Hölderlin und die Urphänomene

Es gibt solche, die sind Dichter, Philosophen, Schauspieler oder Musiker. Und dann gibt es jene, die sehen die Urphänomene. Konvulsionen, ächzend rotierende, mahlende Formen im Urgrund, das Chaos der Veränderung im Gleichbleibenden, Urlaute und Urschreie, eine gleißende, explodierende, explodierend hervortretende Welt, die sie versuchen, in erzene, überrobuste Formen zu bringen, von neuartiger, bizarrer Schönheit, von überweltlicher Stärke, die gleichzeitig unmittelbar sind und naiv und gerade so dem tollpatschig-autoritären Zugriff der Weltmächte sich entziehen, ihn aushöhlen, über ihn triumphieren, in einer alle Welt überschreitenden Totalität: das ist es, was Kafka, van Gogh oder Beethoven tun. Man sollte nicht meinen, die Probleme von Beckett, Malewitsch oder Ustwolskaya wären Dichter-, Maler- oder Musiker-Probleme. Sie stehen im unheilvollen und dem einzig heilbringenden Kontakt zu den Urphänomenen und arbeiten sich an ihnen ab; in verzehrender Unruhe, in der Gelassenheit eines Gottes. Die Urphänomene, in ihrem ätzenden Wirbeln, stoßen ab und ziehen an. – Sie funktionieren überall, bald rastlos, dann wieder mit Unterbrechungen. Sie atmen, wärmen, essen. Sie scheißen, sie ficken. – Die Urphänomene sind sehr tief. Der Rimbaud´sche Seher will nicht nur tief ins Universum blicken, um neue astronomische Objekte ins Gesichtsfeld zu bringen; er will letztendlich die Struktur des Universums erfassen;  er dringt, aus seinem Aufenthalt in der Hölle, zu den Leuchtenden Bildern der Urphänomene vor. Daher ist der Rimbaudsche Seher auch ein Seher der Transzendentalien:  der nicht mehr hintergehbaren Kategorien aller Existenz. Heil dem, der dort ankommt! Die Transzendentalien erscheinen völlig ruhig und klar; die Urphänomene sind die überschnelle Überbewegung, von der Büchner, Lautréamont oder die Dickinson erfasst werden, während sie gleichzeitig das ruhende Auge inmitten dieses Tornados sind. Die Transzendentalien sind eine Kategorie der Philosophie, das mit den Urphänomenen ist eine eher poetische Anschauung. Ich will hier dichterisch sein, und es dichterisch ausdrücken: Es gibt solche, die sind Dichter, Philosophen, Schauspieler oder Musiker. Und dann gibt es jene, die sehen die Urphänomene.

Auch Hölderlin hat die Urphänomene gesehen. Schau, sein halbverrücktes Antlitz im Halbdunkel, gleichzeitig von gleißenden Licht umgeben, das von hinten, aus der Unendlichkeit kommt; sein bannender wie gebannter Blick, der uns anschaut, der durch uns hindurchschaut (da er in die Urphänomene blickt): das ist Hölderlin. Hölderlin und seine Dichtung zu beschreiben ist schwierig. In ihrer charismatischen Verworrenheit, die aber ist eines Gottes. Man hat hier das Höchste und Letzte: die in Stein gemeißelte Rede. Gefroren, eisig, klirrend, ist es die klirrende, eisige Sprache der (Über-) Vernunft, aus den Geisteshöhen, die das Über-Warme, das Schwärmerische, in Bann hält, und gleichzeitig durch es in Bann gehalten wird. Ewiges Ringen. Schau, wie fest die Rede ineinander verstrebt ist, so dass du es krachen hörest beinahe; nein, wirklich!, in ihrem Gebälk, gleichzeitig galoppieren die Eindrücke davon, es fällt links das Dunkle da hinein in das leuchtende Tal, auf den Gipfelhöhen golden leuchtende Tannen, ein Grün wird darüber geworfen, und das heilige Grün, der Zeuge des ewigen, schönen / Lebens der Welt, es erfrischt, wandelt zum Jüngling mich um; es bedeutet die Anwesenheit von Farbe, es bedeutet die Existenz von Präsenz, vom einzelnen Wesen, das in der Unergründlichkeit aufscheint, oder aber vielleicht bedeutet es den Vater Äther. Seliges Land! kein Hügel in dir wächst ohne den Weinstock / Nieder ins schwellende Gras regnet im Herbst das Obst. / Fröhlich baden im Strome den Fuß die glühenden Berge / Kränze von Zweigen und Moos kühlen ihr sonniges Haupt. Er habe, wie Hölderlin schon früh gegenüber Neuffer bemerkt, keine Gaabe dazu, Einzeleindrücke (geschweige denn Handlungen) zu beschreiben: nur den bloßen Totaleindruk – und das stimmt: die Einzeleindrücke, die er aufzählt, hasten an einem vorbei und man hat Schwierigkeiten, bei ihnen zu verweilen; auf irgendeine Weise – oder eben gerade dadurch – wird der Totaleindruk umso zwingender, umso halluzinatorischer. Erschreckende Absolutheit! Phantasmagorische Welt! Die gleichzeitig ehern in sich verstrebt und gefügt ist, andererseits permanent geöffnet ist und einladend. Komm ins Offene, Freundin! Das ist da, wo die Physik und die Metaphysik sich treffen. Geniale Dichtung erkennt man daran, wenn aus der Welt, die präsentiert wird, noch eine andere Welt hindurchscheint beziehungsweise, wenn beide sich rätselhaft durchdringen und gleichzeitig Vordergrund/Motiv und Hintergrund sind (denn Genialität oder Erleuchtetheit/Satori besteht darin, dass man ständig zwischen Motiv und Hintergrund – also dem, was die Welt an sich ausmacht (also, dass Motive in einem Hintergrund erscheinen bzw. Motive den Hintergrund beleuchten) –  wechseln kann bzw. sieht, wie beide sich durchdringen). Steinerne, abfallende Stufen, die er errichtet, die er gleichzeitig wegzieht, als Treppen hinein in den geheimnisvollen Urgrund, den absorbierenden Sog – denn ein solcher geheimnisvoller, absorbierender Sog ist seine ganze Dichtung. Die Mauern stehn / Sprachlos und kalt, im Winde / Klirren die Fahnen. Wenn man im Seinswald an den Stein kommt, mit der uralten, ganz neuen und zukünftigen, in ihn gemeißelten Rede, dann ist Schluss. Man hat hier einen absoluten Markstein, ein Vermessungszeichen des Seins, der Existenz.

Hölderlin kann man in seinem spezifischen Dichten letztlich nicht verstehen und man kann ihn nicht nachahmen: denn er sieht die Urphänomene. Entlang dieser wandernden, nie genau fassbaren Grenze zwischen freier Rede und erzener Form, liegt auch die charismatische Grenze ihrer Verständnismöglichkeit, von der dann aber wieder jene absorbierende Sogwirkung ausgeht. Wie macht Hölderlin das: so zu dichten? Das können nicht einmal wir. Hölderlin hatte aber direkt einen solchen Geist, der ihm natürlich auch selber ein wenig unergründlich war. Diese Mischung von freier Rede und erzener Form ist tatsächlich die verwirrendste, irritierendste Sache der Welt, nicht zuletzt für den Dichter, wenn er noch nicht ausreichend Sicherheit gewonnen hat, selber: denn sie scheint gerade eben das Dichten zu unterlaufen, und es scheint läppisch und blödsinnig zu sein, mit sich selbst nicht in Einklang; ein Bastard aus Klassik und Romantik. Tatsächlich ist es aber die Sprache der Urphänomene selbst, die eben in radikaler Gegensätzlichkeit sichtbar werden, die diese radikale Gegensätzlichkeit von Statik und Dynamik, Wechsel und Identität, Abspaltung und Vereinigung, Bewegung und Ruhe, dieses dynamische Duo sind: Jener Widerstreit zwischen geistigem Gehalt (zwischen der Verwandtschaft aller Teile) und geistiger Form (dem Wechsel aller Teile), zwischen dem Verweilen und Fortstreben des Geistes … jener Widerstreit zwischen dem geistigen ruhigen Gehalt und geistiger wechselnder Form … jener Widerstreit zwischen materiellem Wechsel und materiellem identischem Fortstreben … jener Widerstreit von Individuellem (Materialem), Allgemeinen (Formalem) und Reinem. — Das tiefste Urphänomen ist das Zusammenwirken von Ordnung und Zufall/Chaos: der Chaosmos. Ein jegliches dynamische System ist ein solcher Chaosmos; und damit eine jegliche mögliche Welt. Der Chaosmos ist der Grund aller Welt. Einige die da sind, die den Chaosmos sehen, oder ahnen, oder sich an den Erscheinungen, die er wirft, abarbeiten; einige Geister. Sie sind den Zeitgenossen immer wieder verhasst, da sie sich in nichts Bekanntes und in keine Tradition einordnen lassen und so die Eitelkeit des zeitgenössischen Wissens kränken. Die Urphänomene sind in ihren Erscheinungen eben immer wieder jung, immer wieder grundsätzlich. Für etwas Neues gibt es noch keine akzeptierte Sprache und Namen. Und so bemühen sich diejenigen, die sich an den Urphänomenen abarbeiten, stets eine neue Sprache und neue Namen zu finden. Daran, und am Flackern – am mimentischen Flackern gegenüber den Urphänomenen – ihres Ausdrucks und ihres Geistes sollt ihr sie in Zukunft endlich eindeutig erkennen. Dieses flackernde Sehen, das Sehen des chaosmotischen Flackerns, ist das eines Hölderlinschen Geistes.

Hölderlin will den Geist begreifen, er will zum Urprinzip des Geistes vordringen und zum Urprinzip der Welt. Worin gründet sich der Geist, worin gründet sich die Welt, und wie schreiten sie voran? Der gute Geist, der Geist der Assoziation, der Konnektivität, der Liebe, sieht gemeinhin ein Ungetheiltes am Anfang. Eine Ur-Theilung findet dann statt, die gleichzeitig ein Abfall vom Ungetheilten ist, wie die Notwendigkeit dafür, dass Prozesse überhaupt stattfinden. Diese Prozesse und Individualitäten verlangen hinwiederum, zu sich selbst zu kommen, und sich, ausdifferenziert, in einem neuen, höheren, himmlischen Ungeteilten wiederzutreffen. Von Kinderharmonie sind einst die Völker ausgegangen, die Harmonie der Geister wird der Anfang einer neuen Weltgeschichte sein. Der Dichter dichtet aus ursprünglich gemeinschaftlicher Seele heraus; einer gemeinschaftlichen Seele eines Volkes, einer gemeinschaftlichen Seele aller Menschheit oder Kreatur; einer gemeinschaftlichen Seele aller Schöpfung. Indem er dichtet, spaltet er sich ein wenig von jener gemeinschaftlichen Seele ab; er individualisiert sich; entfremdet sich dadurch – vor allem eben in seinem hohen Streben – von den anderen: Nur so aber kommt der Mensch zu sich, wird zum Gesetz in sich selbst und ist so fähig, neue Einheit IDEELL zu stiften. Aus dieser tragischen Vereinigung des Unendlichneuen und Endlichalten entwickelt sich dann ein neues Individuelles, indem das Unendlichneue vermittelst dessen, daß es die Gestalt des Endlichalten annahm, sich nun in eigener Gestalt individualisiert. Es ist dann eine neue, höhere Einheit der harmonisch ausgebildeten Einzelwesen, es sei dann endlich Kommunion, es sei dann endlich friedliche Versammlung im Reich der Schöpfung, im Reich der Kreatur möglich. So müssen endlich Aufgeklärte und Unaufgeklärte sich die Hand reichen, die Mythologie muss philosophisch werden, um das Volk vernünftig, und die Philosophie muss mythologisch werden, um die Philosophen sinnlich zu machen. Dann herrscht ewige Einheit unter uns … Ein höherer Geist, vom Himmel gesandt, muss diese neue Religion unter uns stiften, sie wird das letzte, größte Werk der Menschheit sein. Schönheit in der Dichtung, Schönheit in der Natur – Die Kunst ist die Blüte, die Vollendung der Natur – ist eine Erscheinungsform, ist ein Hinweis auf Harmonie und auf eine Geborgenheit im Sein: auf eine letztendlich gute Existenz. Es wird nur Eine Schönheit sein; und Menschheit und Natur wird sich vereinen in Eine allumfassende Gottheit.

Hölderlins Dichtung ist die über den einstigen, verlorenen, als auch über den erhofften, (wieder)kommenden „Gott“. Was ist ein Gott? Eine Einheit der Gegensätze, etwas Transzendentales. Ein moralisches Gesetz; eine Ordnung. Eine Entität, die etwas Magisches kann, die genuin schöpferisch ist. Die in sich geborgen ist, und so andere bergen kann (außerdem etwas, das es nicht wirklich gibt). Biographisch mag man dieses Lebensthema so begreifen über das Trauma, wie Hölderlins unbeschwerte Kindheit und Jugend abrupt und brutal mit seinem Eintritt in den Tübinger Stift ein Ende fand und er kasernenhaftem Erziehungsdrill unterworfen wurde. Vom Glück seiner Kindheit fand er sich jäh abgeschnitten. Tot ist nun, die mich erzog und stillte / Tot ist nun die jugendliche Welt / Diese Brust, die einst ein Himmel füllte / Tot und dürftig wie ein Stoppelfeld, dichtete er und lebenslänglich sollte er in dieser Stimmung verharren. Trotzdem er Hegel, Schelling und andere Hoch- und Höchstbegabte im Tübinger Stift kennenlernte, wollte er nichts annehmen von der Sphäre des Alltags; so war sein lebenslängliches Verharren in der Nostalgie nach dem verlorenen Idealen und Paradies eine Art selbstverschuldete Unmündigkeit, eine tatsächlich ab-gespaltene und ab-spaltende Schizophrenie im Hinblick darauf, die Lebenssphären ineinander zu integrieren und so zu versöhnen, an der er litt (und die sich, wenn man so will, schon damals in dieser Form bemerkbar machte). Doch kannt ich euch besser / Als ich je die Menschen gekannt / Ich verstand die Stille des Äthers / Der Menschen Worte verstand ich nie. Hölderlin nahm nicht wirklich am Leben teil; gemäß den Gesetzen des Lebens wurde er bestraft.

Von den Göttern hingegen wurde er belohnt; in einer anderen Sphäre. Durch seine schizophrene Ab-gespaltenheit von den Sphären des Lebens wurde er ein „Wunder der Reinheit“ (Stefan Zweig) – oder eben ein Heiliger. Er lebte und war geborgen in der Sphäre des Transzendentalen. Der große Dichter ist niemals von sich selbst verlassen, er mag sich noch so weit über sich selbst erheben, als er will. Und: Es ist doch ewig gewiß und zeigt sich überall: je unschuldiger, schöner eine Seele, desto vertrauter mit den andern glücklichen Leben, die man seelenlos nennt. Je größer der Dichter und schöner und unschuldiger die Seele, desto näher dem Transzendentalen ist man, und je näher man dem Transzendentalen ist, desto näher ist man den Urphänomenen, den Transzendentalien hinter den Phänomenen. Man suche nur nichts hinter den Phänomenen, sie selbst sind die Lehre, lehrt dagegen Goethe, der folgerichtig nicht über seinen verschrobenen Werther, seinen neurotischen Tasso und seinen verlorenen, in seiner Genussfähigkeit gestörten Faust hinausgekommen ist; und dann war da seine ständige Angst vor dem „Dämonischen“.

Wahrlich, ich habe das Herz eines Toren!

Chaos, ach Chaos!

Die Menschen der Welt sind hell, so hell:

Ich allein bin wie trübe!

Die Menschen der Welt sind so wissbegierig:

Ich allein bin traurig, so traurig!

Unruhig, ach, als das Meer!

Umhergetrieben, ach, als einer der nirgends weilt!

Die Menschen der Menge haben alle etwas zu tun:

Ich allein bin müßig wie ein Taugenichts!

Ich allein bin anders, als die Menschen:

Denn ich halte wert die spendende Mutter

heißt es im Tao te king. Im Taoismus geht es aber um das Schauen der Urphänomene. Goethe weiters bewunderte Napoleon und sagte von ihm: Er habe in einem Zustand „permanenter Erleuchtung“ gelebt. Na, das gilt dann auch für den Napoleon der abendländischen Dichtung, gilt für Hölderlin. Goethe war Universalmensch, aber An das Göttliche glauben / Die allein, die es selber sind. Die Zeitgenossenschaft kann schwer damit was anfangen: Wer ist in der Lage, in die Sonne zu schauen? Nur zuzeiten erträgt göttliche Fülle der Mensch.

Der Raum des transzendentalen Denkens und Empfindens ist eine Art Halle, durch die einige futuristische Verstrebungen gehen. In diesem Raum bewegt man sich frei, wenngleich man auch durch die ärgerlichen Beschränkungen der empirischen Wirklichkeit läuft. Die Dichter müssen auch / die geistigen weltlich sein. Mit dieser Möglichkeit des Wandelns durch die transzendentale Halle ist aber sonst nichts vergleichbar. Es ist sehr gut; denn es ist die Möglichkeit des Wanderns und Wandelns an sich, und bildet den Phasenraum aller empirischen und realen Wanderungen. Hyper-Ion, der unendlich Wandernde. Mein exzentrischer Freund Clemens singt von der leeren Halle, die er regiert. Man hat bei Hölderlin das „Paradox“, dass er „Weltarmut“ und überweltlichen Reichtum gleichzeitig in sich hat. Seine weltarme Dichtung kreist immer um die gleichen, wenigen verschiedenen Motive. Sie betrachtet gleichzeitig alle Welt heraus von oben. Nächstens dazu mehr.

Hölderlin ist transzendental, weil er das Urgesetz des Lebens und des Geistes begreifen will – und das eben auch kann: denn man kann alles, was man will. Das Leben und der Geist finden statt aus der dynamischen Ur-Theilung vom Ur-Einen. Zwischen Geburt und Tod spielt sich das Leben ab; und spielen sich alle Erscheinungen ab. Die Erscheinungen spielen sich ab in Identität und Nicht-Identität mit sich selbst. Das einzelne Leben ist mit sich selbst identisch und steht ebenso in Wechsel und Wandel. Es ist ein Chaosmos. Der Chaosmos ist wiederum das Urphänomen schlechthin. Das Urphänomen ist der Gegensatz – genauer: das Wechselspiel – von Wandel und Identität (da zwischen beiden allerdings kein echter Gegensatz oder Widerspruch bestehen muss). Am Anfang des Lebens steht das Kind. Das Kind (zumindest in seiner dichterischen Figur) ist nah am Ungetheilten. Es ist geborgen – aber auch einer machtvollen Objektivität, der Außenwelt hilf- und machtlos ausgeliefert. Der Erwachsene, sich im Leben befindliche, ist vom Ungetheilten getrennt, besitzt aber die Gabe der Reflexion und des differenzierenden Denkens, das einerseits fortwährend trennt, aber auch fortwährend auf höherer Stufe vereinigt. Auf den verlorenen primordialen Gott der Kindheit und den abwesenden/verborgenen Gott in der Gegenwart folgt, so die große Hoffnung, der kommende Gott der strahlenden, harmonischen Zukunft; und Ewigkeit. Dieser Gott ist die Vereinigung von beiden, über die differenzierende Zusammenfassung von beiden. Durch die Reflexion über die Reflexion sprengt der Geist, sprengt die Seele die materiale Hyle der sie begrenzenden und umgrenzenden Erscheinung; durch das trennende und vereinigende Differenzieren lässt der Geist die Paradoxien und Aporien der Existenz und seiner selbst unter sich… dies ist allein in schöner heiliger, göttlicher Empfindung möglich, in einer Empfindung, die darum schön ist, weil sie weder bloß angenehm und glücklich, noch bloß erhaben und stark, noch bloß einig und ruhig, sondern alles zugleich ist und allein sein kann, in einer Empfindung, welche darum heilig ist, weil sie weder bloß uneigennützig ihrem Objekte hingegeben, noch bloß uneigennützig auf ihrem innern Grunde ruhend, noch bloß uneigennützig zwischen ihrem innern Grunde und ihrem Objekte schwebend, sondern alles zugleich ist und allein sein kann, in einer Empfindung, welche darum göttlich ist, weil sie weder bloßes Bewusstsein, bloße Reflexion (…) mit Verlust der innern und äußern Harmonie, noch bloße Harmonie… etc. pp. usw ist, sondern weil sie alles dies zugleich ist und allein sein kann … in einer Empfindung, welche darum transzendental ist und dies allein sein kann, weil sie in Vereinigung und Wechselwirkung der genannten Eigenschaften weder zu angenehm und sinnlich, noch zu energisch und wild, noch zu innig und schwärmerisch, weder zu uneigennützig, d.h. zu selbstvergessen ihrem Objekte hingegeben, noch zu uneigennützig, d.h. zu eigenmächtig auf ihrem innern Grunde ruhend usw. ist, sondern all dies zugleich ist und allein sein kann. Hier sieht man: der Innenraum des transzendentalen Empfindens ist eine fortwährende Reflektiertheit und Ausdifferenziertheit. Es ist der unendliche Spiegelsaal, wo sich alles in allem spiegelt und man so der Totalität ansichtig wird, aus verschiedenen Blickwinkeln; die Spiegel vermehren die Aussichtspunkte, der subjektive Blick wird vervielfacht und hat so einen potenziellen Blick auf das Ganze … natürlich verliert sich auch so etliches, je nach Blickwinkel, in eine Unbestimmtheit: doch auch das ist Element der Welt. Durch den Innenraum des transzendentalen Empfindens gehen keine Aporien oder Paradoxien sondern eine fortwährende Dynamik des trennenden und verbindenden Ausdifferenzierens. Das ist die seltsamste Sache von der Welt; doch das ist gleichzeitig auch das Stöhnen der Urphänomene und das nicht mehr hintergehbare Transzendental. Der transzendentale Verstand verliert sich an nichts, und besitzt sich so ganz; und ist so Absolut. Mit dem Einen und dem Ungetheilten ist es ja nicht so weit her, und man verliere sich nicht in bloße unproduktive Sehnsucht danach; wichtiger ist das Alles/Absolute: in ihm allein erscheint die Unendlichkeit. Im Zusammenbringen der größten Gegensätze, durch das differenzierendste geistige Vermögen, in ideellem Bestreben, erscheint so eine Epiphanie der statisch-dynamischen Unendlichkeit; in diesem Punkte der Geist in seiner Unendlichkeit fühlbar ist. Und diese, ideell spiritualisierte und rational differenzierte, Epiphanie der Unendlichkeit hat man in der Dichtung Hölderlins.

Die Sphäre des Transzendentalen ist die Sphäre des ewigen Anfangs; die Welt, die Schöpfung erscheinen in der Sphäre des Transzendentalen ewig neu. Daher das Gefühl des transzendentalen Dichters, des transzendentalen Menschen, des Schauers der Urphänomene, stets und immer erst noch „am Anfang“ von allem zu sein. Auch Hölderlin begreift sich als immer „erst am Anfang“ und seine Dichtung als „Versuche“. Seine transzendentale Poesie entsteht eben transzendental, also aus der Bedingung der Möglichkeit für etwas, für das Gedicht, heraus. Seine Poesie ist so poetisch, dass sie eben auch die Bedingung ihrer Möglichkeit in sich enthält; dieser ihr Charakter kommt in ihr stets zum Ausdruck. „Poesie“ bedeutet: Erschaffung, Hervorbringung, Entbergung; und Hölderlins Poesie ist totalpoetisch. Oh ja!, letztendlich drückt Hölderlin das genuin Poetische in der Poesie aus: das ist es, was sie so eigentümlich besonders macht. Transzendentales, die Urphänomene, die Bedingungen der Möglichkeit von etwas, steht im Zusammenhang mit einem Vermögen. Hölderlin, genau genommen, drückt, in seiner Dichtung und Poesie, das poetische Vermögen aus. Das poetische Vermögen, das zur Erschaffung der dichterischen Welt, ist tatsächlich ein einerseits primordialer und uranfänglicher als auch ein ewig kommender Gott. Auch wenn er im Moment nicht anwesend oder verborgen sein sollte, ist er gerade dadurch stets präsent und wirkt; übt seine Sogwirkung aus. Das Vermögen/der vergangene Gott ist vor dem bewussten Anfang von einer Schöpfung, ist anfänglich: sein Grund ist rätselhaft und er scheint zu verschwimmen (tatsächlich ist er eben transzendental und daher nicht mehr hintergehbar). Was das Vermögen will, ist, genau genommen und korrekt empfunden, eine Transformation einleiten, um so fortwährende Schöpfung gebären zu können, und letztendlich eine große, himmlische Einheit unter dem Signum seiner eigenen Göttlichkeit stiften zu können. Hölderlin dichtet aus dem Geist heraus. Er frägt sich: was ist der Geist? Was ist die Bedingung der Möglichkeit von Geist? (Antwort: ein Vermögen zum Geist) Und was tut schließlich der Geist? Er erschafft. Und er kann sich Dinge vorstellen, die es in der realen Welt nicht gibt; die in der empirischen Realität so nicht vorkommen, wie zum Beispiel Punkte, Kreise und Unendlichkeiten: oder eben Poesie und das Gedicht. Damit erhebt sich der Geist über die empirische Realität und vermag diese ideell zu ordnen und zu manipulieren, zu adjustieren, in ihr zu wirken. Das Ideelle ist das Vermögen, über das Reelle hinauszugehen und es zu beherrschen. Es ist daher gleichsam inhärent, dass Hölderlins Dichtung ideell ist und das Ideelle auf so eigentümlich glühende Weise evoziert. Der Geist, in seinem ideellen Vermögen, ist poetisch. Der Geist ist der Gott in uns. In der größten Kunst geht es darum, dass der Geist sich selbst begegnet und vor sich selbst tritt, versucht, sich selbst zu erkennen. In seinem rätselhaften, Formen werfenden Vermögen. Hölderlins Kunst hat das erreicht. O die Poeten haben recht, es ist nichts so klein und wenig, woran man sich nicht begeistern könnte. Hölderlin dichtet aus dem Geist heraus, er hat den rechten, den anschlussfähigen Geist und ist folgerichtig begeistert. „Begeistert ist, wer Geist hat“ (so der phonetisch fast identische Philosoph Paul Häberlin): – Es ist erfreulich, wenn gleiches sich zu gleichem gesellt, aber es ist göttlich, wenn ein großer Mensch die kleineren zu sich aufzieht. Für Stefan Zweig war Hölderlins eigentlicher Genius die Begeisterung, die unsichtbare Schwinge. In seiner Begeistertheit lässt er eine permanent begeisternde Welt erscheinen. Daher seine ewige Frische. (Vgl. zu diesem Abschnitt Bothe: Hölderlin zur Einführung im Junius Verlag) 

Zuweilen regte noch sich eine Geisteskraft in mir. Aber freilich nur zerstörend! Hölderlins entgrenzte und ihm weseneigentümlichste späte Lyrik entsteht in den Jahren vor seinem definitiven geistigen Zusammenbruch im Jahr 1806. Gleichzeitig zur weiter fortschreitenden Verbesserung seiner dichterischen Fähigkeiten und der Vertiefung/Erhellung seiner Vision wirft der Wahnsinn abermals seine leuchtenden Schatten voraus. Gedichte wie Patmos oder die Friedensfeier sind nicht mehr normal; in der zweiten Fassung von Der Einzige scheint geradezu zäsurhaft eine manische Zerrüttung stattzufinden. Hölderlins Wahnsinn – und so tritt er auch in den „Hymnischen Entwürfen“ der späten Lyrik zutage (in Wirklichkeit aber von Anbeginn seiner galoppierenden Lyrik an) – ist eine Art schizophrene Ideenflucht, ähnlich seinem stundenlangen freien Fantasieren am Klavier, dem er sich in jenen Jahrzehnten hingibt. Synästhetische Eingebungen und Ideen, Eindrücke, die jedoch von keiner Vernunft mehr zusammengehalten werden und bei denen er rasch den Faden wieder verliert. Zustand eines kleinen Kindes, in sein fantastisches, fasziniertes Spiel verloren, jedoch mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne – gleichzeitig ein alter Mann, der sich beschwörend erinnert seines Ideenzusammenhangs, ein alternder Geist, der seine Vision immer wieder vorbeiziehen lässt und sie vertieft, und der ihre Zeichen immer wieder hochwirft. So lebt er tatsächlich dahin, in einem Zustand der reinen Poesie und der phantasmatischen und phantasmagorischen Schöpfung, die durch keine kalten Ratio mehr gebremst, allerdings auch von keiner warmen Ratio mehr in ihren eigenen Zusammenhang gebracht wird. Wieder ein Hybrid aus singulären, überlegenen Fähigkeiten und Mangel an einfachen, alltäglichen Fähigkeiten, in einer neuen, erweiterten und vertieften Umkreisung. Als Kranker wohnt er die letzten Jahrzehnte in einem Turm am Neckar, unter der Obhut eines Bewunderers, des Schreinermeisters Ernst Friedrich Zimmer. Besucher empfängt und bewirtet er in umständlichem, feierlichem Zeremoniell und indem er sie fortwährend „Euer Gnaden“ oder „Euer Hochwohlgeboren“ tituliert. Der Ärmste scheint sich zu schämen, für den Verlust seiner Geisteskräfte, sein im Sand verlaufenes Leben und dass er von der Fürsorge und der Aufmerksamkeit anderer abhängig ist. Gleichzeitig scheint er aber zu ahnen, dass die Annäherung an das Göttliche und an das Unbegreifbare, Über-alles-Hinausgehende, das er verwaltet und das er sieht, nur durch zeremonielle Förmlichkeit geschehen kann und durch ehrehrbietendes Ritual. (Oder aber, dass man Menschen nicht genug ehren, oder ihnen nicht genug schmeicheln kann – Nun vesteh ich den Menschen erst, da ich fern von ihm / und in Einsamkeit lebe.) Sein halbverrückter und bannender Blick ist noch verrückter geworden, und noch bannender; sein Antlitz verliert sich auf der einen Seite immer mehr ins Dunkel, tritt in dieses zurück, und erscheint auf der anderen Seite immer mehr in gleißendem Licht, das von ferne kommt, und rätselhaft ist, das die Dinge übererkennbar macht und sie für unser beschränktes Erkenntnisvermögen bestenfalls in immer fernerer Zukunft fassbar. Das ist die späte Lyrik von Hölderlin.

Die Sagen, die der Erde sich entfernen / Vom Geiste, der gewesen ist und wiederkehret / Sie kehren zu der Menschheit sich, und vieles lernen / Wir aus der Zeit, die eilends sich verzehret. Es fällt mir kein Dichter ein, bei dem es nach der späten Lyrik noch eine späteste gäbe; außer eben Hölderlin, entsprechend seiner exzentrischen Bahn, seiner hyperbolischen. Die spätesten Gedichte Hölderlins sind (wie immer) weder sinnlos noch völlig sinnvoll. Er kehrt zu einer ganz einfachen, gebundenen Form zurück; von der eleganten Rhythmik ist nichts mehr zu merken, steif und scheinbar zaghaft wird die Botschaft in ungelenke deutsche, fast Kinderreime gesperrt, ohne echtes Vertrauen mehr in sich selbst, könnte man meinen. Oder aber in berechtigter Zurückhaltung in der Mitteilung der gewaltigen Vision. Die letzte Station der exzentrischen Bahn, die letzte Umkreisung des gleichzeitigen Kind-und-Alt-Werdens in der Schau des Göttlichen scheint erreicht. Hölderlin ist nun gleichzeitig am Anfang stehendes Kind, und am Ende – genauer gesagt, aus transzendenter, transzendentaler Position heraus – auf alle Geschichte, in die uralte Verwirrung blickender Alter, die nichts wirklich Uraltes und Verwirrendes mehr an sich hat. Es ist der Gleichmut des Entstehens und Hervortretens (weniger übrigens des Vergehens und Absterbens) im Wandel der Jahreszeiten, den er betrachtet. Das Jahr erscheint mit seinen Zeiten / Wie eine Pracht, wo Feste sich verbreiten / Der Menschen Tätigkeit beginnt mit neuem Ziele / So sind die Zeichen in der Welt, der Wunder viele. Er drückt sich über diverse literarische Alter Ego aus und auf seiner Uhr, in seinem Kalender, in seinem geistigen Erfassen, sind es alle Zeiten des Tages und der Ereignisse gleichzeitig; Mit Untertänigkeit, Scardanelli datiert er seine spätesten Gedichte auf d. 24. April 1839, Den 24. März 1671 oder d. 9ten März 1940: Der Mensch verwundert sich, daß sein Bemühn gelinget / Was er mit Tugend schafft, und was er hoch vollbringet / Es steht mit der Vergangenheit in prächtigem Geleite. In spätester Zeit wird alles vergangen sein, in seiner spätesten Zukunft wird der transzendentale Geist alles erfasst haben. Das Glänzen der Natur ist höheres Erscheinen, wird er zu berichten wissen, in seinem anfänglichen Impetus, in seinem Abschlussbericht. Ein Zeichen sind wir, deutungslos / Schmerzlos sind wir und haben fast / Die Sprache in der Fremde verloren. Als Zeichengitter stehen die spätesten Gedichte ein wenig in der Höhe über uns, mit einem großen Auge blicken sie starr und unverwandt, bannend wie gebannt hinter uns in die Geschichte, blicken sie in die Welt, als das total erkennende, daher empirisch fast aufgelöste Subjekt im transzendentalen Raum, in der transzendentalen Zeit. Ähnlich wie die Dionysos-Dithyramben von Nietzsche sind sie letztgültige Botschaften, vollständig in Bewegung, vollständig zur Ruhe gekommen. Anders als diese, die orgiastisch sind, sind sie aber auch ein wenig (altersweisere) Zeichen des Verschwindens, des Verblassens; so wie auch die Endlichkeit verblassen wird, und so wie auch die Ewigkeit verblassen wird, dereinst. Es sind, eben, Botschaften aus der spätesten Zukunft, die das transzendentale Vermögen verstandesmäßig erreichen kann: Im Begreifen der transzendentalen Paradoxien, im Schauen der Urphänomene. Der Erde Rund mit Felsen ausgezieret / Ist wie die Wolke nicht, die abends sich verlieret / Es zeiget sich mit einem goldnen Tage / Und die Vollkommenheit ist ohne Klage.

Indes ihr noch die Leichenfackel hält … bricht schon herein die neue beßre Welt… Am 7. Juni 1843 ist Hölderlin gestorben. Zeit seines Lebens hatte er einen kleinen Kreis von Bewunderern. Nach 1848 wurde er im Wesentlichen ignoriert, von wenigen Ausnahmen abgesehen, darunter der transzendentale Bruder im Geist, Friedrich Nietzsche. Ein Menschenalter sollte es noch dauern, bis dass er wieder, und mit breiterer Wirkung, ins Bewusstsein trat; freilich auch in das der unguten Deutschnationalen. Heute hat er seine populärste Zeit wohl wieder hinter sich. Doch das ist eventuell gut. Was bleibet aber, stiften die Dichter. Denn sein Zeichen, um dessen Deutung wir uns fortwährend, bis ans Ende der Zeiten bemühen werden, wird eben bleiben. Fürchtet den Dichter nicht, wenn er edel zürnet, sein Buchstab / Tötet, aber es macht Geister lebendig der Geist. In Stein gemeißelt, von unendlich robuster innerer Verstrebung, und dahingehend autonom, wie seine Gedichte, ist er Teil der Geschichte; mehr noch: der Textur des Seins. Er hat die Matrix gesehen. Wer die Matrix sieht, ist jenseits von Leben und Tod. Genau gesagt, ist lebendig, denn er ist lebendiger Geist, und macht eben fortwährend lebendig den Geist. Wer die Urphänomene sieht, steht eben auch am Urquell. Begeben wir uns also zum Urquell. Dort werden wir Hölderlin immer wieder treffen.

Sterblich bin ich zwar geboren / Dennoch hat Unsterblichkeit / Meine Seele sich geschworen / Und die hält, was sie gebeut

Addendum März 2023: Beim Verfassen dieser Betrachtung habe ich gar nicht gewusst, dass es eigentlich Goethe war – der hier so sehr in die Schranken gewiesen wird – der eigentlich mit den „Urphänomenen“ dahergekommen ist und sich mit ihnen verbunden gefühlt hat. Haha, naja. Das mit den Urphänomenen hat sich als Vision bei mir aufgetan, als versucht habe, jemanden wie Kafka mit jemanden wie Else Lasker-Schüler zu vergleichen. Die Probleme von Kafka scheinen keine bloßen Dichter- bzw. Kunstprobleme (was immer das auch, genau genommen, sein soll). Die Konvulsionen von Kafka sind die Konvulsionen der Urphänomene, deren Medium jemand wie Kafka ist – so hat es sich in mir aufgetan. Das ist das Urphänomen hinter meinem Ding mit den Urphänomenen.

„Selbstverteidigung“ von Elsa Dorlin und „Down Girl“ von Kate Manne

Ich war früher beim Kommunistischen StudentInnenverband, am Bildungspolitischen Referat der Österreichischen HochschülerInnenschaft; und ich habe überhaupt ausgeprägte feminine Charakterzüge. Natürlich habe ich mich also auch mit Feminismus und feministischer Theorie auseinandergesetzt, damals. Ich wollte also neulich sehen, was sich auf dem Sektor in den letzten zwanzig Jahren wohl so getan hat und besorge mir die Neuerscheinungen Selbstverteidigung – Eine Philosophie der Gewalt von Elsa Dorlin und Down Girl – Die Logik der Misogynie von Kate Manne.

In Selbstverteidigung – Eine Philosophie der Gewalt rollt Elsa Dorlin eine Geschichte der Selbstverteidigungsstrategien und Selbstermächtigungen diverser Bevölkerungsgruppen auf; angefangen von Bevölkerungen in Feudalgesellschaften, Sklaven in Sklavenhaltergesellschaften, Schwarzen in den rassistisch segregierten USA usw. Im letzten Kapitel geht es um die Situation von Frauen in modernen westlichen Gesellschaften. Diese einigermaßen blühend vielfältigen Situationen von Frauen in zeitgenössischen westlichen Gesellschaften versucht Elsa dann zu illustrieren über den Charakter der Bella aus dem Roman Schmutziges Wochenende von Helen Zahavi; einer gedemütigten Frau, die schließlich Amok läuft und Männer umbringt. Diesen Roman (und seine möglichen Komplexitäten und Facetten) kenne ich nicht, aber: Wie Millionen andere ist Bella eine unauffällige junge Frau, die keine Geschichte haben würde, an der nichts ist, was der Erinnerung wert wäre. Im Leben hat sie weder Ambitionen noch Ansprüche, nicht einmal auf das einfachste, stereotype Glück. Außerdem hat Bella „gelernt, mit Anstand zu verlieren. Verlieren schien zu ihr zu passen…, wird Bella von Elsa charakterisiert (S.208f.). Als Bella bei einer Gelegenheit einmal in der Lage ist, ihre erlebte Situation sich zu vergegenwärtigen, sieht sie sich als: Die letzte im Rennen. Dunkle Wolken und kein Silberstreif. Einer unter Millionen Kieseln am Strand. Die letzte in der Schlange und die Letzte auf jedermanns Liste. Ich fühle mich allein und verlassen, wie die letzte unter den Lebenden. (S.213) Von ihrem Nachbarn, einem Stellvertreter des männlichen Geschlechts in dieser offenbar Becketthaft leeren Welt, wird Bella gedemütigt und missbraucht. Das sind die Erfahrungen, die sie macht. Fast schon naheliegend, dass sie schließlich überschnappt und Amok läuft und den Nachbarn umbringt.

Bella ist also eine sehr grenzwertige Figur. Ohne Innenleben, ohne sinnvolle Gefühle und ohne Beziehungsfähigkeit, lebt sie in einer Zustand, den man am ehesten vielleicht mit einem schizophrenen katatonischen Stupor vergleichen kann. Eine stumpfe Feindseligkeit brodelt in ihr. Die leblose und latent feindselige Außenwelt gleicht ihrer Innenwelt. Aus irgendeinem Grund präsentiert Elsa Dorlin Bella nun aber also als gleichsam „typische Frau“ und ihre Erfahrung als „typische Erfahrung“, die Frauen in modernen westlichen Gesellschaften machen würden. Eine daraus resultierende Gewaltbereitschaft sei dann fast schon unmittelbar einsichtig und verständlich, genauer gesagt, konsequent: Bella wollte sich nicht aufdrängen, sie wollte niemandem Ärger machen, doch wurde sie schließlich ihr ganzes Leben lang dazu erzogen, Männer zu töten – denn sie haben in der Tat viel getan, sie so weit zu bringen. (S.215)

Menschen haben es an sich, die Welt aus bestimmten Blickwinkeln wahrzunehmen (und teilweise auch gar nichts anderes zu wollen). Ideologisch denkende Menschen, im Speziellen, tendieren dazu, einige Dinge stärker wahrzunehmen, andere nachlässiger, einerseits klarer wahrzunehmen, andererseits verzerrter. Es kann aber auch sein, dass sie darin überhaupt verlogen sind, auf der Grundlage entweder eines materiellen oder ideellen Vorteils, der damit verbunden ist oder aufgrund von Krankheiten des Charakters. Bella ist ein krankhafter, unnatürlicher Charakter, der etwas Krankhaftes, höchst Gewalttätiges tut. Elsa Dorlin tut so, als ob Bella stellvertretend für Frauen in modernen westlichen Gesellschaften stünde und blickt irgendwie bewundernd auf ihre letztendliche Gewalttat. Was sagt das über Elsa aus?

Eines der beklemmendsten Bücher, die mir erinnerlich sind, ist Down Girl – Die Logik der Misogynie von Kate Manne. Allerdings weniger wegen der Einblicke, die es in gesellschaftlich vorhandene oder wirksame Misogynie liefert – denn genau diese werden verdeckt durch die Einblicke, die es vielmehr in die Psychologie seiner Autorin bietet. Die Logik der Misogynie entspringt darin einer gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Aufgabenverteilung. Rolle der Frau sei es, dem in die Konkurrenzkämpfe unmittelbar eingelassenen Mann emotionalen Komfort und Ausgleich zu bieten und ihre eigenen Bedürfnisse gegebenenfalls hintanzustellen. Somit wird die Frau von sich entfremdet und ihrer Autonomie beraubt. Sexismus und Misogynie sind gesellschaftliches Wissen, Exekutivorgane und Kontrollsysteme, Mentalitäten, um die Frau in einer solchen Rolle festzuhalten, ein „falsches Bewusstsein“ von ihrer Passivität und Inferiorität zu schaffen und aufrechtzuerhalten, und Regelverletzungen zu sanktionieren, bisweilen furios und brutal zu bestrafen. Ein asymmetrisches Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern liegt vor und wird perpetuiert.

Um dieses asymmetrische Machtverhältnis – und sein angeblich nach wie vor unverändertes Bestehen – zu decouvrieren und zu illustrieren, geht Kate Manne allerdings selber leider recht asymmetrisch vor. Ich hätte mich sehr dafür interessiert, wie in unserer modernen, geschlechtergerechten Gesellschaft altvordere Mechanismen nach wie vor am Werk sind und welche Leichen unsere aufgeklärte Gesellschaft nach wie vor im Keller hat. Man erfährt diesbezüglich auch tatsächlich so einiges in Kates Buch. Leider wird darin aber alles, was in den letzten 150 Jahren und in der jüngeren und jüngsten Zeit im Hinblick auf Frauenemanzipation und Bewegung hin zu einer (geschlechter)gerechteren Gesellschaft passiert ist, nicht erwähnt. Stattdessen wird versucht, das unveränderte Fortbestehen von (intransigenter) Misogynie in der heutigen (amerikanischen) Gesellschaft anhand einiger (und nicht allzu vieler) Fälle zu illustrieren, was manchmal überzeugender, manchmal weniger überzeugend gelingt. Dutzende, genauer, hunderte von Seiten behandeln den Wahlkampf und die Wahlniederlage Hillary Clintons gegen Donald Trump, als Illustration, welche Vorbehalte die Gesellschaft nach wie vor gegen Frauen in Machtpositionen habe und wie unterschiedlich die Rollenerwartungen an die und die Toleranzen gegenüber den Geschlechter seien. Hillary Clinton habe die Wahl verloren, weil sie als kalter, karrieristischer Machtmensch (und daher als „unweiblich“ bzw. als Verräterin am Verständnis dessen, wie eine Frau nach wie vor zu sein habe) wahrgenommen wurde, während man Trump dasselbe habe durchgehen lassen. Die Aussage, dass eine bestimmte Frau der Misogynie ausgesetzt ist, lässt sich durch den Nachweis belegen, dass ihr männliches Pendant in einer ansonsten vergleichbaren gesellschaftlichen Position höchstwahrscheinlich nicht solcher Feindseligkeit … ausgesetzt wäre. (S.130) Da hat sie wohl Recht. Allerdings macht sie keine Anstalten, Pendants zu vergleichen, abgesehen davon, dass sie männlich und weiblich sind. Auch ein männlicher demokratischer Kandidat hätte gegen Trump womöglich verloren (und aus Angst davor (?) hatte man Bernie Sanders aus dem Rennen genommen). Bei all ihren Lamenti, Hillary Clinton hätte man vorgeworfen, ein karrieristischer Machtmensch zu sein, erwähnt sie nie, dass Hillary Clinton das ja auch ist. Der Gesamteindruck bei Hillary Clinton ist kein so guter. Was sie ebenfalls nicht erwähnt, ist, dass seit Jahrzehnten in der westlichen Welt Frauen in hohe und höchste politische Positionen gelangen und aus unterschiedlichen Gründen und persönlicher Eigenschaften dort erfolgreich sind (unter anderem als dezidiert unempathische Eiserne Lady). Sie vergisst auch die Überlegung anzustellen, dass die misogynen Attacken, die die republikanischen Scharfmacher(innen) gegen Hillary Clinton geritten haben, wohl weniger ihr entsprechendes Publikum gefunden haben, weil sie misogyn waren, sondern weil sie Attacken waren. Haltlose Attacken, wie zum Beispiel gegen Obama, wonach er Moslem sei und Barack Hussein heiße, funktionieren nicht deswegen, weil rechte WählerInnen sie nicht durchschauen oder durchschauen wollten, sondern weil sie ihnen inhaltlich eher egal sind: Hauptsache ist, dass man Obama irgendwie attackieren und beleidigen kann (das diesbezügliche Leitmotiv bei Hillary Clinton war dann eben Benghasi). Trotzdem weisen sie in beiden Fällen auf das Vorhandensein von Rassismus oder auch gewisse (misogyne) Erwartungen an Frauen hin, die in der Gesellschaft vorhanden sind (so wie allerdings alles andere Mögliche auch), wie auch allgemein der Fall, dass Asymmetrien zwischen Männern Frauen nach wie vor bestehen im Hinblick darauf, wie sehr die Gesellschaft dazu bereit ist, Frauen als Machtmenschen zu akzeptieren (was wiederum Frauen einen Vorteil verschafft, wenn es der Gesellschaft darum geht, die Gewalttätigkeit und das toxische Verhalten bei Frauen nicht sehen zu wollen; darum, wer im Streit um das Sorgerecht der Kinder bei Scheidungen die Oberhand hat und hohe Alimente kassiert und hohe Ansprüche auf Hinterlassenschaften hat; wer zum Militär gehen muss oder wer früher in Pension gehen kann. Man kann sagen, das alles wiegt das nicht auf, wenn Frauen weniger in politischen Machtpositionen akzeptiert werden. Allerdings sind die eben genannten Aspekte und die kleinteiligen Machtverhältnisse die, die das Leben der Menschen viel stärker bestimmen als die Politik, deren Macht zwar größer ist, aber ferner. Feministinnen wie Kate Manne sind mehr am Großgefüge der Macht interessiert, daher schmerzt es sie offenbar umso mehr, wenn sie auf dem Weg zu den großen Machtpositionen auf Widerstände treffen. Kate Manne bekennt in einem Interview auch, „karriereorientierter“ als ihr Gatte zu sein. So wie Hillary Clinton, die sie bemitleidet, könnte man anmerken).

Ein immer wiederkehrendes Motiv in Down Girl (über vielleicht 200 seiner Seiten hinweg) ist auch ein Amoklauf eines jungen Mannes namens Elliot Rodger in den USA. In seinem Abschiedsbrief hatte er eine große Beleidigtheit zum Ausdruck gebracht, keine Freundin gefunden zu haben (ob eventuell sonst noch so einiges drinnen stand, erfährt man nicht); mit seinem Amoklauf wollte er „Rache“ an der Welt nehmen, von der er sich hintergangen gefühlt hat. Dabei wurden mehr Männer zu Opfern als Frauen. Irgendwie parallel zu Elsa Dorlins Fasziniertheit über die weibliche Amokläuferin Bella, fixiert sich Down Girl auf diesen Fall, um Misogynie zu illustrieren, die im Fall von Elliot Rodger sicher vorhanden war (und die zumindest ein wenig, aufgrund seiner Frustrationen und wie bei Bella, verständlich ist). Die Beschäftigung findet allerdings abermals unter Ausschluss von allem anderen statt, was dieses Bild stören könnte; alleine schon einmal dem Umstand, dass solche Amokläufe in den USA haufenweise vorkommen, ohne dass Misogynie oder eine Fixiertheit auf Frauen offenbar die Grundlage dafür sind, oder diese Amokläufe ein dezidierter Feminizid wären. Grundsätzlich sind diese Amokläufer zunächst einmal sehr krank und bewegen sich auf einer eigentümlichen Grenze zwischen Zurechnungsfähigkeit und Unzurechnungsfähigkeit. Immer wieder (obwohl es seltsamerweise so gut wie nicht bekannt ist) sind es Menschen/Männer mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung. Deren Kennzeichen sind eine stark erhöhte Kränkbarkeit und Reizbarkeit im Falle von Zurücksetzungen (und der Tendenz, alles Mögliche als solche zu interpretieren), eine starke Selbstbezogenheit und ein Wille, über andere zu dominieren; auf der Grundlage einer unkonstruktiven Emotionalität, die hauptsächlich aus Wut, Neid, Egozentrismus, Anspruchsdenken, Rechthaberei, Streitsucht, Paranoia und einem raschen Beleidigtsein besteht. Sympathetische Gefühle sind stark reduziert; damit haben solche Personen auch ein gespenstisch vakantes Innenleben bzw. keine ausgleichenden inneren Regungen, um ihren zirkulären oder unguten Emotionen etwas entgegensetzen zu können. Dass solche Männer frauenfeindlich und –verachtend werden können, rührt in erster Linie daher, dass sie allgemein menschenverachtend sind; eventuell sind sie deswegen frauenverachtend (neben den realen Frustrationen, die sie von ihnen erleiden mögen), weil sie allgemein auf andere genüsslich als „die Schwächeren“ herabschauen und daher eben auch, und insbesondere, auf Frauen (oder Minderheiten etc) (was allerdings, um sich in einer narzisstischen Rolle als „Beschützer“ zu gefallen, auch dazu führen kann, dass sie Frauen gegenüber ritterlicher und galanter sind, zumindest an der Oberfläche: Hitler hat damit, und mit seinem österreichischen Charme, seine Sekretärinnen zumindest aber beeindruckt).

Gemäß Down Girl ist das Zentrum der Misogynie das „Rollenverständnis“, dass Frauen als emotionale Helferinnen von Männern gelten und sich zu sehen hätten; die Männern Empathie zu geben hätten ohne entsprechend viel Empathie einfordern zu können. Dementsprechend liegt ein asymmetrisches (Macht)Verhältnis vor. Wenn eine Frau aus diesem Rollenverständnis ausschere und sich nicht zu seiner Übernahme bereit erkläre, werde das (teilweise brutal) sanktioniert (im Übrigen, wie man in der Realität immer wieder beobachten kann, von anderen Frauen teilweise noch mehr als von Männern). Was wirft man den Frauen vor? Ich denke, es geht um den Vorwurf, dass sie sich verweigern und nicht bereit sind, etwas zu geben; dass sie kalt, gefühllos und herzlos sind und ihre natürliche Pflicht vernachlässigen, eine sichere Zuflucht zu bieten, zu hegen und zu pflegen… (S. 174). Dieses Rollenverständnis kritisch zu hinterfragen, ist richtig und wichtig. Bei der Lektüre von Down Girl beschleicht einen aber der Verdacht, dass Kate Manne selber keine Empathie für Männer (oder auch Frauen) aufzubringen imstande ist, und gerade deswegen gegen ein solches Rollenverständnis polemisiert. Weil sie sich (als Frau) im Hinblick auf ein solches Rollenverständnis wohl tatsächlich entfremdet fühlt. 

Elsa Dorlin hat dabei auch ein Problem mit Empathie, zumindest mit sogenannter dirty care, also einer überempathischen Haltung gegenüber Mitmenschen, von der diese profitieren, während man sich selber aufreibt und aufopfert. Einer Haltung, zu der vor allem Frauen (in ihrem Verhalten gegenüber Männern) erzogen werden, innerhalb derer sie ihre Autonomie verlieren, um einer Heteronomie unterworfen zu werden. Das Objekt wird zum Mittelpunkt der Welt, die das Subjekt aus dem Nichts wahrnimmt. Das Subjekt der Erkenntnis dreht sich ständig um dieses Zentrum. Bei diesem Erkenntnisprozess gibt es keine Vormachtstellung des erkennenden Subjekts, keine alles überragende Position, keine Autoritätsposition: Das Subjekt der Erkenntnis ist gegenüber seinem „König Objekt“ in der Position der Heteronomie; weil dieses Objekt mit der objektiven Realität verschmilzt, ist es ein Standpunkt, der das la des Realen abgibt. (S.223) Allerdings soll es auch nicht so sein, dass im Rahmen eines Erkenntnisprozesses das Subjekt eine zementierte Vormachtstellung oder alles überragende Autoritätsposition einnimmt. Das wäre ja ein Solipsismus, oder eine Wahrnehmung der Welt, ganz einfach so, wie das Subjekt das will (also, so wie es dann und wann bei Feministinnen der Fall ist). Die Stoßrichtung hinsichtlich Aufklärung bezüglich der Mechanismen von dirty care, so sie denn vorliegt, ist richtig und wichtig. Man hat dabei aber – abgesehen von einer irgendwie impliziten Gleichsetzung von weiblicher Empathie (für Männer) mit dirty care (denn explizit differenziert Elsa Dorlin zumindest nicht zwischen dem einen und anderen) – einen Hinweis, dass der Kern von Elsas Feminismus neurotische Allmachtsfantasien sind, die natürlich höchst störungsanfällig sind, wenn sie mit etwas konfrontiert werden, was ebenfalls Macht oder aber mehr Macht hat. Das ist in einem solchen psychologischen Rahmen natürlich schwer auszuhalten. Das Problem liegt dann aber vielleicht weniger an der Außenwelt als an der Innenwelt. Und es fällt auf, dass sie zur Empathie kein gutes Verhältnis hat, und sie in erster Linie als Zumutung wahrnimmt und die Forderung nach Empathie als eine Zumutung wahrnimmt.

Elsa Dorlin beschäftigt sich in ihrem feministischen Schlusskapitel zu Selbstverteidigung mit Kampagnen, die die Sensibilität gegenüber Gewalt gegen Frauen in der Gesellschaft schärfen wollen. Diese versuchen Aufmerksamkeit über eine Schockwirkung zu erzielen, indem sie brutal geschlagene und misshandelte Frauen zeigen. Eine Kampagne sicherlich nicht ganz ohne Mut, die sich aus dem Fenster lehnt, um die Gesellschaft mit Verdrängtem zu konfrontieren. Elsa Dorlin beschäftigt sich auf mehreren Seiten damit, allerdings ausschließlich „kritisch“. Indem sie meist eine Frau zeigen, oder genauer gesagt, indem sie systematisch weibliche Körper vergegenständlichen, die als Opfer inszeniert werden, schreiben diese Kampagnen die Verletzbarkeit als unweigerliche Zukunft einer jeden Frau fort, heißt es da zum Beispiel (S.200), bis hin zu Und in ihrem obszönen Leiden, das man in aller Ruhe aus dem Augenwinkeln betrachten kann, werden diese Körper auch zu Objekten einer „fetischistischen Faszination“. (S.205) Diese Kritik ist sicherlich berechtigt und diese Hinweise sind erhellend. Das Beklemmende aber ist, dass sich Elsa Dorlin ausschließlich so dazu äußert. Kampagnen gegen Gewalt gegen Frauen werden also (vernichtend) kritisiert, weil sie Frauen als Opfer von Gewalt darstellen! Elsa stellt einer solchen Werbestrategie entsprechende Kampagnen von feministischen Gruppierungen entgegen, die sich mit der Botschaft an Frauen wenden, sich selbst zu verteidigen und sich mehr zuzutrauen. Dabei lässt sie allerdings wohl außer Acht, dass die Breitenwirkung solcher Kampagnen von radikalen Splittergruppen wohl begrenzt ist (aus meiner kommunistischen Studentenvergangenheit kenne ich das ja, wie unsere durchaus raffinierten und ästhetisch wertvollen Wahlwerbungen dabei aber stets einigermaßen wirkungslos verpufft sind), und eine Schockkampagnenstrategie, wie sie allerdings von ihr abgelehnt wird, wohl wirkungsvoller. Es stellt sich die Frage, inwieweit Gewalt gegen Frauen als gesellschaftlich verbreitetes Phänomen und die Möglichkeiten ihrer wirkungsvollen Bekämpfung Elsa Dorlin überhaupt interessieren. Eher scheinen sie Möglichkeiten zu interessieren, wie Frauen – bzw. sie selbst – als starke, unabhängige Kämpferinnen dastehen und sie sich als solche selbst narzisstisch bewundern können. Fasziniert blickt sie auch auf Bella, die plötzlich Amok läuft, ohne eine entsprechende Kampfausbildung erhalten zu haben, sondern ganz aus sich selbst heraus bzw. im plötzlichen Kontakt mit ihrer „ursprünglichen Natur“ (der Gewalttätigkeit?) einen filmreifen Amoklauf hinlegt: Bella hat nicht gelernt zu kämpfen, sie hat verlernt, nicht zu kämpfen. (S.216) Ein irgendwie pathologischer Wunsch nach Gewalt geht einher mit einem irgendwie pathologischen Wunsch, alles selber zu machen: Bella befreit sich selbst. (S219) Bella ist von den Männern nicht abhängig – vielmehr sind die Männer es von Bella? Dass sie latent annimmt, Frauen wären für Männer „vergegenständlichte Objekte einer fetischistischen Faszination“ bzw. dass Feministinnen oft annehmen, Frauen wären Opfer eines „verobjektivierenden männlichen Blicks“ in dessen Zentrum sie stehen würden, kann auch als Hinweis auf deren Selbstinflationierung und Selbstbezogenheit gesehen werden: Indem sie so annehmen können, sie wären die, um die sich die ganze (Männer)Welt dreht, und somit die „eigentlich“ Herrschenden, das wahre Zentrum der Welt – das halt nur leider so sehr und so heimtückisch von sich entfremdet wurde. Ich und auch meine Freunde von früher können diesbezüglich zumindest feststellen, dass zwischen dem dreißigsten und vierzigsten Lebensjahr die männliche Libido dann deutlich abnimmt, und spätestens dann Frauen gar nicht mehr ein so zentral beherrschendes Thema für uns sind, sondern eher eines unter vielen. Es kann sein, dass für bestimmte Frauen/Feministinnen das eine noch viel härtere Tatsache ist, da sie dann ja wieder mit ihrer Grundangst konfrontiert werden, dass niemand sie beachten würde, der Grundangst Bellas, dass sie „ständig übersehen“ werde. Steckt dahinter vielleicht ein Wunsch nach Anerkennung und nach Gesehenwerden, der deswegen nie befriedigt wird, weil er unermesslich ist?

Als Beispiel für fetischistische Verobjektivierung von Frauen wird in Down Girl die Pornographie herangezogen. Laut Kant ist der Sexualtrieb an sich böse, da er Personen, auf die sich unser Sexualtrieb richtet, tendenziell „objektifiziert“. Das stimmt ein wenig, allerdings wenn schon, dann für beide Geschlechter (Hunger ist dahingehend ein noch viel schlimmerer Trieb, denn er macht aus putzigen Tieren, die wir gerne streicheln, totes Fleisch, das wir gerne essen). Vielleicht hatte dieser extrem durchdringende Geist auch letztendlich Recht, wenn er die Ehe als „Kontrakt zur Verfügungsgewalt über die Geschlechtsorgane der Partners“ qualifiziert. Vielleicht ist das aus der Sicht des göttlichen oder teuflischen Puppenspielers so und alles andere daran eitle Illusion. Vielleicht, und wahrscheinlich, aber auch nicht. Unsere natürlichen Gefühle und Bedürfnisse nach Liebe, Austausch, Geborgenheit, Miteinander usw. sind schon starke reale Mächte. Feministinnen wie Kate Manne tendieren auf jeden Fall aber zur Kantschen Sichtweise, zumindest, wenn es um sie selber geht und wenn es um Pornographie geht.  Eine charakteristische Art, jemanden „als Objekt“ zu behandeln, ist in der Pornographie zu finden, daher haben Feministinnen in jüngerer Zeit ergänzt, in der Pornographie werde „der Mensch zum Ding“, wird in Down Girl eine Feministin, Rue Langton, zitiert (S. 224). Ich hätte mir gedacht, die feministische PorNO-Bewegung hatte ihren Höhepunkt um 1983 und sei dann versandet, während sie sich offenbar revitalisiert und neue, wichtige Erkenntnisse produziert hat. Zu diesen scheint aber eher nicht zu gehören, dass es bei Pornographie um die Befriedigung des Sexualtriebes geht, der freilich die seltsamsten Formen werden kann und daher auch die seltsamsten Formen von Pornographie. Die Pornographie ist ein weites Feld, Frauen und Männer üben darin mal mehr, mal weniger Macht über den jeweils anderen aus (sofern es darum überhaupt geht). Kate und Rue stoßen sich daran, dass es ein Genre heterosexueller Pornographie gibt, das Frauen als nichtssagende, starrende, vergleichsweise geistlose Kreaturen darstellt. (Die weibliche Hauptrolle will immer das, was er ihr zu geben hat, und ihr Vokabular erschöpft sich mehr und weniger in gehauchter Zustimmung.) (S.263) Somit ist Pornographie eine Verletzung ihres Damenstolzes (und das ist auch nicht ganz unverständlich). Es stellt sich allerdings die Frage, warum ihr Damenstolz sich dauernd verletzt fühlt und sie sich in ihrer Autonomie ständig behindert (ich rege mich ja auch nicht auf, dass Männer in Pornofilmen stets als primitive Erotomanen dargestellt werden, obwohl wir doch noch „so viel mehr“ sind; aber ich finde es beklemmend, wenn akademisch ausgebildete Frauen in etwa das tun). Auf dieser Grundlage versucht Kate, hinter das Mysterium der Pornographie zu blicken: Meiner Ansicht nach wäre es indes falsch, anzunehmen, solche Pornographie erzeuge oder reflektiere diese buchstäbliche Sicht auf Frauen. Plausibler finde ich, dass es sich vielmehr um eine vermarktbare Fantasie handelt. Die Subjektivität und eigenständige Sexualität der Frauen ist für alle, die nicht völlig verblendet sind und (ironischerweise) über einen Internetanschluss verfügen, immer schwieriger zu verleugnen. Denn dazu sind die Stimmen von Frauen im Cyberspace allzu laut und vernehmlich. Aus der Sicht patriarchalischer Werte mögen Frauen menschlich – manchmal allzu menschlich – sein. Pornographie mag eine willkommene Entlastung von Realitäten bieten, die schwer zu ertragen sind, wenn man sie fürchtet. Sie kann beruhigen, indem sie in der Fantasie die psychische Bedrohung entschärft, die vom Menschsein der Frauen ausgehen mag, als sie Männer beschämen oder sexuell demütigen können. Das steht im Gegensatz zu der Ansicht, Pornographie bringe die buchstäbliche Sicht der Männer auf Frauen zum Ausdruck oder präge sie sogar. (S.263f.) Nun ja, beide Ansichten beruhen offensichtlich auf der Grundlage, dass ihnen der entscheidende Hinweis diesbezüglich, um was es in der Pornographie geht, entgeht. Insbesondere bei Kate sind ihre eigenen (sadistischen/revanchistischen) Macht- und Überlegenheitsphantasien gegenüber Männern auch kaum zu übersehen, die in einer solchen Interpretation von Pornographie zum Ausdruck kommen. Bei Sexualität denkt man normalerweise eher an Liebe als an Macht (zumindest aber an Genuss), außer eben entschlossene Feministinnen wie Kate und Rue. In auffallender Weise ist es ihnen (zumindest nach außen hin) verwehrt, Beziehungen zwischen Mann und Frau anders zu interpretieren denn als Machtbeziehungen und Machtkämpfe. Dass sie das in ihrer inneren Autonomie behindert, ist nahe liegend.

(Hardcore) Feministische Interpretationen, wie die von Kate Manne, die suggerieren, Misogynie sei das entscheidende und ursächliche Motiv hinter Pornographie, Amokläufen oder der Erfolglosigkeit von Hillary Clinton, und allgemein ihre totalitäre/totalisierende Weltsicht, rufen natürlich Widerspruch hervor, zum Beispiel seitens des Gewaltforschers Steven Pinker. Down Girl geht darauf in eigentümlicher Weise ein, indem es entsprechende Stellen bei Pinker und anderen bereitwillig zitiert (meistens in (herablassenden, wie man meinen könnte) Fußnoten), sie dann aber ohne Gegenargumente mehr oder weniger wiederum als „misogyn“ verwirft. Bzw., eigentlich auch das fast nicht. Sie lässt die (plausiblen) Gegenpositionen zu ihrer eigenen in einer irgendwie gespenstischen Weise einfach stehen. Am eigentümlichsten ist vielleicht das Beispiel, wo sie darauf hinweist, dass (aufmüpfige) Frauen immer wieder als „schrill“ bezeichnet werden würden (also über eine beleidigende Abwertung ihrer hohen Stimmen), und zur Illustration eines von (angeblich vielen sich so ausdrückenden) „Hassmails“ gegen sie extrem ausführlich zitiert (S.439f.): Ms Manne, Ich war überrascht und irritiert über ihren … Artikel, der sich generell über amerikanische weiße Männer lustig macht … Sie müssen viel Hass in sich aufgestaut haben, um eine ganze Kategorie von Menschen so anzuprangern, wenn jeder unvoreingenommene Mensch vor einer derart pauschalen Behauptung zurückschrecken würden … (das ist) wirklich ziemlich sexistisch und rassistisch … (ich) fand ihre Logik weniger einer Philosophieprofessorin an einer der besten Hochschulen des Landes würdig als vielmehr einer patzigen Fünfzehnjährigen voller Ressentiments und Narzissmus. Es tut mir leid, wenn ihr Vater vielleicht ein rasender Alkoholiker war, der ihre Mutter geschlagen hat, aber das ist keine Entschuldigung, alle Männer… etc. So geht es dann mehr als eine Seite aus dem Zitat der Zuschrift dieses empörten (sie aber nicht hassenden und ihren überlegenen Bildungsstatus anerkennenden) Mannes dahin (die im Übrigen genauso gut von einer Frau sein könnte), bevor sie schließlich schließt mit: Vielleicht könnten sie die ganze tolle Bildung, die sie genießen durften, dazu nutzen, Menschen näher zusammenzubringen, statt Böswilligkeit und Schrillheit zu schüren … davon haben wir eindeutig schon genug. „Schrillheit“ wirft er ihr dann also vor. Kate zitiert dieses (irgendwie ja auch nachvollziehbare) Mail über eine Seite hinweg, um zu illustrieren, dass ihr „Schrillheit“ darin vorgeworfen (?) wird. Man fragt sich: Will sie hier anderslautenden Positionen und Kritiken am Hardcore-Feminismus demokratisch Raum geben? Will sie damit eine gewisse Zustimmung dazu ausdrücken, die sie aber nicht versprachlichen kann? Hat sie vielleicht sogar eine gewisse Todessehnsucht ihrer eigenen Sichtweise gegenüber, die schließlich keine vorteilhafte Sicht auf die Dinge ist? Oder hat man hier einen unlösbaren Konflikt, der jedoch über eine höhnische Verweigerung jeglicher Dialektik (egoistisch) „gelöst“ wird: Sprich, über eine schrille Machtdemonstration, innerhalb derer sie dieses ihr offensichtlich nahe gehende Mail verwirft und delegitimiert, mit dem Verweis, dass der Ausdruck „schrill“ darin vorkomme? Eine solche Autoritätsposition muss dem berauschenden Gefühl einer göttlichen Allmacht wohl schon sehr nahe kommen. Oder aber, erkennt sie gar nicht, dass Gegenpositionen gegenüber ihrer eigenen eine gewisse Berechtigung haben könnten, weil sie so sehr in ihrer eigenen verhangen ist?

Bemerkenswert dann auch, wie (zumindest) Kate Manne jedes Mal mehr als nur verschnupft reagiert, wenn Kritisierbares und Mängel nicht an Männern festgestellt wird, sondern an Frauen. Man könnte es als Hinweis für ein schwaches/narzisstisch überhöhtes und daher leicht kränkbares  Selbstbewusstsein sehen, wenn Feministinnen wie Kate Manne nicht den kleinsten Makel tolerieren können, wenn es um die Darstellung und Vergegenwärtigung von Frauen geht, sondern wenn sie als gängelnd, dumm, egoistisch, dünkelhaft usw. in Erscheinung treten – als ob sie das in der Realität nicht immer wieder auch wären. Frauen werden als Objekte von Kritik mehr oder weniger ausgenommen, bzw. wird jegliche negative Illustrierung von Frauen in Funk und Fernsehen als Bestätigung für Misogynie herangezogen. Es ist kaum zu fassen, wie selbstbezogen Feministinnen wie Kate Manne sind (wobei eine derartige Selbstbezogenheit für Feministinnen allgemein dann doch nicht typisch ist). Oder fühlt sie sich – wie allgemein durch das Rollenverständnis von Frauen als empathische Wesen – tatsächlich in ihren Schwächen getroffen? Im Finale führt sie ein (gutes) Kindergedicht von Shel Silverstein an, über eine quengelnde, egoistische Göre, die ihren Status als Frau – „Ladies first!“ – dazu nutzt, um sich vordrängeln zu können, sogar, wenn es um ihren eigenen Untergang geht. Wenn ich Silversteins Gedicht lese, bin ich zutiefst niedergeschlagen: Eine der wesentlichen Dynamiken, die der Misogynie zugrunde liegen, wird über populäre Kindergedichte und Gutenachtgeschichten verbreitet. (S.461) Kann es sein, dass Kate sich in Wirklichkeit eher erschrocken darin selbst erkennt? (Ein Buch mit Kindergedichten von Shel Silverstein habe ich mir daraufhin ausgeliehen; sie haben mir aber nicht so gut gefallen und sie haben etwas durchaus Misanthropisches, wenngleich seine Zeichnungen ganz herzig sind. Sein bekanntestes Kinderbuch, Der freigiebige Baum, ist eine Parabel über Hybris und Undankbarkeit bei Kindern/Menschen, die zu einem schlechten Ende führen indem sie sich selbst das Wasser abgraben.) Die einzige Kritik, die Down Girl am Feminismus je formuliert, ist dass sich weiße Feministinnen oft erstaunlich wenig um die Belange nichtweißer Frauen bekümmern. (S.21 und 337) Das kann man auch als Hinweis sehen, dass ihr Feminismus in erster Linie ein Egoismus ist, und weniger ein Altruismus. Natürlich sind Verständnisse erweiterbar und progressive Bewegungen können inklusiver werden. Was aber dann vielleicht auch nur ein erweiterter Aktionsradius ihres letztlich egoistischen Strebens ist – anstelle davon, sich empathisch mit dem Anderen – dem tatsächlich Anderen – auseinanderzusetzen.

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Dieser Text ist nicht dazu da, damit Männer (oder Frauen) sich freuen, wenn Feministinnen auf die Fresse fliegen. Was mich antreibt, ist, aus einem empathischen Erkenntnisinteresse heraus zu differenzierten und differenzierenden Betrachtungen über die objektive Realität (bzw. eben über subjektive Interpretationen der objektiven Realität wie die von Kate Manne und Elsa Dorlin) zu gelangen, um so die Basis für einen demokratischen Ausgleich zwischen den Positionen und Ansprüchen zu schaffen. Das ist es, wozu der Geist da sein soll. Und das ist es, wozu der Geist in der heutigen Zeit da sein muss, in einer sich ausdifferenzierenden, multikulturellen, komplexen Gesellschaft, hinter der unsere Verständnisse und unser Vermögen sich in ihr zurechtzufinden, hinterherhinken. Aufklärung ist generell das Schaffen von differenzierteren Verständnissen und Begrifflichkeiten; da zum Zeitpunkt der Aufklärung die Gesellschaft kein einfache Feudalgesellschaft mehr war, wo alles und jeder seinen festen Platz hatte und über der ein Gott thronte, sondern eine fortschreitende, sich auflockernde, dynamische Gesellschaft, die man versuchen musste, neu zu interpretieren. Das ist seitdem so geblieben. Wenn die Verständnisse der Gesellschaft hinter diesen Ausdifferenzierungen zurückbleiben (wie zum Beispiel vor einem Jahrhundert gegenüber der neuartigen Demokratie), droht Gefahr.

Es ist eine gute Zeit, in der wir leben! Das mit dem Feminismus und mit Woke ist gut. Wir schaffen damit wohl eine fortschreitend bessere Gesellschaft. Es besteht aber auch die Gefahr der gegenseitigen Entfremdung und Fraktionierung. Als ich vor zwanzig Jahren an genderphilosophischen Seminaren auf der Uni teilgenommen habe, war ich einer der ganz wenigen Männer, die dabei waren. Allerdings waren da auch nicht so viele Frauen. Wieso sich die Frauen nicht mehr für den Feminismus, der ja ihre eigenen Angelegenheiten vertritt, interessieren würden, haben wir uns damals gefragt. Nun ja, heute scheint das viel häufiger der Fall. Und jetzt nervt mich der Feminismus ein bisschen. Von wegen: Jetzt, wo sie auf einer Welle reiten können und sie kein Risiko eingehen müssen, bezeichnen sich so etliche Frauen als Feministinnen; tun teilweise so, als ob sie das erfunden hätten, das mit dem Feminismus. Jetzt tun sie so, als ob sie damit aufregend und anders und Avantgarde wären, obwohl es das Mainstreamthema Nummer Eins ist. Inwieweit viele von ihnen damals in den genderphilosophischen Seminaren gesessen wären, weiß ich nicht. Es war betrüblich, wie wenig Männer damals an diesen Seminaren teilgenommen haben. Es scheint unter Menschen kaum der Fall zu sein, dass sie sich tatsächlich für das Andere, für andere Lebenswelten und Milieus als die eigenen interessieren würden und sich großartig in sie hineinversetzen können oder wollten. Das gilt für Menschen generell. Für Frauen, zumindest oberflächlich, vielleicht weniger als für Männer (obwohl ich glaube, dass, wenn es tatsächlich darauf ankommt, das Brückenbauen eher bei Männern der Fall ist, als bei Frauen). Feministinnen wie Kate und Elsa fordern dann aber auch, dass Frauen weniger Empathie aufbringen sollten. Empathie ist aber ein wichtiger Kitt für die Gesellschaft. Und vor allem, um komplexere, differenziertere Verständnisse und Begrifflichkeiten zu schaffen.

Das eine ist freilich das friedliche Schaffen von komplexeren Verständnissen, das andere ist der Kampf dafür, der eventuell zu Militanz herausfordert. Inwieweit ist ein solcher Kampf immer edel und gut? Bewegungen wie den Feminismus könnte man als humanistische Bewegungen mit altruistischem Motiv ansehen. Doch trau, schau, wem. Altruismus kann auch nur eine Erscheinungsform des Egoismus sein. Progressive Bewegungen wie der Kommunismus, der Feminismus oder der Antikolonialismus haben es an sich, dass sie unter anderem auch Ressentiment-Menschen anziehen: Minderwertigkeitskomplexler, Soziopathen, verhinderte Machtmenschen, die sich deswegen intransigent gegen eine etablierte Macht richten, weil sie so beleidigt sind, dass sie selbst nicht an der Macht sind (und deren bisweilen schrecklicher Charakter sich spätestens dann manifestiert, wenn sie die Macht erlangt haben); genauso wie Kirchen und Religionen, oder eben alle Politik Individuen mit unlauteren Motiven – bzw. eben Machtmenschen – anziehen (ein solches Beispiel in Bezug auf intellektuellen Antikolonialismus aus Ressentiment heraus scheint gegenwärtig der gefeierte Achille Mbembe).

Es gibt einen Grundwiderspruch des Feminismus: Er strebt eine autonome Artikulation von Frauen hinsichtlich ihrer Wants und Needs an, ist aber möglicherweise sehr unglücklich und daran dann gar nicht interessiert, wenn diese Artikulationen – und deren (offensichtlich authentische) Wants und Needs –  dann anders ausfallen als gewünscht. Es kommt dann auf den geistigen und spirituellen Horizont der Feministin an, wieviel „Widerspruch“ bzw. Diversität sie gelten lassen will. Der Fanatismus ist der natürliche Gegenspieler der Diversität, so Hegel: der will, auch wenn er immer wieder von ihr spricht, keine Diversität gelten lassen, er will selbst zum herrschenden Prinzip werden und die Welt nach seinem Bild gestalten. Je fanatischer der Feminismus ist, desto weniger wird er Diversität unter auch Frauen gelten lassen, und daher Männer wie auch Frauen gegen sich aufbringen. Als Frau würde ich mich von bestimmten Spielarten des Feminismus ja auch abgestoßen fühlen; unter anderem von denen, die Frauen ständig in der Opferrolle sehen wollen. Das würde ja bedeuten, ich wäre als Frau eine Vollidiotin, die sich permanent verarschen und wie ein Hund an der Leine führen lässt und die nicht wüsste, was sie selber eigentlich will. Die Feindseligkeit gegenüber Männern, die weit in den Mainstream-Feminismus hineinreicht, müsste nicht die meine sein, noch die Freude, die Feministinnen daran haben, Männer irgendwie kastrieren oder irgendwas wegnehmen zu können. Und allgemein auch nicht die Selbstgerechtigkeit und der Gut-Böse Dualismus zwischen sich und den anderen, die ebenfalls tief in den Mainstream-Feminismus hineinreichen, ganz zu schweigen von den unnatürlichen Verständnissen von Geschlecht, Gesellschaft, Macht, Sexualität, die im Feminismus immer wieder zu finden sind. Meine geliebte Liliana vergleicht Feministinnen und feministische Wissenschaftlerinnen mit Leuten, die an UFOs glauben, und all die Damen und Mädchen ihrer Familie in Argentinien mögen den Feminismus nicht; ohne dass ich das jetzt selber unterschreiben könnte.

In sowohl Selbstverteidigung als auch Down Girl kommt eine idiosynkratische Psychologie der Autorinnen zum Vorschein. Woher kommt aber diese? Von der traumatischen Erfahrung mit einem alkoholabhängigen Vater, der die Mutter geschlagen hat (wie oben vorgeschlagen)? Das wäre dann natürlich leicht zu entschlüsseln und behandelbar. Man scheint es aber mit einem grundsätzlicheren Persönlichkeitstypus zu tun zu haben. Schau dir bestimmte MoralisiererInnen und KämpferInnen für Gerechtigkeit (oder eben Feministinnen) genauer an: Man sieht, wie solche Leute ständig herumpendeln zwischen Ohnmachtsgefühlen und Größenwahn, Selbstverkleinerung und Selbstinflationierung; zwischen einem sich ständig beleidigt und verhöhnt Fühlen und dabei dann selbst nichts anderes zu tun als zu beleidigen und zu verhöhnen. Andere Register können sie nicht ziehen, und so sind sie tatsächlich darin gefangen (bzw. davon unterdrückt).  Man frägt sich, ob hinter ihren moralischen Entrüstungen eine echte moralische Empörung steckt oder eine Schadenfreude, dem politischen Gegner was anhängen zu können, und von der man sich grundlegend ernährt. Zumindest scheint beides gleichsam unauflöslich miteinander verschmolzen, damit also insgesamt als eine durchwachsene Sache. Diese Leute sind sehr selbstbezogen. Da ihr Wille zur Weltverbesserung nicht wirklich und rein gut ist, sondern vielmehr von Revanchismus bzw. dem eigenen Machtwillen getrieben, ist es kein Wunder, dass sie sich ständig (von sich selbst) entfremdet fühlen und die Lösung für das Problem der Entfremdung in einem irgendwie radikalen (und gewalttätigen) Umsturz der Gesellschaft suchen. Insgesamt scheint die Idiosynkrasie als zu manifest und die grundsätzlichen Möglichkeiten des Denkens, Fühlens, Erlebens zu betreffen, als das man es als es als etwas Angelerntes oder als ein Epiphänomen betrachten könnte. Dann hat man es aber weniger mit Traumata, Komplexen oder Neurosen zu tun, als mit einem grundsätzlichen Persönlichkeitstypus oder aber einer Persönlichkeitsstörung. Doch wiederum keine der bekannten Persönlichkeitsstörungen scheint hier zu passen. Es gibt keinen Konflikt zwischen dem Narzissmus oder den Wahnvorstellungen eines Mannes und seiner Misogynie, also der Tatsache, dass er durchgängig stark von misogynen gesellschaftlichen Kräften getrieben ist. Denn Misogynie ist ihrem Wesen nach narzisstisch und wahnhaft. Sie verwandelt unpersönliche Enttäuschungen in erbitterten Groll – oder in eine „gekränkte Anspruchshaltung“… heißt es in Down Girl (S. 137f.) Dann kann man wohl davon ausgehen, dass das bei der Misandrie dasselbe ist. Doch woher kommt diese Form der Misogynie oder Misandrie? Angesichts dessen, was über Persönlichkeitsstörungen bekannt ist, tappt man einigermaßen im Dunkeln.

Da lese ich aber neulich etwas darüber, dass, jüngsten Untersuchungen zufolge, eine Tendenz bei bestimmten Menschen, sich ständig als das Opfer zu fühlen, einem „Persönlichkeitstypus“ entspricht, der sich durch mehrere (toxische) Merkmale auszeichnet: 1) einer ständigen Suche nach Bestätigung, dass man Opfer einer Ungerechtigkeit ist 2) ein Gefühl der eigenen moralischen Überlegenheit 3) Empathiemangel 4) Revanchismus. Ein solcher Persönlichkeitstypus kann auch bestehen, ohne dass tatsächliche (rational erklärbare) Kränkungen oder Traumatisierungen stattgefunden haben. Man hat es also offenbar mit einer Persönlichkeitsstörung zu tun, die noch nicht kategorisiert ist, und die Elemente vor allem einer narzisstischen und einer paranoiden Persönlichkeitsstörung aufweisen (während andere Elemente jener beiden Persönlichkeitsstörungen wiederum fehlen). Im Gegensatz zu einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung ist das Selbstwertgefühl letztendlich niedrig; wie Narzissten in Wut geraten, wenn ihre Grandiosität (auch nur geringfügig) angezweifelt wird, tun es die Opfer, wenn das bei ihrem Opferstatus der Fall ist. Die Opfer sind vielleicht nicht ausgesprochen (sondern nur tendenziell) paranoid, leben aber in einer quasi-paranoiden Welt mit einem fixen Feindbild (wobei die Paranoiden diesbezüglich variabler sind), mit dem sie sich in einem ständigen Duell und Machtkampf erleben darum, wer das eigentliche Zentrum des Universums ist, und der eigentlich „legitime“ Herrscher, wobei das Feindbild als eine Art Usurpator angesehen wird, der die Macht mit illegitimen Mitteln an sich gerissen hat; mehr noch: der einen seiner ursprünglichen glänzenden Eigenschaften beraubt hat und nur so, mit dieser gestohlenen Krone, an die Macht gelangen konnte (um dort nichts als egoistisch zu sein und Unheil anzurichten). Es ist, wie bei Narzissten und Paranoiden, schwer bis unmöglich bei ihnen festzustellen, ob ihr Streben von der Wurzel her defensiver oder offensiver Natur ist, also ob ihr Größenwahn und ihre Selbstbezogenheit Kompensationen eines Minderwertigkeitsgefühls ist, oder aber das Minderwertigkeitsgefühl Resultat eines Größenwahns, der sich in der Realität nicht behaupten kann, so dass man diese schließlich grundlegend und revolutionär ändern und umstürzen will. Wie Narzissten hungern die Opfer nach Anerkennung, allerdings weniger nach übertriebener Anerkennung und persönlicher Auszeichnung, sondern eher nach „gerechter“, ausgleichender Anerkennung für ein Kollektiv, mit dem sie sich identifizieren. Sie haben wohl einen größeren Wunsch nach Geborgenheit und sich moralisch tatsächlich weniger ichbezogen als Narzissten; allerdings stellt sich die Frage, inwieweit sie sich für ihr eigenes Kollektiv tatsächlich interessieren oder ob dieses vorrangig als eine Verlängerung ihres eigenen Ichs fungiert; das sie also – so wie sie es ihrem Feindbild vorwerfen – für sich vom Subjekt zum Objekt und zur Verfügungsmasse machen. Ihr Empathiemangel ist vielleicht ihr eigentliches Unglück, denn so sind sie schwer in der Lage, sinnvolle Beziehungen einzugehen noch sich vorzustellen (und damit auch, die Gesellschaft insgesamt zu begreifen), und sie tun sich (anders als Narzissten mit ihren Manipulationsfähigkeiten und ihrem schneidigen Charme) schwer, andere zu beeindrucken – was dann eben wieder zu Gefühlen der Minderwertigkeit und des Nicht-Wahrgenommenseins führt, und ihre innere Position weiter zementiert. Die mangelnde Genussfähigkeit tut ihr Übriges.

Es handelt sich auf einem solchen Level (der Persönlichkeitsstörung) weniger um einen (in etwa: neurotischen oder komplexbehafteten) psychodynamischen Konflikt, sondern um ein Fehlen bestimmter Fähigkeiten, bestimmte Positionen miteinander abzustimmen, einen Mangel an psychologischer Integriertheit. Daher wird die eigene Welt, in der man lebt, zu einer echten, kaum veränderbaren, statischen und starren Welt, die zwar tief von einem Konflikt bestimmt wird, aber von kaum einer Dynamik, die sich aus einem solchen eigentlich ergeben sollte. So heißt es dann auch in Selbstverteidigung in Bezug auf die fiktive Amokläuferin (und angebliche Stellvertreterin für Frauen allgemein) Bella: Die Mörderin Bella macht die gleiche Erfahrung wie das „Opfer“ Bella … Bella hat somit keine Metamorphose, sondern eine Anamorphose vollzogen. Sie ist immer noch dieselbe, sie wird nur anders gesehen und sieht sich anders, aus einer anderen Perspektive (S.217) … Die extrem gewalttätige Bella ist immer noch Bella, aber eben ein anderes Gesicht von Bella, das geheim, verborgen, tabu und Bella selbst unbekannt ist. (S.218) Bella ist auch keine Feministin, sie ist gar kein politischer Mensch, sie strebt (offenbar) kein goldenes Matriarchat an: man/frau könnte sich aus politischer und feministischer Sicht fast also fragen, wozu das Ganze? Das Ganze nur um inneren Dampf abzulassen? Äquivalent dazu gibt es auch in Down Girl keinen hoffnungsvollen Schluss, sondern nur die Feststellung, dass sich an der Misogynie in den USA im Lauf all der Jahrzehnte „nichts geändert“ habe, weswegen Kate es auch „aufgebe“, etwas zu ändern, da sie dabei sowieso nicht verstanden und als gemein, aggressiv und penetrant (darf ich sagen: schrill) abgekanzelt werden würde (das konkrete Beispiel dafür, warum sie sich missverstanden fühlt, ist dabei ihre bizarre und impertinent selbstgerechte Heranziehung der Kinderbücher von Shel Silverstein, als bei Beispiel für unveränderte Misogynie, für die allein ich ihr am Liebsten ihr Down Girl an den Kopf werfen würde (S.460-62). Das würde mich aber wahrscheinlich als gemein, aggressiv und penetrant erscheinen lassen, und ansonsten nichts bewirken). Elsa Dorlin beschreibt, so wie sie es im Schlusssatz von Selbstverteidigung ausdrückt, ein Leben in der Defensive, aus dem sie sich selbst heroisch befreien will und Bezug nimmt zu Amokläufen. Ähnlich zu einer passiven Aggressivität scheint man es hier mit einer „defensiven Aggressivität“ zu tun zu haben.

Es lohnt sich auch, zu fragen, inwieweit ein solcher Persönlichkeitstypus häufiger in der Geschichte bei radikalen Denkern der Fall war. Rousseau zum Beispiel war eine abnorme, paranoide Persönlichkeit. Marx war ein schwieriger Mensch mit einem unnatürlich ausgeprägten Hang zum Polemisieren gegen ideologische Gegner – vor allem, wenn diese ideologisch gar nicht so weit entfernt von ihm selbst waren. Ich bereite eine große Studie über Marx vor. Beim Lesen zum Beispiel von Das Elend der Philosophie springen die Polemiken gegen Proudhon ins Auge. Sie sind sowohl hinsichtlich Qualität und Quantität außerordentlich: an und für sich von einem Vernichtungswillen getrieben und zwanghaft angebracht. Bei aller intellektuellen Souveränität und Überlegenheit wirkt Marx emotional das in keinster Weise, sondern sich in Zorn, Groll und Kleinlichkeit verzehrend, von ihren beherrscht und nicht über sie herrschend. In Art und Intensität geht das Polemisieren von Marx generell über das rational Nachvollziehbare hinaus. Ebenso wie seine Arroganz, sein Autoritarismus im Formulieren und sein Triumphalismus im Konstatieren. Man hat den Eindruck, es ist der Neid auf Proudhon, dem damaligen Starintellektuellen der radikalen Linken, in dem sich der damals ziemlich unbekannte Marx verzehrt. Und sein Triumphieren, wenn er mit einer richtigen Behauptung daherkommt, ist immer wieder ein höhnisches Triumphieren; von wegen: Nicht Proudhon sei der wahre intellektuelle Arbeiterführer, sondern er, Marx! Nicht Ricardo sei der tiefsinnigste Ökonom, sondern er, Marx! Aus diesem Groll und Neid gegen alles, was an der Macht ist, speist sich dann eben das gesamte Werk, die gesamte Bewegung bei Marx und Rousseau.

Was mich anlangt, ist der Feminismus für mich ein Thema unter vielen. Ich lebe in etwa im 23. Jahrhundert, also was soll ich mit dem Feminismus? Es ist auch nicht der Feminismus oder der Kommunismus, den ich anstrebe; was ich anstrebe, ist der Buddha-Verstand, ist der Christus-Verstand. Kaum eineR ist in der Lage, mit dem Buddha-Verstand, mit dem Christus-Verstand daher zu kommen, also muss ich das machen, auch wenn ich davon von allen verachtet und so gut wie nicht zur Kenntnis genommen werde. Einer muss da sein, einer muss Wacht halten. Ich verstehe meine Position. Neulich lese ich im Atlantic, dass sich eine neue Bruchlinie in der Gesellschaft auftun könnte: eine zwischen extrovertierten und introvertierten Menschen. Hell yeah, eine neue Fraktionslinie innerhalb unserer zeitgenössischen Gesellschaften! Das lähmende Zeitalter von Nietzsches „letztem Menschen“, in dem nichts mehr passiert und keine Grundsatzkonflikte mehr da sind, scheint an sein Ende zu kommen, wenngleich wohl anders als erwartet. Sondern durch Partikularisierung durch Identitätspolitik im Rahmen von sogenannten „Luxusproblemen“ in einer „Überflussgesellschaft“. Auf das Zeitalter des „letzten Menschen“ folgt dann bekanntlich der Übermensch, und diese Prophezeiungen scheint sich gerade dadurch zu erfüllen. Der Übermensch beschäftigt sich mit der Summe der menschlichen Probleme und ist daher in der Lage, sie ideell zu überwinden und so einen neuen Ordnungsrahmen zu schaffen. Das haben Übermenschen zu allen Zeitaltern gemacht, technisch waren sie aber noch nie zuvor in der Lage, das tatsächlich im planetarischen Maßstab und auf dem Level des planetarischen Intellekts zu tun. Eine neue Totalität wird nun aber entstehen und sie wird eine große Herrlichkeit sein. Das ist der Sinn der Erde.

April/Mai 2021