zeitung)
„Gesteht´s! Die Dichter der Orients sind größer als die des Okzidents“, forderte Goethe einst ein. Und meinte damit die drei persischen Großen Hafis, Rumi und Omar Chajjam.
Wie so einiges, was der deutsche Dichterfürst Goethe veröffentlicht hat, war seine letzte und umfangreichste Gedichtsammlung, der „West-östliche Divan“ (in seiner endgültigen Fassung erschienen 1827), kein Bestseller: Über Jahrzehnte hinweg kam sie über ihre erste Auflage nicht hinaus, auch heute erscheint sie selbst für eingeweihte Leser voluminös und nicht leicht zugänglich. Dennoch ist es jenes Werk, welches innerhalb des stets sich wandelnden Zeitgeistes seinen „östlichen“ Elementen ein sicheres Fundament im Westen zu verschaffen wusste: den drei großen persischen Dichtern Omar Chajjam, Dschalaludin Rumi und vor allem Hafis, denen Goethe in diesem Werk seine jauchzende Referenz erweist. Was Goethe wiederum bis heute einen Ehrenplatz als Dichter und vor allem als „Kulturvermittler“ in der persischen Bevölkerung eingetragen hat.
Umgekehrt tun es sich die drei Perser im Westen schwerer: Ihre Namen sind den Gebildeten, wenn überhaupt, dann hauptsächlich vom Hörensagen bekannt, ihre Werke werden zu wenig gelesen, falls Teile aus dem jeweils umfangreichen Gesamtcorpus aktuell überhaupt aufgelegt werden, dann vorrangig über Spezialverlage. Seit ihrer Entdeckung durch westliche Übersetzer zu Goethes Zeiten kämpfen sie sich durch Konjunkturen, in denen das Interesse an ihnen mal stärker ist, mal schwächer, und möglicherweise wären sie ohne den Einsatz Goethes mehr oder weniger gänzlich bei uns in Vergessenheit geraten. Dabei muss jedem, der in ihre Poesie eintaucht, ins Auge springen, dass es sich bei diesen vor vielen Jahrhunderten, zur Zeit der Hochblüte der islamisch-arabischen Kultur verfassten Werken, abgesehen von der Kraft, Schönheit und formalen Stringenz, durch die sie sich auszeichnen, um hochgradig „modernes“ Gedankengut – und sogar auch um „moderne“ Poesie handelt. Was allerdings zu eng bemessen ist: In Wahrheit handelt es sich um Ewigkeitswerte par exellence.
Tatsächlich lassen sich die drei Dichter wie eine Dreifaltigkeit begreifen: Ihre Themen sind dieselben, der Raum, den sie schaffen und in dem sie sich bewegen, ein einheitlicher, allein auf der Ebene der formalen Mittel findet sich von Omar Chajjam ausgehend über Rumi bis hin zu Hafis eine fortlaufende Entwicklung und vor allem Intensivierung. Gleichzeitig erscheint wie kaum in der Literaturgeschichte einer von ihnen wie eine Reinkarnation des anderen, sodass man glaubt, es gleichsam mit einer einzigen Geist-Persönlichkeit zu tun zu haben, die zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert nach unserem Kalender herumwandert: der des tanzenden Derwisches, eines Anhängers des Sufi-Ordens, der über eine ekstatische, mystische Schau zu einer Einheit des Denkens, des Gefühls, der Wahrnehmung und des Lebens, schlechthin also des Seins insgesamt zu gelangen versucht. Denn wenn man die Vielzahl der Thematiken der Poesie dieser drei Dichter und die Gegensätzlichkeiten innerhalb der Weltanschauung und Philosophie, die in ihr enthalten ist, auf einen einheitlichen Nenner herunterbrechen müsste, so ist es das, wohin man letztlich gelangt.
Omar Chajjam (1048-1131) stammte aus einfachen Verhältnissen und entwickelte sich dabei zu einem der bedeutendsten Gelehrten und Wissenschaftler seiner Zeit. Als Mathematiker fand er eine Lösung kubischer Gleichung über geometrische Methoden, mit der er Descartes vorgriff, und verfasste ein Lehrbuch über Algebra, das lange Zeit gültig war. Als Astronom schuf er einen Kalender, dessen Berechnungsmethode noch heute herangezogen wird. Obwohl kein Arzt, wurde er bei besonders schwierigen Fällen, wo die damalige ärztliche Kunst nicht mehr weiterwusste, herangezogen. Anfeindungen und Denunziationen blieben ihm deshalb selbstredend nicht erspart, doch ebenso reichhaltig wie sein Wissen war seine Persönlichkeit.
Im Alter verfasste er eine Sammlung von Rubijat – vierzeiligen Gedichten – die in ihrer scheinbaren inneren Gegensätzlichkeit kaum zu überbieten ist. Was seinen einfachen Grund darin hat, dass es in ihnen um das Rätsel des Daseins in allen seinen Manifestationen schlechthin geht: das Machen von Plänen und ihre Durchkreuzung durch das Schicksal; die Suche nach Wahrheit, die, konsequent verfolgt, letztendlich unauffindbar ist und daher nur in umfassendem Skeptizismus und in einer Bekenntnis zur Unwissenheit münden kann; der unmittelbare Drang zur Selbstvervollkommnung und deren Hinfälligkeit durch den Tod; die Ehrfurcht vor den Seinsmächten und dem Fatum, kurz: dem Himmelsrad, gepaart mit der Einsicht, dass dieses noch „tausendmal hilfloser“ sei als der Mensch. Angesichts so viel, wie man meinen könnte, desillusioniertem Materialismus jedoch eine tiefe Einsicht in die göttliche Durchwirktheit der Natur – denn Sufi und allgemein ein Mensch, der die höchste Daseinsstufe und Seinsqualität erreicht hat, ist einer, für den Tod und Leben, Leid und Freude, gleich geworden sind, und in der Göttlichkeit aller Qualitäten aufgehen.
Ungeniert transformiert Omar Chajjam den Rahmen seiner dunklen, metaphysischen Grübeleien, die seine Dichtungen zumeist sind, dadurch, indem er stets bekräftigt, dass es eben gerade angesichts der Unlösbarkeit der letzten Probleme des Daseins nichts Besseres gäbe als „den Weinrausch“, beziehungsweise den geistigen wie sinnlichen Genuss des Moments. Etliche Rezensenten haben sich immer wieder darum bemüht, zurechtzurücken, dass die Hochschätzung des Weinrausches, die die Dichtungen von Chajjam wie Rumi und Hafis gleichermaßen durchzieht, Symbol sei für das freie Denken und die mystische Vereinigung mit Gott. Das ist sie natürlich – angesichts der schelmischen Lebensfreude, mit der sie bekräftigt wird, sieht man aber unmittelbar, dass solche Versuche, die Trinklieder dieser drei vollständig zu „vergeistigen“, auf verlorenem Posten stattfinden: Natürlich sind sie bei aller Symbolik auch genauso gemeint, wie es ausgedrückt und gesagt wird.
Dschalaludin Rumi (1207-1273) huldigt in seinen von der Form her meist komplexeren Gedichten nicht allein des Weines und der Sinnesfreuden, sondern auch des mystischen Freundes. Die Begegnungen, Freundschaften und (platonischen?) Liebschaften zu mehreren Sufi-Meistern und der Schmerz über ihren Verlust durch Tod waren die eigentliche Inspirationsgrundlage für den Gelehrten Rumi für seine Dichtung. Anders als bei dem eher düsteren Chajjam steht die Dichtung Rumis ganz im Zeichen der umfassenden Liebe, freilich ebenso auf dem Grund der unlösbaren Welträtsel, die aber durch die von der Liebe geleiteten mystischen Schau in die Persönlichkeit des Suchenden aufgenommen und verinnerlicht werden. Die Liebe zum Freund ist gleichzeitig die Liebe zu Gott beziehungsweise zur Fülle des Daseins, und transzendiert deren Widersprüche. Die Sprache wird bei Rumi vieldeutiger, ausdrucksstärker und symbolhafter – wie eben die Welt selbst. Sein umfangreiches Werk soll Rumi der Legende nach als fröhlicher Poet bei allen möglichen Gelegenheiten geschaffen haben, im Weinhaus sitzend oder durch die Straßen ziehend. Seine Anhänger schrieben es dabei für ihn auf. Durch Neuübersetzungen haben es die Dichtungen und die Lebensphilosophie Rumis gegenwärtig in den USA zu einer hohen Popularität gebracht, 2007 wurde Rumi sogar über BBC als „populärster Poet Amerikas“ bezeichnet.
Über das Leben des größten persischen Dichters, Hafis (um 1320-1379), ist wenig bekannt. Als Dichter und Freigeist damals wie heute hochgeachtet, stand er, wie auch seine Vorgänger, in wechselseitiger Opposition zu den orthodoxen und lebensfeindlichen Theologen und Theokraten seiner und aller folgenden Zeiten (freilich aber hat Ayatollah Khomeini höchstselbst ein Traktat verfasst, in dem er die anzüglicheren und freigeistigeren Elemente in Hafis` Dichtung als „vereinbar mit dem rechten Glauben“ interpretiert – Hafis ist im Iran so hoch geachtet, dass dort angeblich kein Regime der Welt ihn verbieten könnte, ohne eine Revolution heraufzubeschwören). Den grausamen Welteroberer Tamerlan, der ihn persönlich aufsuchte, um Steuern von ihm einzufordern, soll er wiederum durch seine Persönlichkeit und seine Schlagfertigkeit so beeindruckt haben, dass ihm dieser nicht nur die Steuern erließ, sondern ihn mit allen möglichen Ehrengaben überhäufte.
Die Dichtung von Hafis unterscheidet sich thematisch nicht von der Chajjams und Rumis, die Haltung, die er einnimmt, beziehungsweise das Persönlichkeitsmerkmal, das bei ihm die Führung einnimmt, ist das des souveränen, gelassenen Subjekts. Hafis Gedichte sind so wortgeladen und bedeutungsmächtig, dass sie beinahe alle andere Poesie beschämen, ja, tatsächlich nichts ihnen auf Erden gleicht. Die Sprache ist dicht und kompakt und frei von allem Überflüssigen, Symboliken und Sinnschichten werden übereinandergelagert, wenn dabei der innere Sinnzusammenhang eines Gedichtes auf der Strecke bleibt, so im Dienste der höheren philosophischen und poetischen Wahrheit. Shakespeare im Drama, Cervantes oder Gogol in der Romankunst scheinen zumindest potenziell übertreffbar, bei Hafis schafft man es hingegen nicht, sich das vorzustellen. Was man bei ihm hat, ist also tatsächlich die Sprache des Absoluten.
Absolut ist die Sprache wohl auch deshalb, weil Sprache ein Abbild des Denkens ist. Und tatsächlich ist der Dreiheit Hafis, Rumi und Chajjam das gelungen, wofür ansonsten alle Philosophie und Religion, alle Weisen und Wahrheitssucher, Poeten und Literaten bis hin zu den ultimativen Grenzgängern wie Nietzsche, Sokrates oder den Zen-Meistern keine Lösung gefunden haben: das scheinbare Chaos und die scheinbaren Aporien des Daseins in sich widerspruchsfrei in einer absoluten Einheit des Denkens zusammenzufassen und auszudrücken. Daher sind sie so groß. Der Rest bleibt tatsächlich Versuch – löblich oder auch nicht -, Gestammel oder Schweigen.
Einen guten Überblick über die Dichtungen Omar Chajjams, Rumis und Hafis´ bietet der Sammelband „Die schönsten Gediche aus dem klassischen Persien“, übertragen von Cyrus Atabay, erschienen bei C.H. Beck, 3. Aufl. 2009
Artikel erschienen in der Wiener Zeitung am 15. Februar 2013. Die Wiener Zeitung war die gescheiteste österreichische Zeitung, die älteste Tageszeitung der Welt und wurde heute von der Regierung eingestellt.
The Wokeness of Emily Dickinson
Emily Dickinson was the strangest poet who ever lived. If the doors of perception were cleansed every thing would appear to man as it is, infinite; says Blake, another poet. Emily Dickinson had the Master Perception. She raises her head and gazes, and permanently windows slam open, window after window, into the indefinite. Her perception is way faster than the stickiness and inflexibility of them processes in the world — devilshly fast thinker she was, incandescent — so it seems, her perception is experimental per se, as she establishes multiple perspectives on each and every thing, including her own perception, calculates them through – and possibly discards them: —- all that emanates from her —- occassionally very tiny —- poems.
I dwell in Possibility
A fairer House than Prose
So – if you look at her poetry, you seem to get offered a glimpse into what – Enlightenment, means —: the comparative to Wokeness. Wokeness means that you are able to deconstruct identities — in order to – possibly – get to the „real thing“ of stuff, the enigmatic core, the Ding an sich. And to naturally adress it, to establish authentic communion with it. It means to develop a Naturalness that adresses given identities in a natural way. The Authenticity thing. / Wokeness sees through identities and deconstructs them – them identities do not persist — or they get reaffirmed in a better way. In a more authentic way. You may finally reach the Platonic Ideas behind identities. You confront your own identity. Most lucidly, you transgress your identity and become intellect and perceptiveness. Finally, your intellect and perceptiveness encounters itself. That is, then, the transcendental place. That – nevertheless – necessitates a bumby ride: — Wokeness is – of course – something ironic: since we do not know what given identities – and what they possibly reveal and conceal – actually are. So, if we take Wokeness seriously, we dwell in possibilities (yet – usually – to establish a House of Prose: of the Possibility of final Belonging). Irony, in itself — and opposed to sarcasm of cynicism — means that you are willing that take things more seriously than you seem to do (with cynicism it is the other way round): Wokeness means heightened Awareness :: Wokeness means taking stuff seriously. Irony means taking stuff seriously, and more serious than it appears. Both Wokeness and Irony mean a perception upon the World that includes the Possibility for Change, for Transformation, for Becoming. With maximium Wokeness – you finally dwell in Possibilities. This is the „experimental“ nature of Emily Dickinson´s poetry; and of the transcendental mind. How unquiet!
One need not be a Chamber – to be Haunted –
One need not be a House –
The Brain has Corridors – surpassing
Material Place –



That´s fucking spooky! It is true: Emily Dickinson and her poetry seem somehow uncanny, and like a Haunted place. (She/it radiates unpredictability, and people that appear unpredictable appear creepy. Apperaring unpredictable is characteristic No. 1 that makes individuals appear creepy to others! So, their unpredictability isolates them. Yet it also means that they are able t)o establish their own territory.
Best Things dwell out of Sight
The Pearl – the Just – Our Thought –
Most shun the Public Air
Legitimate, and Rare –
The Capsule of the Wind
The Capsule of the Mind
Exhibit here, as doth a Burr –
Germ´s Germ be where?
We said there above: The goal of the Wokeride would actually be considered establishing a final House of Prose: a House of final Belonging. The goal and the meaning of life seems not identical with Dwelling in Possbilities all the time – you finally will want to settle the score and move into a pacified House of Prose. Einzug der Götter in Walhall. / Yet: Germ´s Germ be where? Oddly enough, the supernomadic poet Emily Dickinson never left her house and ground as she reached artistic maturity. Nevertheless —- in stark contrast to her hermit-like lifestyle where she was profoundly „at home“ and „agoraphobic“ to the other extreme —- in the expressions of her artistic maturity (her poetry; and letters) Emily Dickinson appears driven by frenzy, appears as always being on the run, nomadic, and dislocated — her poetry appears as fragmented, with no beginning and no end. Wherever I may roam. —- Her poems are considered „unstable“ [You have to understand – however – that true poetry and art (and reflection) appears unstable always: since it is about switching between motif and background. All the world is motif and background! Such is the structure of the world. A motif appears from, emanates from a background / and the background is illuminated by the motif. Enlightenment, Satori means that you are able to switch between motif and background instantly – and therefore mimic „the Real Thing“] Yes, in a way they both seem to erect and collapse in themselves … That accounts both for the style and for the message —- there is as well Joy and Satisfaction in her poetry, as well as an – unusual amount of – Morbidity and insight into Vanitas…
I reason, Earth is short –
And Anguish – absolute –
And many hurt,
But, what of that?
I reason, we could die –
The best Vitality
Cannot excel Decay,
But, what of that?
I reason, that in Heaven –
Somehow, it will be even –
Some new Equation, given –
But, what of that?
Yet, strangely — and as you can see in there — also Morbidity and Vanitas seem to get left behind and thrown to the garden dump in the Dickinson Universe. Sister, is your Wheel spinning so fast that even the things supposed to have the final say, the eventuality of decay – that escatology itself seems to get left behind? Existence – it is all a „Cosmic Joke“, as they say. Yet, actually, in the Dickinson universe, stuff is neither, then, „cosmic“, nor a „joke“. Is this a place where you want to be? Emily is ghostly! – Finally – and how it has often been considered – Emily Dickinon´s poetry seem to come to — nothing. And she herself reduced to a ghost-like Nobody.
I`m Nobody! Who are you?
Are you – Nobody – too?
Then there´s a pair of us!
Don´t tell! they´d advertise – you know!
How dreary – to be – Somebody!
How public – like a Frog –
To tell one´s name – the livelong June –
To an admiring Bog!
Nothing and feeling like being nobody is – of course but – a sentiment that is not too uncommon for anyone – notably not for the true poet. Occasionally feeling so is a part of the human experience. And when you finally reach the center of the mind, plunge deep into the feelings, you arrive at a state of Nothing, or of convulsion, or whatever it may be. Some strange state. — Nothingness, however, is also attributed to a most elevated state of mind. It is linked – again – to Enlightenment and to Satori. Nothingness and being Nobody means purification of the mind and maximum spiritualisedness and refinedness. Nothingness is what people try to achieve who want to emanate Somehing – the most pure and most underivative of Somehing. Nothing stands in relation to a pure Somehing, and to a pure Everything. Nothingness and being Nobody is having achieved pure perceptiveness.
By homely gifts and hindered words
The human heart is told
Of nothing –
„Nothing“ is the force
That renovates the World –
Nothing is the opposite of Everything, of the All. And the Enlightened Mind, the Woke Mind, means the Consolidation of the Opposites. By being Nothing and Nobody, you let the world in – you´re on top of becoming Somebody. By letting Reality in, you become the most Real / Authentic of all – and Wokeness, as we reiterate, is about letting Authenticity in. Being Nobody is the Negative of being Somebody, i.e. an Identity. I.e. it is a necessary complement within the dialectics of establishing, transforming, reaffirming identities. Being Woke so is being aware of the Nothing and Nobody component. Else, there´s no true Wokeness. Being woke about being (partially) Nobody is good. – Poets usually carry inferiority complexes, hidden underneath. That is because they usually refer to themselves as Somebody – therein they are slaves to the principium individuationis. They want to achieve perfection – without knowing what is „perfection“, respectively, how it looks like. Perfection usually refers to some ideal of classic stability, something erect and frozen :: Yet the final thing is a dual mix of stability and instability – such as you have it in the poetry of Emily Dickinson -> Emily Dickinson – to a considerable degree – therefore had no inferiority complexes. / The poets – they want to get to the „Real Thing“, want to take away the curtain and reveal and unmask the Master Pupeteer behind it. Heck, what is the Real Thing? The Platonic Ideas? Is there a Master Pupeteer principle that governs reality? (Provisional answer: Authenticity is the Real Thing.) Fuck, this easily goes over the head. That many things! They seem to dissolve in a giant Whiteness.



A Spider sewed at Night
Without a Light
Opon an Arc of White –
It is considered that Emily Dickinson dwelled opon that Arc of White. An extreme border crosser between the Rational and the Irrational, between what can be said and what dissolves into silence or becomes muted as feeble human intellect tries to catch it, a Wanderer between the worlds, that blinding Whiteness is also referred to as a „danger zone“ (between genius/sanity and madness). Whiteness refers to all-encompassing light and vision, yet also to a destructive undifferentiatedness and loss of intellectual and mental capability. It seems to symbolise a primordial beginning, an end, and an intermediary, transitional state. — Also, for the most practical part, Emily Dickinson maintained a most privileged relation to Whiteness: As she matured, she would only dress in white clothing. As she died, she carefully had her funeral orchestrated in advance, including her being buried in a white coffin. — White – again – is the Nothing, and the All. White is the zone of (enlightened) indifference. / Fernando Pessoa once said that having all the opinions at once means being a poet. Pessoa was a very great and transcendent poet as well — therefore got equally ignored during his lifetime — though probably has not ascended to equal level of perception as did Emily. / When you have all the opinions and viewpoints at once, you are enlightened; and when you are enlightened, that means that you see the White Light (the White Light from the Mouth of Infinity)
Publication – is the Auction
Of the Mind of Men –
Poverty – be justifying
For so foul a thing
Possibly – but We – would rather
From Our Garret go
White – unto the White Creator –
Than invest – Our Snow



The Garret: —– That is – likely – the highest state of the elevation of the mind. We referred to this as the White Lodge. Once you learned a lot, tried to sort everything out (carefully!), tried to understand all the opinions and viewpoints at once, you (hopefully) enter the White Lodge. The White Lodge is a state of the intellect (and of the soul) where everything you have learned and gone through, all those traditions and ideologies finally dissolve/add up to a pleasant whiteness. It is a state of intellectual and mental bliss. You see, a wave comes around: that is some circumstance, or an element of a theory or an ideology, you recognise it, it passes by, leaving you both affected and unaffected. The White Lodge is a state of permanent questions and wonder as well as of permanent solutions and answers. When I was younger I used to wonder: What is deeper down inside the White Lodge? What is – possibly – at its center? Is the world´s secret? Must it be the world´s secret? Emily Dickinson clearly was a creature inhabitating the White Lodge as well. All the signs are clear. A case of Whiteness and Clearness, again. So what would she investigate about it? :: You have the immense vast extent of her thinking – time and again. Yet is her thinking – and feeling – time and again and forever —- puzzled, without orientation, and disjointed? (Also implying: IS there orientation and a final connectedness — an Absolute — in the World – or is the World itself only an addition of disjointed histories (held together, if ever, at best by a delusional Paranoia?)) Is she/are we cursed to dwell in Possibility forever (or is there a House of Prose)? What is at the center of the White Lodge? Germ´s Germ be where?
Experiment escorts us last –
His pungent company
Will not allow an Axiom
An Opportunity –
—– There she seems to go again: Dwelling in Possibilities, seemingly forever, a floating ghost, an Unbeliever. – Yet – behold! – as every thing that emanates from Emily is of extreme compactness, directedness and rigidity all alike! She is just the opposite of anything underdetermined and contourless as well as she is the Master Fog. Her poems appear unstable, inherently experimental, fragment-like. But! – they also strike to be and shine as extremely robust! They say her mind and her poetry seems like fleeing in all directions, yet her poems much rather seem (extremely) tight knots that keep it all together. They seal everything tight – from the top left corner not only to the Finale, and not only from the opposite viewpoint all alike: Every dot in her poems seems inherently tied to any other of them. Masterworks of density they are, seemingly held together by some extremely potent gluons. – Emily Dickinson, Lady of Steel. – It even seems they are so packaged and packed in themselves that they want to reach the shape of a minimal surface, if not collapse into a black hole and a singularity itself (Ah! That seems what I´ve been doing and what I wanted to do all my life, Emily probably would say – Heureka!, if she got introduced to modern mathematics and physics). () The more intelligent people are, the more telegram-like their communication style gets. And Emily Dickinson surely had the intelligence of Christian Heinrich Heineken or Abu Rayhan Muhammad ibn Ahmad al-Biruni. Very extremely intelligent people, who are beyond this world, even use to – consequently – communciate in some apparently insular style, I notice. They bring up things, reflect them, and conclude about them, all at once. And Emily Dickinson´s poetry is quasi the most insular. ³² Creativity means being able to blow things up, and intelligence means that you are able to keep them together. Creativity means that you are able to create and inspire Truth, intelligence means that you are able to find and have insight into a Truth, that is out there.
This World is not conclusion.
A Species stands beyond –
Invisible, as Music –
But positive, as Sound –
It beckons, and it baffles –
Philosophy, don´t know –
And through a Riddle, at the last –
Sagacity, must go –
To guess it, puzzles scholars –
To gain it, Men have borne
Contempt of Generations
And Crucifixion, shown –
Faith slips – and laughs, and rallies –
Blushes, if any see –
Plucks at a twig of Evidence –
And asks a Vane, the way –
Much Gesture, from the Pulpit –
Strong Hallelujahs roll –
Narcotics cannot still the Tooth
That nibbles at the soul
Due to its ability to reflect, the intellect is constructed in a way to look for further truth, and to assume that there is further truth than woMan encounters in the given world. We use to be attracted – at least – to some Absolute, some Conclusion that lies beyond this visible world and mortal coil. Truth is out there, and is primodial and eternal, she reasons (at least under the premise that there is a God).
Truth – is as old as God –
His Twin identity
And will endure as long as He
A Co-eternity
Enlightenment means that you want to find out Truth. Truth, however, also means that this world is finite. That is to say, your Enlightenment and your Wokeness probably isn´t so flashy and so full of endless Possibilities as you would´ve imagined. After all, Enlightenment only means that you see the same things like common woMan – solely from a perspective from about one meter above. So teach us the Masters of Zen. Yet with an understatement of course. Enlightenment means that your mind serves as a flashlight that illuminates this world. And that illuminates what is right and what is wrong, and what are the possibilities in this world and what are the limitations. The specific quality of Emily Dickinson´s poetry probably is that it lets the world shine, reveals this world in this flashing light. Her mind became that flashing light, that source of White. A flashing light that sees through identities, deconstructs them or reaffirms them. That dwells in Possibilities – and in limitations. In her Dwelling in Possibilities, Emily Dickinson was well aware of the limitations of this world (which is what makes her oeuvre so uncomfortable at times). – Quasi-infinite or quasi-limitless are the Possibilities however once you´ve reached a fixed point in the Transcendental. The Transcendental – the Possibility that there can be Possibility – is like a source from which it all stems out. The Transcendental is a simple structure, like a corner in a room, from where it all comes out, all the Possibilities… /&%{[8}\²__________@µµZ – As you sense, Emily Dickinson managed to reach the Transcendental. It is not likely that her specific poetry could be trangressed. That there are Possibilities beyond its horizon. – In terms of identity politics, Truth is reached when one has reached true identity and is at peace with that. One has to be glad to be oneself, and not someone else, Emily Dickinson told T.W. Higginson in a private conversation. Identity politics means reaching an identity that is at peace with itself and with society; respectively that you become somehow independent from society. Emily Dickinson´s specific identity – as a transcendental creature – was that she was no creature of Society; but floated above it. — And then, yet – what would be a final say – the Transcendental – about life?
To be alive – is Power –
Existence – in itself –
Without a further function –
Omnipotence – Enough –
To be alive – and will! –
`Tis able as a God –
The Maker – of Ourselves – be what –
Such being Finitude!
The transcendental thing about our existence is – Existence itself. There can be reflection about Truth and Possibilities, and there can be poetry, and there can be identity politics only because there is – Existence. The primary metaphysical question is: Why is there Something and not just Nothing? Emily Dickinson´s state of Enlightenment and her poetry is different from the state of Eastern Enlightenment and the poetry of the Zen Masters. In the Eastern tradition of Enlightenment, the principle of Nothing somehow triumphs over the principle of Something – and the Somethings in this world are considered an illusion/delusion (about which one should not be too worried and preoccupied: that is, then: Enlightenment). Yet Emily Dickinson is – also therein – profoundly American and Western. In her eschatology, it is Something that triumphs over Nothing. It is Being that triumphs over Nothingness. Being > Nothingness. <> Emily Dickinson´s poetry is about displaying the vibrations of the Somethings. Her poetry is analytical. Eastern Enlightenment is (passive and) unscientific. Behind Emily Dickinson´s poetry there is a scientific mind, and her poetry is – not pacified, but – agitated.
In more earthly terms, Emily Dickinson´s poetry and the state of her mind displays a maximum of Vergeistigtheit (refinedness). A maximum state of Vergeistigtheit inherently means a floating state over the material world. Therein, it may appear „ironic“, dwelling in Possibilities, or deconstructive about identities. Such an elevated mind apparently can take nothing truly serious – although, of course, it tries to, and strives to. It´s too big for this small world. And that´s ok, since it is: Mind over Matter. Mind > Matter. <> Perhaps humans on Earth are the only intelligent species in the universe. The universe is extremely vast – yet being the only intelligent species in all this vast universe makes you – not only feel lost but – a phenomenon of highest quality – that somehow rules in the universe. Being the highest among human intellects tops that again. – The irony is that – not only that this phenomenon of quality happens in isolation – but that the powerful mind of quality needs a body, needs the material world. Therein, the mind is prone to decay and it sooner or later ceases to be. It falls prey to the stupidity and indifference of matter. On occasions, the mind may produce something of transcendence, something of value, that then seems „eternal“ and overpowering the decay of matter – partially at least. Actually, any mind somehow has a sense of being robust and „eternal“ and overpowering the purely material. That´s the gravity of the mind, that is the gravity of the human soul. At the maximum level of Vergeistigtheit, you sort out that the mind is an extremely powerful and eternal thing; as well as a feeble one. It can change something in the universe and make an impact – and yet there are also limitations to it. The thing is that -> mind and matter are different orders. They run alongside each other, or their paths run in distinctly different directions on other occasions. Emily Dickinson´s poems are both powerful and – in some ways – feeble. Feeble, in their ellipsis, their fragmentedness, and their seeming indifference and their double nature of seeming eternal insights and then also occasional and temporary ad hoc ruminations from the kitchen board. (Feeble – in that Emily Dickinson had – when being terminally ill – her funeral orchestrated carefully in advance, but made no preperations about how to handle her oeuvre over to posterity. Powerful – as she probably was convinced enough that her oeuvre would manage to hand itself over to posterity and to great glory by its (so called) own means.) __ The most refined mind will be able to gaze into the so called realm of Platonic ideas (- or whatever it (the Absolute, or so) may be). Yet, these ideas, these apparitions of the Absolute, are mere – ideas. They are virtual entities. They are high abstractions from perceptions, done by the refined mind. They are – refined and vergeistigt. That is to say – there is nothing, anymore, „behind“ them. Nothing to be further sorted out. That makes them appear both heavily present, as well as „flat“. Emily Dickinson´s poetry is a vision of the last things that the human mind can capture. Respectively, of the last true state of the world – oscillating between cosmos and chaos, stasis and dynamics, creation vs decay, etc. – that one can have insight to. Her poetry is a vision of the Chaosmos. And they are – finally – refined Visions. (i.e. present, and evasive)
In order to truly have vision of the Chaosmos, you need to be a negatively curved entity. Emily Dickinson happened to be a negatively curved entitiy. A positively curved universe means that it is curved like a sphere. When somehing is shot off from its place and being put on the run, that means it will finally return to its initial place. A negatively curved universe is curved like a saddle. Alongside such a trajectory, things forever flee and evade, once they are set in motion. They get out of sight. They are on a Line of Flight. Some day their centuries will possibly be called Deleuzian. All my life I tried to get away from myself, confessed Duchamp, the Holy Ghost of 20th century art. The eternally open universe – and the eternally open intellect and soul – are of negative curvature. It is difficult to envision and bring to mind a curved universe. Even more it is difficult to envision and bring to mind stuff of negative curvature. That confuses people. There are no true Anschaungsformen for that. Emily Dickinson was of negative curvature – and her poetry may serve as an Anschauungsform for the negatively curved intellect. That makes it difficult to decypher. Although it is not too difficult to decypher at all. It´s just the negative curvature, stupid!
Emily Dickinson´s very idiosyncratic writing style – and also way of living – probably stemmed out from a schizotypal personality disorder. Mary, the wife of T.W. Higginson – a literary critic, with whom Emily managed to be in contact with over the years – lamented about why „all the lunatics would feel so attracted to him“ (therein indicating that she considered Emily Dickinson to be a lunatic). – T.W. Higginson was well aware of the eccentric lifestyle of Emily; though maybe not necessarily considered her a „lunatic“, probably would not go that far. Yet his wife, Mary, naturally did. T.W. Higginson probably did not consider Emily Dickinson to be a lunatic, but his wife – Mary – did! T.W. Higginson was a prolific literary scholar (and today we use to saturatedly agree with him), but his wife (Mary) was a woman – i.e. she got the faculty and spoke out of female intuition. And as they say, female intuition tops everthing else. So possibly Mary had a more profound – had the true – insight into Emily Dickinson´s very nature. – Maybe Emily Dickinson was – apart from her genius – actually somehow off her rocker! Emily Dickinson would implicitely deny that, as she also told T.W. Higginson that one must be glad to be oneself, and not someone else. Mary considered that to be an erroneous assumption if Emily related that statement to herself. And again: hers is the female intuition! But then: Also Emily´s would be the female intuition! So, it ends up being -> female intuition vs female intuition! That, of course, happens quite often. Women talk; men stay silent: Therefore women are anathema to me –T.W. Higginson noted from a private conversation with Emily Dickinson.
I fear a Man of frugal speech –
I fear a Silent Man –
Haranguer – I can overtake –
Or Babbler – entertain –
But He who weigheth – While the Rest –
Expend their furthest pound –
Of this Man – I am wary –
I fear that He is Grand –
Then there are also – as other part of her oeuvre – Emily Dickinson´s letters; which are held in almost equal esteem as her poems (nowadays). I still do not know what to think about them. They confuse me a lotta more than does her poetry. Although they are – by nature – much more intimate – I find them distinctly more evasive and abstract. Of course, they are not written to me. Yet – I wonder to whom they are, finally, written. Naturally, her letters are highly intelligent. But, above, they deem me aloof. I actually ask myself how much Emily Dickinson had a relation to herself, and to others. Indeed, her letters deem me weird and autistic, and difficult to decypher. Writing letters was one of the few forms bourgeoise women could express themselves artistically. Therefore you may expect a mixture of high sophistication and neurotic extravagance in them. And this is also what I seem to get from the letters of My Dear Emily. There she seems to go, Dwelling in her Possibilities, again. Or: above all. Maybe also she was a creature of a Will to Power, and wanted to overpower the recipients of her letters (or at least impress them). T.W. Higginson found her „very attentive“ and caring about other people´s needs – yet also talking a lot, and not too often interrupting herself. Never, he admitted, he had encountered a person whose presence alone was so demanding and exhausting as Emily Dickinson´s. I think her letters also are quite wry and dry as concerns their power of expression. In the usual bombast language of literary criticism some scholars admit that they´d like to „quote sentence by sentence out from these letters…“ – yet I have to say that I did not find a single quotable expression in her anthology of letters. Therein, she also seems somehow detached from herself. – I repeatedly ruminated that there is hardly any good poetry: as it is commonly considered the most condensed expression of the human soul – and the human soul simply is not that extensive. The poetry of Emily Dickinson is a notable exception. Yet I notice that there also are hardly any good letters, even if we look at the letters of the greats; since humans, as it seems, are actually not that romantic inside. Maybe, at least here: Emily Dickinson seems to fit the bill.



This is my letter to the world,
That never wrote to me, —
The simple news that Nature told,
With tender majesty.
Her message is commited
To hands I cannot see;
For love of her, sweet countrymen,
Judge tenderly of me!
—— And do you know what?? I wanted to write about Emily Dickinson before, already a while ago. But when I read her poems again (at that time for the fouth time in my life), on that behalf —- I suddenly found them to be uncannily dull and without true substance nor message – apart from some exceptions. When I read them again – now for the fifth time – they were A-okay for me again, like before. – It is strange, but such things happen. Reading stuff again (and again) should make you receive somehow different impressions from it – although not on such a level of divergence. Alas, yet also that may happen. It also happened to me when I read Kierkegaard for the fourth time – when I happened to find Kierkegaard relatively pointless (-> in my Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken). I admit I was somehow confused by Emily Dickinson´s poetry (and also by Kierkegaard) initially. — I am also confused about why a shitty band like Cannibal Corpse is held to be the leading band of the death metal genre, or what would be so cool about Rush. — I try to overcome that by giving it second, third, or even many more tries. Maybe, in doing so, I might also come to terms with her letters.
I also want to mention that this was a complicated text to write – starting from the scratch of sewing the selected Emily poems somehow together. It took me about a month to finalise this rather tiny piece.
Hölderlin und die Urphänomene
Es gibt solche, die sind Dichter, Philosophen, Schauspieler oder Musiker. Und dann gibt es jene, die sehen die Urphänomene. Konvulsionen, ächzend rotierende, mahlende Formen im Urgrund, das Chaos der Veränderung im Gleichbleibenden, Urlaute und Urschreie, eine gleißende, explodierende, explodierend hervortretende Welt, die sie versuchen, in erzene, überrobuste Formen zu bringen, von neuartiger, bizarrer Schönheit, von überweltlicher Stärke, die gleichzeitig unmittelbar sind und naiv und gerade so dem tollpatschig-autoritären Zugriff der Weltmächte sich entziehen, ihn aushöhlen, über ihn triumphieren, in einer alle Welt überschreitenden Totalität: das ist es, was Kafka, van Gogh oder Beethoven tun. Man sollte nicht meinen, die Probleme von Beckett, Malewitsch oder Ustwolskaya wären Dichter-, Maler- oder Musiker-Probleme. Sie stehen im unheilvollen und dem einzig heilbringenden Kontakt zu den Urphänomenen und arbeiten sich an ihnen ab; in verzehrender Unruhe, in der Gelassenheit eines Gottes. Die Urphänomene, in ihrem ätzenden Wirbeln, stoßen ab und ziehen an. – Sie funktionieren überall, bald rastlos, dann wieder mit Unterbrechungen. Sie atmen, wärmen, essen. Sie scheißen, sie ficken. – Die Urphänomene sind sehr tief. Der Rimbaud´sche Seher will nicht nur tief ins Universum blicken, um neue astronomische Objekte ins Gesichtsfeld zu bringen; er will letztendlich die Struktur des Universums erfassen; er dringt, aus seinem Aufenthalt in der Hölle, zu den Leuchtenden Bildern der Urphänomene vor. Daher ist der Rimbaudsche Seher auch ein Seher der Transzendentalien: der nicht mehr hintergehbaren Kategorien aller Existenz. Heil dem, der dort ankommt! Die Transzendentalien erscheinen völlig ruhig und klar; die Urphänomene sind die überschnelle Überbewegung, von der Büchner, Lautréamont oder die Dickinson erfasst werden, während sie gleichzeitig das ruhende Auge inmitten dieses Tornados sind. Die Transzendentalien sind eine Kategorie der Philosophie, das mit den Urphänomenen ist eine eher poetische Anschauung. Ich will hier dichterisch sein, und es dichterisch ausdrücken: Es gibt solche, die sind Dichter, Philosophen, Schauspieler oder Musiker. Und dann gibt es jene, die sehen die Urphänomene.
Auch Hölderlin hat die Urphänomene gesehen. Schau, sein halbverrücktes Antlitz im Halbdunkel, gleichzeitig von gleißenden Licht umgeben, das von hinten, aus der Unendlichkeit kommt; sein bannender wie gebannter Blick, der uns anschaut, der durch uns hindurchschaut (da er in die Urphänomene blickt): das ist Hölderlin. Hölderlin und seine Dichtung zu beschreiben ist schwierig. In ihrer charismatischen Verworrenheit, die aber ist eines Gottes. Man hat hier das Höchste und Letzte: die in Stein gemeißelte Rede. Gefroren, eisig, klirrend, ist es die klirrende, eisige Sprache der (Über-) Vernunft, aus den Geisteshöhen, die das Über-Warme, das Schwärmerische, in Bann hält, und gleichzeitig durch es in Bann gehalten wird. Ewiges Ringen. Schau, wie fest die Rede ineinander verstrebt ist, so dass du es krachen hörest beinahe; nein, wirklich!, in ihrem Gebälk, gleichzeitig galoppieren die Eindrücke davon, es fällt links das Dunkle da hinein in das leuchtende Tal, auf den Gipfelhöhen golden leuchtende Tannen, ein Grün wird darüber geworfen, und das heilige Grün, der Zeuge des ewigen, schönen / Lebens der Welt, es erfrischt, wandelt zum Jüngling mich um; es bedeutet die Anwesenheit von Farbe, es bedeutet die Existenz von Präsenz, vom einzelnen Wesen, das in der Unergründlichkeit aufscheint, oder aber vielleicht bedeutet es den Vater Äther. Seliges Land! kein Hügel in dir wächst ohne den Weinstock / Nieder ins schwellende Gras regnet im Herbst das Obst. / Fröhlich baden im Strome den Fuß die glühenden Berge / Kränze von Zweigen und Moos kühlen ihr sonniges Haupt. Er habe, wie Hölderlin schon früh gegenüber Neuffer bemerkt, keine Gaabe dazu, Einzeleindrücke (geschweige denn Handlungen) zu beschreiben: nur den bloßen Totaleindruk – und das stimmt: die Einzeleindrücke, die er aufzählt, hasten an einem vorbei und man hat Schwierigkeiten, bei ihnen zu verweilen; auf irgendeine Weise – oder eben gerade dadurch – wird der Totaleindruk umso zwingender, umso halluzinatorischer. Erschreckende Absolutheit! Phantasmagorische Welt! Die gleichzeitig ehern in sich verstrebt und gefügt ist, andererseits permanent geöffnet ist und einladend. Komm ins Offene, Freundin! Das ist da, wo die Physik und die Metaphysik sich treffen. Geniale Dichtung erkennt man daran, wenn aus der Welt, die präsentiert wird, noch eine andere Welt hindurchscheint beziehungsweise, wenn beide sich rätselhaft durchdringen und gleichzeitig Vordergrund/Motiv und Hintergrund sind (denn Genialität oder Erleuchtetheit/Satori besteht darin, dass man ständig zwischen Motiv und Hintergrund – also dem, was die Welt an sich ausmacht (also, dass Motive in einem Hintergrund erscheinen bzw. Motive den Hintergrund beleuchten) – wechseln kann bzw. sieht, wie beide sich durchdringen). Steinerne, abfallende Stufen, die er errichtet, die er gleichzeitig wegzieht, als Treppen hinein in den geheimnisvollen Urgrund, den absorbierenden Sog – denn ein solcher geheimnisvoller, absorbierender Sog ist seine ganze Dichtung. Die Mauern stehn / Sprachlos und kalt, im Winde / Klirren die Fahnen. Wenn man im Seinswald an den Stein kommt, mit der uralten, ganz neuen und zukünftigen, in ihn gemeißelten Rede, dann ist Schluss. Man hat hier einen absoluten Markstein, ein Vermessungszeichen des Seins, der Existenz.
Hölderlin kann man in seinem spezifischen Dichten letztlich nicht verstehen und man kann ihn nicht nachahmen: denn er sieht die Urphänomene. Entlang dieser wandernden, nie genau fassbaren Grenze zwischen freier Rede und erzener Form, liegt auch die charismatische Grenze ihrer Verständnismöglichkeit, von der dann aber wieder jene absorbierende Sogwirkung ausgeht. Wie macht Hölderlin das: so zu dichten? Das können nicht einmal wir. Hölderlin hatte aber direkt einen solchen Geist, der ihm natürlich auch selber ein wenig unergründlich war. Diese Mischung von freier Rede und erzener Form ist tatsächlich die verwirrendste, irritierendste Sache der Welt, nicht zuletzt für den Dichter, wenn er noch nicht ausreichend Sicherheit gewonnen hat, selber: denn sie scheint gerade eben das Dichten zu unterlaufen, und es scheint läppisch und blödsinnig zu sein, mit sich selbst nicht in Einklang; ein Bastard aus Klassik und Romantik. Tatsächlich ist es aber die Sprache der Urphänomene selbst, die eben in radikaler Gegensätzlichkeit sichtbar werden, die diese radikale Gegensätzlichkeit von Statik und Dynamik, Wechsel und Identität, Abspaltung und Vereinigung, Bewegung und Ruhe, dieses dynamische Duo sind: Jener Widerstreit zwischen geistigem Gehalt (zwischen der Verwandtschaft aller Teile) und geistiger Form (dem Wechsel aller Teile), zwischen dem Verweilen und Fortstreben des Geistes … jener Widerstreit zwischen dem geistigen ruhigen Gehalt und geistiger wechselnder Form … jener Widerstreit zwischen materiellem Wechsel und materiellem identischem Fortstreben … jener Widerstreit von Individuellem (Materialem), Allgemeinen (Formalem) und Reinem. — Das tiefste Urphänomen ist das Zusammenwirken von Ordnung und Zufall/Chaos: der Chaosmos. Ein jegliches dynamische System ist ein solcher Chaosmos; und damit eine jegliche mögliche Welt. Der Chaosmos ist der Grund aller Welt. Einige die da sind, die den Chaosmos sehen, oder ahnen, oder sich an den Erscheinungen, die er wirft, abarbeiten; einige Geister. Sie sind den Zeitgenossen immer wieder verhasst, da sie sich in nichts Bekanntes und in keine Tradition einordnen lassen und so die Eitelkeit des zeitgenössischen Wissens kränken. Die Urphänomene sind in ihren Erscheinungen eben immer wieder jung, immer wieder grundsätzlich. Für etwas Neues gibt es noch keine akzeptierte Sprache und Namen. Und so bemühen sich diejenigen, die sich an den Urphänomenen abarbeiten, stets eine neue Sprache und neue Namen zu finden. Daran, und am Flackern – am mimentischen Flackern gegenüber den Urphänomenen – ihres Ausdrucks und ihres Geistes sollt ihr sie in Zukunft endlich eindeutig erkennen. Dieses flackernde Sehen, das Sehen des chaosmotischen Flackerns, ist das eines Hölderlinschen Geistes.
Hölderlin will den Geist begreifen, er will zum Urprinzip des Geistes vordringen und zum Urprinzip der Welt. Worin gründet sich der Geist, worin gründet sich die Welt, und wie schreiten sie voran? Der gute Geist, der Geist der Assoziation, der Konnektivität, der Liebe, sieht gemeinhin ein Ungetheiltes am Anfang. Eine Ur-Theilung findet dann statt, die gleichzeitig ein Abfall vom Ungetheilten ist, wie die Notwendigkeit dafür, dass Prozesse überhaupt stattfinden. Diese Prozesse und Individualitäten verlangen hinwiederum, zu sich selbst zu kommen, und sich, ausdifferenziert, in einem neuen, höheren, himmlischen Ungeteilten wiederzutreffen. Von Kinderharmonie sind einst die Völker ausgegangen, die Harmonie der Geister wird der Anfang einer neuen Weltgeschichte sein. Der Dichter dichtet aus ursprünglich gemeinschaftlicher Seele heraus; einer gemeinschaftlichen Seele eines Volkes, einer gemeinschaftlichen Seele aller Menschheit oder Kreatur; einer gemeinschaftlichen Seele aller Schöpfung. Indem er dichtet, spaltet er sich ein wenig von jener gemeinschaftlichen Seele ab; er individualisiert sich; entfremdet sich dadurch – vor allem eben in seinem hohen Streben – von den anderen: Nur so aber kommt der Mensch zu sich, wird zum Gesetz in sich selbst und ist so fähig, neue Einheit IDEELL zu stiften. Aus dieser tragischen Vereinigung des Unendlichneuen und Endlichalten entwickelt sich dann ein neues Individuelles, indem das Unendlichneue vermittelst dessen, daß es die Gestalt des Endlichalten annahm, sich nun in eigener Gestalt individualisiert. Es ist dann eine neue, höhere Einheit der harmonisch ausgebildeten Einzelwesen, es sei dann endlich Kommunion, es sei dann endlich friedliche Versammlung im Reich der Schöpfung, im Reich der Kreatur möglich. So müssen endlich Aufgeklärte und Unaufgeklärte sich die Hand reichen, die Mythologie muss philosophisch werden, um das Volk vernünftig, und die Philosophie muss mythologisch werden, um die Philosophen sinnlich zu machen. Dann herrscht ewige Einheit unter uns … Ein höherer Geist, vom Himmel gesandt, muss diese neue Religion unter uns stiften, sie wird das letzte, größte Werk der Menschheit sein. Schönheit in der Dichtung, Schönheit in der Natur – Die Kunst ist die Blüte, die Vollendung der Natur – ist eine Erscheinungsform, ist ein Hinweis auf Harmonie und auf eine Geborgenheit im Sein: auf eine letztendlich gute Existenz. Es wird nur Eine Schönheit sein; und Menschheit und Natur wird sich vereinen in Eine allumfassende Gottheit.
Hölderlins Dichtung ist die über den einstigen, verlorenen, als auch über den erhofften, (wieder)kommenden „Gott“. Was ist ein Gott? Eine Einheit der Gegensätze, etwas Transzendentales. Ein moralisches Gesetz; eine Ordnung. Eine Entität, die etwas Magisches kann, die genuin schöpferisch ist. Die in sich geborgen ist, und so andere bergen kann (außerdem etwas, das es nicht wirklich gibt). Biographisch mag man dieses Lebensthema so begreifen über das Trauma, wie Hölderlins unbeschwerte Kindheit und Jugend abrupt und brutal mit seinem Eintritt in den Tübinger Stift ein Ende fand und er kasernenhaftem Erziehungsdrill unterworfen wurde. Vom Glück seiner Kindheit fand er sich jäh abgeschnitten. Tot ist nun, die mich erzog und stillte / Tot ist nun die jugendliche Welt / Diese Brust, die einst ein Himmel füllte / Tot und dürftig wie ein Stoppelfeld, dichtete er und lebenslänglich sollte er in dieser Stimmung verharren. Trotzdem er Hegel, Schelling und andere Hoch- und Höchstbegabte im Tübinger Stift kennenlernte, wollte er nichts annehmen von der Sphäre des Alltags; so war sein lebenslängliches Verharren in der Nostalgie nach dem verlorenen Idealen und Paradies eine Art selbstverschuldete Unmündigkeit, eine tatsächlich ab-gespaltene und ab-spaltende Schizophrenie im Hinblick darauf, die Lebenssphären ineinander zu integrieren und so zu versöhnen, an der er litt (und die sich, wenn man so will, schon damals in dieser Form bemerkbar machte). Doch kannt ich euch besser / Als ich je die Menschen gekannt / Ich verstand die Stille des Äthers / Der Menschen Worte verstand ich nie. Hölderlin nahm nicht wirklich am Leben teil; gemäß den Gesetzen des Lebens wurde er bestraft.
Von den Göttern hingegen wurde er belohnt; in einer anderen Sphäre. Durch seine schizophrene Ab-gespaltenheit von den Sphären des Lebens wurde er ein „Wunder der Reinheit“ (Stefan Zweig) – oder eben ein Heiliger. Er lebte und war geborgen in der Sphäre des Transzendentalen. Der große Dichter ist niemals von sich selbst verlassen, er mag sich noch so weit über sich selbst erheben, als er will. Und: Es ist doch ewig gewiß und zeigt sich überall: je unschuldiger, schöner eine Seele, desto vertrauter mit den andern glücklichen Leben, die man seelenlos nennt. Je größer der Dichter und schöner und unschuldiger die Seele, desto näher dem Transzendentalen ist man, und je näher man dem Transzendentalen ist, desto näher ist man den Urphänomenen, den Transzendentalien hinter den Phänomenen. Man suche nur nichts hinter den Phänomenen, sie selbst sind die Lehre, lehrt dagegen Goethe, der folgerichtig nicht über seinen verschrobenen Werther, seinen neurotischen Tasso und seinen verlorenen, in seiner Genussfähigkeit gestörten Faust hinausgekommen ist; und dann war da seine ständige Angst vor dem „Dämonischen“.
Wahrlich, ich habe das Herz eines Toren!
Chaos, ach Chaos!
Die Menschen der Welt sind hell, so hell:
Ich allein bin wie trübe!
Die Menschen der Welt sind so wissbegierig:
Ich allein bin traurig, so traurig!
Unruhig, ach, als das Meer!
Umhergetrieben, ach, als einer der nirgends weilt!
Die Menschen der Menge haben alle etwas zu tun:
Ich allein bin müßig wie ein Taugenichts!
Ich allein bin anders, als die Menschen:
Denn ich halte wert die spendende Mutter
heißt es im Tao te king. Im Taoismus geht es aber um das Schauen der Urphänomene. Goethe weiters bewunderte Napoleon und sagte von ihm: Er habe in einem Zustand „permanenter Erleuchtung“ gelebt. Na, das gilt dann auch für den Napoleon der abendländischen Dichtung, gilt für Hölderlin. Goethe war Universalmensch, aber An das Göttliche glauben / Die allein, die es selber sind. Die Zeitgenossenschaft kann schwer damit was anfangen: Wer ist in der Lage, in die Sonne zu schauen? Nur zuzeiten erträgt göttliche Fülle der Mensch.
Der Raum des transzendentalen Denkens und Empfindens ist eine Art Halle, durch die einige futuristische Verstrebungen gehen. In diesem Raum bewegt man sich frei, wenngleich man auch durch die ärgerlichen Beschränkungen der empirischen Wirklichkeit läuft. Die Dichter müssen auch / die geistigen weltlich sein. Mit dieser Möglichkeit des Wandelns durch die transzendentale Halle ist aber sonst nichts vergleichbar. Es ist sehr gut; denn es ist die Möglichkeit des Wanderns und Wandelns an sich, und bildet den Phasenraum aller empirischen und realen Wanderungen. Hyper-Ion, der unendlich Wandernde. Mein exzentrischer Freund Clemens singt von der leeren Halle, die er regiert. Man hat bei Hölderlin das „Paradox“, dass er „Weltarmut“ und überweltlichen Reichtum gleichzeitig in sich hat. Seine weltarme Dichtung kreist immer um die gleichen, wenigen verschiedenen Motive. Sie betrachtet gleichzeitig alle Welt heraus von oben. Nächstens dazu mehr.
Hölderlin ist transzendental, weil er das Urgesetz des Lebens und des Geistes begreifen will – und das eben auch kann: denn man kann alles, was man will. Das Leben und der Geist finden statt aus der dynamischen Ur-Theilung vom Ur-Einen. Zwischen Geburt und Tod spielt sich das Leben ab; und spielen sich alle Erscheinungen ab. Die Erscheinungen spielen sich ab in Identität und Nicht-Identität mit sich selbst. Das einzelne Leben ist mit sich selbst identisch und steht ebenso in Wechsel und Wandel. Es ist ein Chaosmos. Der Chaosmos ist wiederum das Urphänomen schlechthin. Das Urphänomen ist der Gegensatz – genauer: das Wechselspiel – von Wandel und Identität (da zwischen beiden allerdings kein echter Gegensatz oder Widerspruch bestehen muss). Am Anfang des Lebens steht das Kind. Das Kind (zumindest in seiner dichterischen Figur) ist nah am Ungetheilten. Es ist geborgen – aber auch einer machtvollen Objektivität, der Außenwelt hilf- und machtlos ausgeliefert. Der Erwachsene, sich im Leben befindliche, ist vom Ungetheilten getrennt, besitzt aber die Gabe der Reflexion und des differenzierenden Denkens, das einerseits fortwährend trennt, aber auch fortwährend auf höherer Stufe vereinigt. Auf den verlorenen primordialen Gott der Kindheit und den abwesenden/verborgenen Gott in der Gegenwart folgt, so die große Hoffnung, der kommende Gott der strahlenden, harmonischen Zukunft; und Ewigkeit. Dieser Gott ist die Vereinigung von beiden, über die differenzierende Zusammenfassung von beiden. Durch die Reflexion über die Reflexion sprengt der Geist, sprengt die Seele die materiale Hyle der sie begrenzenden und umgrenzenden Erscheinung; durch das trennende und vereinigende Differenzieren lässt der Geist die Paradoxien und Aporien der Existenz und seiner selbst unter sich… dies ist allein in schöner heiliger, göttlicher Empfindung möglich, in einer Empfindung, die darum schön ist, weil sie weder bloß angenehm und glücklich, noch bloß erhaben und stark, noch bloß einig und ruhig, sondern alles zugleich ist und allein sein kann, in einer Empfindung, welche darum heilig ist, weil sie weder bloß uneigennützig ihrem Objekte hingegeben, noch bloß uneigennützig auf ihrem innern Grunde ruhend, noch bloß uneigennützig zwischen ihrem innern Grunde und ihrem Objekte schwebend, sondern alles zugleich ist und allein sein kann, in einer Empfindung, welche darum göttlich ist, weil sie weder bloßes Bewusstsein, bloße Reflexion (…) mit Verlust der innern und äußern Harmonie, noch bloße Harmonie… etc. pp. usw ist, sondern weil sie alles dies zugleich ist und allein sein kann … in einer Empfindung, welche darum transzendental ist und dies allein sein kann, weil sie in Vereinigung und Wechselwirkung der genannten Eigenschaften weder zu angenehm und sinnlich, noch zu energisch und wild, noch zu innig und schwärmerisch, weder zu uneigennützig, d.h. zu selbstvergessen ihrem Objekte hingegeben, noch zu uneigennützig, d.h. zu eigenmächtig auf ihrem innern Grunde ruhend usw. ist, sondern all dies zugleich ist und allein sein kann. Hier sieht man: der Innenraum des transzendentalen Empfindens ist eine fortwährende Reflektiertheit und Ausdifferenziertheit. Es ist der unendliche Spiegelsaal, wo sich alles in allem spiegelt und man so der Totalität ansichtig wird, aus verschiedenen Blickwinkeln; die Spiegel vermehren die Aussichtspunkte, der subjektive Blick wird vervielfacht und hat so einen potenziellen Blick auf das Ganze … natürlich verliert sich auch so etliches, je nach Blickwinkel, in eine Unbestimmtheit: doch auch das ist Element der Welt. Durch den Innenraum des transzendentalen Empfindens gehen keine Aporien oder Paradoxien sondern eine fortwährende Dynamik des trennenden und verbindenden Ausdifferenzierens. Das ist die seltsamste Sache von der Welt; doch das ist gleichzeitig auch das Stöhnen der Urphänomene und das nicht mehr hintergehbare Transzendental. Der transzendentale Verstand verliert sich an nichts, und besitzt sich so ganz; und ist so Absolut. Mit dem Einen und dem Ungetheilten ist es ja nicht so weit her, und man verliere sich nicht in bloße unproduktive Sehnsucht danach; wichtiger ist das Alles/Absolute: in ihm allein erscheint die Unendlichkeit. Im Zusammenbringen der größten Gegensätze, durch das differenzierendste geistige Vermögen, in ideellem Bestreben, erscheint so eine Epiphanie der statisch-dynamischen Unendlichkeit; in diesem Punkte der Geist in seiner Unendlichkeit fühlbar ist. Und diese, ideell spiritualisierte und rational differenzierte, Epiphanie der Unendlichkeit hat man in der Dichtung Hölderlins.
Die Sphäre des Transzendentalen ist die Sphäre des ewigen Anfangs; die Welt, die Schöpfung erscheinen in der Sphäre des Transzendentalen ewig neu. Daher das Gefühl des transzendentalen Dichters, des transzendentalen Menschen, des Schauers der Urphänomene, stets und immer erst noch „am Anfang“ von allem zu sein. Auch Hölderlin begreift sich als immer „erst am Anfang“ und seine Dichtung als „Versuche“. Seine transzendentale Poesie entsteht eben transzendental, also aus der Bedingung der Möglichkeit für etwas, für das Gedicht, heraus. Seine Poesie ist so poetisch, dass sie eben auch die Bedingung ihrer Möglichkeit in sich enthält; dieser ihr Charakter kommt in ihr stets zum Ausdruck. „Poesie“ bedeutet: Erschaffung, Hervorbringung, Entbergung; und Hölderlins Poesie ist totalpoetisch. Oh ja!, letztendlich drückt Hölderlin das genuin Poetische in der Poesie aus: das ist es, was sie so eigentümlich besonders macht. Transzendentales, die Urphänomene, die Bedingungen der Möglichkeit von etwas, steht im Zusammenhang mit einem Vermögen. Hölderlin, genau genommen, drückt, in seiner Dichtung und Poesie, das poetische Vermögen aus. Das poetische Vermögen, das zur Erschaffung der dichterischen Welt, ist tatsächlich ein einerseits primordialer und uranfänglicher als auch ein ewig kommender Gott. Auch wenn er im Moment nicht anwesend oder verborgen sein sollte, ist er gerade dadurch stets präsent und wirkt; übt seine Sogwirkung aus. Das Vermögen/der vergangene Gott ist vor dem bewussten Anfang von einer Schöpfung, ist anfänglich: sein Grund ist rätselhaft und er scheint zu verschwimmen (tatsächlich ist er eben transzendental und daher nicht mehr hintergehbar). Was das Vermögen will, ist, genau genommen und korrekt empfunden, eine Transformation einleiten, um so fortwährende Schöpfung gebären zu können, und letztendlich eine große, himmlische Einheit unter dem Signum seiner eigenen Göttlichkeit stiften zu können. Hölderlin dichtet aus dem Geist heraus. Er frägt sich: was ist der Geist? Was ist die Bedingung der Möglichkeit von Geist? (Antwort: ein Vermögen zum Geist) Und was tut schließlich der Geist? Er erschafft. Und er kann sich Dinge vorstellen, die es in der realen Welt nicht gibt; die in der empirischen Realität so nicht vorkommen, wie zum Beispiel Punkte, Kreise und Unendlichkeiten: oder eben Poesie und das Gedicht. Damit erhebt sich der Geist über die empirische Realität und vermag diese ideell zu ordnen und zu manipulieren, zu adjustieren, in ihr zu wirken. Das Ideelle ist das Vermögen, über das Reelle hinauszugehen und es zu beherrschen. Es ist daher gleichsam inhärent, dass Hölderlins Dichtung ideell ist und das Ideelle auf so eigentümlich glühende Weise evoziert. Der Geist, in seinem ideellen Vermögen, ist poetisch. Der Geist ist der Gott in uns. In der größten Kunst geht es darum, dass der Geist sich selbst begegnet und vor sich selbst tritt, versucht, sich selbst zu erkennen. In seinem rätselhaften, Formen werfenden Vermögen. Hölderlins Kunst hat das erreicht. O die Poeten haben recht, es ist nichts so klein und wenig, woran man sich nicht begeistern könnte. Hölderlin dichtet aus dem Geist heraus, er hat den rechten, den anschlussfähigen Geist und ist folgerichtig begeistert. „Begeistert ist, wer Geist hat“ (so der phonetisch fast identische Philosoph Paul Häberlin): – Es ist erfreulich, wenn gleiches sich zu gleichem gesellt, aber es ist göttlich, wenn ein großer Mensch die kleineren zu sich aufzieht. Für Stefan Zweig war Hölderlins eigentlicher Genius die Begeisterung, die unsichtbare Schwinge. In seiner Begeistertheit lässt er eine permanent begeisternde Welt erscheinen. Daher seine ewige Frische. (Vgl. zu diesem Abschnitt Bothe: Hölderlin zur Einführung im Junius Verlag)
Zuweilen regte noch sich eine Geisteskraft in mir. Aber freilich nur zerstörend! Hölderlins entgrenzte und ihm weseneigentümlichste späte Lyrik entsteht in den Jahren vor seinem definitiven geistigen Zusammenbruch im Jahr 1806. Gleichzeitig zur weiter fortschreitenden Verbesserung seiner dichterischen Fähigkeiten und der Vertiefung/Erhellung seiner Vision wirft der Wahnsinn abermals seine leuchtenden Schatten voraus. Gedichte wie Patmos oder die Friedensfeier sind nicht mehr normal; in der zweiten Fassung von Der Einzige scheint geradezu zäsurhaft eine manische Zerrüttung stattzufinden. Hölderlins Wahnsinn – und so tritt er auch in den „Hymnischen Entwürfen“ der späten Lyrik zutage (in Wirklichkeit aber von Anbeginn seiner galoppierenden Lyrik an) – ist eine Art schizophrene Ideenflucht, ähnlich seinem stundenlangen freien Fantasieren am Klavier, dem er sich in jenen Jahrzehnten hingibt. Synästhetische Eingebungen und Ideen, Eindrücke, die jedoch von keiner Vernunft mehr zusammengehalten werden und bei denen er rasch den Faden wieder verliert. Zustand eines kleinen Kindes, in sein fantastisches, fasziniertes Spiel verloren, jedoch mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne – gleichzeitig ein alter Mann, der sich beschwörend erinnert seines Ideenzusammenhangs, ein alternder Geist, der seine Vision immer wieder vorbeiziehen lässt und sie vertieft, und der ihre Zeichen immer wieder hochwirft. So lebt er tatsächlich dahin, in einem Zustand der reinen Poesie und der phantasmatischen und phantasmagorischen Schöpfung, die durch keine kalten Ratio mehr gebremst, allerdings auch von keiner warmen Ratio mehr in ihren eigenen Zusammenhang gebracht wird. Wieder ein Hybrid aus singulären, überlegenen Fähigkeiten und Mangel an einfachen, alltäglichen Fähigkeiten, in einer neuen, erweiterten und vertieften Umkreisung. Als Kranker wohnt er die letzten Jahrzehnte in einem Turm am Neckar, unter der Obhut eines Bewunderers, des Schreinermeisters Ernst Friedrich Zimmer. Besucher empfängt und bewirtet er in umständlichem, feierlichem Zeremoniell und indem er sie fortwährend „Euer Gnaden“ oder „Euer Hochwohlgeboren“ tituliert. Der Ärmste scheint sich zu schämen, für den Verlust seiner Geisteskräfte, sein im Sand verlaufenes Leben und dass er von der Fürsorge und der Aufmerksamkeit anderer abhängig ist. Gleichzeitig scheint er aber zu ahnen, dass die Annäherung an das Göttliche und an das Unbegreifbare, Über-alles-Hinausgehende, das er verwaltet und das er sieht, nur durch zeremonielle Förmlichkeit geschehen kann und durch ehrehrbietendes Ritual. (Oder aber, dass man Menschen nicht genug ehren, oder ihnen nicht genug schmeicheln kann – Nun vesteh ich den Menschen erst, da ich fern von ihm / und in Einsamkeit lebe.) Sein halbverrückter und bannender Blick ist noch verrückter geworden, und noch bannender; sein Antlitz verliert sich auf der einen Seite immer mehr ins Dunkel, tritt in dieses zurück, und erscheint auf der anderen Seite immer mehr in gleißendem Licht, das von ferne kommt, und rätselhaft ist, das die Dinge übererkennbar macht und sie für unser beschränktes Erkenntnisvermögen bestenfalls in immer fernerer Zukunft fassbar. Das ist die späte Lyrik von Hölderlin.
Die Sagen, die der Erde sich entfernen / Vom Geiste, der gewesen ist und wiederkehret / Sie kehren zu der Menschheit sich, und vieles lernen / Wir aus der Zeit, die eilends sich verzehret. Es fällt mir kein Dichter ein, bei dem es nach der späten Lyrik noch eine späteste gäbe; außer eben Hölderlin, entsprechend seiner exzentrischen Bahn, seiner hyperbolischen. Die spätesten Gedichte Hölderlins sind (wie immer) weder sinnlos noch völlig sinnvoll. Er kehrt zu einer ganz einfachen, gebundenen Form zurück; von der eleganten Rhythmik ist nichts mehr zu merken, steif und scheinbar zaghaft wird die Botschaft in ungelenke deutsche, fast Kinderreime gesperrt, ohne echtes Vertrauen mehr in sich selbst, könnte man meinen. Oder aber in berechtigter Zurückhaltung in der Mitteilung der gewaltigen Vision. Die letzte Station der exzentrischen Bahn, die letzte Umkreisung des gleichzeitigen Kind-und-Alt-Werdens in der Schau des Göttlichen scheint erreicht. Hölderlin ist nun gleichzeitig am Anfang stehendes Kind, und am Ende – genauer gesagt, aus transzendenter, transzendentaler Position heraus – auf alle Geschichte, in die uralte Verwirrung blickender Alter, die nichts wirklich Uraltes und Verwirrendes mehr an sich hat. Es ist der Gleichmut des Entstehens und Hervortretens (weniger übrigens des Vergehens und Absterbens) im Wandel der Jahreszeiten, den er betrachtet. Das Jahr erscheint mit seinen Zeiten / Wie eine Pracht, wo Feste sich verbreiten / Der Menschen Tätigkeit beginnt mit neuem Ziele / So sind die Zeichen in der Welt, der Wunder viele. Er drückt sich über diverse literarische Alter Ego aus und auf seiner Uhr, in seinem Kalender, in seinem geistigen Erfassen, sind es alle Zeiten des Tages und der Ereignisse gleichzeitig; Mit Untertänigkeit, Scardanelli datiert er seine spätesten Gedichte auf d. 24. April 1839, Den 24. März 1671 oder d. 9ten März 1940: Der Mensch verwundert sich, daß sein Bemühn gelinget / Was er mit Tugend schafft, und was er hoch vollbringet / Es steht mit der Vergangenheit in prächtigem Geleite. In spätester Zeit wird alles vergangen sein, in seiner spätesten Zukunft wird der transzendentale Geist alles erfasst haben. Das Glänzen der Natur ist höheres Erscheinen, wird er zu berichten wissen, in seinem anfänglichen Impetus, in seinem Abschlussbericht. Ein Zeichen sind wir, deutungslos / Schmerzlos sind wir und haben fast / Die Sprache in der Fremde verloren. Als Zeichengitter stehen die spätesten Gedichte ein wenig in der Höhe über uns, mit einem großen Auge blicken sie starr und unverwandt, bannend wie gebannt hinter uns in die Geschichte, blicken sie in die Welt, als das total erkennende, daher empirisch fast aufgelöste Subjekt im transzendentalen Raum, in der transzendentalen Zeit. Ähnlich wie die Dionysos-Dithyramben von Nietzsche sind sie letztgültige Botschaften, vollständig in Bewegung, vollständig zur Ruhe gekommen. Anders als diese, die orgiastisch sind, sind sie aber auch ein wenig (altersweisere) Zeichen des Verschwindens, des Verblassens; so wie auch die Endlichkeit verblassen wird, und so wie auch die Ewigkeit verblassen wird, dereinst. Es sind, eben, Botschaften aus der spätesten Zukunft, die das transzendentale Vermögen verstandesmäßig erreichen kann: Im Begreifen der transzendentalen Paradoxien, im Schauen der Urphänomene. Der Erde Rund mit Felsen ausgezieret / Ist wie die Wolke nicht, die abends sich verlieret / Es zeiget sich mit einem goldnen Tage / Und die Vollkommenheit ist ohne Klage.
Indes ihr noch die Leichenfackel hält … bricht schon herein die neue beßre Welt… Am 7. Juni 1843 ist Hölderlin gestorben. Zeit seines Lebens hatte er einen kleinen Kreis von Bewunderern. Nach 1848 wurde er im Wesentlichen ignoriert, von wenigen Ausnahmen abgesehen, darunter der transzendentale Bruder im Geist, Friedrich Nietzsche. Ein Menschenalter sollte es noch dauern, bis dass er wieder, und mit breiterer Wirkung, ins Bewusstsein trat; freilich auch in das der unguten Deutschnationalen. Heute hat er seine populärste Zeit wohl wieder hinter sich. Doch das ist eventuell gut. Was bleibet aber, stiften die Dichter. Denn sein Zeichen, um dessen Deutung wir uns fortwährend, bis ans Ende der Zeiten bemühen werden, wird eben bleiben. Fürchtet den Dichter nicht, wenn er edel zürnet, sein Buchstab / Tötet, aber es macht Geister lebendig der Geist. In Stein gemeißelt, von unendlich robuster innerer Verstrebung, und dahingehend autonom, wie seine Gedichte, ist er Teil der Geschichte; mehr noch: der Textur des Seins. Er hat die Matrix gesehen. Wer die Matrix sieht, ist jenseits von Leben und Tod. Genau gesagt, ist lebendig, denn er ist lebendiger Geist, und macht eben fortwährend lebendig den Geist. Wer die Urphänomene sieht, steht eben auch am Urquell. Begeben wir uns also zum Urquell. Dort werden wir Hölderlin immer wieder treffen.
Sterblich bin ich zwar geboren / Dennoch hat Unsterblichkeit / Meine Seele sich geschworen / Und die hält, was sie gebeut
Addendum März 2023: Beim Verfassen dieser Betrachtung habe ich gar nicht gewusst, dass es eigentlich Goethe war – der hier so sehr in die Schranken gewiesen wird – der eigentlich mit den „Urphänomenen“ dahergekommen ist und sich mit ihnen verbunden gefühlt hat. Haha, naja. Das mit den Urphänomenen hat sich als Vision bei mir aufgetan, als versucht habe, jemanden wie Kafka mit jemanden wie Else Lasker-Schüler zu vergleichen. Die Probleme von Kafka scheinen keine bloßen Dichter- bzw. Kunstprobleme (was immer das auch, genau genommen, sein soll). Die Konvulsionen von Kafka sind die Konvulsionen der Urphänomene, deren Medium jemand wie Kafka ist – so hat es sich in mir aufgetan. Das ist das Urphänomen hinter meinem Ding mit den Urphänomenen.
Zeitlichkeit und Ewigkeit
Petrarca war sehr ruhmsüchtig, und er war, wie ich finde, ein schlechter Dichter. Pessoa hat gemeint, eine Art abstrakter Unsterblichkeit wäre ihm lieber, und er war, wie ich finde, ein guter Dichter. Petrarca hat sich viele Sorgen um die mangelnde Beständigkeit des Ruhms gemacht, Pessoa hat zu seinen Lebzeiten kaum was veröffentlicht. Ruhm erscheint als etwas Unbeständiges, da auch die Ruhmseligkeit eine subjektive Motivation ist, und daher, so scheint es, als geradezu notwendiges Korrelat, von fremder subjektiver Motivation erhalten, zerstört oder zumindest erheblich gefördert oder beschädigt werden kann. Die abstrakte Unsterblichkeit, die Ewigkeit hingegen, kann einem keiner mehr nehmen. Es ist daher besser, in der Ewigkeit anzulangen und dort vollkommen in sich zu ruhen, als nach Ruhm, der eine Sache der Zeitlichkeit und der subjektiven Motivation ist, zu streben.
Die Zeitlichkeit ist etwas Fragmentiertes und Relatives, vom Ewigen erhofft man Objektivität und erzerne Beständigkeit. Somit verweist auch die Zeitlichkeit auf das Leben, und die Ewigkeit auf den Tod, oder, hoffentlich, auf das ewige Leben; auf jeden Fall aber auf einen Seinsbezirk, der mit der Zeitlichkeit in keinem direkten Kontakt steht, nicht direkt mit ihr kommuniziert, sondern, irgendwie, jenseitig ist. Somit ist zwar das Zeitliche möglicherweise was Lächerliches und Eitles, das Ewige aber auch möglicherweise etwas Morbides und (subjektiv) nicht eben Erstrebenswertes. Wenn man, primär, die Zeichen der Ewigkeit sieht, so wie Pessoa, wird man von der Zeitlichkeit gerne ignoriert, und man hat dann halt nur seine kleine Ewigkeit. Die Zeitlichkeit hofft aber auf die Ewigkeit, um in ihr die Möglichkeit ihrer Transzendenz zu erblicken. Zeitlichkeit und Ewigkeit stehen in einem Wechselverhältnis und sind nur über dieses einigermaßen begreifbar.
Zeitlichkeit und Ewigkeit ist, scheinbar, das Zusammentreffen von Subjektivität und Objektivtät. Die Subjektivität wird im Objektiven (positiv oder negativ) aufgehoben und in ihr geborgen, die Objektivtät aktualisiert sich notwendigerweise aber eben im Subjektiven. Wenn das Subjektive so bedeutsam wird, dass es objektive Bedeutsamkeit und Gültigkeit erlangt, erreicht man die Sphäre des Ideals. Das Ideal ruht in sich selbst und ist unzerstörbar und ist ewig. Es ist geronnen und erstarrt, und es geht durch die Zeit und es ist lebendig. Es ist der Ort, wo die zeitliche Subjektivität und eine eherne, ewige Objektivität sich treffen. Das Ideal hat keine feste Form und es ist unvorhersehbar. Wer aber in der Sphäre des Ideals angelangt ist, ist, zumindest dort, frei. Es kann aber durchaus sein, dass es von dort aus komisch aussieht. Die Ewigkeit können ungute Räume sein (nichtsdestoweniger aber trotzdem interessante Räume).
„Ich sehe die wirklichen Genies und Sieger – die großen wie die kleinen – durch die Nacht der Dinge segeln, nicht wissend, was ihre stolzen Buge durchpflügen in dieser Sargassosee aus Verpackungsstroh und Korkresten.“
„Eure Argonauten trotzten Ungeheuern und Ängsten. Auch ich musste auf der Reise meines Denkens Ungeheuern und Ängsten trotzen. Auf dem Weg zu abstraken Abgrund, auf dem Grund aller Dinge, gilt es Schrecknisse zu durchstehen, unvorstellbar für die Menschen unserer Welt, und Ängste, fremd aller menschlichen Erfahrung; das Kap des gemeinen Meers, das zum Unbestimmten führt, ist menschlicher vielleicht als der abstrakte Weg zum Vakuum der Welt.
Der Heimatstatt beraubt, vom Heimweg vertrieben, Witwer für immer der Annehmlichkeit eines immergleichen Lebens, erreichten eure Sendboten endlich – ihr wart schon verstorben – das ozeanische Ende der Welt. Sie schauten – stofflich – einen neuen Himmel und eine neue Erde.
Ich, fern der Wege meiner selbst, blind vom Sehen des Lebens, das ich liebe, (…), habe endlich auch das leere Ende der Dinge erreicht, das unwägbare Ufer der Grenze aller Wesen, die Pforte ohne Ort zum abstraken Abgrund der Welt. Ich trat, Herr, durch diese Pforte. Ich irrte, Herr, über dieses Meer. Ich starrte, Herr, in diesen unsichtbaren Abgrund.“
„Der Wert der Kunst besteht darin, dass sie uns aus dem Hier holt.“
(Fernando Pessoa: Das Buch der Unruhe)
Die Möglichkeit, die Ewigkeit zu sehen, liegt im Geist, und sie liegt in der Seele. Sie liegt, am Besten, im Zusammenspiel von Geist und Seele. Der Geist durchdringt sich selbst und frisst sich in die Dinge. Das ist sein Wesen. Er vertieft sich in sich selbst. Er korrodiert die Dinge und relativiert ihre Bedeutung und schafft neue Dinge. Durch die Reflexion über die Reflexion sprengt er schließlich die Begrenzungen und die materielle Hyle und gelangt in ein neues Reich der Bedeutungen, und gelangt in das Reich der ewigen Bedeutungen, wenn der Geist sich vollständig realisiert hat, und somit die ewigen Bedeutungen begreift.
Das Begreifen der, scheinbar starren, ewigen Bedeutungen ist dabei ein höchst dynamischer, sich ständig wandelnder Prozess, eben die Reflexion der Reflexion, als der letzten Wirklichkeit des Geistes. In dieser Ewigkeit (des Geistes) ruht nichts. Es rotiert und fluktuiert alles herum, um eben das ideale ewige Zentrum des Geistes, das in Stasis ist, da es in sich selbst ruht, und keine Bedingungen anerkennt als seine eigene reine Subjektivität und die möglichst reine Objektivität der Dinge und der Vorgänge, die der Geist beobachtet.
Wenn der Geist sich verwirklicht hat, eben indem er sich permanent verwirklicht, über die Reflexion der Reflexion, erscheinen die Zeichen der Ewigkeit und die Räume und Felder der Ewigkeit. Die Zeichen und die Räume und die Felder der Ewigkeit sind ebenso universell, wie sie privat sind. Sie sind zum Beispiel die Erleuchtung, das Satori, oder auch die unio mystica. Sie erscheinen in der großen Kunst, in den Landschaften von Tarkowskij oder Antonioni zum Beispiel hat man einen Blick auf die ewigen Felder.
Wenn mir die Zeichen und die Perspektiven auf die Ewigkeit erscheinen, ist das etwas Geistiges und es ist etwas Körperliches. Der Geist tritt aus sich selbst heraus, und nimmt den Körper mit, die starren Formen der Ewigkeit wiederum fixieren den Geist, und sie fixieren den Leib. Es sind starre, einfache Architekturen, die unendlich robusten Verstrebungen, sie wachsen aus dem Leib heraus und durch ihn hindurch, so dass der Geist und der Leib nicht wegkönnen; von ihrem in die Zeitlichkeit geworfenen Reflektieren, das die Ewigkeit zum Gegenstand hat. Was mich anlangt, so kann ich von dort nicht weg. Das ist, bei allen ekstatischen Erlebnissen, nicht immer angenehm, sondern durchaus auch dessen Gegenteil. In meiner radikalen Freiheit bin ich gefangen, in meiner Gefangenschaft in Zeit und Ewigkeit bis ich radikal frei. Die Zeichen der Ewigkeit treten vor mein geistiges Auge und in mein inneres Erleben mal so, mal so. Jetzt zum Beispiel erscheint mir folgendes Zeichen der Ewigkeit:

Dieses Zeichen der Ewigkeit erscheint vor meinem Geist, und wandert jetzt auf das Firmament, brennt sich in den Himmel ein und ist dann dort.
Das Zeichen der Ewigkeit hängt am Himmel, einigermaßen groß, und blickt stumm und ein wenig ernsthaft, ein wenig überwältigend, ein wenig durchdringend auf uns hinab. Sein metaphysisches Charisma liegt dabei nicht darin, dass es kommuniziert, denn es kommuniziert nicht. Es liegt nicht darin, dass es tatsächlich blickt, denn es ist augenlos. Inwieweit es Wissen beinhaltet, weiß man nicht. Es ist unkompliziert, es ist simpel, aufdringlich und unwandelbar. Es ist präsent. Sein metaphysisches Charisma ist es, einfach präsent zu sein. Es gemahnt an die ewige Möglichkeit einer anderen Ordnung, und damit an die Relativität der jeweiligen zeitlichen Ordnung. Es gemahnt an die Ewigkeit. Dass es sich in das Firmament eingebrannt hat, gemahnt, genau gesagt, an das Wechselverhältnis zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit. Von der Ewigkeit aus blicke ich auf die Zeitlichkeit und relativiere sie so (ein wenig, da ich trotzdem der Zeitlichkeit angehöre), von der Zeitlichkeit aus blicke ich auf die (sich der definitiven Kommunikation entziehende, und offenbar eigentlich dumme und stumme) Ewigkeit, und transzendiere so die Zeitlichkeit, und ermögliche in der Zeitlichkeit großen Fortschritt.
Das Zeichen der Ewigkeit hat sich in das Firmamen eingefressen und besteht dort. Es wird dort noch bestehen, wenn die Sonne längst verloschen ist, so mächtig ist es. Vielleicht wird es irgendwann einmal anfangen, zu verblassen. Sein Verblassen wird erst in ferner Zukunft stattfinden und der Prozess seines Verblassens wird sich noch viel länger hinziehen als die Zeit seines unverblassten ursprünglichen Bestehens. Irgendwann, in der fernsten Zukunft des Universums, mag es ganz verblasst sein. Wobei das nur eine Möglichkeit ist, es ist nicht einmal sicher. Es erscheint nur wahrscheinlich, auch weil die Zeitlichkeit in der fernsten Zukunft des Universums, in der alle Ordnungen zerfallen sein werden, eine andere sein wird, und damit auch ihr ewiger Reflex ein anderer. Das metaphysische Charisma des Zeichens der Ewigkeit wird nicht mehr in der Präsenz liegen, sondern in seiner verblassenden Absenz.
Das ist die Ewigkeit des Geistes. Dann gibt es die Ewigkeit, die in der Seele liegt. Die Substanz der Seele liegt darin, gute, empathische Bezüge zu schaffen, zu sich und zu dem, was sie umgibt. Zu dem, was in ihr liegt, und zu dem, was außerhalb von ihr liegt: zum Anderen. Die Ewigkeit der Seele ist der Himmel. Der Himmel besteht in der permanenten Kommunion mit Christus, dem Allesvereiniger, dem Hersteller des guten Bezugs und der guten Bezüglichkeit. Das ist die Ewigkeit der Seele. Sie ist, in ihrem Sinnbild, eher was Wolkenhaftes und Luftiges als was Starres.
Man sieht, die Ewigkeit der Seele zu beschreiben, ist nicht schwierig; ist weniger schwierig, als die Ewigkeit des Geistes zu beschreiben, die sich der definitiven Beschreibbarkeit und definitiven Anschaulichkeit entzieht. Angesichts der Ewigkeit des Geistes hat man nur verschwimmende Anschauungen oder eben, als Gegenteil, stumme und gänzlich unterkomplexe (allerdings hochsuggestive) Zeichen. Die Ewigkeit der Seele ist etwas Emotionales (und Moralisches!), und nicht etwas Intellektuelles oder Anschauliches. Das Emotionale hat seine Präsenz nicht in Anschauungen oder Zeichen, sonden in sich selbst. Das ist der Himmel.
Petrarca wäre aber dann doch nicht Petrarca, wenn nicht – trotz aller Besorgnis um Zeitlichkeit und weltlichen Ruhm – auch er zur Ewigkeit vorgedrungen wäre! Petrarca beschäftigt sich, als Universaldichter und Universaldenker und Universalmensch, zeitlebens mit dem pensare, der Ausdehnung des Geistes, um die horizontale Mannigfaltigkeit der Welt zu erfassen, die disparat und gottlos ist (im Gegensatz zu (dem ebenfalls sehr rumsüchtigen und daher folgerichtig von Petrarca getadelten) Dante, der die vertikale Mannigfaltigkeit der Welt erfassen will, also der göttlichen Seins- und Heilsordnung (und bei dem sich das Denken und die Anschauung angesichts der höchsten Instanz, des Göttlichen, auflösen; was bleibt ist die „Liebe, die bewegt die Sonn und Sterne“, also eben die Essenz des Himmels)). Das absolute pensare dringt einerseits in sich selbst, und ist andererseits von grenzenloser Ausdehnung (die aber nichtsdestoweniger einen Horizont hat, hinter dem das ewig Unbekannte liegt: die absolute Zukunft und das Wissen (in) der absoluten Zukunft, die von keinem Denken der Welt antizipiert werden können; das absolute Denken beherrscht es aber, so gut es geht, indem es das nicht antizipierbare Wissen antizipiert und sich darauf vorbreitet: insofern das absolute Wissen und das absolute Denken eben permanent auf neues Wissen und neues Denken sich vorbereitet). Der sich intensivierende Kraftakt des Denkens hat schließlich zum Lohn, dass es zum Stillstand kommt, und die „Welt in unbeweglichem und ewigem Zustand erblickt“, und Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft zusammenfallen; die unüberblickbare Vielheit der Welt wird im Rahmen einer überweltlichen Einheit der Weltanschauung und –introspektion begriffen. Die Sukzession der Zeit (und die disparate, gottlose Vielheit, die sich über die Suzession der Zeit entfaltet) wird aufgehoben und du erblickst dann ihre Vielfalt im Raum, in dem die Ereignisse der Welt zusammentreffen: eine Versammlung der Ereignisse der Zeit im Raum der Anschauung. Da tanzen sie also alle an, die Ereignisse und die Großen und die Kleinen der Weltgeschichte! Ich sehe sie alle wieder! In diesem Raum triffst du auch Petrarca wieder (ich nannte diesen kommunalen Raum schon mehrmals „das Kontinuum“). Ich treffe, genau gesagt, nicht Petrarca wieder, sondern seinen ewigen Geist. Dieser Raum, oder „das Kontinuum“, ist kein Raum des Triumphes des Ruhmträchtigen, der in der Zeitlichkeit stattfindet, sondern es ist der imaginäre Raum des Triumphes der Ewigkeit, eben über die Zeitlichkeit. Es ist der Raum des Ideals, das unzerstörbar ist, der Raum der abstrakten Unsterblichkeit. Abstrakte Unsterblichkeit heißt, dass etwas Sinn im Universum macht. Dass sich ein Text in die Struktur des Universums einbrennt. Das ist ein viel tieferes Ereignis als jeglicher Ruhm.
Ohne das jeweils andere sind beide nichts, ohne die Zeitlichkeit zerfällt die Ewigkeit, und umgekehrt. Das versteht ein jeder und eine jede. Vielleicht existieren beide auch nur, objektiv, als Wechselverhältnis. Doch das ist kaum beantwortbar (da es schon schwer genug ist, als zeitliches Wesen in der Ewigkeit anzulangen – wie also das Wechselverhältnis Zeitlichkeit – Ewigkeit möglicherweise auch noch transzendieren? (hier wird es „aufgelöst“, indem es wechselseitig immanent gemacht wird) Wie lässt sich, möglicherweise, ein solcher Raum betreten? Zu untersuchen!!; Anm.). Was wir hier versucht haben, war, das metaphysische Verhältnis zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit zu beschreiben, angesichts dessen die letzten Beschreibungen versagen, da es, inhärent, hinter dem Horizont liegt. Sein Rest ist Schweigen. Und diese Ausführungen hier eben sind beredtes Schweigen. Damit schließt sich der überdimensionale Zirkel. Und ein Zirkel läuft eben ewig fort. Ich bin schon gespannt auf das nächste Zeichen der Ewigkeit, das mir früher oder später erscheinen wird. Denn die Ewigkeit gibt mir (und auch dir) Zeichen. (Und wie sollte ich verstehen, was er meint, überlegt Wittgenstein, ich sehe ja nur seine Zeichen. Und wie sollte er verstehen, was ich meine, überlegt Wittgenstein weiter, er sieht ja nur meine Zeichen.) Momentan bin ich aber mit diesen drei Balken und der Art Türklinke drüber ganz zufrieden.
Petrarca und die angeschissene Wand
Ich bestreite nicht, dass ich von Natur aus aufs höchste nach Ruhm begierig bin, bestreitet der alte Petrarca nicht, und geht mir damit auf den Arsch. Bin ein armes Mägdelein, hab in mein` Leben kaum was erlernt, doch mein Herz ist rein, und eins weiß ich: dass die Eitelkeit und die Selbstsucht alles versaut. Ruhm – mit Handschuhen fasse ich diese Münze an, mit Ekel trete ich sie unter mich … Wer will bezahlt sein? Die Käuflichen… sagt der alte Nietzsche, der auch weiß: Und niemand lügt so viel wie die Dichter! Der Dichterfürst, der Petrarca, posaunt auch noch hinaus: Das Verlangen nach Ruhm ist nicht nur den gewöhnlichen Menschen, sondern ganz besonders den gelehrten und herausragenden eingeboren. Votze, Titte, Pimmel, Arsch! Der Sinn von Kunst, von Wissenschaft, von Religion, von Philosophie, ergo: der Sinn vom Geist ist die Schaffung einer Epiphanie der Wahrheit, des Schönen, des Guten, der Ordnung. Und das kann nur über Entäußerung geschehen, nicht über dessen Gegenteil, die Ruhmsucht. Das ist das Einzige, was ich weiß; das ist das einzige, was ich im Leben mitbekomm` hab! Beim Petrarcalesen muss ich immer so komisch schaun. Was ist da der Sinn dahinter? Aber was kann ein alter Geck wie son Petrarca auch schon zu sagen haben, welche Sinnhaftigkeit soll die Ruhmsucht schon haben? Zuviel der Worte, zu wenig der Inhalt, und rektal gedrechselt wirken diese Dinger außerdem, so wie die Anal Staircase von Coil, wie soll man sich da raufmühen, ohne dass einem scheißschwindlig wird und man dauernd die Orientierung verliert? Was für eine dünne Scheiße, das:
Lebt noch, Apoll, das an Thessaliens Wogen
Dich einst entbrannt, dein seliges Verlangen,
Gedenkst du noch, ob Jahre schon vergangen,
Des blonden Haares, dem du einst gewogen,
So schütze dieser heiligen Zweige Bogen,
Die dich zuerst und mich darauf gefangen,
Vor Frost und Wettern, die am Himmel hangen,
So lang dein Antlitz trübe sich umzogen.
Bei deiner Hoffnung fleh ich, deinen Flammen,
Die aufrecht dich erhielten einst im Leiden,
O nimmt die böse Luft von unsern Matten!
Dann sehen voll Verwunderung wir zusammen
Sitzen im Gras die Herrin von uns beiden
Und selbst mit ihren Armen sich beschatten.
Sagen Sie das meinem Arsch! entgegnet darauf Angeklagter Pimmel zu Richterin Votze im Jahr 1374, in der Gerichtsverhandlung, in der er zum Tode verurteilt wird, weil er die Kokosnuss geklaut hat, und das aufplatzende Gelächter des zuschauenden Pöbels ist unendlich – das ist es, was die guten Leute hören wollen! Ja, scheiß einer die Wand an, ich kotz gleich halb Europa voll!
Den 29. März anno 2020
Addendum: HA, was für eine göttliche Fügung, dass ich bei der Suche nach Manni über FB nach etwas dazu passendem gerade AUF DAS DA stoße:

Gestern Abend, kurz vor dem Einschlafen, also zu dem Zeitpunkt, wo ich immer meine besten Ideen habe, schießt mir folgender Blitz durchs Hirn: Zwei matt glänzende schwarze metallene Quader, 5x5x2cm: Wenn die Katze sie frisst und sie wieder rausscheißt, wie soll das gehen, ohne dass sie sich dabei das Arschloch aufreißt? Ja, da raucht der Kopf, so eine schwere Denkaufgabe! Wenn mir die Lösung des Rätsels gelingt, wie soll das gehen, ohne dass mir vor Intensität das Arschloch explodiert? Wenn der B mich noch einmal, wie dauernd, einen Homo nennt, werde ich zu ihm sagen: Und du bist ein sehr schlechter Hetero! Yorick locuta, causa finita.
(Aus dem Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken)
(Den Comic, wo das Murmeltier täglich grüßt mit den Worten: Ja scheiß einer die Wand an, das ist doch Manni, der alte Ficker! Mensch, grüß dich du alte Fickfotze! wenn Manni unten aufm Weg zur Arbeit bei ihm am Balkon vorbeikommt, und der sich dann frustriert denkt: Jeden Tag dasselbe…, habe ich leider nicht gefunden.)
Else Lasker-Schüler und Sappho
„Ich kann ihre Gedichte nicht leiden, ich fühle bei ihnen nichts als Langweile über ihre Leere und Widerwillen wegen des künstlichen Aufwandes. Auch ihre Prosa ist mir lästig aus den gleichen Gründen, es arbeitet darin das wahllos zuckende Gehirn einer sich überspannenden Grossstädterin. Aber vielleicht irre ich da gründlich, es gibt viele, die sie lieben, Werfel z. B. spricht von ihr nur mit Begeisterung. Ja, es geht ihr schlecht, ihr zweiter Mann hat sie verlassen, soviel ich weiss, auch bei uns sammelt man für sie; ich habe 5 K hergeben müssen, ohne das geringste Mitgefühl für sie zu haben; ich weiss den eigentlichen Grund nicht, aber ich stelle mir sie immer nur als eine Säuferin vor, die sich in der Nacht durch die Kaffeehäuser schleppt.“ So schreibt Franz Kafka an Felice Bauer über Else Lasker-Schüler. Ich bin, wie Kafka oder Beckett, überhaupt nicht gerne kritisch, da sich in der Kritik etwas Herabsetzendes und möglicherweise was Ungerechtes verbirgt. Aber ich kann mir leider nicht helfen, auch nach einer mehrmaligen Lektüre der Liebeslyrik von der Lasker-Schüler ganz ähnlich zu empfinden! Man hat da keine intensiven Bilder (ja, eigentlich überhaupt keine Bilder – allerdings den offenbar ausgeprägten Willen (irrationale, intensive, eben poetische) Bilder zu schaffen); trotz einer gewissen Enge der Motive und Symbolismen nichts Kompaktes, aufgrund auch der Sprunghaftigkeit innerhalb auch der einzelnen, eher kurzen Gedichte – Sprunghaftigkeit und Assoziation, die normalerweise für die gute Öffnung sorgen (des Geistes, des Auges, des Herzens, der Imagination), hier aber nur von einer Verlassenheit in die andere führen; genau gesagt: man spürt in diesen Liebesgedichten irgendwie nichts von einer Liebe; was man vor sich hat, scheint Wortklauberei. Das oftmalige Problem des Expressionismus, dass er eigentlich nur expressiv ist, und sonst nichts (also Ausdruck ohne Inhalt). Nur Narr! Nur Dichter! – Ich geniere mich! Anders als praktisch alle anderen, die gerne kritisch sind und so gern autoritative Urteile fällen im Sinne von einer letztinstanzlichen Beurteilung – aufgrund ihres beschränkten Verstandes und ihrer beschränkten Aufnahmefähigkeit einerseits und ihrer vermaledeiten Eitelkeit andererseits, die dann aus der Not des beschränkten Verständnisses eben auch noch eine Tugend machen will, indem sie ihre beschränkten Verständnisse als letztinstanzlich zementieren will – anders also als das, liebe ich es weder, letztinstanzliche Urteile (noch überhaupt Urteile) zu fällen, und auch nicht, kritisch zu sein. Es befällt mich so große Scham, dass ich mich am liebsten unter dem Bett verkriechen würde, dass meine Anschauungen von der Lyrik der Else Lasker-Schüler so ungünstig ausfallen; vielleicht irre ich mich, ja, ich hoffe sogar, ich irre mich! Kafka räumt ja auch die Möglichkeit ein, dass er sich irren könnte. Klar, wenn sich Kafka nicht fragen würde, ob er sich nicht gründlich irre, wäre er – in seinem gesunden wie in seinem kranken Sinne – nicht Kafka; aber eben weil er Kafka ist, und nicht Werfel und all die anderen, ist seine Auffassung eben vertrauenswürdiger, da Kafka nicht, wie Werfel und Literaten im Allgemeinen, ein Handwerker war, sondern, wie Beckett oder van Gogh oder Pessoa, die Urphänomene gesehen hat. Kafka oder Beckett oder van Gogh wussten auch viel besser, was Liebe ist, so haben sie auch wenig Worte darüber verloren. Das Urteil von Kafka hat Gewicht. Wenn ich mich an die Kafka-Biographien recht erinnere, hat die Lasker-Schüler einmal ihrerseits ein Porträt von den Literaten im Kaffeehaus gezeichnet: Und Kafka war als einziger mit einer Art Heiligenschein versehen! Ach Else, arme, ewig wandernde Jüdin, mit deiner Sehnsucht nach dem neuen Jerusalem! Kann es nicht doch eine Verbindung zwischen uns geben? Ich war ja auch lange eine Säuferin, die sich in der Nacht durch die Kaffeehäuser schleppt. Mein Geist war dabei aber vollkommen klar und weich wie Diamant. Deswegen ist es gut, dass es ein Sozialsystem gibt, da ich ansonsten schon längst verendet wäre oder von Almosen leben müsste. Ob Literatenzirkel mir 5 K geben würden, weiß ich nicht, da ich keinen angehöre, sondern ein Einzelgänger bin, wie Kafka. Im Elysium werde ich die Else Lasker-Schüler wiedersehen, falls sie dort ist; vielleicht, wahrscheinlich, werde ich mir dann ein genaueres Bild von ihr machen können. Allein von jemandes sprachlichen Ausdruck her ist das nämlich nicht zielführend. Man sollte davon Abstand halten.

Die Feministinnen schreien immer wieder laut auf, wie unterdrückt die Frauen seien und wie schmachvoll verkannt ihre künstlerischen Großtaten. Das ist zwar immer wieder Fall (im Übrigen auch bei Männern), es ist immer wieder aber auch nicht der Fall (zumindest eher nicht dann, wenn eine echte künstlerische Großtat vorliegt). Auch wenn ihr Werk größtenteils verlorengegangen ist, wandert die Sappho durch die Zeiten. Im alten, misogynen Griechenland war sie beliebt, der alte Weiberfeind Platon hat sie als „zehnte Muse“ bezeichnet. Eine mystische Figur, und eine Muse, ist sie bis heute geblieben. Die Lyrik der Sappho ist das erste Beispiel, wo ein literarisches Ich eingeführt wird, das von seinen Gefühlen, Wahrnehmungen, inneren Regungen etc. spricht (wie Frauen das halt tun). Das in einer ungekünstelten Sprache, so dass ihre Poesie den „Charme der absoluten Natürlichkeit“ hat (wie Frauen das halt mal idealerweise haben). Ein unvollkommenes Bild kann man sich davon leider nur machen, wenn man es nicht im Original versteht; außerdem war die Lyrik der damaligen Zeit dafür bestimmt, vorgesungen zu werden, wie Frauen das halt tun, daher fehlt uns diese, möglicherweise wichtige Dimension. Die Dichtung der Sappho habe ich anfänglich auch nicht so gut gefunden, mangelnd an Substanz und an starken, greifbaren Eindrücken, es fehlt an überraschenden Wendungen und spektakulären Einfällen, aber vielleicht wirkt sie gerade deswegen eher langsam und subtiler. Sie hat, bei all der Leichtigkeit, auch etwas Erhabenes und etwas hintergründig lächelnd Unbesiegbares, nicht mehr Transzendierbares, so wie Frauen das eben haben. Ehrfurcht gebietend auch, da es das Werk einer Griechin ist; also einer praktisch Unberührbaren. Es ist uralt, es stammt vom Apex, vom Olymp der Menschheitsgeschichte, überhelle Sonne strahlt von weit oben auf das fröhlich-schaurige Treiben der griechischen Erwachsenen-Kinder, mit ihrer eigentümlichen Allwissenheit kann es keiner aufnehmen (selbst Nietzsche schreibt in seinem späten Buch darüber, wie man mit dem Hammer philosophiert, dass ihm die Art der alten Griechen „zu fremd“ sei); unberührbare, unantastbare Sappho also, entrückte Figur. Hölderlin, den man gerne verehrt, war ein großer Verehrer der Sappho, und große Ähnlichkeiten sind da. Leider scheint die Sappho dagegen abzufallen, da sie die charismatische Verworrenheit und die sich daraus ergebende absorbierende Sogwirkung, die erschreckende Absolutheit, das gleichermaßen bannende wie gebannte Auge der Hölderlinschen Dichtung nicht hat. Die Dichtung von der Sappho ist ja auch keine metaphysische Dichtung, wenngleich der Glanz der flirrenden Sonne, die elysische griechische, ideale Landschaften bescheint, da ist. Die Bilder sind flirrend, aber das optische Instrumentarium ist gut und brauchbar, und man hat da eben die Sonne und die griechischen Landschaften. Man hat da, wie bei Hölderlin, was, was ich noch immer nicht richtig ausdrücken kann: aber man hat in dieser Sprache innere Verstrebungen, die sie höchst dichterisch machen, in dieser Mischung aus freier Rede und erzener Form, die vom Genius zusammengehalten wird, der dann auch die charismatische Grenze ihrer Verständnismöglichkeit ist, von der dann eben die absorbierende Sogwirkung ausgeht. Obwohl ich die Sappho anfänglich nicht so gut gefunden habe, zieht sie mich langsam in ihren Bann (das heißt, möglicherweise, denn es kann ja auch sein, dass diese wachsende Faszination instabil ist). Es ist sehr schade, dass nur sehr wenig von ihr erhalten ist, und das wenige Erhaltene meistens außerdem nur in Fragmenten vorliegt. Ja, schade, denn ich glaube, Gesamtausgaben von der Sappho würde ich schon kennen wollen. Halten wir inne: In unserem Zeitalter und mit unseren Möglichkeiten sind wir gewöhnt, dass die Archive ständig anwachsen, ins Hypertrophe, ins Gigantische. Aber wir müssen uns damit abfinden, dass in Wirklichkeit auch vieles verloren gegangen ist und für immer der Rekonstruierbarkeit und dem wissenschaftlichen Zugriff entzogen bleiben wird, die Wissenschaft daher auch für immer unvollständig bleiben wird, da sich entscheidende (zum Beispiel erd- oder evolutionsgeschichtliche) Daten im Dunkel der Vergangenheit vollständig verlieren. Sie sind verloren! Nicht mehr existent! Unwiederbringlich! Halten wir feierlich und erschüttert inne! (Zumindest ich fühle mich danach, feierlich und erschüttert angesichts dessen inne zu halten.) Im dreizehnten Jahrhundert bereits vermerkt der Gräzist John Tzetzes in Byzanz: „Der Lauf der Zeit hat die Sappho und ihr Werk zerstört.“ Das hat schon irgendwas Erhabenes und gibt einem zu denken. Da besiegt so mancher die Zeit, indem er was Ewiges macht oder was Ewiges ist, so wie eben die Sappho, und dann kann aber doch der blinde Lauf der Zeit daherkommen, und das effektiv zerstören und annullieren! Da mag sich einer denken: er besiegt die Zeit, und dann besiegt die Zeit ihn! Wird der Kampf zwischen Gut und Böse, vielmehr: der Kampf zwischen den Dimensionen immer unentschieden weitergehen? Ich bin immer wieder nervös und beängstigt, da ich in der realen Welt ganz, ganz klein bin und mein Werk in der realen Welt sinnlos sein könnte und verloren gehen könnte und alles umsonst gewesen sein könnte, die realweltliche Erfahrung suggeriert mir das ja recht stark; gleichzeitig aber auch völlig beruhigt, insofern ich mein Werk weiß als außerhalb von Raum und Zeit, jenseits von Leben und Tod und als mächtiger als alle Welt: denn mein Werk ist der Geist. Stelle ich mir aber eben den Lauf der Zeit vor, einen ächzenden Strom, wie irgendeine mächtige, brutale Hand da rausfährt und an einer anderen Stelle hineingreift und mich und mein Werk rausreißt aus dem Lauf der Zeit und wegwirft, so dass ich vergessen wäre, ausradiert, zerstört, unwiederbringlich; aus dem Lauf der Zeit entfernt und aus der Ewigkeit. – Also, ich muss schon sagen, dass diese Vision als spontane Reaktion ein ironisches Lächeln bei mir hervorruft.

(Der Zusammenhang ergibt sich hier deshalb so, weil ich mir in der ehemaligen Zentralbuchhandlung eben einen Band mit den Gedichten der Sappho und der Liebesgedichten der Lasker-Schüler mitgenommen habe, als Spontankauf. Die Zentralbuchhandlung beim Stephansplatz war eine geistig hochstehende linkslinke Buchhandlung, in die mein seliger Vater immer gegangen ist, wenn wir in Wien waren. Nachher wurde sie dann vom Frick übernommen, blieb aber eine geistig hochstehende, bemerkenswert gut sortierte Filiale – in der übrigens auch meine Bücher verkauft wurden (zunächst erfolgreich, dann nicht mehr erfolgreich; je besser und geistig hochstehender sie eben geworden sind). Seit ein paar Jahren ist sie auch das nicht mehr, sondern es werden dort Restposten und Mängel- und Billigexemplare verscherbelt, allerdings von teilweise geistig hoch- und höchststehender Literatur. Etliche Bücher von/über die christlichen MystikerInnen (über die ich bereits berichtet habe) habe ich von dort (gegenüber ist die Dombuchhandlung, wo es auch Bücher von/über MystikerInnen gibt, allerdings teurere, und im Hinblick auf die islamische Mystik sind sie leider gar nicht gut sortiert; irgendwann werde ich mich zurückziehen in ein Kloster und dort die Mystik studieren (vor allem die frühchristliche finde ich zur Zeit recht interessant)); und jetzt eben auch die von der Else Lasker-Schüler und der Sappho (und dem Petrarca). Das sei doch eine sehr gut sortierte, geistig hochstehende Buchhandlung gewesen, habe ich den Herrn dort gefragt, mit fuchtelnden Händen, als ich mich eines Tages eben verblüfft in der Restpostenbuchhandlung wiedergefunden habe, warum gibt´s die also nicht mehr? Ja leider, hat er gemeint, gute Bücher hat´s da gegeben, viel Philosophie – aber Philosophie und so, das lesen die Leute eben nicht mehr, und so sei es jetzt eben eine Restpostenbuchhandlung. Da habe ich wieder einmal meine Position und meinen Auftrag verstanden: Mein Auftrag ist es, die Leute, die breiten Massen wieder zur Kunst und zur geistig hochstehenden Philosophie zu bringen! (Dass die Leute von der Kunst und von der Philosophie wenig nur mehr wissen wollen, erscheint einleuchtend, da diese seit geraumer Zeit kraftlos sind und defensiv, und nicht mehr wirklich an sich selbst glauben. Also muss man ganz einfach etwas dermaßen Kraftvolles an Kunst und Philosophie in die Welt setzen, dass die Welt erzittert. Wenn China erwacht, erzittert die Erde; das ist heute das Thema; also muss man eben was machen, was den Verstand von ganz China überschreitet und erzittern lässt. Dann wird man die Leute, die breiten Massen, wieder zur Kunst und zur Philosophie bringen. Au ja! So wird das sicher funktionieren!))

Ich habe schon dann und wann ruminiert, dass mir die Poesie generell suspekt ist. Die Poesie, die Lyrik ist die höchste Konzentriertheit des sprachlichen Ausdrucks; auch der am höchsten konzentrierte künstlerische Ausdruck der menschlichen Subjektivität. Die menschliche Subjektivität ist aber eher etwas zu Verschrumpeltes, als dass ein höchst konzentrierter Ausdruck ihrer selbst anzunehmenderweise gut gelingen könnte. Ich mache mit mir selber da ja gar keine Ausnahme, denn auch ich bin die meiste Zeit, und so auch jetzt, leer. Es gibt nichts, was mich jetzt dazu verleiten würde, eine Ode an den Himmel zu dichten, an die Vögel, die vorbeifliegen, an die Bäume, die da draußen stehen oder an die Liebe, die ich empfinde. Und das, obwohl ich ein hochpoetischer Mensch bin! Ich glaube also, jemand, der Oden an die Bäume und an den Himmel und an die Liebe dichtet, sich dauernd dazu verleitet fühlt – der lügt (wie es ja auch Nietzsche über die Dichter sagt). Denn es gibt da nichts darüber zu dichten. Aber wie auch immer es sei. – Als ich mit meiner geliebten Liliana neulich am Ende der Welt war, auf einem Boot in den Beagle-Kanälen, haben wir Fotos von uns durch das Fenster gemacht (ich von draußen, sie von drinnen), die dann einen interessanten, mehrmals gespiegelten Ausdruck ergeben haben, sodass die Situation überhaupt nicht leicht dechiffrierbar ist. Wer was wie wo?? Meine geliebte Liliana mag keine Chinesinnen und ist sehr eifersüchtig auf sie und meint, ich hätte ständig was mit Chinesinnen. Also habe ich ihr gesagt, dass jenes Foto die gesamte weibliche Hälfte von China ganz konfus machen werde. Die gesamte weibliche Hälfte von ganz China observiere und studiere nämlich alles, was ich mache und publiziere, und wenn die lasterhaften Chinesinnen jenes unerklärliche Foto sehen würden, wäre die Aufregung und die Konfusion und Bestürztheit in ganz China riesengroß; ??Tsching tsching tsching??? Tsching tsching tsching???!!?? würden sie dann alle, bestürzt und konfus, rufen; ??Tsching tsching tsching??? Tsching tsching tsching???!!?? Wenn ich mir jetzt aber Gedichtbände durchlese (wie jetzt zum Beispiel eben den von Petrarca), und versuche, in die Essenz, in den lodernden Feuerkern, in das künstlerische, nein, das seelische Geheimnis einzudringen, das dort anzunehmenderweise irgendwo verborgen sein muss, listig versteckt – also, ich kann mir auch nicht helfen: Da sitze ich doch immer wieder da, mit konfusem Gesichtsausdruck, und scheine mich zu fragen ?Tsching tsching tsching?? Tsching tsching tsching??? Es kann gut sein, dass manche Dinge eben auch besser ein Geheimnis bleiben.

Amiel und der absolute Geist
Henri-Frédéric Amiel (27. September 1821 in Genf – 11. Mai 1881 ebendort) hatte ein Herz aus Gold, ein Talent aus Silber und die Gravität eines sehr schweren, sehr selten vorkommenden Elementes. Mit so etwas kann der Pöbelhaufen Menschheit immer wieder nichts anfangen, und so erinnert sich heute kaum einer mehr an den armen Amiel. Dabei kann man bei Amiel vieles lernen und vieles sehen, denn Amiel hat in einer höhere, bessere Welt geblickt, und auch die niedere, empirische Welt begriffen; er war eine diesseitige und eine jenseitige Figur. Amiel war der seltsame Fall eines Genies, das weder als Gelehrter noch als Künstler etwas Bleibendes hinterlassen hat (und unter dieser Unzulänglichkeit zeit seines Leben stark gelitten hat). Seine rastlose Produktivität hat sich in der Niederschrift seines (insgesamt 17.000 Seiten umfassenden) Tagebuchs manifestiert, das erst posthum erschienen ist, dann aber für einiges an Wirbel gesorgt hat – neben Hugo von Hoffmansthal waren auch Fernando Pessoa und Friedrich „Manche werden posthum geboren“ Nietzsche unter den Bewunderern; der wirkungsmächtigste Anhänger wurde aber Leo Tolstoi, der die Tagebücher in Russland herausgegeben hat und sie bis zu seinem Tod in seiner unmittelbaren Nähe bei sich hatte, stets griffbereit: hat er sie doch in eine Reihe mit den Werken von Epikur oder Marc Aurel gestellt! Gegenwärtig ist im deutschen Sprachraum nur eine Anthologie von gut 300 Seiten erhältlich. Ich habe sie vor einigen Jahren mal gelesen (ich bin auf Amiel gestoßen, nachdem Pessoa ihn in seinen Aufzeichnungen zum Thema Genie und Wahnsinn kurz einmal als „trauriges Beispiel“ erwähnt hat), und jetzt, nachdem ich mich ein wenig mehr mit Tolstoi konfrontiert habe, noch einmal. Das Genie ist im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt, es untersucht seinen eigenen Geist – eitel und selbstbezogen ist es deswegen nicht, denn in seinem Geist und in seinen Beschäftigungen mit dem Geist spiegelt sich, hochgradig urtümlich, die Welt; es bedeutet im Wesentlichen eine abnorme Introspektionsfähigkeit in einen Gegenstand, daher ist es introvertiert und unkommunikativ – gleichzeitig aber eben extrem kommunikativ und extravertiert, weltzugewandt. Seine Kommunikation mit der Umwelt ist paradox, und öfters wird es eben darum posthum geboren. Das alles hat man bei Amiel, dessen Unglück es dabei war, offenbar kein Talent zum künstlerischen, wissenschaftlichen oder philosophischen Ausdruck zu haben; seine Form war die intimste und am schwersten zeitgenössisch vermittelbare: eben das Tagebuch. Das war das Kreuz, das er tragen musste, wie wir alle es irgendwie tun müssen. So mag Amiel noch dazu den Hohn zu spüren bekommen von unkonstruktiven Geistern, die gerne alles herabsetzen, und die Amiel als gescheitert sehen mögen. Soweit ich das beurteilen kann (ich habe ja nur eine Auswahl von gut 300 aus den insgesamt 17.000 Seiten Tagebuch gelesen), ist er das aber eben nicht. Wie ausdifferenziert und analytisch und facettiert die Ausführungen von Amiel immer wieder sind! Bei all der schönen, synthetischen Betrachtung! Herrlich! (Wenngleich man eben sagen kann, das hier der Keim des Konfliktes liegt: der Konflikt zwischen einem kritischen Geist und einem gläubigen Menschen; besser aber eher, man spricht vom Keim einer Dynamik, die sich in der Abarbeitung am Absoluten vollzieht.) Der Herausgeber der deutschsprachigen Anthologie, Ingold, meint (was im Übrigen nicht notwendigerweise ein Vorwurf sein muss), Amiels Entwicklung sei „statisch“ gewesen; er habe sich im Lauf der Zeit und der drei Jahrzehnte, über die hinweg er das Tagebuch geführt hat, eben nicht (wirklich) entwickelt (und wie gesagt, ich kenne das Tagebuch an sich nicht, nur diese kleinodiöse Auswahl; die Beschäftigung über weite Strecken mag vielleicht schon enervierend sein). Wenn aber Amiel mehr oder weniger gleich am Beginn sagt: Für den Geist gibt es Ruhe nur im Absoluten, für das Gefühl nur im Unendlichen, für die Seele nur im Göttlichen. Nichts Endliches ist so wahr, so interessant, so würdig, dass es mich halten könnte. Alles, was besonders ist, ist exklusiv, und was exklusiv ist, stößt mich ab. Nicht exklusiv ist nur das Ganze, in der Vereinigung mit dem Wesen und durch alle Wesen liegt mein Ziel. Im Licht des Absoluten wird dann jeder Gedanke wert, dass man ihm nachgeht, im Unendlichen jede Existenz wert, dass man sie respektiert, im Göttlichen jede Kreatur wert, dass man sie liebt. (18. November 1851) oder Einzig von einem religiösen Standpunkt aus, dem einer aktiven und moralischen, geistigen und innigen Religion, können wir das Leben in seiner vollen Würde, in seiner vollen Kraft erfahren. Sie macht uns unverletzlich und unbesiegbar … Man kann die Erde nur im Namen des Himmels besiegen. Alle Güter sind dem noch zusätzlich geschenkt worden, der nichts als die Weisheit wollte. Wenn man keinen Nutzen sucht, ist man am stärksten, und die Welt liegt dem, den sie nicht verführen kann, zu Füßen. Warum? Weil der Geist Meister der Materie ist und weil die Welt Gott gehört. (27. September 1852) – wenn also Amiel das früh in seinem Leben begriffen hat, was für eine Entwicklung soll noch großartig möglich sein?! Er hat das Absolute und das positive Göttliche begriffen und ist damit in der obersten Kammer der Pyramide angelangt. Von der aus man alle Himmelsrichtungen überblickt. Alles, was man noch tun kann, ist sich in seiner notwendigen Relativität daran abzuarbeiten; sich als Subjekt am Objektiven abzuarbeiten, und daran – notwendigerweise und positiv – zu scheitern, beziehungsweise – und wie es im Leben eben allgemein so ist – mal zu gewinnen, mal zu verlieren (Win some, lose some, it´s all the same to me … That´s the way I like it, baby, I don´t want to live forever (and don´t forget the Joker), sagte der abgeklärteste und harmonischste Mensch des letzten Jahrhunderts; das ist die letzte Einsicht in die Dinge). Amiels Entwicklung bestand darin, sich am Absoluten und am Göttlichen abzuarbeiten, dabei praktisch notwendigerweise festzustellen, dass eine totale und stationäre Aufnahme in und Verschmelzung mit dem Absoluten nicht möglich ist, da von Inkonsistenzen durchzogen. Aber das Heil liegt in der Versöhnung von Glück und Pflicht, in der Verschmelzung des persönlichen Willens mit dem göttlichen Willen, im Glauben, dass dieser höchste Wille von der Liebe gelenkt wird. (6. Dezember 1869) Was aber, wenn dieser Glaube erschüttert wird? (Allgemein: Der höhere Mensch wird das Religiöse und das Heilige begreifen und sich stark von ihm angezogen fühlen; als ein Mensch des wissenschaftlichen Zeitalters wird es ihm aber schwer fallen, an Religion tatsächlich zu glauben und in ihr eine Geborgenheit zu finden, wie es höheren und extrem wissenschaftlichen Menschen der Vergangenheit möglich war – das ist tatsächlich ein sehr schwieriger Konflikt, an dem sich im Jahrhundert Amiels ja auch Schopenhauer, Kierkegaard, Nietzsche, Dostojewski oder eben auch Tolstoi abgearbeitet haben.) Solange wir zwischen der Wahrheit und uns auch noch den geringsten Abstand zulassen, sind wir außerhalb von ihr. Das Denken, das Gefühl, das Verlangen, das Bewusstsein des Lebens sind noch nicht ganz das Leben. Wir können aber unseren Frieden und unsere Ruhe nur im Leben und im ewigen Leben finden. Und das ewige Leben ist das göttliche Leben, ist Gott. Göttlich sein, das ist das Ziel des Lebens. (27. Oktober 1853) Jung und naiv, mag man solches denken, glauben, erhoffen. Wenn man aber eben genau diese Bewegung vollzieht, sieht man, dass die Wahrheit nur da liegt, wo zwischen der Wahrheit und einen selbst eben immer ein gewisser Abstand gelassen wird. Da Wahrheit immer wieder relativ oder fraktal ist. Das Absolute beinhaltet notwendigerweise Paradoxa; die absolute Wahrheit hat man dann (am Ehesten) begriffen, wenn man erkennt, dass die Wahrheit fraktal, daher letztendlich unauslotbar ist; dass die absolute Wahrheit unendlich ist, aber eben eine fraktale, unvollständig einsehbare Wahrheit ist. Diese Einsicht ist dann eben das Ruhen in der Ewigkeit und in der völligen Identität mit sich selbst und mit der Wahrheit. Die Weisheit altert nicht, denn sie ist der Ausdruck der Ordnung selber, das heißt des Ewigen. Der Weise allein kann dem Leben und jedem Alter seinen vollen Geschmack abgewinnen, weil er seine Schönheit, seine Würde und seinen Wert fühlt (…) Alle Dinge in Gott sehen, aus seinem Leben eine Reise durch das Ideal zu machen … das ist der bewundernswerte Standpunkt von Marc Aurel (…) Das ewige Leben ist nicht das zukünftige Leben, sondern es ist das Leben in der Ordnung, das Leben in Gott, und die Zeit muss lernen, sich als eine Bewegung der Ewigkeit zu begreifen, als ein Wellengang im Meer des Seins. Das Wesen, das sich als zeitlich bedingt versteht, kann von der Substanz dieser Zeit ein Bewusstsein haben, und diese ist die Ewigkeit. Und mit seinem Bewusstsein sub specie aeterni leben heißt weise sein, wenn man das Ewige personifiziert, ist man religiös. (4. Dezember 1863) Das, was dem gewöhnlichen Verstand als entgegengesetzte Extreme erscheinen mag, muss angenähert und verschmolzen werden, so hören diese auf, widersinnig, widerstreitend und paradox zu sein (in der extremen Zeitlichkeit – dem Augenblick – liegt das Ergreifen der Ewigkeit, in einer höheren Heiterkeit liegt der absolute Ernst etc.); Amiel hat das ja gesehen, dass die wahrhaft ernsthaft erkennenden die am wenigsten ernsthaften sind: Bei meinem scharfen, durchtriebenen, komplexen und chamäleonartigen Geist habe ich das Herz eines Kindes; ich liebe nur entweder die Vollendung oder den Scherz, die zwei entgegengesetzten Extreme. Die wahren Künstler, die wahren Philosophen, die wahren Religiösen verstehen sich kaum auf etwas anderes als die Einfachheit der kleinen Kinder oder die Erhabenheit der Kunstwerke, das heißt, auf die reine Natur oder das reine Ideal. In meiner Armut fühle ich doch gleich. (18. Mai 1862) Mit dem Chamäleon (einem freilich eher, was herkömmliche Standards angeht, unschönen Tier) vergleicht sich Amiel auch an anderen Stellen: Ich fühle mich als Chamäleon, Kaleidoskop, Proteus, aus alle möglichen Arten beweglich und polarisierbar, flüssig, virtuell, folglich latent sogar in meinen Kundgebungen, abwesend sogar in der Erscheinung. (Dezember 1866) Und: Die energische Subjektivität, die sich im Selbstvertrauen äußert, die nicht davor zurückschreckt, etwas Besonderes, etwas Bestimmtes zu sein, und das, ohne sich ihrer subjektiven Illusion bewusst zu sein oder zu schämen, ist mir fremd. Ich bin, wo es um intellektuelle Ordnungen geht, im Wesentlichen objektiv, und es ist meine ausgesprochene Spezialität, dass ich jeden Standpunkt einnehmen, mit jedermanns Augen sehen kann, was heißt, dass ich nicht eingeschlossen bin in irgendeinem individuellen Gefängnis. (18. November 1851) (Das ist als Hinweis auf einen Mangel an Persönlichkeit und eigentlicher, origineller Schaffenskraft bei Amiel ausgelegt worden: eventuell kann das so sein – aber in meiner Armut fühle ich doch gleich.) Dererlei objektive, kaleidoskopartige Existenz – ja, der Wunsch, Kaleidoskop zu werden – scheint freilich irgendwie selten in dieser Welt – oder ist er das? Ich weiß es nicht! Fast jeder (oder zumindest fast jede) scheint das doch zu wollen! Amiel aber auf jeden Fall (mit seiner Stubenhocker-Weisheit, könnte man einwenden, die die Welt nicht kennt, sie sich ganz einfach nach ihrem Wunschbild zurechtmacht, solipsistisch etc.): Die Unparteilichkeit und die Objektivität sind ebenso selten wie die Gerechtigkeit, von der sie zwei besondere Formen sind. Der Eigennutz ist eine unerschöpfliche Quelle angenehmer Illusionen. Die Anzahl der Lebewesen, die die Wahrheit sehen wollen, ist außerordentlich klein (…) Die Menschheit hat schon immer diejenigen hingerichtet oder verfolgt, die ihre eigennützige Ruhe gestört haben. Sie verbessert sich nur wider Willen. Der einzige Fortschritt, den sie will, ist die Vermehrung des Genusses. Alle Fortschritte in Sachen Moral, Gerechtigkeit, Heiligkeit sind ihr durch irgendein edles Ungetüm auferlegt oder abgenötigt worden. Das Opfer, das die Lust der großen Seelen ist, war nie das Gesetz der Gesellschaften (…) Vom Standpunkt des Ideals aus gesehen ist die menschliche Welt traurig und hässlich, wenn man sie aber mit ihren mutmaßlichen Anfängen vergleicht, hat die menschliche Gattung ihre Zeit doch nicht ganz verloren. Daher die drei Arten, die Geschichte in den Blick zu nehmen. Pessimismus, wenn wann vom Ideal ausgeht; Optimismus, wenn man rückblickend betrachtet; Heroismus, wenn man bedenkt, dass jeder Fortschritt eine Flut von Blut oder Tränen kostet (…) Die Fanatiker, die sich aufopfern, sind ein anhaltender Protest gegen den allgemeinen Egoismus. Wir haben nur die sichtbaren Idole gestürzt, aber das ständige Opfer hat noch überall Bestand, und überall leidet die Elite der Generationen für das Heil der Menge. Das ist das strenge, bittere, geheimnisvolle Gesetz der Solidarität. Das gegenseitige Verderben und Gedeihen ist das Schicksal unseres Geschlechtes. (1. März 1869) Ja, das ist der ewige Kampf zwischen Geist und „Materie“, dessen Fortschreiten der Krebsgang ist. (Eine freilich idealistische, unmaterialistische Perspektive, die die eigentlichen (und größtenteils unschuldigen) Schwierigkeiten, in denen sich die materiellen, faktischen Verhältnisse befinden tendenziell verkennt (wenn die diesseitigen Probleme so leicht lösbar wären, würden sie ja gelöst werden: soziale, politische und individuelle Probleme sind in der Regel aber eben nicht leicht lösbar (und haben oft die Form von Dilemmata))). Wie konziliant aber von dem milden, allesverstehenden Amiel, dass er den historischen Fortschritt dann doch nicht verkennt! Ein ganz und gar aufrechter Mann! Und so platzt diesem ganz und gar aufrechten Mann an anderer Stelle wieder der Kragen, wenn er eine Weile in die Menschheit und in die Gesellschaft hineinhört, und unschuldig und voller Interesse, versuchtem Wohlwollen und Teilnahme wissen will, was sie zu sagen hat (doch nur, um sie zu verstehen; doch nur, um ihr mit seinen bescheidenen Kräften versuchen zu helfen…): Das Schlimmste ist, dass hinter diesem Geplapper die Eigenliebe steht und dass sich darum diese gewöhnlichen Ahnungslosigkeiten energisch behaupten, dass sich dieses Gegacker für eine Überzeugung hält und dass sich diese Vorurteile als Prinzipien geben (…) Wenn man vor den Menschen Respekt haben will, muss man vergessen, was sie sind, und an das Ideal denken, das sie verleugnen, aber doch in sich tragen… (6. November 1877) An den einen und anderen Stellen äußert er sich sogar noch pessimistischer über die Seelenhaftigkeit der mehrheitlichen Menschheit; ich will das aber gar nicht zitieren, da es mir dann doch aus irgendeinem Grund missfällt (man kann es sich ja denken, wie mieselsüchtig große Denker und Seelen sich dazu äußern könnten; diese sind freilich selten und man trifft sie kaum persönlich im Leben; aber um eine Vorstellung von der Materie zu bekommen, muss man ja nur hören, wie negativ die Menschen selbst über ihre Nachbarn reden). Mir persönlich macht das alles immer wieder sehr viel und gleichzeitig aber auch nichts, aber auch gar nichts aus. Vom Standpunkt des Absoluten, im Auge Gottes, in Gott sind alle Seelen gleichermaßen Seelen, und in Gott werden alle Seelen gleichermaßen bewahrt. Wenn ich in die Welt blicke, sehe ich einen riesigen Diamant, in dem sich alles spiegelt, wenn ich mich bewege, bewege ich mich durch ein unsichtbares, aber ganz reales Feld, wo alles mit allem verbunden ist; für mich sind alle Seelen gleich und in meinem Geist wird alles bewahrt. Der Geist trennt und ist analytisch, die Seele verbindet und ist synthetisch. Der Geist ist aristokratisch, die Güte demokratisch (…) Güte schränkt bewusst den Scharfsinn ein; es ist die Güte, die vor den allzu scharfen elektrischen Strahlen der Hellsicht einen Wandschirm aufrichtet; sie ist es, die sich weigert, die Hässlichkeiten und das Elend des intellektuellen Spitals auszuleuchten (…) Hat nicht Fénelon gesagt: Die schönen Seelen allein kennen die ganze Größe der Güte. (19. Januar 1879) Ja, der Geist trennt und ist analytisch, die Seele verbindet und ist synthetisch. Darüber hinaus aber – und es ist wichtig, diese Bewegung zu vollziehen! – ist der seelenvolle Geist außerdem synthetisch und die geistvolle Seele außerdem analytisch. Das ergibt dann einen Geist-Seele-Gesamtkomplex, der zwar irgendwie paradox ist, dafür aber eben weder vorsätzlich kritisch noch naiv. Das ist dann die Absolutheit des göttlichen Geistes, die notwendigerweise (da sie alles enthält) paradox ist, gleichzeitig jenseits des Paradoxen: meta-paradox, insofern sie mit dem Paradoxen und Anstößigen auf einer höheren Ebene der Ausgeglichenheit operiert. Das ist dann die absolute Freiheit. Doch vermag er diese Befreiung nur zu vollziehen, indem er die Dinge in ihr Gegenteil verkehrt und den Raum im Geist statt den Geist im Raum sehen lernt. Indem der Geist auf seine Virtualität zurückgeführt wird. Raum ist Streuung, Geist ist Sammlung. Und so ist Gott allgegenwärtig, ohne eine Milliarde Kubikkilometer einzunehmen und auch nicht hundertmal mehr oder hundertmal weniger. Als Gedanke nimmt das Universum nur gerade einen Punkt ein, doch im Zustand der Streuung und Analyse braucht dieser Gedanke alle Weiten des Himmels. (1. Februar 1876) … Die Ausdehnung und die Zeit werden dann zu bloßen Punkten. Ich wohne der Existenz des reinen Geistes bei, und ich sehe mich sub specie aeternitatis. (Wäre der Geist demnach nichts anderes als die Möglichkeit, die Wirklichkeit in die Unendlichkeit der Möglichkeiten aufzulösen? Anders gesagt, wäre der Geist vielleicht die universale Virtualität? Oder das latente Universum? Seine Null wäre der Kein des Unendlichen, die sich in der Mathematik durch das Unendlichkeitszeichen ausdrückt.) (13. Januar 1879) Ja, das sind dann die so genannten letzten Dinge. Die so genannten letzten Dinge sind der absolute Geist. Es gibt hin und wieder Individuen, die den absoluten Geist erreichen, die zu einer Erkenntnisebene vorstoßen, wo sich die Erkenntnisobjekte nur mehr durch Paradoxa beschreiben lassen, und die eventuell diese Paradoxa, eben gerade dadurch, überwinden; und es gibt Individuen, die sich all dem intensiver angenähert haben und damit verschmolzen sind als Amiel – diese aber können und wollen des Amiel nicht entbehren! Amiel ist ein wesentlicher Stein im Mosaik, oder besser gesagt im Hologramm des absoluten Geistes; führt vor, wie sich der absolute Geist selber begreift und prozessiert – und er führt vor, wie man die Dinge ergreift und mit ihnen verschmilzt. Wenn man die Dinge so ergreift, wie Amiel, dann ist man glücklich. Amiel lehrt uns das Glück. Amiel war kein Versager. In einer höheren Dimension, die freilich nicht alle sehen, war er ein geschlossener Kreis, und er hat alles im Leben erreicht.
Das Leben muss gleich der Geburt der Seele sein, der Freisetzung einer höheren Wirklichkeitsschicht (…) Die blinde, gierige, egoistische Natur muss sich in Schönheit und Adel verwandeln. (Dezember 1880) … Seinen eigenen Beitrag zur Vermehrung des Guten in der Welt leisten, dieses bescheidene Ideal ist genug. Zum Sieg des Guten beizutragen ist das gemeinsame Ziel der Weisen und der Engel. Socii Dei sumus, hat Seneca nach Cleanthus wiederholt. (24. April 1869)
(Anm.: Falls man diesen Text jetzt unnötig mäandernd findet, oder gar irgendein Arschloch glaubt, mir deswegen einen Strick drehen zu können, so möchte ich dazu sagen, dass ich mir hier zuerst die Textstellen von Amiel herausgeschrieben habe und sie dann irgendwie zusammengeleimt habe, und das außerdem nicht in ganz linearer Vorgehensweise. Was aber neben der Erinnerung an Amiel und dem Hochhalten seines Bildnisses hier wichtig ist, sind die Ausführungen zum Charakter des absoluten Geistes, die ich dermaßen kompakt vorher gar nicht vor Augen hatte, und die eher zufällig passiert sind. Ich will mir diesen Text, nachdem ich ihn jetzt (19. Februar 2020, 09 Uhr 18 vormittags) fertiggestellt habe, gar nicht mal mehr durchlesen, da ich ihn möglicherweise katastrophal finde. Die meisten anderen Male werde ich ihn aber wohl gut finden und zufrieden mit ihm sein. So ist das immer wieder.)