Präludium zu einer Notiz über den Poststrukturalismus

Wolken und Mond sind ein und dasselbe, Berge und Täler sind jeweils verschieden; in der Großen Leere gibt es keine Wolken – transzendentes Wissen geht über solche Dichotomien hinaus. Sekundäre Denker wie Foucault, die die Welt von einem Sechstausender aus betrachten und nicht von einem Achttausender aus, und die sich nicht sehr mächtig und radikal über ihr Zeitalter erheben, können nur den Abglanz einer Ahnung hiervon erhalten. Wenn ich mich recht erinnere, sprechen auch die Poststrukturalisten von einem Außen, aber es erscheint bei ihnen vornehmlich als Schatten, außerhalb ihres theoretischen und spirituellen Aktionsradius; vom Außen aus blickt man in die Ewigkeit und nicht in die typologischen Variationen der Episteme, oder anders gesagt, in das Samsara. Was Yorick damit sagen will? Ja das würde ich nur zu gern wissen; es ist ein großes Geheimnis, ein brütendes Ei; sein mächtiger Schatten legt sich alsbald auch über Foucault.

Georg Büchner und Lautréamont

… Wer diese Schilderung für übertrieben hält, der erinnere sich an Kants famosen Ausspruch in der Anthropologie, wo der Alte vom Berge alles Ernstes erklärt, das poetische Vermögen, von Homer an, beweise nichts, als eine Unfähigkeit zum reinen Denken, ohne jedoch die sich mit Notwendigkeit ergebende Konsequenz hinzuzufügen, dass auch die Welt in ihrer stammelnden Mannigfaltigkeit nichts beweise, als die Unfähigkeit Gottes, einen Monolog zu halten.

Friedrich Hebbel, Vorwort zu Maria Magdalena

Dieser Büchner war ein toller Hund. Nach kaum 23 oder 24 Jahren verzichtete er auf weitere Existenz und starb. Es scheint, die Sache war ihm zu dumm…

Alfred Döblin

Woyzeck sucht Sinn, sucht den Gesamtzusammenhang zu erkennen, vermutet ihn eventuell (heute wie damals) als von den Freimaurern gesteuert, bleibt aber in seinem fragmentarischen Sprechen hängen, fremde Mächte verfügen über ihn, er mag ihnen leicht reinscheißen, indem er zu früh pisst, aber auch, und vor allem, die höheren Hierarchiestufen sind von albernen Figuren bevölkert, von guten, jovialen Menschen eventuell, aber ohne wirkliche Moral, denn Moral, das ist wenn man moralisch ist – traurige Absage an die Idee davon, der Mensch könnte seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit tatsächlich und effektiv groß entkommen; die Französische Revolution, ihre Agenten und ihr Stimmvieh, unentschieden wandelt sich das Bild rund um Dantons Tod ständig von einer interessanten bis heilsverkündenden Sinfonie der produktiven Heterogenität und Vielfalt unter Menschen und ihrer Ansichten und der einer nihilistischen Kakophonie, der der Dirigent abgeht. Ich studirte die Geschichte der Revolution. Ich fühlte mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte. Ich finde in der Menschennatur eine entsetzliche Gleichheit, in den menschlichen Verhältnissen eine unabwendbare Gewalt, Allen und Keinem verliehen. Der Einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen unmöglich. Ach! Das ist jenseits der Frage von Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie? – es ist eine nüchterne (feurig artikulierte) Einsicht in den Lauf der Dinge und in den Chaosmos (dem Zusammenspiel von Zufall und Ordnung), den zu erkennen das Höchste, den zu beherrschen unmöglich ist. Es ist eine Einsicht in die absolute Beweglichkeit der Dinge, die bei Büchner korrespondiert in einer absoluten Beweglichkeit der Sprache, die selbst Shakespeare (vor allem aber Goethe) ein wenig unbedarft aussehen lässt. Büchners Sprache ist Fähigkeit zum reinen Denken und artikuliert einen Monolog Gottes, der alle stammelnde Mannigfaltigkeit der Welt beinhaltet. Büchners Sprache legt sich über die Welt. Die Welt ist etwas Subjektives wie Objektives, solipsistisches Abbild im Gehirn einer dennoch unermesslichen und indifferenten Weite da draußen – sie realisiert sich, für uns, in den Verhältnissen, in denen wir zu ihr leben. Satori und Erleuchtung und kosmisches Bewusstsein bedeutet Amalgamierung von Subjekt und Objekt und (Quasi-) Transzendierung von Mensch und Welt hinsichtlich uns allgemein bekannter Formen von Mensch-Welt-Verhältnissen. Im Lenz hat man das in einer höchst produktiven Weise. Den 20. ging Lenz durchs Gebirg … es drängte in ihm, er suchte nach etwas, wie nach verlorenen Träumen, aber er fand nichts. Es war ihm alles so klein, so nahe, so nass, er hätte die Erde hinter den Ofen setzen mögen, er begriff nicht, dass er so viel Zeit brauchte, um einen Abhang hinunterzuklimmen, einen fernen Punkt zu erreichen; er meinte, er müsse alles mit ein paar Schritten ausmessen können. Nur manchmal, wenn der Sturm das Gewölk in die Täler warf, und es den Wald herauf dampfte, und die Stimmen an den Felsen wach wurden, bald wie fern verhallende Donner, und dann gewaltig heranbrausten, in Tönen, als wollten sie in ihrem wilden Jubel die Erde besingen, und die Wolken wie wilde wiehernde Rosse heransprengen, und der Sonnenschein dazwischen durchging und kam und sein blitzendes Schwert an den Schneeflächen zog, sodass ein helles, blendendes Licht über den Gipfel in die Täler schnitt; oder wenn der Sturm das Gewölk abwärts trieb und einen lichtblauen See hineinriss, und dann der Wind verhallte und tief unten aus den Schluchten, aus den Wipfeln der Tannen wie ein Wiegenlied und Glockengeläute heraufsummte, und am tiefen Blau ein leises Rot hinaufklomm, und kleine Wölkchen auf silbernen Flügeln durchzogen und alle Berggipfel scharf und fest, weit über das Land hin glänzten und blitzten, riss es ihm in der Brust, er stand, keuchend, den Leib vorwärts gebogen, Augen und Mund weit offen, er meinte, er müsse den Sturm in sich ziehen, alles in sich fassen, er dehnte sich aus und lag über der Erde, er wühlte sich in das All hinein, es war eine Lust, die ihm wehe tat; oder er stand still und legte das Haupt in das Moos und schloss die Augen halb, und dann zog es ihn weit von ihm, die Erde wich unter ihm, sie wurde klein wie ein wandelnder Stern und tauchte sich in einen brausenden Strom, der seine klare Flut unter ihm zog. Überwältigende Wanderungen des wandernden Geistes! Aber es waren nur Augenblicke, und dann erhob er sich nüchtern, fest, ruhig als wäre ein Schattenspiel vor ihm vorübergezogen, er wusste von nichts mehr. Im Lenz hat man das Einheits-Bewusstsein, eine alles durchdringende und einheitliche, demokratische innere und äußere Wirklichkeitserfahrung, die natürlich auch den ungeheuern Riss, der durch die Welt geht, wahrnimmt (schmerzlich), diesen aber durch ihre eigene Intensität ohne weiteres kompensiert (solange das Subjekt gesund ist; wenn es krank wird, hat es dann möglicherweise nur mehr n i c h t s). Ei, in Lenz sind alle Dinge verwoben, man hat die Decke der Welt und das empathische Ergreifen aller Dinge im ultimativen Subjekt, das den Kelch der Welt austrinkt, als unendliche Aufgabe, in einem unendlichen Fest und Bacchanal. Es dehnt sich aus, es zieht sich zusammen, es vergewissert sich seiner Geborgenheit, es vergewissert sich seiner Isoliertheit… es stabilisiert sich von Zeit zu Zeit in reiner, abstrakter Geometrie, die bald wieder zu tanzen anfängt, zu rauschenden Tönen inmitten von Farben, es reitet die Welle. Er durchstrich das Gebirg in verschiedenen Richtungen, breite Flächen zogen sich in die Täler herab, wenig Wald, nichts als gewaltige Linien und weiter hinaus die weite rauchende Ebne, in der Luft ein gewaltiges Wehen, nirgends eine Spur von Menschen als hie und da eine verlassene Hütte, wo die Hirten den Sommer zubrachten, an den Abhängen gelehnt. Er wurde still, vielleicht fast träumend, es verschmolz ihm alles in eine Linie, wie eine steigende und sinkende Welle, zwischen Himmel und Erde, es war ihm als läge er an einem unendlichen Meer, das leise auf und ab wogte. Manchmal saß er, dann ging er wieder, aber langsam träumend. Er suchte keinen Weg. Der Weg zu Erleuchtung und Satori ist bekannt als der weglose Weg. Der weglose Weg reflektiert auch das Blinde des Schicksals und das Elementarische des Lebens, das sich in seiner eigenen Mimesis am Elementarsten realisiert. Ich verlange in allem Leben, Möglichkeit des Daseins, und dann ist´s gut; wir haben dann nicht mehr zu fragen, ob es schön, ob es hässlich ist, das Gefühl, das was geschaffen sei, Leben habe, stehe über diesen beiden, und sei das einzige Kriterium in Kunstsachen. Übrigens begegne es und nur selten, in Shakespeare finden wir es und in den Volksliedern tönt es einem ganz, in Goethe manchmal entgegen. Alles Übrige kann man ins Feuer werfen …  Dieser Idealismus ist die schmählichste Verachtung der menschlichen Natur … Wie ich gestern neben am Tal hinaufging, sah ich auf einem Steine zwei Mädchen sitzen, die eine band ihre Haare auf, die andre half ihr; und das goldene Haar hing herab, und ein ernstes bleiches Gesicht, und doch so jung, und die schwarze Tracht und die andre so sorgsam bemüht. Die schönsten, innigsten Bilder der altdeutschen Schule geben kaum eine Ahnung davon … Nur eins bleibt, eine unendliche Schönheit, die aus einer Form in die andre tritt, ewig aufgeblättert, verändert, man kann sie aber freilich nicht immer festhalten und in Museen stellen und auf Noten ziehen und dann Jung und Alt herbeirufen, und die Buben und Alten darüber radotieren (lt. Duden: „ungehemmt schwatzen“, Anm.) und sich entzücken lassen. Man muss die Menschheit lieben, um in das eigentümliche Wesen jedes einzudringen, es darf einem keiner zu gering, keiner zu hässlich sein, erst dann kann man sie verstehen. Büchner ist der Alte vom Berg, der alle Welt überblickt. Dass ein (noch dazu sehr Junger) von einem so hohen Berg aus alle Welt überblickt, ist extrem selten. Dass im 19. Jahrhundert gleich drei solche da waren (außerdem eben: Rimbaud und Lautréamont), ist vielleicht das curioseste von allem. Köstliche Kuriosität!

Lautréamont wird niemals eine historische Persönlichkeit sein. Er steht außerhalb der Literaturgeschichte, außerhalb der Sittengeschichte … Unter einem zu niedrigen Himmel, inmitten der Hast und des Gedränges, fühlt man sich erdrückt wie ein Fisch in einem übervollen Netz; man erstickt an der eigenen Größe. Seltsames Paradox: ein Genie erstickt und fühlt sich endgültig allein und mehr als allein, es fühlt sich verlassen. In seinen Träumen hält es sich für einen Schwimmer, der sich verirrt hat, Hunderte von Kilometern vom Festland entfernt, ohne Hoffnung auf Hilfe. Für ihn gibt es nur die Wogen des Meeres, den unbarmherzigen Himmel und den eigenen Mut… Das Drama spielt sich in seiner eigenen Brust ab. Der Vorhang öffnet sich auf eine Wüste…

Philippe Soupault

„Geniale Intelligenz ist bewirkt durch Reibung der Gewöhnlichkeit am Traum. Büchner war ein großer Träumer, der sich der Gewöhnlichkeit ausgeliefert hat“, so Büchner-Biograph Hermann Kurzke. Die Gesänge des Maldoror von Büchners Intelligenzgenossen Lautréamont gelten als Traumliteratur, als genuine und höchst überraschende Schöpfung außerhalb aller Tradition von einem ca. 23jährigen weitgehenden Unbekannten. Was man da, auf diesen gewaltigen Textflächen hat, sind rationale und durchkomponierte Halluzinationen und Meditationen, Emanation von Bildern, von denen eines ins andere übergeht, einen schönen, demokratischen Strom von unzerreißbarer Textur – abermals das Einheits-Bewusstsein! Sein Verleger (der sich dann doch nicht getraut hat, die Gesänge zu veröffentlichen, die erst zwanzig Jahre später von einem anderen, befreundeten Verleger publiziert wurden) hat den „großen, dunklen, jungen Mann, bartlos, unruhig, ordentlich und fleißig“, für verrückt gehalten, weil so vieles abartige Zeugs – nicht nur Perverses, sondern auch offensichtlich Unsinniges –  bei ihm besungen wurde. Alter Ozean, deine Wasser sind bitter. Ihr Geschmack gleicht genau dem der Galle, welche die Kritik über die schönen Künste, über die Wissenschaften, über alles ergießt. Hat jemand Genie, wird er für einen Dummkopf gehalten; ist ein anderer schön von Gestalt, nennt man ihn buckliges Scheusal. Gewiss, der Mensch spürt gewaltig seine Unvollkommenheit, die er übrigens zu dreivierteln sich selbst zuzuschreiben hat, da er sie derartig tadelt! Ich grüße dich, alter Ozean! „Aber, eben dieser Verstand ist so stark, er hat eine solche Weite, dass er zugleich alle Bewegungen des Unverstandes zu umgreifen scheint und die seltsamsten Abirrungen einbeziehen kann, jene unterirdischen Konstellationen, die ihm als Wegweiser dienen, und die er dennoch mit sich reißt, ohne sich zu verlieren und ohne sie zu verlieren.“ (Maurice Blanchot über Lautréamont) Solcherart waren Geist und Seele des Comte de Lautréamont. Ja, was man bei Lautréamont hat, ist der (absolute) GEIST (in der absoluten Form), der um die Welt und um sich selbst rotiert. Er rotiert um die Rätsel, genauer gesagt, um die Mysterien der Existenz, die er mühelos überblickt, deren metaphysischen Beschränkungen er dabei genauso unterliegt, wie alle anderen Wesen, einschließlich Tieren, Kindern und Ozeanen: Weder ich noch die vier Schwimmflossen des Eisbären im Nordmeer haben das Rätsel des Lebens lösen können. Das Rätsel des Lebens, von noch keinem befriedigend beantwortet oder gelöst, gibt es als Substanz wohl nicht. Gut und Böse gibt es, als Substanz, wohl auch nicht. Was es aber, wie Baudrillard (?) sagt, gibt, ist die Spannung zwischen Gut und Böse! Die ist etwas, was uns beschäftigt und eine Erscheinungsform des Rätsels des Lebens ist. Wenn das Rätsel des Lebens als Substanz nicht existiert, teilt es sich doch über Spannung und Intensität mit, die zumindest vom gespannten und intensiven Geist erfahren wird (Lautréamont sei der Schriftsteller mit der höchsten geistigen Intensität des 19. Jahrhunderts gewesen, urteilt Carl Einstein, unabhängig davon, über ihn).  Die Gesänge des Maldoror sind Meditationen über das Böse und eine traumhafte Phänomenologie des Bösen – bei der dadurch an Schrecklichkeit aber etliches rausgenommen wird, denn auch wenn Träume oft unangenehm sind: gefährlich sind sie ja nie. Eher sieht es so aus, als wie wenn ein betrunkener Gott (der auch in den Gesängen auftritt) auf die Welt blickt und sein Weltauge errichtet. Nach den publikationsmäßigen Misserfolg der Gesänge des Maldoror plant Lautréamont das Gegenteil, dichterische Gesänge des Guten, die aufgrund seines frühen Todes nur in (künstlerisch scheinbar weniger zwingenden, intellektuell teilweise aber äußerst hochstehenden) Fragmenten vorliegen. Mit den Gesängen des Maldoror will sich Lautréamont durch das Böse hindurchschießen, mit dem Folgewerk will er sich durch das Gute hindurchschießen. Im Einheits-Bewusstsein spielt sich der meditative Kampf von Gut und Böse als (erscheinenden) Polen der Existenz und allgemein die Meditation des Welträtsels in äußerster Ruhe und Intensität ab. Albert Camus zeiht ihn der Banalität; der Mensch der Revolte, als den Camus den jungen Lautréamont auffasst, strebe letztendlich nach der eingangs erwähnten Gewöhnlichkeit, dem Konformismus, der Banalität, suche dort seine Heimat. Aufgrund von Weltekel komme er dann mit banalen versöhnlichen Lösungen und Botschaften: „die Menschheit zu trösten, sie als Bruder zu behandeln, zu Konfuzius, Buddha, Sokrates, Christus zurückzukehren … Jedes Genie ist zugleich befremdend und banal. Es ist nichts, wenn es nur eins von beiden ist“. Ich finde nun aber das Gute nicht banal. Menschen, in ihrer Invertiertheit, finden immer wieder das Böse faszinierend, und das Gute schal: wobei es ja in Wirklichkeit das Gute ist, das faszinierend ist, und nicht das Böse. Das Böse ist höchstens faszinierend, indem es eventuell labyrinthartig ist und geheimnisvoll, indem es ränkeschmiedend ist und aus dem Hinterhalt angreift, aber das Böse ist nicht wirklich komplex; das Gute ist komplex, sogar von endloser Komplexität, und es reflektiert auf das Böse umfassender als es vom Pol des Bösen aus umgekehrt stattfindet. Das Gute ist expansiv, das Böse ist kontraktiv. Im Einheits-Bewusstsein spielt sich der meditative Kampf von Gut und Böse als (erscheinenden) Polen der Existenz und allgemein die Meditation des Welträtsels in äußerster Ruhe und Intensität ab. Das Gute, wenn es nicht allein immer nur aus dem Affekt heraus geschieht, sondern konsequent durchdacht wird, ist dem Bösen an Komplexität weit überlegen. Für Gide war Lautréamont, mehr noch als Rimbaud, der „Schleusenmeister der Literatur von morgen“, was man auch zu sehen vermeinen könnte, insofern die Dichtung des Psychopathen Rimbaud, von technischen Raffinessen abgesehen, auf nichts hinausläuft, während die von Lautréamont auf alles hinausläuft und die ganze Welt überschwemmt. Ich grüße dich, alter Ozean! Im Einheits-Bewusstsein spielt sich der meditative Kampf von Gut und Böse als (erscheinenden) Polen der Existenz und allgemein die Meditation des Welträtsels in äußerster Ruhe und Intensität ab. Die Gesänge des Maldoror bestehen aus lauter Bildern, manche sehr, andere weniger plastisch; der Gedankenstrom fließt reißend und unaufhörlich bei Lautréamont, und für immer; Lautréamonts Geist wandert unaufhörlich, und da der eigene Geist auch unaufhörlich wandert, kommt es immer wieder zu unterschiedlichen Bewegungen bei der Lektüre zwischen dem eigenen Geist und dem, der da vor einem ausgebreitet wird; aber das ist gut, denn so kann man immer wieder zurück (speziell) zu Lautréamont; aufgrund seines Reichtums finden da immer wieder zufällige Zusammentreffen von Nähmaschinen und Regenschirmen auf dem Seziertisch statt (die ich z.B. bei der ersten (wiederholten) Lektüre von diesmal überlesen habe, und sie beim zweiten Mal wohl auch nur bemerkt, weil sie von den Surrealisten zu einem geflügelten Wort gemacht wurde (Amadeo Modigliani hatte angeblich immer ein Exemplar der Gesänge bei sich und immer wieder darin gelesen)). Sowohl Lautréamont als auch ich lieben Kinder (als das werdende Gegenstück zum gewordenen Erwachsenen) und den Ozean (Alter Ozean … du bist bescheiden. Der Mensch rühmt sich unaufhörlich und um nichtiger Dinge willen. Ich grüße dich, alter Ozean!). Zu Tieren (die in den Gesängen des Maldoror auch recht häufig vorkommen) habe ich zwar kein metaphysisches Verhältnis, aber ich mag dann, bei der persönlichen Begegnung, Tiere, und die Tiere mögen mich. Kinder und Tiere sind unschuldig, meint auch Tarkowski (der außerdem für sein Naheverhältnis zum Wasser bekannt ist), wobei sie in den Gesängen des Maldoror meistens böse sind (aber das hätte Tarkowski natürlich sofort verstanden (und ich manage die FB-Gruppe „Sociopathic Children“)). Während Büchner an natürlicher Ursache gestorben ist (ansonsten er aber womöglich im Knast verrottet wäre wie seine revolutionären Mitverschwörer, oder in Wahnsinn, Depression und Selbstmord geendet hätte, wenn er älter geworden wäre?), fand man Lautréamont eines Tages tot in seinem Hotelzimmer. Über die Todesursache des 24jährigen ist nichts bekannt, von einer Krankheit dieses jungen Menschen auch nicht, ein Selbstmord ist nicht auszuschließen. Kaum eine biographische Spur hat das einzelgängerische Ultragenie hinterlassen, für das die Erde aber sowieso kein richtiger Platz schien. „War es eine Bekehrung? Suchte er ein Alibi? Wahrscheinlich tauchte er für eine Weile aus dem Ozean seines Unbewussten auf und fand sich auf der Erde nicht zurecht. Vielleicht glich er Baudelaires Albatros, aus einem Element, das ihn trug, auf das Deck des Schiffes gefallen, ohne Orientierung.“ (Wolfgang Koeppen über Lautréamont) Und so gilt Lautréamont als höchst geheimnisvoll. Wenngleich nicht für mich, denn wir sehen uns durch das Einheits-Bewusstsein, das den Schleier der Maja erheblich verdünnt (wenngleich wir, wie gesagt, den metaphysischen Beschränkungen genauso unterliegen wie alle andere Welt). So will ich am Schluss auch noch definitiv erhellen, warum sich Isidore Lucien Ducasse das Pseudonym „Comte de Lautréamont“ wohl zugelegt hat! Der Legende gemäß wird auf Duhamel de Latréaumont verwiesen, einen verwegenen Abenteurer des 17. Jahrhunderts, der eine Verschwörung gegen den Sonnenkönig anzetteln wollte und die Normandie an Holland verkaufen; dass Isidore L. Ducasse den Namen leicht umgedreht hat in „Lautréamont“, scheint der homophonen Doppelbedeutung „l´autre Amon“, der andere Amon, geschuldet: eine Kreatur aus der Hölle also, eventuell auch aus dem Himmel (bei seinen Gesänge des Guten scheint er auf jeden Fall zumindest nicht geplant zu haben, sie unter dem Pseudonym Lautréamont zu veröffentlichen). Dererlei Vermutungen scheinen würdig und recht. Ich muss mich bei dieser guten Gelegenheit jetzt aber gut 25 Jahre zurückerinnern, an meinen Jugendfreund Weißi, als wir bei unseren nokturnalen Touren hin und wieder einen jungen Lehrling aus seiner Firma mitgenommen haben. Das war ein rechter Tollpatsch, der vieles falsch gemacht hat. Also bekam der in der Firma den Spitznamen „Isidor“ verpasst – denn wie sollte ein Tollpatsch, der so vieles immer falsch macht und Fehlerhaftigkeiten ausführt, auf die man gar nie gekommen wäre, dass sie überhaupt möglich sein könnten, darin also stets für Überraschungen sorgt und sogar so was wie eine unfreiwillige Phantasie, wenn nicht vielleicht sogar Genialität beweist, anders heißen als „Isidor“? Dessen war sich Isidore Ducasse wohl bewusst; das Leben teilt blind an jeden von uns seine Karten aus, und aus Scham darüber, dass er jene Karte mit dem Namen „Isidor“ zugeteilt hat bekommen, obwohl er ein offensichtlich so fähiger Mensch war, nannte sich Ducasse dann eben (in seinen anklagenden Gesängen auf die Schöpfung) „Lautréamont“. Fall gelöst. („Yorick“ ist auch ein herrlicher, wenn nicht ultimativer Name für den Hofnarren und Fettnäpfchentreter; der aber hat alles tragikomische Potenzial der Welt, wobei „Isidor“ einfach nur ein entrückter Dummkopf ist. Während ich über Yorick singe, zieht Bruder Isidore sein Ding durch, indem er sich „Lautréamont“ nennt. Der Isidor hat nicht eben die Schwingen des Baudelaireschen Albatros, wohl aber hat die der Abenteurer Lautréamont.)

ADDENDUM 1: Georg Büchner (außerdem: Goethe)

(aus dem Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken, 2015)

Erst vor ein paar Wochen, an einem schönen Sommersamstagabend, hat mich mein Nachbar Oliver Stangl auf Büchner und seinen „Lenz“ aufmerksam gemacht, und zwar beim Café Nelke am Volkertmarkt und zwar, glaube ich, deswegen, weil ich ihm ein bisschen was vom Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken erzählt habe. „Das ist ja so wie bei „Lenz“ von Büchner, wo beschrieben wird, wie ein Dichter in erster Linie mit seinem Wahnsinn beschäftigt ist; Augenblicke geistiger Klarheit hat er nur dann, wenn er über Literatur spricht. Ansonsten wird da nur seine verzerrte, verrückte Wahrnehmung von allem beschrieben.“ Was bedeutet hat, dass ich mir sofort am Montag den „Lenz“ besorgen musste, außerdem den „Woyzeck“. „Dantons Tod“ habe ich erst gestern gelesen, etwas hinzuaddiert zu meiner Ansicht, Büchner sei der Größte der deutschsprachigen Literatur, hat das nicht, es hat eher was subtrahiert, denn wenngleich „Dantons Tod“ das Werk eines großen Genius ist, ist es durchaus kein Meisterwerk, sondern ein grauenhaft schlechtes Stück, wen wundert es, dass es also so populär ist, und übrigens gegenwärtig gerade in Schwechat aufgeführt wird… Es ist wohl gut, dass ich mit Büchner und seinem „Lenz“ also erst vor Kurzem in ernsthafte Berührung gekommen bin, denn sonst hätte sich für mich möglicherweise das Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken erübrigt, das mir, nach der ersten Lektüre von Büchner, bloß nur mehr wie ein sinnloser kreativer Appendix und Wurmfortsatz zum „Lenz“, und nicht viel mehr, erschienen ist. Was dann allerdings doch nicht stimmt, denn um auf Wahrheiten draufzukommen, da muss man schon selber seltsam und unproduktiv denken und leiden, anders geht das nicht, es bleibt einem nicht erspart glücklicherweise im Unglück, unglücklicherweise im Glück, und so wie ich das sehe, könnte das Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken Geist genug erhalten, um künftigen Wahrheitssuchern die eine und andere Orientierung auf rauer See zu bieten, sollte dem so sein, ist mein Sieg vollständig und total; überhaupt hat also nun die Welt neben dem vorzüglichen, allerdings kaum gelesenen „Lenz“ nun auch das vorzügliche, aber ? Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken. Weil gerade Zeit ist und sich außerdem die Gelegenheit aufdrängt, möchte ich vor der Weiterführung des eigentlichen Gedankenganges noch ein wenig bei jenem Sommersamstag von vor ein paar Wochen verweilen. Manche mögen sich vielleicht in dreihundert Jahren fragen, wie ich so gelebt habe. Nun, zu sieben Achteln als denkender Eremit, wie immer in solchen Fällen; wie es bei authentischen und gutmütigen Menschen allerdings auch der Fall ist, inmitten von Freunden und Freundinnen. Den Samstag bin ich mit dem Soko und dem Martin am Volkertmarkt herumgelungert. Der Soko hat mich mal spontan im Xi angesprochen und mich gefragt, was ich so mache. Da ist der „Yorick“ ins Gespräch gekommen, der damals noch nicht veröffentlicht war, 2009 war das. Ich habe dem Soko was daraus zum Lesen gegeben, und er hat mich bestärkt darin, dass das ziemlich gut sei. Der Soko ist ein guter und umsichtiger Mensch, der sich im Kampf für die Wahrheit schon mal auf was einlässt und dafür öfter leider nichts Gutes zurückbekommt, zum Beispiel einen Fussball mitten ins Gesicht von den Türken- und Tschetschenenfratzen, die sich aufführen, wie nur was, und von deren Eltern auch noch darin bestärkt werden; typisches Unterschichtenverhalten, dass allerdings einfach nirgendwo hinführt außer in die Perpetuierung des Unterschichtenstatus. Neulich habe ich ihn, schwer an mir zweifelnd, wie öfter einmal, gefragt, welchen künstlerischen Status der Yorick wohl habe. Ob er zu messen sei an Werken wie denen von Hemingway oder so; der Soko hat gesagt, aber, das könne man nicht vergleichen, der Yorick sei eher so was nach der Art von Joyce. Joyce finde ich, wie schon gesagt, grauenhaft, Hemingway habe ich vor Kurzem zu lesen probiert, „Fiesta“; abgesehen von anderen Versuchen in der Vergangenheit, bin aber kaum reingekommen, es war mir irgendwie zu uninteressant, zu wenig überraschend und hatte zu wenig geistige Intensität, vielleicht ist das alles ein entsetzlicher Irrtum, da aber der Charakter von Hemingway zumindest ein entsetzlicher Irrtum, oder zumindest paradox war, könnte das schon hinkommen. Der Martin findet meine Texte vom Quadrat und der halbzylindrischen Wölbung und dergleichen mehr so toll, sagt er, dass er immer aufhört, Musik zu machen, wenn ich lese, denn er macht immer die Musik zu unseren Trauma-Lesungen. Gegen Abend hat mir die Amanda ein SMS geschrieben, der Franz spiele ein Konzert vorm Café Nelke, wobei der Franz dem Flo zwei Wochen zuvor beide Hände gebrochen hat, weil der Flo sich im Xi im Rausch unmöglich aufgeführt hat, wie öfter einmal, weswegen ihn der Franz gepackt und rausgezerrt hat, sehr gewalttätig, wobei der Flo umgeflogen ist, und sich beide Hände gebrochen hat. – Von einer meiner Lieblingsbands, Napalm Death, gibt es ein „Lied“ mit dem Titel „Continuing War Against Stupidity“. Bei Büchner ist so was nicht notwendig. Bei Büchner hat man das Gefühl, der höchsten Intelligenz gegenüberzutreten, die im Rahmen der deutschsprachigen Literatur überhaupt tätig war, wenngleich ich keinen vollständigen Überblick über die deutschsprachige Literatur habe, nur einen ganz passablen, und innerhalb dieser Perspektive scheint es mir halt so bestellt zu sein. Was man bei Büchner hat, ist die absolute Beweglichkeit der Sprache! Die absolute Beweglichkeit der Sprache, die die absolute Beweglichkeit des Intellekts ist, und die der absoluten Beweglichkeit der Psychose nahe ist. Es erscheint wie ein Wunder, dass sich Büchner so gut in den halbwahnsinnigen Jakob Michael Reinhard Lenz hineinzuversetzen wusste. Es ist aber keines, denn was Büchner in „Lenz“ beschreibt, ist ja nicht bloß die Wahrnehmung eines Psychotikers, sondern des absoluten Intellekts des Omega-Menschen, wenngleich natürlich in seiner krankhaften Erscheinungsform. Der mit allem in der Welt verbunden ist. Der mit der Welt insgesamt verbunden ist, beziehungsweise verwoben. „Lenz“, ein Schreiben, dass den beschriebenen Intellekt weit auseinanderzieht, in alle Richtungen, und ihn schließlich in das Weltgewebe hinein aufsaugt. Aus irgendeinem Grund denke ich an einen Fliegenflügel, so schaut das alles irgendwie aus, ein leicht trüb gläsernes Etwas, ein Schirm, mit Faltungslinien und Adern, das Weltganze, der Weltschirm, in dem der Lenzsche Intellekt aufgeht, eine Ader ist er dann vielleicht, etwas, dass sich aus der scheinbaren Indifferenz des Weltganzen hervorhebt, ohne allerdings vom Weltganzen gesondert zu sein. – Es ist auffällig, dass dem, der gemeinhin als das größte Genie der deutschsprachigen Literatur, wenn nicht überhaupt gilt, Goethe, das nicht so ganz geläufig zu sein scheint, wenngleich ich jetzt kein Experte bezüglich Goethe bin; bezüglich Büchner ja auch nicht, ich komme hier nur mit meiner Intuition daher. Goethes Figuren und Charaktere sind alle einigermaßen komisch, haben keine Vorbildwirkung, und wenn sie eine Vorbildwirkung hatten, dann eine schlechte, so wie der Werther. Wenn sie gut sind, und man Sympathie für sie empfinden kann, so wie für das Gretchen, sind sie harmlos, weltfremd und impotent. Wenn man den „Lenz“ mit dem „Tasso“ vergleicht, so scheint deutlich zu werden, dass Goethe vom „Dichterwahnsinn“ und der schöpferischen Psychose keine Ahnung hat, sein Tasso ist gerade einmal ein Neurotiker. Nur eine Handvoll glücklicher Wochen habe er in seinem Leben gehabt, so Goethe zu Eckermann, der Rest seines Lebens sei ihm wie das Aufwärtsrollen eines Steines nach dem Bild des Sisyphos vorgekommen. Von Extremzuständen im Positiven wie im Negativen ist bei ihm nicht die Rede. Und deshalb (und überhaupt, insgesamt) erscheint Goethe einfach nicht wie ein Omega-Mensch, sondern wie der dauernde Simulant eines Omega-Menschen! In seinem Faust individualisiert sich zwar natürlich die Menschheit, doch ist er einfach nur eine verunglückte Gestalt, ohne, dass es Goethe jemals so zu Bewusstsein gekommen sein dürfte, schließlich ist der Faust ja auch eine Extrapolation seiner selbst. Faust will mit allem verbunden sein, weil er mit nichts verbunden ist, und er ist deswegen mit nichts verbunden, weil er kein guter Mensch ist und keine innere Moral, kein sittliches Ich hat, genauso wenig wie Peer Gynt! Der gute Mensch, der Omega-Mensch hat die Unendlichkeit in sich, und braucht sie daher nicht über so groteske Umwege zu suchen, wie Faust, abgesehen davon, dass der gute Mensch, der Omega-Mensch mit und in jedem Augenblick lebt und in jedem Augenblick präsent ist, und auch glücklich, wenngleich natürlich ganz und gar nicht im landläufigen Verständnis von Glück. Es ist sehr eigenartig, dass Goethe dafür gar keinen Sinn hatte. Weiters nun die absolute Beweglichkeit, die die Sprache Goethes im Gegensatz zu der von Büchner nicht hatte! „Woyzeck“ beinhaltet den umfassenden „Wahnsinn“, die zugrundeliegende Psychose der Sprache, daher des Geistes, daher des Menschlichen, will sagen, das Zusammenspiel von Rationalität und Irrationalität als Grund der Welt, vor allen Dingen eine authentische Form des künstlerischen Ausdrucks der Sprache der sogenannten einfachen Leute. Goethes Ansatz hierzu weist zwar in eine richtige Richtung, die Sache geht aber einfach nicht auf, wie man im Faust in der Auersbachkellerszene sowie in der Walpurgisnacht merkt. Es scheint bei Goethe auch keine wirkliche Sympathie für die „einfachen Leute“ vorhanden zu sein, bloß weitgehende Indifferenz; Goethe hatte kein sonderlich ausgeprägtes soziales Gewissen und keine sonderlich Solidarität mit den Armen und Benachteiligten! – Wohingegen Büchner ein forscher Revolutionär war, mit dem „Hessischen Landboten“ einen politischen Aufruf verfasst hat, der an Kühnheit selbst seinen revolutionären Mitstreitern die Sprache verschlagen hat, beinahe wäre er eingekastelt worden dafür; zu seinem Verdruss waren die unterdrückten Massen für solches Gedankengut gar nicht empfänglich, so dass sich Büchner, zumindest äußerlich wieder davon abgewandt hat, das ist die zweifelhafte Verfasstheit des extrem schnell arbeitenden Geistes. – „Goethe war ein Egoist in ungewöhnlichem Grade!“ – Vom Goetheschen Egoismus, mit dem er die Leute für seine Zwecke eingespannt hat, hat freilich jeder reichlich profitiert, auch waren die Zwecke höhere, das ist allerdings beim Omega-Menschen genauso, wobei der Omega-Mensch allerdings Anti-Egoist sein wird! – Goethe – Ich muss hier einfügen, dass ich mir vor eineinhalb Wochen zum ersten Mal darüber Gedanken gemacht habe, wonach man Genies vielleicht in Genies und Hyper-Genies einteilen könnte. Genies – unter den ganz Großen Marx, Leibniz, Tolstoi oder eben Goethe – verkörpern ein Denken mit positiver Krümmung und errichten geschlossene Systeme (wenngleich mit vielen Öffnungen); Hyper-Genies – Nietzsche, Wittgenstein, Kafka, van Gogh oder eben Büchner – denken negativ gekrümmt und errichten offene Systeme, Meta-Systeme, Stile, die in der permanenten Veränderung des Stils aufgehen. Hyper-Genies haben daher dauernd den Eindruck, dass ihnen ihr Geist davonfliegt, ihr ständig divergentes Denken erzeugt eine dauernde Hyperreflexion, daher die Krisen, daher die Ekstasen. Von ihnen kommen die rätselhaftesten und eigenartigsten, sowie die umfassendsten und profundesten Leistungen der Menschheitsgeschichte. Shakespeare hingegen hat gar keine Krümmung, sein Universum ist flach, außermoralisch. Daher das Problem mit Shakespeare. Den Genies mag er als das höchste erscheinen, als der rätselhafte, sich entziehende Himmel, für das Hyper-Genie hingegen wird er eine Zeitlang eben ein Problem darstellen, da er außermoralisch ist; das Hyper-Genie hingegen sieht in den Menschheitskessel, wie Shakespeare, erkennt das Chaos, und will deshalb Werte schaffen, was Shakespeare nicht tut. – Goethes Poesie war nicht vollständig beweglich, im Gegensatz zu der möglichen Poesie Büchners! Goethes Poesie war eine eigenartige Mischung aus Viereckigkeit und Grazie/Zartgefühl. Ich denke mir einen auf einer Seite ausgelösten Holzrahmen, C-förmig, im Bauch des C sprudeln virtuelle Wellen, teilweise auch über die Beschränkung hinaus, das ist die gute Substanz der Goetheschen Poesie. – Dann die Komik um die Farbenlehre! Auf seine dichterischen Werke bilde er sich gar nichts ein, so Goethe zu Eckermann, das hätten Leute vor ihm gemacht und würden Leute nach ihm machen; dass er aber auf dem so schwierigen Gebiet der Farbenlehre, entgegen der allgemeinen Lehrmeinung, Newton korrigiert habe, beweise ihm seine eigentliche Superiorität. Natürlich braucht auch der Omega-Mensch etwas, das ihn stabilisiert, und natürlich wird sich auch das Hyper-Genie was auf sich einbilden, aber so würde ein solches Exemplar der menschlichen Gattung das auch nicht handhaben. Wenn man das jetzt vergleicht mit Wittgenstein, zum Beispiel, und seiner Bereitschaft zur radikalen Selbstkritik! – „Dichtung und Wahrheit“ habe ich zweimal zu lesen versucht, bin aber ganz und gar nicht weit gekommen. Goethe hatte eine ungeheure Erlebnisfähigkeit, das ist wahr, und die breitet er da, wie mir scheint, voll und ganz aus. Jetzt ist es so, dass eine sehr umfangreiche Darstellung von allem möglichen Gegebenen, oder in der Beantwortung einer Aufgabenstellung, auf eine sehr hohe Intelligenz hinweist. Auf eine noch höhere Intelligenz scheint mir aber hinzuweisen, wenn man sich dann aber wieder ganz einfach knapp, präzise und alles andere als wortreich ausdrückt. Bei „Dichtung und Wahrheit“ wuchert alles, es wuchert einem entgegen, wie das ganze Werk Goethes. Was das Hyper-Genie anlangt, so ist es fraglich, ob es so was wie eine Autobiographie ins Werk setzt, und wenn, dann eher in der Art von Nietzsches „Ecce Homo“. Große Männer gehen allein in ihren Werken auf, meint Otto Weininger. Ja. Nein. Sie werden sich auf jeden Fall hauptsächlich für ihr Werk interessieren. – Goethe hat Kleist nicht verstanden! – Zwar weiß ich nichts über diese Auseinandersetzung und habe Kleist auch kaum gelesen, insgesamt scheint Kleist aber einer von den Omegas gewesen zu sein. Bei Kleist, wie auch bei Grabbe, hatte man auf jeden Fall das Gewaltsame und das furchtbar Irrationale. Goethe war alles Gewaltsame bekanntlich verhasst, deswegen lehnte er auch die Revolution ab, auch konnte er kein Blut sehen und Fäulnis und Tod nicht ausstehen. Beim Hören der Fünften von Beethoven hat er gesagt: „Das ist ja, wie wenn ein Haus zusammenfällt!“ Der Omega-Mensch wird das Gewaltsame und zutiefst Irrationale sehr wohl begreifen, obwohl er selbst lammfromm und gut sein wird; ja, genau deswegen wird er dazu neigen, das Gewaltsame und zutiefst Irrationale als den Grund der Welt anzunehmen, weil er eben von der übrigen Menschheit zu weit entfernt ist, im positiven Sinne. – Jetzt habe ich da mal einiges beisammen, das Wesentliche, was ich zu Büchner und auch zu Goethe sagen wollte, zumindest im Moment. Ich frage mich, warum ich mir solche Impertinentheiten gegenüber Goethe geleistet habe! Nun ja, weil der Blick auf Goethe, von Büchner aus gesehen, sich tatsächlich in etwa so ausnimmt. Büchner muss man sich auch zum Vorbild nehmen, nicht Goethe, das erscheint ganz klar. Bleibt nur noch zu klären, warum Goethe als Universalmensch angesehen wird. Die Omega-Menschen und Hyper-Genies erscheinen zwar beeindruckend, aber irgendwie nicht als Universalmenschen, sondern als sektorielle Intelligenzen, also, irgendwie. Die Antwort auf diese Frage sieht so aus, dass Goethe zwar sehr wohl der Universalmensch ist, die Hypers und Omegas aber der transzendente Mensch.

Die Klassik ist das Gesunde, die Romatik ist das Kranke, so Goethe. Kleist, Grabbe und Büchner sind von nichts ein Anfang. Sie sind nicht einmal der Anfang vom Ende, so Peter Hacks. – Kann man sich fragen, inwieweit Goethe, Dante, Milton etc. die größten Genies sind und als solche gesunde Genies,  Ausdruck einer großen Gesundheit, während Omegas krank erscheinen, überspannt, Übermaß an pathologischem philosophischen Zweifel sie auszeichnet, Übermaß an Subjektivität (folglich (so in den Augen der Normalen zumindest) Exzentrikertum), Nähe zur Psychose. Ich finde die Omegas aber interessanter und in engerem, intimeren Kontakt mit der Wirklichkeit und der Hinter-Wirklichkeit (abgesehen davon dass die Hirne und die Persönlichkeiten der Omegas in der Regel ja recht gut funktionieren). Shakespeare wieder die Wasserscheide. Attar ist größer als Dante und hat die Existenz viel tiefer erfasst und umfasst; Dante scheint im Vergleich dazu oberflächlich (siehe weiter unten)! Goethe ist eine ziemlich konventionelle Persönlichkeit, eine gescheitere Ausgabe von z.B. Zelter oder eben eines Fürsten Ministers. Ein Mensch von höchster Intelligenz, aber nicht von höchstem Genie. Ich frage mich, warum einer wie Nietzsche vor Begeisterung fast seine Füllfeder verschluckt hat, wenn er auf Goethe zu schreiben kam. Obwohl er das eh nicht tat, eher hat er Goethe freundschaftlich zugewunken. Nicht auszudenken, wenn Eckermann auf einen achtzigjährigen Büchner getroffen wäre! Noch weniger, wenn Büchner und Nietzsche (im hohen Alter) aufeinander getroffen wären! Ich finde, über letzteres sollte ich mir Gedanken machen.

Also nein! Nochmal: Was ich mir für Impertinentheiten gegenüber Goethe gestattet habe! Aber es sind Gedanken und Eindrücke, die sich halt mal aufdrängen und es ist dann ja so auch wieder nicht gemeint, Goethe ist ja weiträumig, er enthält Vielheiten. Goethe mag es außerdem verstehen, denn Goethe war ja sehr konziliant. Daher auch der nicht ganz logische Schluss beim Faust. Um echte Tragödien zu dichten, dafür sei er immer zu konziliant gewesen, hat Goethe gemeint. So was finde ich sehr gut. Abgesehen davon, dass wir hier ein Beispiel haben, dass Konzilianz und Herzlichkeit weiter sieht als Logik. „Wer ewig strebend sich bemüht, den können wir erlösen“, ist ein gutes Schlusswort und überhaupt der Goethesche Faust kein so eindimensionales Kunstwerk wie der Faust von Christopher Marlowe.


Genauso wie Goethe eben keine Ahnung und kein Gespür für den Wahnsinn des echten Lenz hatte, den er verstoßen hat, was man ihm jetzt freilich nicht zum Vorwurf machen kann, denn das ist ein heikles Terrain.

Der junge Beckett bezeichnet ihn nach einer ersten, irritierten Lektüre, als eine machine á mots.

Wie auch der junge Beckett vermerkt hat.

ADDENDUM 2: Lautréamont (außerdem: Modigliani)

(aus dem Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken, 2015)

Wenig ist über Lautréamont, den Verfasser der „Gesänge des Maldoror“, bekannt, der im Alter von 24 Jahren gestorben ist. Die Gesänge des Maldoror sind ein Werk ohne wirkliches Vorbild, eine sehr eigene Leistung. Sie handeln vom Bösen, soll heißen, vom Problem der Moral, und beruhen auf der freien, spontanen Assoziation, sie sind Texte der Nacht, sie sind Sprache der Nacht, und können immer wieder von Neuem gelesen werden, da sie kaum auszuschöpfen sind. Die geistige Intensität ist so hoch, die Texte so dicht, wie bei kaum einem anderen Schriftsteller. In den wenigen Texten, Briefen, Reflexionen, die von Lautréamont vorliegen, kommt, wenig überraschend, ein Mensch der höchsten geistigen Stufe zum Vorschein, der Racine, Corneille und andere der Großen und Größten ohne weitere Umstände überblickt. Modigliani hat (natürlich) sehr viel gelesen, ein Buch hatte er immer bei sich, die traumartigen Gesänge des Maldoror. Man könnte meinen, es sei große Selbstsicherheit notwendig, um neben Picasso von diesem unbeeinflusst zu bleiben, und sein eigenes, scheinbar viel weniger komplexes Ding durchzuziehen, wie Modigliani. Wie herzerwärmend dann aber die Kunst Modiglianis ist, während die Kunst von Picasso das nicht ist! Modigliani hatte viel Liebe und Respekt für seine Modelle, mithin für die Menschen. Gelebt hat er zeit seines kurzen Lebens in Armut. Als er im Alter von 35 Jahren, kurz, bevor er bekannt wurde, gestorben ist, hat sich seine Verlobte Jeanne aus dem Fenster gestürzt, trotzdem die beiden ein Kind hatten. Man ist einfach geneigt, eine so eine Reaktion von Grund auf zu verstehen.

Nachbemerkung: Die Aphorismen, das zweite Werk Lautréamonts, geben deutlich weniger her als die Gesänge. Sie sind halt, so wie die Gesänge, schnell geschrieben, assoziiert, und weniger durchdacht. So wie die Prosatexte Rimbauds, die, meiner Erinnerung nach, auch nicht viel hergeben, trotzdem auch sie das Werk einer ganz außergewöhnlichen Intelligenz ist. Wie vielfältig Intelligenz insgesamt ist! Da assoziieren und kombinieren und delirieren welche, aber es jagt im Großen und Ganzen immer nur ein einfallsloser Einfall den anderen und insgesamt haben sie zwar viel kombiniert, aber wenig gesagt (zum Beispiel James Joyce). Oder aber ihre schönen und beherzten, einzigartigen Spekulationen sind zu einem guten Teil missgeleitet oder falsch (Freud), oder unpraktisch und sinnlos (Lacan). Was jetzt natürlich nur ein begrenzter Einwand gegen Freud, Lacan et al. ist; das Genie ist auch im Irrtum groß, oder zumindest interessant, sowie lehrreich, und wenn schon alles andere nicht klappt, beeindruckt zumindest die Kraft der Gedanken und ihrer Durchführung, erhebt uns in einsamen Stunden, es wird etwas Neues in die Welt gebracht, derjenige, der die sich die Gedanken gemacht hat, verkörpert einen heroischen Lebenslauf et al.


Irritierende Fälle in der heutigen Zeit sind die Schriftsteller E., D. und B., die zwar etwas Geniales an sich haben, in ihren Mitteilungen dann aber ganz schön kraftlos sind. Und vom Stil her akademisch und nicht aus der Tiefe geschöpft. E. verfasst zu seinem ersten Roman ein geniales Vorwort, sowie ein geniales Nachwort, problematisch ist dann halt, was alles dazwischensteht. Alibihandlungen und Ersatzhandlungen. Sonst würden sie ja wohl auch nicht verlegt und gelesen werden, wenn sie echte Gedanken äußern würden. Das ist, so sagen es auch andere, heute nicht erwünscht. Dann würde das Kartenhaus zusammenbrechen.

Die leuchtenden Bilder des Arthur Rimbaud

Michel Houellebecq moniert (in „Unterwerfung“), der große, übergroße Arthur Rimbaud sei „im Experiment“ stecken geblieben. Wenn aber die Intelligenz, die Kreativität, die Spiritualität solche Ausmaße ausnimmt, dass sie jegliches menschliche Maß absolut überschreitet und der Blick auf die menschlichen Verhältnisse scheinbar von irgendwo draußen im Weltall stattfindet, was soll sie denn dann sonst für eine Erscheinungsform annehmen als die des Experimentellen; dem Gegenüberstellen von mannigfachen Perspektiven, dem Einnehmen diverser Zustände, dem Testen von sich selbst, die Entrückung in ihren eigenen Phasenraum, der alle möglichen Zustände eines Systems abdeckt; Weltgeist, der in seine eigene Kontemplation versunken ist, die im Falle des künstlerisch begabten Weltgeistes dann eben die Erscheinungsform einer rauschhaften Kontemplation annimmt: ich nehme meinen Platz auf der obersten Stufe dieser Engelsleiter des gesunden Menschenverstandes ein. Und so fand die Dichtung von Arthur Rimbaud eben ihre Vollendung im „Experiment“. Anders als William J. Sidis, der als Achtjähriger bereits mehrere Bücher geschrieben hatte, mehrere Sprachen gesprochen, und eine gesamte Sprache, Vendergood (eine verbesserte Form von Esperanto, die sich allerdings nicht durchsetzen konnte), entwickelt hatte, formuliert Arthur Rimbaud im bereits fortgeschrittenen Alter von in etwa elf Jahren (es ist ja auch mehr Lebenserfahrung und seelische Reife dafür notwendig) sein Programm von der objektiven Einsicht in das, worum es letztendlich in der Kunst geht: Seher werden! Tief in das Universum zu schauen, um tiefer in seine „Geheimnisse“ einzudringen und, über den Erwerb von Einsicht und Ausdruck, absolutes Wissen zu erwerben. Um Einsicht und Ausdruck zu erwerben, deren Möglichkeiten unendlich sind, gilt es, einen Tunnel zu errichten, in dem die Einsichten und Ausdrücke durch sich selbst hindurchfallen und sich fortwährend transformieren; einem Tunnel, einem physikalischen Wurmloch gleich, der über ein Schwarzes Loch, in das alles reinfällt auf der einen Seite und einem Weißen Loch, aus dem alles heraus muss auf der anderen Seite eine extradimensionale, abkürzende Verbindung zwischen ganz unterschiedlichen Regionen des Universums herstellt; wie Rimbaud es für sich formuliert: Es geht darum, durch die Verwirrung aller Sinne im Unbekannten anzukommen. (Die Leiden sind gewaltig, aber man muss stark sein, als Dichter geboren sein, und ich habe mich als Dichter erkannt.). Das Wurmloch, der Tunnel, in dem sich alles transformiert und umwandelt, ist der abgründige Tiefsinn des Geistes: Zur Zeit jagen mich die ewige Krümmung der Augenblicke und die mathematische Unendlichkeit durch die Welt, wo ich alle bürgerlichen Erfolge ertrage, respektiert wegen fremder Kindheit und ungeheuerlicher Leidenschaften. Das tiefste Gesetz des uns bekannten Universums ist das des Zusammenwirkens von Zufall und Ordnung, und die letzte Einsicht, die man haben kann, ist die vom Chaosmos, und die letzte Ansicht/der letzte Ausdruck, die/den man in der Kunst haben kann, ist die direkte Vision vom Chaosmos: diese hat man im Fanal der Rimbaudschen Dichtung, den „Leuchtenden Bildern“. Die Leuchtenden Bilder offerieren einen herrlichen Blick direkt in den Chaosmos! Das, was den Chaosmos anschaut, ist das Einheits-Bewusstsein, das alle Manifestationen der inneren und äußeren Wirklichkeit gleich umfasst, und das, was ihn reflektiert, ist der absolute Geist in der absoluten Form, dessen Rede Kunst, Philosophie, Wissenschaft und Religion in einem ist. Die Dichtung von Arthur Rimbaud führt uns dort hin! Nach den Leuchtenden Bildern hat Rimbaud zum Dichten aufgehört und wurde zum Wanderer. Man könnte meinen: so schnell hat er sich durch den kreativen Prozess, das Wurmloch hindurchgetunnelt, dass er tatsächlich an einer anderen Seite vom Universum herausgekommen ist, und er die Dichtung so sehr überwunden, dass sie ihm nichts mehr bedeuten konnte: Nicht einmal, dass sie verlegt und allgemein bekannt gemacht wurde, bedeutete ihm, Jahre später, dann noch was (vielmehr hat er es abgelehnt)! Rimbaud war, scheinbar, zu schnell, als das er irgendwo hätte ankommen können. Man könnte meinen, Rimbaud hat sich schnell durch sich selbst hindurchgeschossen, dass er sich verbraucht hat, und das erhöht natürlich das Pathos und das Charisma seiner Figur! Ein Unbehauster, der in der Gegenwart nicht leben kann, auch gar nicht wirklich in Vergangenheit und in Zukunft, sondern in all dem zugleich: Bewohner einer radikal überzeitlichen (oder eben: ewigen) Sphäre! Obwohl die Gegenwart zu dornig für meinen großen Charakter war, ( – fand ich mich gleichwohl bei meiner Herrin, als dicker Vogel, grau und blau, der sich zu den Deckensimsen aufschwang und den Flügel im Abendschatten schleppte), und das kann bei großen Charakteren durchaus der Fall sein; umgekehrt aber auch der Charakter zu dornig sein kann für die Gegenwart: Obwohl ich mich, wie man weiß, bei der Betrachtung von transzendenten Menschen immer gerne dafür ereifere, in ihnen eine transzendente ethische Lebensführung und ausgezeichneten Charakter zu entdecken, scheint Rimbaud meine Vermutung eines absolut notwendigen Zusammenhanges zwischen beiden zu konterkarieren. Wenn man sein Verhalten gegenüber Verlaine und dessen Zirkel betrachtet, hat man, auch unter Berücksichtigung aller künstlerisch-philosophischen Kalkuliertheit der Amoralität als experimentellen Lebensstil, offensichtlich einen boshaften Psychopathen vor sich. Auch das spätere ziellose Herumirren über den Globus lässt sich nur bedingt als Ausdruck der „Unbehaustheit des Genies“ romantisieren; eher hat man da die planlose Rastlosigkeit des psychopathischen Individuums. In z. B. der 500-Seiten-Biographie von Robb tritt einem Rimbaud kaum als fassbares, seelisch definierbares Individuum gegenüber. Und – vor allen Dingen – in seiner Dichtung ist das auch nicht der Fall. Trotz dem Bombardement von Reizen, dem man ausgesetzt ist, steht in den Dichtungen von Rimbaud nicht eben viel drinnen. Die Eindrücke werden nicht vertieft. Die Leuchtenden Bilder stehen – außerhalb aller Dichtung, ja, aber als Art Kreaturen, die intern wenig differenziert sind, so dunkle Kuttenmänner, die da Falten haben. Sie leuchten, aber sie sind dünn und sie flirren in außerordentlichstem Grade. Das erhöht ihr Pathos und ihr Charisma: man kann immer wieder zu ihnen zurück, um versuchen, sie zu entdecken – aber man tut es dann niemals. Die frühen Gedichte wären von wenig Relevanz, wenn sie nicht die frühen Gedichte von eben Rimbaud wären, die neuen Verse und Lieder sind besser, aber man nimmt wenig mit, Ein Aufenthalt in der Hölle ist dann schon wieder jenseits der Dichtung und die Leuchtenden Bilder jenseits dann davon. Eine wahrhaft „exzentrische Bahn“ (Hölderlin) der kreativen Entfaltung! Aber – ironischerweise entsprechend ihrer Intention – : die Leuchtenden Bilder sind zwar sehr breit und füllen den Raum gut aus, aber sie sind auch sehr dünn und zerreißen sogleich. Selten, scheinbar nie, kann was perfekt sein, und bei Rimbaud hat man offenbar – adressierend das Pathos und das Charisma von der volkstümlichen Ansicht von wegen „Genie und Wahnsinn“ – , ein sonderbares Hybrid aus sehr hohem, transzendentem Genie und einem Übermenschen (denn speziell die Leuchtenden Bilder präsentieren die Wahrnehmung des Übermenschen) und einem Psychopathen (also einem Wesen, das auch, gemeinhin, als vom Menschen verschieden und als eigene Spezies gilt, allerdings eine weniger angenehme). O Fruchtbarkeit des Geistes und Unermesslichkeit des Universums!

Ich wiederhole nochmal: Wenn man Rimbaud vorwirft, „im Experimentellen“ stecken geblieben zu sein, verkennt man, dass die Herrschaft über alle Dinge, und die Übersicht über den Phasenraum aller Dinge, eben nur über das „Experimentelle“ möglich ist bzw. über einen Geist, der in seiner Selbstbetätigung eben selbst „experimentell“ wird. Wissenschaft geschieht über Postulieren von Hypothesen, also experimentelle Annahmen, die dann experimentell durchlaufen werden. Kunstwerk ist, im ersten und letzten Sinn, Studie über den Gegenstand der Darstellung oder über sich selbst. Das war zunächst nur eine Studie. Ich schrieb das Schweigen nieder, das Nächtliche, ich zeichnete das Unsagbare auf. Ich bannte Taumel und Rausch. Taumel und Rausch und Unsagbares sind, eventuell, nicht unendlich, markieren aber eine Grenze zwischen der Endlichkeit unserer Verständnisse, und dem, was „jenseits“ dessen liegt, eine Grenze, die vom Grenzgänger durchstoßen wird. Das ist die Aufgabe des Grenzgängers: Grenzen weiter hinaus ins Unbekannte zu stoßen und die Bezirke des Bekannten zu vergrößern. Andere schreckliche Arbeiter werden kommen; sie werden an jenen Horizonten beginnen, an denen er (der aktuelle Grenzgänger, Anm.) hinsank. Das ist die Öffnung in die Unendlichkeit der Zukunft hinein und in den Fortschritt hinein: So legte der Dichter das Maß des Unbekannten fest, das in seiner Zeit in der universellen Seele erwacht: er gäbe mehr – als die Formel seines Gedankens, als die Aufzeichnung seines Weges zum Fortschritt! Wenn das Enorme zur Norm wird und von allen aufgenommen, wird er wahrhaftig zum Vervielfacher des Fortschritts! Der Fortschritt von Rimbaud vollzog sich so schnell, dass er scheinbar innerhalb von wenigen Jugendjahren sich ganz durch die Mysterien der Dichtung hindurchgetunnelt hat; in den äußersten Grenzregionen zuletzt angelangt, jenseits derer es dann eben nichts mehr zu sagen gibt. Diese Sprache wird von Seele zu Seele gehen und alles zusammenfassen, Düfte, Töne, Farben, den Gedanken, der sich dem Gedanken anhaftet und ihn nach sich zieht. Das ist gut, das ist die Basis für das Einheits-Bewusstsein und für die wahre Erleuchtung. Rimbaud war so gut, dass er alles gleichzeitig gesehen hat, und daher nur mehr schwer von anderen erkannt werden konnte: Ich zeigte euch unerhörte Reichtümer. Ich verfolgte die Geschichte von Schätzen, die ihr gefunden. Ich sehe die Folgen! Meine Weisheit wird ebenso verachtet wie das Chaos. Rimbaud, das transzendente Genie und der große Abenteurer – der Unbehauste. Entsprechende geistige und kreative Fähigkeiten legen Unbehaustheit ihres Trägers in dieser Welt nahe. Ein Studium der Biographie Rimbauds legt aber vor allem nahe, dass es sich bei Rimbaud (neben den entsprechenden positiven Charakteristika) um einen Psychopathen gehandelt haben könnte. Psychopathen sind gefühllos, bösartig/boshaft, rastlos, irrational, planlos und leben aus dem Augenblick heraus, und hinter einer eventuell interessanten bis faszinierenden Fassade haben Psychopathen wenig echte Persönlichkeit und erst recht nicht so was wie „Seele“. In der Dichtung von Arthur Rimbaud frage ich mich aber auch, wo genau die Seele ist. Die Seher – Briefe des Kindes sind von einer unglaublichen intellektuellen Solidität, und alles andere auch (auch als umtriebiger und hellsichtiger Geschäftsmann in Afrika ist Rimbaud eher an der trägen Umgebung gescheitert) – aber es steht halt mal ziemlich wenig in all dem drinnen. Weiters – auch wenn Rimbaud-Biograph Robb nahelegt, Rimbaud habe zum Dichten aufgehört, weil er nach der Verhaftung von Verlaine (seinetwegen) niemand mehr hatte, mit dem er vernünftig poetisch hätte kommunizieren können – ist die Gleichgültigkeit von Rimbaud gegenüber seiner Dichtung unheimlich; er scheint etwas so Wertvollem keinen Wert beigemessen zu haben, und das, in was er sich in seiner Jugend hineingesteigert hat – „Seher“ zu werden und übernatürliche Kräfte erwerben. Und siehe! ich muss meine Phantasien und Erinnerungen begraben! Dahingeweht, der schöne Ruhm des Künstlers und Erzählers! War ihm die ganze Unternehmung nur ein ephemerer Zeitvertreib, der beim Kind und beim Psychopathen immer wieder von neuen Zeitvertreiben abgelöst wird? Übernatürliche Kräfte erwirbt man, ganz einfach, – oder zumindest ich tue das –, indem ich zum Beispiel da meinen Finger an die interessante zinnoberrote Häuserwand halte. Dadurch bildet sich ein Komplex, eine Assemblage, die mächtiger ist als das, was vorher war und was Neues, ich ist reduziert und ist dann ein anderer, und man hat übernatürliche Kräfte erworben. Das hätte Rimbaud natürlich sofort verstanden, aber konnte er es auch leben? Ich liebe einfältige Zeichnungen, die Gesimse über den Türen, Bühnendekorationen, die Zelte der Gaukler, Wirtshausschilder, bunte Bilder fürs Volk; die aus der Mode gekommene Literatur, das Latein der Kirche, erotische Bücher mit fehlerhafter Rechtschreibung, die Romane unserer Großväter, Feenmärchen, Büchlein für Kinder, alte Opern, harmlose Kehrreime, naive Melodien. So weit, so herzig. Alte, kindliche Seele! Aber wie alles andere auch wird das zwar mannigfach aufgezählt, aber nie vertieft, was da sein sollte, wenn man eben ein tatsächlich tiefes Verhältnis zu naiven Melodien et al. hat. Die Leuchtenden Bilder sind sinnlos, wirr und ephemer. Man ist (heute) geneigt, den dicken Polizisten auszulachen, der Rimbaud mitgenommen hat und über ihn geurteilt: Rimbaud sei ein außerordentliches Individuum, er könne Verse machen, wie kein anderer – nur seien diese Verse völlig unverständlich. Aber das sind sie ja auch! Man ist natürlich geneigt zu meinen bzw. sich vor lauter Schreck unter den Tisch zu flüchten; von wegen, einen so großen Geist kann man unmöglich dechiffrieren, was er da gemeint hat – ich allein habe den Schlüssel zu dieser wilden Schau – ICH aber, ich bin (ein andrer und) Rimbaud intellektuell und an poetischer Begabung gleichrangig, stehe dabei aber seelisch viel höher, und kann mir daher, eventuell, ein Urteil erlauben. Und mein Urteil ist also gespalten: Rimbaud ermöglicht uns einen Blick in den Chaosmos, aber sein Chaosmos hat keine Substanz. Der Blick in den Chaosmos ermöglicht die Herstellung des Einheits-Bewusstseins – wenn Geist und Seele vereint sind. Bei Arthur Rimbaud hatte man ein Missverhältnis zwischen Geist und Seele. Er begreift die Dinge zwar mit unerhörter Leichtigkeit, aber inwieweit er sie auch ergreift, scheint gar schwer auszumachen. Und so fand die Dichtung von Arthur Rimbaud eben ihre Vollendung in der Verwirrung der Sinne (nicht in der Erlangung des Einheits-Bewusstseins und einer produktiven Vision vom Chaosmos, welche die Herrschaft über die vier Himmelsrichtungen ermöglichen und über das Heideggersche Geviert). So ist das dann eben, wenn Ich ein Anderer ist. Und so ergibt sich, dass meine Vermutung, dass Geist und „Seele“ zusammenspielen müssen, sie voneinander getrennt nur bedingt was ausrichten können, offenbar korrekt ist. Und das ist nicht nur sehr gut; es ist auch alles, was mich interessiert. Kunst, die Schönheit, die Wahrheit, das Gute, interessieren mich, in Wahrheit, nicht. Was mich interessiert, ist dass meine Theorien richtig sind. Was mich interessiert, ist dass ich mich ausbreiten kann, Raum einnehmen (eventuell auch den anderen wegnehmen), indem ich Theorien aufzustellen imstande bin, dadurch meine eigene Stärke fühle, die dann verunendlicht wird, indem festgestellt werden muss, dass meine Theorien stimmen. Oder auch nicht einmal, dass es sich dabei um Theorien handelt, also um Orientierungshilfen und objektivierbares Wissen für andere, eigentlich ist es zunächst und vor allem wichtig, dass etwas sich als richtig herausstellt, nur weil ich es einmal gesagt habe. Dass etwas richtig und wichtig ist, nur weil ICH es gesagt habe, ist alles und das einzige, was mich da anficht und interessiert.

Ich hasse jetzt die mystischen Überschwänglichkeiten und die Verschrobenheiten des Stils.

Jetzt kann ich sagen, dass die Kunst eine Dummheit ist.

(Die) Unsere großen Dichter (unleserlich) ebenso leicht: die Kunst ist eine Dummheit.

Gepriesen sei Güte.

Die Unnatur des Heinrich von Kleist

In „Poesie und Nichtpoesie“ versammelt Benedetto Groce in einer Zeit, in der es mit der Literatur und ihrer Kritik noch anders bestellt war als heute, vor gut hundert Jahren, Essays über zwei Dutzend Dichter und Literaten des 18. und 19. Jahrhunderts, und (neben Werner) ist es Heinrich von Kleist, der am schlechtesten dabei wegkommt. Groce verübelt Kleist, dass er den Gegenstand der Dichtung – die Leidenschaften – zwar durchaus gekannt hat, sie aber scheinbar nicht im Zaum halten und sie reflektieren konnte – dass er daher auch nicht über sie triumphieren konnte und nicht den eigentlichen Zweck der Dichtung erreichen: das sittliche Ideal zu errichten. Heute ist man viel eher geneigt zu feiern Kleist als Ahnherr des psychologischen Dramas, Menschenkenner und Metaphysiker, der Ahnung hat von einer gewichtigen Eigenschaft der Welt, die da in ihrer Instabilität und in ihrer Verhängnishaftigkeit liegt. Ja, bei Heinrich von Kleist hat man diesbezüglich schon eine Angefülltheit mit Raffinessen, dass es einen umhaut! Das Käthchen von Heilbronn, das stark/schwach, unbeirrt/somnambulent ihrer reinen Liebe folgt – zu einem unsympathischen Adeligen, der eher das männliche Ebenbild seiner/ihrer Antagonistin Kunigunde ist (oder aber auch an Kleists frühe Geliebte Wilhelmine von Zenge erinnern mag, mit der Kleist (möglicherweise auch unter dem Eindruck seiner latenten Homosexualität) ziemlich eigenartig umgegangen ist)! Adam, der mit Eve rücksichtsvoller spricht als der ungehobelte Ruprecht! Das Genie der Tat (Robert Guiskard), das, Napoleon gleich, kurz davor steht, eine tiefe Schneise in die weltgeschichtlichen Verhältnisse zu ziehen und sie signifikant umzupflügen, kurz davor aber qualvoll von der Pest niedergerafft wird und mit seinen Mannen einigermaßen sang- und klanglos verschwindet! Hermann, an dem sich die Unterschiede zwischen Recht und Unrecht, Zivilisation und Barbarei und, vor allem, Altruismus und Egoismus einebnen, im Rahmen einer schicksalshaften Konstellation, die nur mehr einen weitgehend moralfreien Dezisionismus zulässt (Ist man für die Römer? Oder gegen sie?)! Der Prinz von Homburg, der entweder in einer höheren (und extrem sozialen und geistesgegenwärtigen) Trance ist, oder in einer niedrigen (und selbstbezogenen), der Held ist, Feigling, Opportunist, der die Umstände umwirft und die Wellen bricht und dann wieder von ihnen umgeworfen wird und beinahe gebrochen! Götter, die mit Menschen eher schlecht als recht kommunizieren können und Götter- und Menschenwelten, die sich eventuell gegenseitig kaum was angehen und bei denen das Trennende über das Gemeinsame und Verbindende überwiegt – ach! Die entrückten Opfer der heiligen Cäcilie, die in einer Art Stupor leben, nachdem sie das Licht Gottes gesehen! Nicht zu reden von den extrem unheimlichen Verwandlungen (?), die diverse der Figuren im Kleistschen Kosmos durchmachen, um von unauffälligen oder gar gutherzigen Zeitgenossen plötzlich in Monster zu mutieren. Kleist ist als metaphysischer Künstler sehr groß, denn er sieht hinter das Wesen aller Dinge und wirft zeitlose, transhistorische Bilder. Auf einem so hohen Niveau der Abstraktion und des Begreifens arbeiten gar wenige. Gar viel hat Kleist verstanden. Kleist hat den Höheren Frieden verstanden, er hat den sicheren Weg des Glücks zu finden verstanden (weniger aber, auch unter den größten Drangsalen des Lebens – ihn zu genießen), und er hat das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt gelesen (Über das Marionettentheater); er hat auch somnambulent fremdgesteuerte Wesen der Liebe oder der Verklärtheit über sich selbst verstanden und Wesen des Hasses, der Rache und der Gewalt, von denen man nicht weiß, ob sie außer sich sind oder eben völlig bei sich. Er hat die Welt umrundet. Das ist allerdings nicht eben ein Kunststück, sondern es ist das, was das Genie eben tut. Der Stammtischbruder versteht (hin und wieder) den gesamten Umfang der Existenz ja auch, aber flach und unbeeindruckt; sogar der Intellektuelle tut das, wobei er sich meistens aber vor lauter großem Schreck unter den Tisch flüchtet, wenn er sich mit Manifestationen der Wirklichkeit konfrontiert findet, die ihm nicht in sein Weltbild passen: das Genie hingegen tritt dem gesamten Existenzkreis (intellektuell) unerschrocken gegenüber und lässt nichts unter den Tisch fallen. Allerdings fragt man sich auch immer wieder, inwieweit Kleist all das eben auch tatsächlich verstanden hat; sich vom höheren Frieden ein seelisches Abbild machen konnte, und von den leidenschaftsgesteuerten Wesen seiner Imagination ein intellektuelles…. Auf jeden Fall aber fällt bei Kleist die Leichtigkeit auf, mit der er seine Bahn um den gesamten Existenzumfang und um die Gesamtheit der menschlichen Verhältnisse zu ziehen imstande scheint, Wesen wie die Penthesilea einschließend, die auch für Goethe zu fremdartig und unverständlich erscheinen. Kleist war nicht allein ein Genie, er war einer der ultrakomplexen Menschen. Das Innere der ultrakomplexen Menschen ist der unendliche Saal der Spiegel, wo sich alles in allem spiegelt! Wieland bemerkt weiland „unter mehrern Sonderlichkeiten, die an ihm (Kleist, Anm.) auffallen mussten … eine seltsame Art der Zerstreuung, wenn man mit ihm sprach, so daß zum Beispiel ein einziges Wort eine ganze Reihe von Ideen in seinem Gehirn, wie ein Glockenspiel anzuziehen schien“, sowie „daß er bei Tische sehr häufig etwas zwischen den Zähnen mit sich selbst murmelte und dabei das Air eines Menschen hatte, der sich allein glaubt oder mit seinen Gedanken an einem andern Ort und mit einem ganz andern Gegenstand beschäftigt ist“. Hell yeah, die ultrakomplexen Menschen! Das Gute an der Ultrakomplexität (oder Allumfassenheit) ist der höhere Frieden in seiner höchsten Form, insofern sie ihre gesunde Vergegenwärtigung in der Weißen Hütte hat, in der Dichotomien nicht mehr existieren und alle Inhalte (äußerer oder innerer Natur) nur mehr, eventuell, Kräuselungen in einem angenehmen, strahlenden weißen Licht darstellen. Das ist das Reich des absoluten Friedens. Selige Öde auf wonniger Höh` (Wagner, Siegfried, Dritter Aufzug, Dritte Szene). Das schlechte ist, wenn sich durch die Ultrakomplexität die Widersprüche und Konflikte potenzieren, was vor allem der Fall sein mag, wenn der ultrakomplexe Mensch auf eine unterkomplexe, sehr simple Welt trifft, die für solcherlei Raffinessen wenig Verständnis aufbringt. Wenn er nicht stark ist, kann der ultrakomplexe Mensch da zerschellen. Vielleicht kann das Problem des ultrakomplexen Menschen aber auch in ihm selbst liegen, denn natürlich sind sich auch die Ultrakomplexen nicht alle gleich, und natürlich haben sie auch ihre individuelle Psychologie. Komisch ist, dass ich, wenn ich auf Kleist schaue, immer ein dunkles Grün sehe (das bestenfalls links oben von einem dunklen Schwarz begrenzt wird). Die Ultrakomplexität schimmert meistens in unendlichen Farben – bei Kleist sehe ich aber tatsächlich immer nur dieses tiefe, dunkle, monochrome Grün (bestenfalls eben teilweise begrenzt von (annähernd) schwarzem Rand). Ach! Das ist dann schon unheimelig. Wenn Groce vorschlägt, in Kleist einen zu sehen, der von momentanen Leidenschaften beherrscht war, die er sehr differenziert (weniger aber reflektiert) zu beschreiben wusste, und die der Anfang und auch das Ende seiner Dichtung waren, kann er teilweise schon recht haben, denn man hat bei Kleist schon eine gewisse Morbidität, die vielleicht weniger in der Extremität der geschilderten Leidenschaften liegen mag, sondern in einem offenbaren Fehlen ihres inneren Zusammenhanges. Bei Dostojewski hat man da einen leuchtenden Feuerkreis, der alles zusammenhält, und alle Figuren leuchten und treten hervor, bei Kleist hingegen wirken sie alle irgendwie eingefallen. Bei Kleist stehen die Charaktere (von (etlichen) Ausnahmen abgesehen) immer mindestens 10 Meter auseinander; bei Shakespeare hat man auch eine nebelhafte Welt und einen gasförmigen sittlichen Zusammenhang, aber bei ihm haben die Figuren durchschnittlich nur immerhin einen Abstand voneinander von gut zwei Metern; ja, eigentlich wirken sie überhaupt wie ein unauflöslicher Knäuel ineinander amalgamiert, wenn ich mir das jetzt eben zu vergegenwärtigen suche: bei Kleist sind es aber eben durchschnittlich zehn Meter; seine Welt ist so nebelhaft, dass man immer den Eindruck hat, man würde durch sie hindurchfallen. Wenn man keine entschiedene Position bezieht und skeptisch bleibt, ist das gut (und zumindest für den Philosophen auch allein angemessen), wenn man sich aber auf Positionen, auch zur Not, nicht festlegen kann, ist das schlecht, und scheint ein Hinweis, dass man sie eben gar nicht wirklich verstanden hat. – Der Ausdruck von Kleist ist einzigartig und unnachahmlich, aber er verursacht mir ein gewisses Unbehagen: Und zwar immer dahingehend, ob es auch der richtige Ausdruck ist! Das mit der eindeutig genialen Dichtung geht so: Man hat da den Kessel und undifferenzierten Quasi-Hintergrund der Imagination und als starre, robuste Formationen die Sätze und Wortflächen, in sich selbst solide gebunden und von äußerster Stabilität im (Quasi-) Vordergrund; sie mögen gleichsam als Protuberanzen aufsteigen oder über so Stangen mit dem Feuerkessel verbunden sein; es gibt da eine Verbindung, wenn nicht gegenseitige Verwachsenheit: Das dynamisiert dann die Sprache und das Bild, für immer und in alle Ewigkeit. Das Spiel und das ständige gegenseitige Verweisen von Motiv (dem Ausdruck) und Hintergrund (der Ausdrucksfähigkeit): das ist das Unendliche, das man in der genialen Dichtung hat. Ewiges Spiegeln und Ineinanderversenken der Welten und Hinterwelten. Bei Kleist hat man das recht eindeutig; ja, man hat trotz erzerner Starrheit und Solidität eine galoppierende Sprache, wie es Deleuze bei Kleist in etwa feststellt. Kleist galoppiert uns immer davon, und wir jagen ihm nach und werden nicht müde dabei. In der Prosa (speziell seiner Novellen) sehe ich einen schönen Strom, in dem sich fortwährend kleinere Wirbel bilden. Groce, der da moniert, die Novellen von Kleist wirken wie die Erzählung von Anekdoten, eine bloße Aneinanderreihung von Fakten habe man da, ohne literarische Ausschmückung bzw. Aufarbeitung bzw. Verwandlung, da Kleist die Gestaltungskraft fehle. So einfach kann man sich das nicht machen, und man kann sogar jubilieren, dass in Kleists Novellen die übertriebene „literarische“ Geschwätzigkeit fehlt, die man bei anderen ja genug und übergenug hat; allerdings wirft Groce da schon wieder eine Nuss hin, die man nicht so einfach knacken kann. Noch einmal und zusammengefasst: ist es sehr gut, wenn man im literarischen/künstlerischen Werke das Ineinanderversenken zwischen tatsächlichem Ausdruck (im Vordergrund) und dem Hinter/Untergrund/Schoß der Imagination hat, zwischen der Gestaltung und der Gestaltungskraft; das dynamisiert alles, das macht es ewig, das sind die „Tiefen“ – aber bei Kleist frage ich mich doch immer wieder, ob man die betreffende Stelle, oder das gesamte betreffende Stück nicht ganz anders hätte schreiben können, oder, mehr noch, hätte schreiben sollen! Verfluchte Unentscheidbarkeit! – Dass Amphitryon ein Lustspiel sein soll, ist mir erst aufgefallen, als ich das nachher im Nachwort explizit so definiert gesehen habe; den zerbrochenen Krug habe ich jetzt drei Mal gelesen (um ihm endlich ganz folgen zu können), gelacht habe ich noch immer nicht, obwohl der zerbrochene Krug ja als das deutsche Lustspiel Nr. 1 gilt; da können wir Österreicher möglicherweise wieder sagen: Jaja, die Deutschen und der Humor; ei, da haben wir Österreicher den Deutschen was voraus und wir haben auch den „Villacher Fasching“; wenn Groce sagt, der Humor von Kleist sei rein intellektualistisch, hat er wohl recht; die Stücke von Moliere sind immer wieder tatsächlich sehr komisch und sie sind eine gute, hervorragende Schule für die Menschenkenntnis; die metaphysische Weite von Kleist haben sie aber nicht, und metaphysisch bestimmt wird der Mensch bei Moliere eher nicht – bei Kleist aber eben schon! Natürlich sind weder der Amphitryon noch der zerbrochene Krug tatsächlich Lustspiele, sondern sie werfen die Frage auf Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie? – ohne sie jetzt allerdings tatsächlich zu beantworten; diesem allsehenden Auge/Auge Gottes, das da errichtet wird und in den Weltkessel blickt, fehlt irgendwie dann eine Teilhabe (oder so; irgendwas fehlt aber irgendwie, oder scheint (irgendwie) zu fehlen). Der zerbrochene Krug ist groß, ja; eine Ellipse, deren Brennpunkte ein volkstümlicher Schwank einerseits und die letzten Rätsel der Welt und die Mysterien der Schöpfung andererseits sind; und, um bei geometrischen Metaphern und Veranschaulichungshilfen zu bleiben, hat man bei Kleist ein negativ gekrümmtes Universum, bei dem alles ins Unendliche und Unbekannte und ins Sich-Entziehende flieht. Aber eben: beim größten deutschen Lustspiel – hätte ich mir was anderes erwartet. Am Anfang vom zerbrochenen Krug hat man Dialoge, die das seltsamste von der Welt sind – und zwar AUCH wenn man in Betracht zieht, dass „die wahrheitsbildende Kraft der Sprache“ (Günter Blamberger) dort zerbrochen sei, und AUCH wenn man das mit der allmählichen Verfertigung von Gedanken beim Reden in Betracht zieht (was ich von mir aus recht gut kenne, aber, wie mir scheint, vor allem im Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken (und vor allem in meiner ersten Kurzgeschichte, der vom Quadrat, besser bildlich dargestellt habe). – Aufgrund des wandernden Geistes oder auch der Unkonzentriertheit, die einem Mangel an geistigen Fähigkeiten entspringt, hat man immer wieder Mühe, Theaterstücken oder auch Abhandlungen über Spezialgebiete der Differentialgeometrie zu folgen. Zumindest ich habe bei Kleist erhebliche Schwierigkeiten gehabt, seinen Dramen zu folgen, und sie mehrmals lesen müssen um sie, natürlich unter Heranziehung diverser Sekundärliteratur, einigermaßen zu verstehen und ihnen folgen zu können. Komisch, wie man bei ihm schwafelnde Umständlichkeit ohne viel Aussage hat, und dann wieder entscheidende Hinweise in einen Halbsatz verpackt, der unter seinen Kollegen keineswegs hervorragt – so wie, eventuell, im (sogenannten) richtigen Leben, aber eben auch, und dann auch wieder, nicht. Ist das eine Stärke? Ist das eine Schwäche? Man weiß es nicht. – Goethe hat sich bekanntermaßen über die „Unnatur“ des Heinrich von Kleist ereifert, und Kleist wollte Goethe zum Duell fordern. Man hat bei Kleist eine ausgeprägte Ruhmsucht, Unstetigkeit (möglicherweise nicht allein des Genies, dem die Welt immer wieder zu eng wird, sondern als etwas Grundsätzlicheres), hohe Empathie und dann wieder erschreckend niedrige Empathie, man hat die unintelligenten Provokationen im Phoebus u. dergl. mehr. Man ist heutzutage leicht geneigt, Goethe für eine Art Tattergreis zu halten, dem immer wieder entscheidende Hinweise entgangen seien – aber ich, ICH, will, nachdem ich in der Vergangenheit darauf hereingefallen sein mag, dieser Versuchung nicht mehr so einfach erliegen! Wenn die Zeitgenossen losprusten, wenn Goethe zum Beispiel urteilt: Möge das Studium der griechischen und römischen Literatur immerfort die Basis der höheren Bildung bleiben! Chinesische, indische, ägyptische Altertümer sind immer nur Kuriositäten; es ist sehr wohlgetan, sich und die Welt damit bekannt zu machen; zu sittlicher und ästhetischer Bildung aber werden sie uns wenig fruchten; so werde ich weitgehend schweigsam und nachdenklich bleiben (denn etwas anderes als eine düstere Herdenmenschencultur haben die Chinesen oder die Inder oder die alten  Ägypter ja bis auf den heutigen Tag nicht zustande gebracht). So ist das, was Goethe bei Kleist als „Unnatur“ wahrnahm, bei heutigem medizinischem Wissen möglicherweise (wie Günter Blamberger zur Debatte stellt) eine narzisstische oder eine Borderline-Persönlichkeitsstörung gewesen, an der Kleist gelitten haben mag und die dann in Verbindung mit der Anomalie des Genies und dessen grundsätzlich enorm gesteigerter Wahrnehmung und intensiven Innenlebens die eigenartigsten, und letztendlich kaum entwirrbaren, Erscheinungsbilder abgegeben hat. Was hätte Kleist an Werken wohl noch von sich gegeben, und wie wäre er und seine Entwicklung zu interpretieren, wenn er ein so ansehnliches Alter wie Goethe erreicht hätte? Genau kann man das freilich nicht sagen, da Kleist ja gleich wieder gestorben ist; wenige auch der hohen Genies erreichen einen Grad abgründiger Tiefe vor ihrem fünfunddreißigsten oder vierzigsten Jahr – die „abgründige Tiefe“ wird erreicht, wenn der Adler in den Abgrund des Abends fliegt und, gemeinsam mit einem hellen Morgen, hinten wieder aus dem Abgrund aufsteigt, nachdem er die Welt umrundet hat – natürlich gibt es auch Frühvollendete (die dann möglicherweise sich nicht mehr nur nicht mehr weiter entwickeln sondern „ausbrennen“), und vielleicht war ja Kleist auch ein Frühvollendeter, der am Ende seiner „exzentrischen Bahn“ (Hölderlin) angelangt ist; vielleicht ist es ja so, dass wir mit dem vierunddreißigjährigen Kleist dann eben auch den ganzen Kleist vor uns haben: vielleicht, vielleicht (ja, das würde einer schon gern wissen!) (und, auch wenn ich mich anstrenge: sehe ich bei Kleist nach wie vor immer nur ein dunkles Grün, eventuell teilweise von einem schwarzen Viertelrund begrenzt). Bei Goethe hat man das Architektonische, die Stabilität, das Ideal; bei Kleist die Bewegung des Unterlaufens; und beide waren eventuell ein bisschen zu sehr in ihrem eigenen Stück gefangen, somit also naturgemäß Antipoden. Den Eisernen Ring, der die Welt zusammenzuhalten imstande ist, schmiedet man aber über beide Bewegungen gleichermaßen. Durch die Stabilität, das Errichten, das Ideal sowie das Unterlaufen von alldem, um erneut, und ohne Sterilität, errichten zu können und Ideale glaubhaft revitalisieren zu können. Sowohl Goethe als auch Kleist haben die Welt umrundet. Aber beide haben sie nicht überschritten. Goethe hat es sich in der Welt gut eingerichtet, und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er noch heute; Typen wie Kleist (oder Baudelaire oder Nietzsche) sind dem jeweils zeitgenössischen Bildungsphilister unheimlich, er kann sich in ihnen nicht selbst erkennen, sie werden (wie Amanshauser vermutet), womöglich immer wieder von Neuem zu Lebzeiten von ihm nur in die Gosse getreten. Ewige Wiederkehr des Gleichen und Amor Fati und Manche werden posthum geboren. Symboltriefende Rätselhaftigkeit des Heinrich von Kleist in der Frage nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Welt. Endlosschleife? Möbiusschleife? Die Welt ist stark, und das Genie ist schwach. Allerdings ist das ja gar nicht so, vielmehr ist es die Welt, die schwach ist, und das Genie, das stark ist! Das Genie hebt die Welt aus den Angeln, da das Genie eben stärker als alle Welt ist: so sagt das auch Kierkegaard in Der Begriff Angst. Da allerdings auch das Genie, wie auch die Welt, dem Schicksal unterworfen ist, und das Schicksal mächtiger ist als alles andere, da blind und dumm, kann das Genie (und, wie man fairerweise dazusagen sollte, die Welt) Angst haben vor dem „Schicksal“, eventuell Angst vor dem Schicksal, verkannt zu werden und letztendlich nutzlos zu bleiben; diese Angst kann das Genie in den Selbstmord treiben. Auch eben nicht die Stärke, sondern die ewige nervtötende Schwäche der Welt mag das Genie dazu bringen, sich aus der Welt zu verabschieden. Normalerweise wird das aber nicht der Fall sein; jeder Mensch, und erst recht jedes Tier hat sein Kreuz zu tragen, und ganz so schlimm ist es ja meistens nicht. Kleist hingegen hat behauptet, seine sei die „qualvollste Existenz, die je ein Mensch geführt hat“. Hm. Was ist dann aber erst die Existenz von Kurt? Wenn der äußere Reichtum fehlt, hat man da immer noch den inneren Reichtum; wenn die äußere Freiheit fehlt, hat man immer noch die innere Freiheit: und die inneren Reichtümer und Freiheiten sind dabei die eher wichtigeren. Im Zusammenhang mit seiner unsicheren materiellen Situation, seiner dauernden Erfolglosigkeit, seiner hartherzigen Familie und seinem scheinbaren Schicksal, zu einem ständigen glorreichen Scheitern verurteilt zu sein, in allem, was er in Angriff nimmt, und trotzdem er es ja gut ausführt, kann schon sein, nicht nur, dass es Kleist irgendwann gereicht hat, sondern dass er all das als ungeheure Kränkungen wahrgenommen hat, infolge einer irgendwie pathologischen inneren Struktur, die er mit Penthesilea oder Michael Kohlhaas (oder Congo Hoango, oder dem Bettelweib von Locarno, oder Piachi, oder dem Vater der Marquise von O… ….) zu teilen schien, und die die andere Seite seiner, ebenfalls psychologisch nicht eben stabilisierenden, übertriebenen Ruhmsucht gewesen sein könnte. Im Selbstmord, dem er mit kindischer, ausgelassener Heiterkeit entgegengegangen ist, hat er dann nicht nur seine innere Freiheit wiedergefunden, gegenüber dem verhängnisvollen Monstrum Welt, sondern eventuell auch eine Möglichkeit, es der Welt heimzuzahlen (neben einer Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erregen und sich für die Nachwelt dauerhaft interessanter zu machen). Aus einem Mangel an organisiertem und robusten Selbst hat sich Kleist also (eventuell) erschossen, aus ausufernder Komplexität bei gleichzeitig fehlender innerer Zusammenhaltigkeit (wenngleich mir Kleist da möglicherweise durchaus was voraushat, und ich, wenn ich wüsste, wie Neid sich eigentlich anfühlen würde, eventuell auf Kleist sehr neidisch sein könnte, denn aufgrund meines starken Selbst, meinem extrem festen Haften an der Welt und meiner seelischen Verbindung mit dem Weltgeist, scheint es mir letztendlich dann nicht  möglich, Selbstmord dann auch tatsächlich auszuführen, weswegen ich mich dann immer der Perspektive der Qual eines weitgehend sinnlosen Lebens ausgesetzt sehe, ohne daran was ändern zu können). Kleist war einer der ultrakomplexen Menschen, aber er war nicht eben der Gescheiteste von ihnen. Hell yeah, die ultrakomplexen Menschen!

Doch so, wie sich der Durchschnitt zweier Linien, auf der einen Seite eines Punkts, nach dem Durchgang durch das Unendliche, plötzlich wieder auf der andern Seite einfindet, oder das Bild eines Hohlspiegels, nachdem es sich in das Unendliche entfernt hat, plötzlich wieder dicht vor uns tritt: so findet sich auch, wenn die Erkenntnis gleichsam durch ein Unendliches gegangen ist, die Grazie wieder ein; so, daß sie, zu gleicher Zeit, in demjenigen menschlichen Körperbau am reinsten erscheint, der entweder gar keins, oder ein unendliches Bewusstsein hat, d.h. in dem Gliedermann, oder in dem Gott.

Mithin, sagte ich ein wenig zerstreut, müßten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen?

Allerdings, antwortete er; das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt.

H. v. K. (Über das Marionettentheater)

Der ist der glücklichste Mensch, der das Ende seines Lebens mit dem Anfang in Verbindung setzen kann.

Goethe, Maximen und Reflexionen