Fernán Caballero

Für Benedetto Groce

Es lässt sich nicht leugnen, dass tief fühlende Herzen und Menschen von großem Verstande durch einfache Begebenheiten am meisten gerührt werden.

Alexandre Dumas

Da liege ich nun, zusammengekrümmt, in einer Embryonalstellung, mit beinahe geschlossenen Augen und schmerverzerrtem Gesicht, in der unheilswolkenschwangeren Einöde, dem Jammertal, Schlangen und Blindscheichen und Frösche und kleines Getier zischt ein wenig um mich, in Misanthropie und Verzweiflung über die Schöpfung gebannt, kann und will mich kaum mehr rühren – jede Regung verheißt eine neue Enttäuschung, einen neuen Schmerz – da geht plötzlich eine Öffnung über mir auf, kommt ein Licht von oben; eine engelsgleiche Gestalt sinkt nieder über mich, mit mildem Gesicht, mariengleich die Arme ausgebreitet und bedeutet mir mit ihrer Aura: No te preocupes … todo está bien…. No te preocupes … todo está bien…. – Fernán Caballero (eigentl. Cecilia Francisca Josefa Böhl de Faber y Larrea, geb. 24. Dezember (!!) 1796 in Mortes (Schweiz), eingegangen in die Verwandlung 7. April 1877 in Sevilla)! Fernán Caballero, Mittlerin und Brückenbauerin zwischen Romantik und Realismus, ist primäre Exponentin des spanischen Sittenromans und wichtige Figur des Sittenromans im 19. Jahrhundert allgemein, in dem sie auch mitunter mit Walter Scott verglichen wird. Darüber hinaus gilt sie auch als wichtige Darstellerin Spaniens und seiner Gebräuche und Gepflogenheiten zur damaligen Zeit. Von sich selbst behauptet sie dabei lediglich: „Meine Absicht war durchaus nicht, Romane zu schreiben … ich suchte vielmehr eine wahre, genaue, echte Vorstellung von Spanien und seiner Gesellschaft zu vermitteln, das innere Leben unseres Volkes zu beschreiben, seine Ansichten, seine Gefühle, seinen Mutterwitz; ich wollte Dinge wieder zu Ansehen bringen, die das unkluge neunzehnte Jahrhundert mit verwegenen schweren Füßen niedergetreten hat, heilige und religiöse Dinge, die religiösen Bräuche und ihre hohe und zarte Bedeutung, die alten reinen spanischen Bräuche, Wesen und Art des nationalen Empfindens, die Bande der Gesellschaft und der Familie, mithin alles, was als Zügel zu bezeichnen ist namentlich für jene lächerlichen Leidenschaften, die man affektiert, ohne sie wahrhaft zu fühlen (denn die große Leidenschaft ist zum Glück selten), die bescheidenen Tugenden. Der Teil, den man als romanhaft bezeichnen könnte, dient lediglich als Rahmen für das ausgedehnte Bild, das zu zeichnen ich mir vorgesetzt habe.“ Ja, ihre Erzählungen streben nicht nach künstlerischem Olymp, sie wollen erbauliche Geschichten sein, die mit Beispielen des Guten und Bösen die Thesen, die ihr am Herzen liegen, beleuchten und zur Darstellung bringen; aus dem Dunkel und der Rätselhaftigkeit der Welt heraus plastische, exemplarische Formen schmieden, die da abbilden, dass das Leben und die Menschen gut sind und einfach und ohne rätselhafte Hintergründigkeit, wenn sie es nur wollen. Das ist das einfache Zentrum und das ist das Herz der Dinge: Ohne große Geistesfähigkeiten besaß die Gräfin das Talent des Herzens; sie fühlte richtig und zart. Ihr ganzer Ehrgeiz beschränkte sich darauf, sich ohne Übermaß zu zerstreuen und zu gefallen, wie der Vogel, der fliegt, ohne es zu wissen, und singt, ohne sich anzustrengen. Das ist eine exemplarische Skizzierung, wie einfach und geradlinig die Caballero den Menschen (wie er sein soll) auffasst und wie er, ihrer Ansicht nach, im Wesentlichen in der Welt anzutreffen ist: Ähnliches kommt nicht selten in Spanien vor, dank der unerschöpflichen Mildtätigkeit seiner Bewohner, die es im Verein mit ihrem edlen Charakter nicht zulässt, Schätze zu sammeln, sondern das, was sie haben, dem, der es bedarf, zu geben. Man frage nur die aus ihren Klöstern vertriebenen Mönche und Nonnen, die Handwerker, die Witwen der Militärs und die dienstlosen Beamten. Ei, scheint sie uns zuzurufen, ihr verachtet die plumpen spanischen Kirchen und sprecht von der Unwissenheit und Rohheit des spanischen Volkes – bemerkt ihr denn nicht die täglichen Beweise, die es von Uneigennützigkeit, Opfersinn, gutem Verstand und Urteil und edlem Stolz gibt, und wie das Früchte einer langen christlichen Erziehung sind? Ursprung und Ende allen Glücks auf Erden? Was wollt ihr mit euren aufrührerischen politischen Hasspredigten, mit denen ihr euch an die Armen richtet, im Sinne der Beförderung von „Fortschritt“ und „Humanität“, mit denen ihr die Menschen entzweit – wisst ihr denn nichts von der heiligen Freudigkeit, der Resignation im eigenen Zustand, der Harmonie, die ausfüllt, wenn nur jeder seinen Platz gut ausfüllt und in einem harmonischen Verhältnis zu ihm ruht wie die goldene Kugel? Er kümmerte sich weder um Politik noch um irgendetwas anders, außer seiner Kirche und seinem Hause. Die Welt war für ihn ein Chaos, das er nicht weiter begrenzte: er wusste bloß, dass der Engländer, der Franzose und Indien vorhanden seien. Wie gut wusste er, wenn das Essen gut oder der Wein schlecht war! Welche herrliche Ruhe fühlte er in seinem Bett! Wie angenehm war die Tätigkeit des Tages! Gott lieben und ihm dienen, den Nächsten lieben und ihm helfen, und „gelobt sei die Jungfrau“. Das war seine Devise. So entsteht große Ordnung und Herrlichkeit – das sagt schon Konfuzius. Die Philosophie und die Geistigkeit, die niemals weiß, was sie will, wonach sie überhaupt sucht – kann sie je jene Quelle kristallklaren Wassers aufwiegen, die fortwährend in jenen quillt, die vom Katechismus leben und zu sterben gelernt haben? Ha, traurige Philosophie, die du die Wimpern über deinen Büchern versengst und den Verstand mit deinen Haarspaltereien zerrüttest, nach dem Stein der Weisen suchend, dies ist die Wahrheit und das Glück, das du niemals findest! Was bist du im Vergleich zu dieser Geistesruhe, dieser Seelenreinheit, die nichts sucht und alles findet? Der wahre Schatz liegt in der einfachen Tugend, die unüberbietbar und unhintergehbar ist: Maria war vernichtet. Ihr Stolz, der kühn gegen jede Überlegenheit kämpfte, der dem Ansehen adliger Geburt, der Rivalität der Künstler, der Macht der Autorität und selbst den Vorzügen des Genies trotzte, beugte sich wie ein Rohr vor der Größe und der Erhabenheit der Tugend. Die höchste mentale Repräsentation der Tugend ist die Religion, und die hervorragendste von allen Religionen ist der Katholizismus. Fernán Caballero ist streng katholisch, und von der Struktur her finde ich den Katholizismus ja auch sehr gut: Die Hierarchie und die Tiefengestaffeltheit des Seins, die er andeutet; ein warmes, allerdings auch entrücktes Licht flackert da in der Finsternis, vor uns, tiefer im Sein; es verheißt und Wärme, es verheißt und die Möglichkeit von Behausung und Herd im winterlichen, einsamen Dunkel; gleichzeitig ist diese göttliche Instanz eine, die deutlich über uns steht, und uns letztendlich fremd und unnahbar entrückt ist, uns übergeordnet und wo das Glück darin liegt, dass wir gegen sie immer im Unrecht sind! Das ist wahre Frommheit und der große Geist und das große Herz sind katholisch und fromm. Wie ordinär und distanzlos dagegen der Protestantismus, dem das Pathos der Distanz (gegenüber dem hierarchischen Tiefsinn des Seins) fehlt, und der heillose Verwirrung in die Welt bringt, wie den Kapitalismus, der dann zu allem Überfluss auch noch den Kommunismus in die Welt bringt! Wie war die Caballero dagegen doch gesund skeptisch gegenüber ausländischer Neuerungssucht, Modernisierungswahn und Kosmopolitismus, ob dass ihr so vollendete Schilderungen und Skizzen gelingen wie diese: Diese neue Sprecherin war nicht lange erst von Madrid angekommen, wo ein bedeutender Prozess ihres Vaters Anwesenheit erheischt hatte. Sie kam vollständig modernisiert und so durchdrungen von dem, was man ausländischen guten Ton zu nennen pflegt, von dieser Reise zurück, dass sie unausstehlich lächerlich geworden war. Ihre fortwährende Beschäftigung war Lesen, aber sie las fast nur französische Romane. Mit der Mode trieb sie eine Art Kultus, war eine leidenschaftliche Musikfreundin und verachtete alles, was spanisch war. Ei, der Nationalismus ist unbesiegbar, denn die Nation, das Heimatliche, ist das Seelenhafte, das das Individuum nährt und trägt und ihm Schutz bietet, es aufnimmt und doch niemals, außer durch dessen eigenes Verschulden, aus seinem schützenden Schoß entlässt; daher solle man erst gar nicht versuchen, gegen den Nationalismus anzukämpfen, denn er reflektiert eben auf die Formen, in die wir Menschen geworfen sind, so bringt das Ankämpfen gegen ihn notgedrungenermaßen Unheil: Und die aufgeklärte Dame, genährt mit weinerlichen Romanen und Gedichten, heiratete den großen Gauner, der, wie wir später erfuhren, schon zweimal verheiratet war. Nach Verlauf einiger Monate und nach dem er alles Geld, das sie ihm zugebracht, vertan hatte, verließ er sie in Valencia, von wo der unglückliche Vater sie abholte und entehrt, weder verheiratet, noch Witwe, noch ledig, zurückbrachte. Da seht ihr lieben Kinder, wohin die törichte und falsche Ausländerei führt. Großes Mitgefühl hat sie mit dem Leid von Tieren, und sie lässt keine Gelegenheit außer Acht, um gegen Grausamkeiten gegen Tiere zu protestieren. Die Orte, die sie schildert, die Dörfer, die ländlichen Häuser, die Weinlauben, die Gässchen, die Kirchen, alles das schließt ihre Sehnsucht, ihre Zärtlichkeit gleichsam in die Arme – und, ach!, sind ihre Worte immer einfach und sprechen in so einfacher Weise das aus, was jeder um sich gewahr werden kann, nicht ohne immer wieder von einer elementaren Verwunderung, und von Schmerz und Reue ergriffen zu werden: Der spanische Nationalcharakter ist der Feind alles erkünstelten Wesens, er verlangt daher weder, noch erkennt er an, was man in anderen Ländern guten Ton nennt. In Spanien besteht der gute Ton in der Natürlichkeit, denn was hier natürlich ist, ist zugleich auch elegant. (In ihren späteren Werken nimmt nichtsdestotrotz das Gewicht der sittlichen Aussage und Demonstration ein wenig Überhand, und sie treten uns nicht mehr mit demselben primitivistischen Charme und jener Simplizität entgegen, aber das ist wohl bei der fortlaufenden ethischen Intensivierung unvermeidlich, denn auf dem Grunde des Bechers des katholischen Prinzips wartet der heilige Ernst.) Oh, Fernán Caballero! Nährende, tragende, bergende Mutter! Sancta simplicitas, die Einfalt der Sitten, die Reinheit und Selbstidentität und –genügsamkeit der Tugend! In meiner Embryonalstellung liege ich da, im Jammertal, außerhalb des Schoßes der Großen Mutter – das kommt davon, wenn man sich von ihr entfernt; wie dann der Intellektuelle lebenslänglich geneigt ist zu trauern, ob all der intellektuellen Differenzierungen, innerhalb derer er lebt, mithilfe er sich erweitert, ohne jemals glücklich zu sein! Denn das, was jenseits von Differenziertheit und Raffinesse liegt, ist die selbstgenügsame Einfachheit und die monolithische, monotheistische Solidität der harmonischen Sphäre, die die Caballero so anmutig, und darin scheinbar ohne irgendeine Anstrengung oder Vortäuschung in ihren Werken da werden lässt. Natürlich muss man, um all das völlig ernst nehmen zu können, auch ein wenig dumm sein. Diese Dummheit gilt es in sich aufzunehmen. Selig sind die Armen im Geiste. Dererlei spricht die engelhafte Figur über mir, haucht ihren göttlichen Odem über mich und kühlt mich: die heute beinahe vergessene Fernán Caballero! Wir sehen und im neuen Jerusalem!

(Anm.: Fernán Caballero habe ich in Poesie und Nichtpoesie von Benedetto Groce getroffen, dem ich dafür dankbar bin.)

Parerga und Paralipomena zu Schopenhauer

I am reading Schopenhauer. Everyone laughs at that. Beaufret & Alfy etc. But I am not reading philosophy, nor caring whether he is right or wrong or a good or a worthless metaphysician. An intellectual justification of unhappiness – the greatest that has ever been attempted – is worth the examination of one who is interested in Leopardi & Proust rather than in Carducci & Barrés … And it is a pleasure also to find a philosopher that can be read like a poet, with an entire indifference to the apriori forms of verifcation. Although it is a fact that judged by them his generalisations show fewer cracks than most generalisations.

Samuel Beckett

(Letters to Thomas McGreevy, 18 to 25 July 1930 and 21 Sept 1937)

Für August Strindberg war er „ein tiefsinniger Mann, vielleicht der tiefste von allen“. Leo Tolstoi war sich zu dem Zeitpunkt, als er Schopenhauer für sich entdeckt hat, noch nicht sicher, „ob ich nicht einmal meine Anschauung ändern werde, aber jetzt bin ich überzeugt, dass Schopenhauer der genialste Mensch ist“. In der Galerie der Philosophischen Temperamente der großen Philosophen von Peter Sloterdijk wird Schopenhauer am Kürzesten auf weniger als zwei Seiten abgehandelt und es wird im beschieden, dass er mit seiner Philosophie „gegen die Brandung“ gerufen habe. Bestenfalls Geistreiche wie Zeller und Vischer u.v.a.m. bescheiden ihm gönnerisch, dass er (immerhin) „geistreich“ sei und sein Werk voller „geistreicher“ Bemerkungen. – Ja, es ist unmöglich, mit Schopenhauer fertig zu werden! Schau, Günter, ein philosophisches Temperament, sitzt da und versucht, mit Schopenhauer fertig zu werden! Eine Art Rubikswürfel hat er da, er versucht ihn zu lösen, alles in eine finale Position zu bringen, dann hat er Schopenhauer gelöst und ist mit Schopenhauer fertig geworden; doch ach!, am Anfang waren seine Bewegungen schnell und voller Elan, und auch ein wenig jugendlichem Übermut und Arroganz, er hat geglaubt, mit Schopenhauer kann man leicht fertig werden, doch ach, die Welt wird enger mit jedem Tag; zuerst war sie so breit, dass er Angst hatte, er lief weiter und war glücklich, dass er endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass er schon im letzten Zimmer ist, und dort im Winkel steht schon die Falle, in die er läuft! Langsam und bedächtig und mit extrem grüblerischem und angespanntem Ausdruck sitzt Günter mittlerweile da, mit seinem Schopenhauer-Problemlösungswürfel, er sinnt immer noch: eine Umdrehung noch, und dann passt´s! Aber ach! Die Umdrehung gemacht – und alles viel zerstörter als je zuvor! Heillose Unordnung (das Dasein, wie Schopenhauer sagt, eben ein fortwährender Betrug)! Mit Schopenhauer fertig zu werden – das ist unmöglich! Dilthey schreibt davon, dass sich der Fortschritt der Philosophie, die sich mit den ewigen Formen und Problemen beschäftigt, mit dem Fortschritt der Geschichte verwirkliche – doch Schopenhauer steht ganz außerhalb der Geschichte! Uralte Weisheit der Veden und Upanishaden! Die an und für sich nicht wirklich notwendig sind für die Entwicklung der Philosophie von Schopenhauer; ebenso wenig, wie die Philosophie von Kant dafür notwendig ist. Auf die Philosophie von Schopenhauer kommt man zu aller Zeit und an allen Orten der Geschichte einfach nur durch korrektes anschauliches Denken und Empfinden und dem Ziehen von korrekten Konsequenzen daraus. Das ist alles, was man dafür benötigt, und vielleicht gibt es eben auch nur einen in der gesamten Menschheitsgeschichte, der das auch so kann – Schopenhauer! Es ist unmöglich, mit Schopenhauer fertig zu werden! Beckett schreibt an McGreevy, das einzige, was er während seiner Krankheit lesen kann, ist Schopenhauer, und in Alte Meister von Thomas Bernhard sagt Reger zu Wertheimer, dass er nach dem Tod seiner Frau allein Schopenhauer lesen konnte. Für Houellebecq ist Schopenhauer der zentrale Philosoph und er hat einen längeren Essay über ihn geschrieben, der allen, die Houellebcq für (bestenfalls) „geistreich“ halten, das Maul stopfen sollte. Houellebecq schreibt auch (implizit), mit Schopenhauer kann man nicht fertig werden. „Ich kaufte drei Bände von Die Welt als Wille und Vorstellung und habe seit mehr als 40 Jahren immer wieder darin gelesen“, gesteht Charlie Chaplin. Auf die (in etwa) zentrale philosophische Frage Warum gibt es etwas und nicht vielmehr nichts?, auf die Frage nach der urtümlichen demiurgischen Produktivität also, aus der alles stammt und die wir verehren und bewundern, gibt Schopenhauer die Antwort eines geistlosen, wesenlosen, arbiträren und areflexiven, daher tendenziell maliziösen Prinzips, des Willens. Damit entfällt das Problem der Theodizee, also der Frage nach dem Warum? bezüglich des Bösen. Vielmehr stellt sich eher die Frage nach einem Warum überhaupt? des Guten, die sich elegant in etwa so beantworten lässt: Weil ohne ein bisschen Gutes und gute Konstruktivität die Konstruktionen des Willen instantan in sich zusammenbrechen würden! und daher notwendig ist bzw. dass es das reine Gute an sich kaum gibt, vielmehr ist das Ding an sich hinter dem, was gut erscheint, dann halt auch wieder zumeist der Wille! Was will man dagegen einwenden? Dass das „geistreich“ sei (wie die Meisten das natürlich täten)? Nein, mit Schopenhauer kann man einfach nicht fertig werden! Es ist unmöglich, mit Schopenhauer fertig zu werden!

(Bis heute, dem Todestag Schopenhauers, ist die ganze, längere Arbeit über ihn nicht fertig geworden. Sie folgt hier aber in Kürze.)

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„Die Welt ist meine Vorstellung:  – dies ist die Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt“ (WWV, Erster Teilband. S. 29) – Auch wenn hartnäckige Idealisten/Subjektivisten/Solipsisten es leugnen und hartnäckige Materialisten/Realisten/WiderspiegelungstheoretikerInnen es vom anderen Ende her abschneiden wollen, so ist die Welt etwas, was da ist, und jedes lebende und erkennende Wesen in diese Welt eingelassen ist. Gemäß der Möglichkeiten seiner Erkenntnis erkennt es die Welt, die zu einem guten Teil eben seine Welt ist. „Welt“ bezieht sich auf eine Totalität, die uns als solche nicht gegeben ist und als solche für uns nicht verfügbar ist (Markus Gabriel stellt zeitgenössisch zur Disposition, dass es „die Welt“gar nicht gibt (und eventuell kann man sogar (entlang in etwa der Idee im Zusammenhang mit dem Gödelschen Unvollständigkeitssatz) argumentieren, dass eine solche Totalität wie „die (absolute) Welt“ logisch widersprüchlich ist), sondern nur (und zwar auch ontologisch gesehen) jeweilige „Welten“): das erzeugt in dem, nicht nur erkennenden sondern auch denkenden Wesen Frust und Unzufriedenheit, da es gerne wissen würde, was es denn mit „der Welt“ auf sich hat, und wie sie, ein ständig drohendes Ungetüm, denn intellektuell, spirituell, moralisch und auch praktisch denn beherrschbar wäre, wie man sie „in den Griff bekommen“ könnte. Die Möglichkeiten unserer Erkenntnis sind beschränkt, und die Welt wiederum ist (ontologisch) tief, und tiefer als der Tag gedacht: Man lotet sie nie aus, unermüdlich präsentiert sie uns Neues und sich selbst in frischer Geheimnishaftigkeit und Unberechenbarkeit, offensichtlich immer wieder von sich selber überrascht. Diese Tiefe und Geheimnishaftigkeit mag der Mensch mit der Religion erklär- und beherrschbar sich zu machen versuchen, oder auch mit Wissenschaft, Technik, Medizin, Philosophie, Musik, Tanz oder darstellender Kunst; Formen also, in denen sich der Mensch im Hinblick auf seine grundsätzlichen Möglichkeiten grundsätzlich betätigen kann. Begünstigt wie auch beschränkt werden lebende und erkennende Wesen durch die Möglichkeiten ihrer Denk- und Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeiten. Das bezeichnet die Epistemologie, die sich mit den Möglichkeiten und Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit beschäftigt. Die Ontologie versucht das Sein zu bestimmen, wie es denn eben an sich ist. Die kopernikanische Wende in der Philosophie durch Kant bedeutet, dass wir Ontologie, das Sein an sich, nur epistemologisch, also über unsere jeweiligen Erkenntnisformen, feststellen können. Das ist wahr. Das ist unumstößlich und unumgänglich. Die idealistische Position, die ein Übergewicht auf die Epistemologie legt (bis hin zu der Vorstellung, dass es eine Welt außerhalb unserer Wahrnehmung gar nicht gibt, oder sie unabhängig von unserer Wahrnehmung etwas völlig anderes, ungeordnetes wäre) erscheint als die eine bizarre philosophische Verzerrung dieses Wechselverhältnisses, der Realismus/Materialismus, wonach unsere Erkenntnisformen ein bloßes Epiphänomen der Materie und so gut wie keine Autonomie und Eigenständigkeit haben, als eine andere. Bei Kant selbst hat man eine zu starre Fassung des Wechselverhältnisses zwischen Epistemologie und Ontologie; ständig spricht er von (praktisch unveränderlichen) starren Formen, innerhalb derer sich unsere Erkenntnis vollziehe, und in denen sie dann notwendigerweise gefangen bleibe. Tatsächlich ist es so, dass sich die menschliche Erkenntnis, die menschliche Wahrnehmung und die menschlichen Erkenntnisfähigkeiten im Lauf der menschlichen Geschichte massiv gewandelt haben; wir neuerdings, mithilfe raffinierter (und bald bereits wieder antiquiert erscheinenden) Apparaturen Elementarteilen und Gravitationswellen wahrnehmen können, die teilweise von Theorien lange vorher vorhergesagt wurden, genauso wie z.B. die Spurensuche im Teilchenzoo immer wieder von der Theorie vorhergesagte Objekte beim besten Willen nicht finden kann. Das ist einfach eine ganz andere Welt als eine archaische Welt, wo man sich Blitze als etwas vorstellt, das von Göttern auf die Erde geschleudert wird und man ansonsten Elektrizität (oder Radioaktivität etc.) kaum wahrnimmt oder weiß, dass es sie überhaupt gibt, geschweige denn sich erklären kann. Wenn der Mensch lernt, Blitzableiter zu bauen, wird die Welt verändert. Für den Fall, dass wir auf dem einzigen Planeten sind, auf dem es so intelligentes Leben gibt wie das unsere, ist es sogar ein massiver qualitativer Eingriff in das Universum! Usw. Kants kopernikanische Wende ist einerseits fundamental und (welt)erhellend, anderseits recht theoretisch und mit großem Potenzial, auf Abwege zu führen. (Kants Setzung z.B. auch von Raum und Zeit als Formen unserer Erkenntnis lässt auch außer Acht, dass es Raum und Zeit in der makrophysikalischen Realität eben gibt; gegenwärtig wird das gerne einmal mit Bezug auf die Quantenmechanik geleugnet (da es auf der Quantenebene Raum und Zeit (zumindest so, wie wir sie kennen) offensichtlich nicht gibt oder sie keine Rolle spielen); dabei wird irgendwie angenommen, dass die Quantenrealität die „eigentliche“ Realität sein solle (anstatt halt eine andere, noch nicht wirklich interpretierbare Realitätsebene), für eine solche Annahme gibt es aber eigentlich keinen Grund. Auch ist man (als Idealist) mit der Trennung zwischen Erscheinung und „Ding an sich“ fein raus, wenn die Erscheinung eben per se als (bloße) Erscheinung gefasst wird, und das Ding an sich per definitionem als unerkennbar: egal, wie viel erkannt wird und wie subatomar die Untersuchungsebene – man kann immer wieder von neuem behaupten: Ja, aber das Ding an sich ist das noch nicht!) Sein und Bewusstsein sind – so viel kann man wohl behaupten – interdependent, Erkenntnis und Welt, Epistemologie und Ontologie ein Wechselverhältnis oder, fatalistischer gefasst, eine Möbiusschleife. „Idealismus und Materialismus beziehen sich reziprok aufeinander und beide beziehen sich auf das Wirkliche oder sind mit ihm identisch – während sich das Wirkliche nicht auf sie bezieht oder sich absolut von ihnen unterscheidet.“ (Francois Laruelle: Das Reale gegen den Materialismus in Armen Avenessian (Hg.): Realismus Jetzt, S. 202) – damit könnte man die Metaphysik von Arthur Schopenhauer bezeichnen, die weder materialistisch noch idealistisch ist, sondern Erkenntnis und Welt gleichermaßen als real und interdependent auffasst, darüber hinaus als das Ding an sich, die Welt an sich, das Wirkliche als etwas fasst, was damit absolut identisch ist und sich nicht auf sie bezieht und sich absolut unterscheidet: den blinden Willen. Schopenhauer ist dabei ein großer Freund der Erkenntnis, da sie hilft, die elementare Finsternis des bloßen Daseins zurückzudrängen: „Die Dunkelheit, welche über unser Dasein verbreitet ist, … diese Dunkelheit, die eben daß Bedürfniß der Philosophie herbeiführt und deren sich die philosophischen Geister in einzelnen Augenblicken mit einer solchen Lebhaftigkeit bewußt werden, daß sie den anderen als beinahe wahnsinnig erscheinen können: diese Dunkelheit des Lebens also muß man sich nicht daraus zu erklären suchen, daß wir von irgend einem ursprünglichen Licht abgeschnitten wären, oder unser Gesichtskreis durch irgend ein äußeres Hindernis beschränkt wäre, oder die Kraft unseres Geistes der Größe des Objekts nicht angemessen wäre; durch welche Erklärung alle jene Dunkelheit nur relativ wäre, nur in Beziehung auf uns und unsere Erkenntnißweise vorhanden. Nein, sie ist absolut und ursprünglich: sie ist daraus erklärlich, daß das innre und ursprüngliche Wesen der Welt nicht Erkenntniß ist, sondern allein Wille, ein erkenntnißloses. Die Erkenntniß überhaupt ist sekundären Ursprungs, ist ein Accidentelles und Aeußeres: darum ist nicht jene Finsterniß ein zufällig beschatteter Fleck mitten in der Region des Lichtes; sondern die Erkenntniß ist ein Licht mitten in der grenzenlosen ursprünglichen Finsterniß, in welche sie sich verliert.“ (zitiert in Volker Spierling, Schopenhauer ABC, „Dunkelheit des Lebens“ S. 52f.) Das ist wichtig! Die Welt an sich ist dunkel! Die Welt ist konfus. Die Welt will eventuell etwas, weiß aber nicht genau, was sie will! – Durch Erkenntnis und Bewusstsein immerhin kann allerdings das Subjekt ein wenig seine Welt erhellen und gestaltend in sie eingreifen, daher gilt es, Erkenntnis und Bewusstsein zu erweitern und zu vertiefen. Bereits früh interessiert sich Schopenhauer für die Möglichkeit eines besseren Bewusstseins. Das normale, empirische Bewusstsein des Menschen, das die empirische Welt anschaut, die dem Satz vom Grunde unterworfen ist, erkennt einfachere oder weitläufigere, richtigere oder falschere (auch im Theoretischen) praktische Ursache-Wirkungszusammenhänge und findet sich so mehr oder weniger gut in der Welt zurecht. Sein Interesse ist vorwiegend praktisch und gilt dem praktischen Weltvollzug, damit steht es in einem Zusammenhang mit Egoismus und Rohheit des Willens. Ein besseres, transzendentes Bewusstsein bezieht sich auf die Überschreitung der Welt und des Subjekts, letztendlich sogar der Subjekt-Objekt-Dichotomie. Ein solches besseres Bewusstsein hat es zu aller Zeit und in allen Kulturen gegeben, und ist wohl hauptverantwortlich dafür, dass es Zeit (Geschichte) und Kultur überhaupt gibt. Es muss jedoch immer wieder neu erworben und formuliert werden, und Schopenhauers Philosophie ist eine Formulierung eines solchen besseren Bewusstseins. Das bessere Bewusstsein etabliert sich für Schopenhauer über reine, ichlose und willenlose Erkenntnis. Diese „Erkenntnis an sich“, die kein empirisches Interesse hat, sieht somit auch Ding an sich (oder bekommt zumindest eine deutlichere Vorstellung davon); indem es der willensgeleiteten Erkenntnis enthoben ist, triumphiert sie über den Willen, hat sich damit in ihrem eigenen Telos/Willen selbst ergriffen und bestätigt und genügt sich selbst. Darin ist die Erkenntnis selig. Selig wird die Erkenntnis, wenn sie empirisch erkennt, dann hat sie ihr Ziel erreicht und Meisterschaft gewonnen. Im besseren Bewusstsein ist die Erkenntnis jenseits des Empirischen, sie ist transzendent, sieht die Dinge an sich und die ewigen Formen, die „platonischen Ideen“, und ruht somit, siegreich vollendet, in ihrer eigenen Idee und Ewigkeit und ist eins mit ihrem eigenen Telos: sie hat sich selbst überwunden, indem sie sich selbst bestätigt hat. Ja, all das kenne ich (mittlerweile) sehr gut, denn auch ich habe das bessere Bewusstsein und das allsehende Auge und sehe in eine höhere Dimension gegenüber der empirischen Welt, die dem Satz vom Grunde unterworfen ist. Wollt ihr wissen, wie der Blick in die Ewigkeit aussieht? (Ja?? Echt??) Der Blick in die Ewigkeit zeigt ein einfaches quadratisches Raster inmitten von/über einem (annähernd) Weiß (einer Art Wolke), eine Art Karte und Koordinatensystem; es ist nicht starr und eisern, aber solide; ich denke, das Raster macht das Denken und das Erkennen auf einfachste Form gegenüber der reinen Undifferenziertheit des Weiß möglich, indem es grundsätzlichste, einfachste Formen ausschneidet, die dann weiter besetzt und belebt werden können, ansonsten kommuniziert es nicht und ist indifferent und eine Ordnung, die sich nicht um uns bekümmert (und das ist sehr gut so, denn ich mag diese beredte Schweigsamkeit der Objekthaftigkeit). Das ist die Ewigkeit! Dann gibt es gleichzeitig in diesem Bewusstsein eine Vision von einer ungeheuren Dynamik und Vernetztheit, extradimensionalen Durchgängen und hyperdynametischen Formen, die auftauchen und wieder verschwinden, inmitten des großen Potenzials, das in ihnen und außerhalb ihrer lebt. Es ist der Phasenraum des empirischen Bewusstseins, die Menge aller möglichen Zustände seines dynamischen Systems. Zugänglicher gesagt, sieht das bessere Bewusstsein Schönheit, Gesamtzusammenhang, Harmonie, Facetten, Möglichkeit und Potenzial, während Menschen des empirischen Bewusstseins dies in der Regel nicht tun, dabei aber dauernd irgendwas wollen, was sie also anfällig macht für Neurosen, Stress, Täuschung/Wahn, ideologischen Fanatismus, extremen Subjektivismus und einen destruktiven Lebensstil. Umgekehrt kann natürlich auch das bessere Bewusstsein destruktive Folgen (für dessen Träger) nach sich ziehen, wenn es an der Welt des empirischen Bewusstseins immer wieder zerschellt und ganz grundsätzlich in Frage gestellt wird, in der empirischen Welt als eine Absurdität erscheint. Schopenhauer spricht von einer ewigen Duplizität zwischen dem empirischen Bewusstsein, das die Welt, die dem Satz vom Grunde unterworfen ist, anschaut, und dem besseren Bewusstsein, das die ewigen Formen und Dynamiken anschaut. Tatsächlich ist es so, dass die beiden nicht so gut zusammengehen, und sie in ihrer möglichen Liebe zueinander so behindert sind wie Brauner Bär und Weiße Taube, die vom wilden Wasser getrennt sind. Ansehen und einander Küsse zusenden können sie zwar, sich aber nicht gut vereinigen. Das bessere Bewusstsein, das den großen Schaltplan sieht, das die große Karte ist, trifft in eben jener empirischen Welt auf ein begrenztes, kompartmentalisiertes Gebiet und kann sich diesen engen Schuh nicht anziehen und diesen engen Hut nicht aufsetzen und muss daher in ungenügenden Kleidern oder selbstgemachten Fetzen durch die empirische Welt streunen. Das empirische Bewusstsein verfügt gemeinhin gar nicht über die entsprechenden mentalen Repräsentationen, mithilfe derer es überhaupt auf die Idee kommen könnte, die Ewigkeit und die transzendenten Formen anschauen zu wollen. Und doch! Sind die Möglichkeiten und Anschauungsformen und Hoffnungen und Sehnsüchte des jeweils einen im jeweils anderen ja ganz und gar vorhanden! Praktisch jeder ist Philosoph (und religiöses Wesen), und gleichzeitig (mit der Ausnahme von evtl. Schopenhauer und zwei, drei anderen) praktisch niemand. Das empirische Bewusstsein ist analytisch („analytisch“) und sieht die Einteilungen; sein Problem ist, dass es sich in diesen Einteilungen zu gut einrichten mag und aus diesen Schrebergärten nicht mehr raus will, oder sehr verärgert werden kann, wenn einer versucht, das zu tun. Das (transzendent-synthetische) bessere Bewusstsein sieht nur ein seliges weites Feld, dabei besteht aber die Gefahr, dass es sich in diesen elysischen Feldern verliert und in die Welt von dort aus nicht mehr eingreift. Aus der Sicht des besseren Bewusstseins kann die gesamte Welt und ihr Verlauf genauso gut als eine Art Rausch oder Traum oder lustiges Farben- und Formenspiel erscheinen, was sie dann aber dann doch wieder, empirisch, nicht ist. Oder eben, aus der Sicht von Schopenhauer, als Anlass zum Pessimismus und zur Entsagung von jeglicher Politik. Oder eben, z.B. aus der Sicht der Religion oder der Esoterik, wo das bessere Bewusstsein überall Licht sieht, teilweise in narzisstischer und größenwahnsinniger Täuschung über sich selbst und seine eigenen Möglichkeiten, dass es die grundsätzliche Dunkelheit des Seins nicht anerkennt (und somit zum Phantasma wird). Es geht daher darum, das empirische Bewusstsein und das bessere Bewusstsein zusammenzudenken und zu vereinigen! Das bessere Bewusstsein erweitert die Grenzen des empirischen Bewusstseins und relativiert es positiv; das empirische Bewusstsein hilft dem besseren Bewusstsein, sinnvolle Grenzmarkierungen und interne, analytisch zugängliche Territorien zu errichten und so einen dauernden Weltbezug herzustellen. Nicht das bessere Bewusstsein ist das Absolute, sondern die Synthese von besserem Bewusstsein und empirischem Bewusstsein. Die Synthese von besserem Bewusstsein und empirischem Bewusstsein hat tatsächlich kein Außen mehr und auch kein inneres Loch mehr. Es sieht die Spiegelung von Ewigkeit und der empirischen Welt im unendlichen Saal von Spiegeln und die Unendlichkeit in der uns einzig zugänglichen Form: der fraktalen Geometrie der Selbstähnlichkeit, in die man sich beliebig rein- und rauszoomen kann. Die Welt, die über diese Synthese angesehen wird, wie das Subjekt, das sie ansieht, sind dann gleichermaßen solche fraktalen Geometrien. Das ist dann das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt. Und ICH werde es sein, der diese notwendige Synthese von empirischem Bewusstsein und besseren Bewusstsein dargetan hat! ICH, ICH, ICH, ICH, ICH! HAHAHAHAHAHA! Das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt (ihre fraktale Geometrie der Selbstähnlichkeit in Differenz und Wiederholung).

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„Im unendlichen Raum zahllose leuchtende Kugeln, um jede von welchen etwan ein Dutzend kleinerer, beleuchteter sich wälzt, die inwendig heiß, mit erstarrter, kalter Rinde überzogen sind, auf der ein Schimmelüberzug lebende und erkennende Wesen erzeugt hat: – dies ist die empirische Wahrheit, das Reale, die Welt.“ (WWV, Zweiter Teilband, S. 9) – ach, dieser Auftakt zum zweiten Teilband der Welt als Wille und Vorstellung hat mich stilistisch immer begeistert! Die empirische Welt also, das Reale, das da ist: wieso gibt es das? Warum gibt es etwas, und nicht vielmehr nichts? Was ist die Große Produktivität, das lebensspendende Prinzip, dass wir alle so zu verehren geneigt sind? Auf diese zentrale philosophische/theologische Frage gibt Schopenhauer die Antwort eines blinden „Willens“ als produktiven Agens, als schöpferisches Urprinzip, das gleichzeitig in allen Manifestationen der realen Welt, den Erscheinungen, tätig und präsent ist – die Welt des Willens ist keine Hinterwelt, kein himmlisches Reich (oder kein höllisches), kein Jenseits, das vom Diesseits ontologisch geschieden wäre, sondern es ist eben die empirische Welt. Inwieweit nun der Wille, wie von Schopenhauer meistens behauptet, tatsächlich das „Ding an sich“ hinter den Erscheinungen ist, wird auch von Schopenhauer selbst hin und wieder kritisch kontempliert. Das „Ding an sich“ ist eben an sich unerkennbar, es teilt sich über die Erscheinungen mit, über die Zusammenhänge, in denen es erscheint und die es stiftet, über die Sinnhaftigkeiten, die es produziert u. dergl. mehr. Da es jenseits aller Erfahrung liegt, ist es allein hermeneutisch bestimmbar, nicht aber eben „an sich“; und im Rahmen der Schopenhauerschen Daseinshermeneutik erscheint es eben als „Wille“. Das schließt nun aber nicht aus, dass sich hinter dem, was als Wille erscheint, etwas letztendlich anderes verbirgt – und zwar möglicherweise gar kein Prinzip oder eben Ding an sich, sondern vielleicht eher ein Zusammenspiel von Kräften, das einigermaßen planlos und zufällig ist. – Als Wille erscheint das eventuelle Urprinzip in unserer Vorstellung durchaus, wenn wir die Welt der Lebewesen betrachten. Lebewesen regen sich und wollen irgendwas, zumindest ihr eigenes Überleben und ihre Fortpflanzung. Offenbar will sich dieses Leben dort und da weiterentwickeln, in Form von anderen/höheren Lebewesen, die im Rahmen der Evolution produziert und aussortiert werden. Der biologische, körperliche Leib ist bei Schopenhauer der unmittelbare Ausdruck des Willens (WWV, Erster Teilband, §18). Leben erscheint unmittelbar als der Wille zum Leben. Die Frage, was Leben ist, ist nun sehr tiefsinnig und schwierig. Leben, wie wir es kennen, hängt grundsätzlich ab von Informationsverarbeitung (die in der DNA codiert ist) und der Umwandlung von Energie. Zellen beinhalten den genetischen Code und wandeln permanent Energie um. Ohne dauernde Zufuhr von Energie über Sonnenlicht, Nahrung, Atmung, ihrer Umwandlung und die Ausscheidung von den entsprechenden Residuen (die dann wieder als Dünger für andere Lebensformen wirken können), wird auch der penetranteste Wille zum Leben schnell frustriert und muss aufgeben (die Frage, warum die Evolution offenbar anti-entropisch ist und dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zu widersprechen scheint, indem sie von Zuständen niedriger Ordnung zu Zuständen höherer Ordnung übergeht, lässt sich so beantworten, dass für die Herstellung von Ordnung Energie notwendig ist, und die Sonne eben ein gewaltiger Energielieferant ist). Der Biochemiker Albert Szent-Györgyi bezeichnet Leben als „nichts weiter als ein Elektron, das einen Ruheplatz sucht“. Als das „Ding an sich“, das in erster und letzter Instanz hinter der Entwicklung des Lebens auf der Erde steht, hat man also tatsächlich eine blinde Produktivität: die Energie des Sonnenlichtes. Dafür, dass sich komplexes oder eben menschliches Leben entwickelt, sind dann aber sehr viele verschiedene – und gänzlich voneinander unabhängige – Faktoren und ihre Abstimmung untereinander notwendig (oder zumindest sehr hilfreich): Das Klima und die chemische Beschaffenheit (bzw. eben das Vorhandensein) der Atmosphäre (beides war zu den meisten Zeiten der Erdgeschichte recht verschieden von den derzeitigen Verhältnissen); die Ekliptik; plattentektonische Vorgänge; ein spezifisches Magnetfeld (das die kosmische Strahlung abschwächt); der Umstand, dass der Planet von allzu starkem oder häufigen Meteoriteneinschlägen verschont bleibt (wofür wir uns beim Jupiter, der mit seiner Gravitationskraft Asteroiden von uns ablenkt, bedanken können). Grundsätzlicher: Ein ausreichendes Vorhandensein von schwereren Elementen, die über Supernovae produziert und in den Weltraum geschleudert werden und die somit in jüngeren Stadien des Universums und in den weiter vom galaktischen Zentrum entfernten Regionen so nicht gegeben ist – näher beim galaktischen Zentrum wiederum wird die Strahlenbelastung hoch und (anzunehmenderweise generell) lebensfeindlich: 40 Milliarden erdähnliche Planeten soll es allein in der Milchstraße geben, die (anzunehmenderweise) habitable Zone der Galaxis ist dabei wohl deutlich kleiner. Dass auf solchen erdähnlichen Planeten vielfach Leben existiert, lässt sich annehmen: Allerdings nur im Falle von sehr einfachem, prokaryotischem Leben. Prokaryotisches Leben (auf unserem Planeten Bakterien und Archaeen) entwickelt sich evolutionär aber nicht: Bakterien und Archaeen haben sich im Laufe von Jahrmilliarden nicht weiter/höher entwickelt. Evolution ist die Domäne von Eukaryoten. Dass sich eine eukaryotische Zelle überhaupt bildet, scheint jedoch ein unerhörter und praktisch absoluter Zufall zu sein: Alles eukaryotische Leben geht offenbar auf einen Urahn zurück, eine einzige Zelle, die vor Jahrmilliarden, bereits einigermaßen komplex entwickelt und ohne offensichtliche evolutionäre Vorläufer, auf einmal da war – das ist die Urmutter allen komplexen Lebens und, darauf bezogen, das „Ding an sich“. Offensichtlich war sie die Verschmelzung eines Archaeons und eines Bakteriums, für die sich über die Kombination ihrer jeweiligen spezifischen Eigenschaften neue und flexiblere Lebensmöglichkeiten ergeben haben. Dass es zu einer solchen Verschmelzung, einer Endosymbiose, kommt, ist aber sehr, sehr unwahrscheinlich und offenbar ein wahrhaft verrückter Zufall. Insgesamt scheint die Evolution eine gewisse Folgerichtigkeit zu haben, ihr konkreter Verlauf ist aber wohl stark vom Zufall abhängig, und dass der Mensch so existiert, wohl auch nur ein völliger Zufall (die Urmutter und ihre Handvoll Nachkommen haben überlebt – wobei es allerdings nicht unwahrscheinlich ist, dass sich aus Sauriern oder Vögeln menschenähnliche Wesen entwickelt hätten: nur eben keine Affen-Menschen sondern Saurier- oder Vogel-Menschen). Trotzdem man seit Jahrzehnten den Himmel danach absucht, hat man bislang keine Anzeichen für eine andere höhere Zivilisation im Universum gefunden, obwohl sich eine solche doch wohl irgendwie (zumindest über Radiosignale) bemerkbar machen müsste. Das Fermi-Paradox: Wenn das Universum so groß ist und voller Leben sein müsste – wo sind dann die Außerirdischen? Wie man sieht, scheint es kaum ein substanzielles „Ding an sich“ hinter dem Leben auf der Erde zu geben: Außer der Zufuhr von Energie als speisender Quelle (darin dem „Willen“ tatsächlich nicht unähnlich), stößt man auf mannigfaltige Kombinationen von Qualitäten, die einander meist gar nichts angehen, und die zufällig und prekär ausreichend aufeinander abgestimmt sind, dass sie Leben in bestimmter Form ermöglichen. – Soweit zur Biologie. Was aber in der Biologie so ist, scheint in der Physik kaum anders zu sein, also der Domäne, die, grundsätzlicher, Materie untersucht, Kräfte und deren Felder und die Frage, warum es das Universum überhaupt gibt. Schopenhauer betrachtet auch die Materie und die Kräfte als Manifestationen des Willens. Der Ursprung des Universums wird heute im Urknall gesehen; was der Ursprung des Urknalls sein soll, weiß man nicht. Vielleicht eine grundsätzliche Manifestation des Willens (der sich selbst will). Man vermutet, dass der leere Raum über eine gewaltige Energie verfügt, die sich möglicherweise transformiert; so war der Urknall vielleicht eine Art chemische Reaktion, in der irgendwas zusammengekracht ist und eine Explosion verursacht hat (am Anfang und als Ding an sich also wiederum Energie). Roger Penrose (der Held meiner Kindheit) vermutet Energie-Entropie-Umwandlungszyklen, die immer wieder neue Urknalle produziert und somit ein zyklisches, sich regenerierendes Universum. Die zur Zeit anerkannteste Theorie dazu ist die der kosmischen Inflation, wo die Anwesenheit eines Quantenfeldes die Initialzündung zur kosmischen Expansion bildet. Dass das Universum überhaupt Leben oder, viel grundsätzlicher, Materie oder auch seine eigene Existenz ermöglicht, beruht auf einer unglaublich harmonischen Abstimmung der Kräfte und der Naturkonstanten untereinander, die ebenfalls extrem unwahrscheinlich ist. Irgendeine geringfügige Änderung, und das Universum würde entweder implodieren oder explodieren, stabile Materie wäre gar nicht möglich etc. Das Problem der Feinabgestimmtheit des Kosmos ist eines der großen Rätsel der Wissenschaft. Wie ein blinder Wille so was zusammenbringen sollte (und warum er sich überhaupt in den platonischen Ideen manifestieren sollte), scheint ganz unverständlich; eher noch wird da eine Brücke zum Theismus oder dem Intelligent Design gelegt. Ich nehme an, dieses Rätsel wird sich, wie die meisten anderen naturwissenschaftlichen Rätsel, schließlich in eine Banalität auflösen (dass wir auf die Lösung dieses Rätsels vielleicht noch 300 Jahre warten müssen und sie zwei Generationen darauf in der Schule als Allgemeinwissen gelehrt werden wird, ändert nichts daran). Die zur Zeit aussichtsreichste Theorie, mit denen man tiefer in die Geheimnisse der physikalischen Welt eindringen könnte, ist die Superstringtheorie. In der Superstringtheorie sind Teilchen, Kräfte, Naturkonstanten interessanterweise keine fixen Größen, sondern ergeben sich (in ihren Verhältnismäßigkeiten) als Lösungen der Gleichungen der Stringtheorie. In klassischem Verständnis werden Naturgesetze über Gleichungen ausgedrückt, und wie sich Objekte verhalten (wie groß z.B. die Gravitationskraft zwischen Körpern von bestimmter Masse und Entfernung ist), sind die jeweiligen Lösungen dieser Gleichungen; ihr Möglichkeitsraum ist unendlich. In der Stringtheorie sind jedoch die Naturgesetze Lösungen von Gleichungen und abhängig von den Dimensionen des mathematischen Raumes, in dem diese Lösungen gefunden werden können. Der mathematische Raum all dieser Lösungen in der Stringtheorie scheint von einer Komplexität, die jegliches Vorstellungsvermögen sprengt. Er wird „the landscape“ bezeichnet, obwohl er zumeist eine, aufgrund ihrer Komplexität, unbegehbare Wildnis, ein Dschungel ist, mit unserem feinabgestimmten Universum als einem kleinen, geordneten Außenposten. Unser Universum: Eine kleine Oase also inmitten einer unermesslichen Wildnis, die vielleicht nur als mathematischer Raum existiert, eine Lichtung des Seins. Ich muss schon sagen, „the landscape“ ist das Beste, was ich in den letzten Wochen gehört habe – vielleicht sogar das Ding des Jahres, das ich gehört habe! The landscape! Wo fast alles unter dicken Schichten von undurchdringlicher, offenbar sinnloser Komplexität begraben liegt, nur halt unser kleines Universum nicht. Das muss ich sehen! Da muss ich hin!

(Anm.: Für etliches dieser Ausführungen muss ich mich bedanken, bzw. verweise auch gerne auf: Der Funke des Lebens von Nick Lane, Cosmo Spaiens von John Hands und Die Physik des Unmöglichen von Michio Kaku.)

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Die Physikerin Sabine Hossenfelder lehnt die Tendenz bei „den Philosophen“ ab, sich die Genese von Wissenschaft immer wieder so zu erklären, von wegen: weil ein Wissenschaftler auf einen anderen getroffen sei und dann was gesagt worden sei; sprich, die Genese von objektiven wissenschaftlichen Wahrheiten oder zumindest Theorien auf subjektive Einstellungen bei den Wissensproduzenten zurückzuführen. Dass Schopenhauer die Welt als Wille und Vorstellung erscheint (was eben durchaus eine gewisse – vielleicht sogar die letztendliche – objektive Gültigkeit hat), scheint aber natürlich auch damit im Zusammenhang zu stehen, dass Schopenhauer im abnormen Grade Vorstellungsvermögen war, als eben auch Wille. Ein genialer, vorstellender, alles umspannender, konnektiver und anti-egozentrischer Intellekt, der gute Zusammenhänge – ja, eben sogar den guten Zusammenhang – herstellen will – und dann ein ausgesprochen monadisches Individuum, das Träger dieses Intellektes ist! Dass Schopenhauer, wie Russell in seiner Philosophie des Abendlandes meint (S. 767), abgesehen von seiner Tierliebe, sich in allen Beziehungen sich als reiner Egoist erwiesen habe, ist womöglich übertrieben (wenngleich nicht von der Hand zu weisen); andere, die Schopenhauer gekannt hatten, haben hingegen gemeint, er sei einer der besten Menschen überhaupt gewesen, und, „so gering er auch von seinen Mitmenschen gedacht hat“, trotzdem „voller Mitleid“ für sie gewesen. Der Wille war nun aber bei Schopenhauer ebenso eine Gewalt, die über ihn hinausgegangen ist, wie der Intellekt. Einen starken, unbedingten Willen zur Selbstbehauptung hat man da, und ein reizbares, unkontrolliertes Temperament. Seine mieselsüchtige Philosophie hat, wie gesagt, angesichts der Mieselsüchtigkeit der Welt einigermaßen Berechtigung und objektive Gültigkeit. Andererseits steht sie doch in einem Zusammenhang mit einer bekanntermaßen mieselsüchtigen und grantigen Persönlichkeit. Eventuell hatte Schopenhauer eine paranoide Persönlichkeitsstörung, zumindest aber eine Persönlichkeit, die einer solchen Veranlagung nahe kommt. Das Hauptmerkmal einer paranoiden Persönlichkeitsstörung ist, neben krankhaftem Misstrauen, eine geringe Resilienz gegenüber echten oder eingebildeten Zurücksetzungen und Kränkungen. Wenn man sieht, welchen rasenden Groll Schopenhauer entfaltet auf Hegel et al., kann man früher oder später nicht umhin, darin etwas Krankhaftes wahrzunehmen. Seine Polemiken gegen die Universitätsphilosophie etc. haben zwar Berechtigung und verschaffen, auch ganz unabhängig davon, einen gewissen Lesegenuss, müssen letztendlich aber auch auf den sympathetischen Betrachter als zwanghaft und obsessiv anmuten – vor allen Dingen, wenn man sie auch in seinen privaten, nicht unmittelbar zur Veröffentlichung bestimmten Notizen antrifft, und außerdem bis zuletzt, als der Nil in Kairo angelangt war, und Schopenhauer seine Anerkennung erhalten hatte. Vielmehr kann man darin das Bestreben erkennen, seine „Gegner“ auch rückwirkend – sich nicht mehr gegen sie zu verteidigen, sondern – zu demütigen. Im Zentrum der Pathologie einer paranoiden Persönlichkeitsstörung scheint (zumindest bei gewissen Subtypen) ein ausgeprägtes Macht- und Dominanzstreben zu stehen (also eben ein pathologischer Wille), bei dem nicht immer klar sein mag, inwieweit es reaktiv oder aktiv ist (also ein reaktiver Egoismus als Echo auf erlebte Frustrationen, z.B. ungenügende mütterliche Zuwendung in der frühen Kindheit, oder eben ein tatsächlich aktiver, sich aus sich selbst heraus speisender Egoismus). Seine kaum zu bändigende Beleidigtheit über sein verkanntes Genie scheint ja auch in einem Zusammenhang zu stehen mit einem kaum zu bändigenden Geltungsbedürfnis (das aber freilich mit einem herkömmlichen Geltungsbedürfnis wenig zu tun hat). Schopenhauers ausladende Beschäftigung mit dem Genie ist zwar dem Umstand geschuldet, dass er ein solches in hohem Grade war und seine Erkenntnisse dazu von höchstem und realem Wert sind, von Überheblichkeit und Arroganz (oder zumindest mangelnder Bereitschaft zur Selbstironie) sind sie aber nicht frei. Zänkisch war Schopenhauer, streitlustig, „das Fremde, ihm Heterogene kann er nicht so einfach gelten lassen“ (Rüdiger Safranksi: Schopenhauer und Die wilden Jahre der Philosophie, S. 145) und ein offenkundiges intellektuelles Dominanzstreben machte sich an ihm bemerkbar (einhergehend freilich mit guten und ursprünglichen intellektuellen Motiven, wie eben Neugierde und der Begierde, Dinge richtig zu sehen und falsche Ansichten zu korrigieren). Exzessiver Neid und exzessives Anspruchsdenken sind weitere Merkmale der paranoiden Persönlichkeit; speziell bei seinem ewigen Thema „Hegel“ ist Neid auf dessen Arriviertheit kaum zu übersehen (im Abschnitt Ueber Urtheil, Kritik, Beifall und Ruhm in den Parerga und Paralipomena ist der längste Paragraph – auch wenn so viel Wahres drinnen steht – der über Neid). Die Polemiken von Paranoiden sind immer wieder von schauderhafter verbaler Brutalität, und auch die literarische Eleganz, oder vielmehr noch, die Ursprünglichkeit seiner genialen Sprache, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass man sich, wie sein Verleger Brockhaus, immer wieder fragen muss, ob man es bei Schopenhauer mit einem Philosophen oder einem Pferdekutscher zu tun hat (oder mit einem Waschweib, das von einem die Treppe runtergeworfen wird) (ein unzulänglicher Vergleich übrigens, da Pferdekutscher oder ein Waschweib zwar eine primitive, nicht aber notwendigerweise eine schmähende Sprache führen mögen). Sein Humor bleibt letztendlich grimmig, und verleiht nur seinem Geist Flügel, nicht aber seinem Temperament. Mit seinem Temperament stand Schopenhauer nicht über den Dingen, sondern blieb (einigermaßen) tief in die Dinge verstrickt. Nicht zuletzt in Schopenhauers tiefsinnigster und verstörendster Schrift – Ueber Lerm und Geräusch – scheint eine hohe generelle Irritierbarkeit bei Nichtigkeiten (inklusive dem fröhlichen Getriebe der Welt) zum Vorschein zu kommen. Schopenhauers Insistieren darauf, dass der individuelle Charakter zeit des Lebens unveränderlich sei, mag auch mit Inflexibilitäten und Beengtheiten seines eigenen Charakters zu tun gehabt haben (normalerweise würde man bei Menschen ein gewisses psychologisches Entwicklungspotenzial vermuten). Johanna Schopenhauer hatte charakterliche Mängel, die Gründe für das Zerwürfnis mit der Mutter sind aber natürlich auch bei Arthur selbst zu suchen, der seinerseits wenig für die Bedürfnisse der Mutter übrig hatte und offenkundig bestrebt war, Dominanz über sie auszuleben und nach dem Tod des Vaters dessen Platz einzunehmen und sie sich ihm unterzuordnen (so wie sich die Mutter, vor allen gegen Ende ihres Lebens die sanftmütigere und weniger widerspenstige Tochter Adele untergeordnet hat und wenig Rücksicht auf deren Bedürfnisse genommen hat – ob Schopenhauer ob all der Schwierigkeiten seines Charakters dabei in einer solchen, letztendlich charakterlosen Weise mit einer Frau, oder mit irgendjemandem, umgegangen wäre, ist aber fraglich und aus seinem Leben nicht bekannt). Dass Schopenhauer tatsächlich paranoid gewesen wäre, geht so aus seinen Lebensbeschreibungen bei all dem übrigens nicht hervor, sehr misstrauisch war er allerdings – vor allen Dingen aber hat seine exzessive Ängstlichkeit dann doch eine gewisse Nähe zur Paranoia (seine vehemente und ganz mitleidlose Opposition gegenüber der Revolution von 1848 scheint neben philosophischem Misstrauen gegenüber demokratischer „Pöbelherrschaft“ und dem  gewissen impliziten Konservatismus seiner Philosophie in erster Linie der Angst geschuldet gewesen zu sein, die „Kommunisten“ mögen an die Macht kommen und ihm sein Vermögen aus seiner Erbschaft wegnehmen). – Insgesamt hat man bei Paranoiden einen Mangel an konstruktiver Emotionalität. Sie sind grantig und mieselsüchtig, zornig und reizbar, und tun sich schwer, tragfähige Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, beziehungsweise überhaupt ein emotional erfülltes und reichhaltiges Leben zu führen. Emotionale Erfülltheit kommt bei Schopenhauer nicht vor, in seiner Philosophie schwingt das Pendel des Lebens berüchtigterweise zwischen Schmerz (bei ungedeckten Bedürfnissen) und Langeweile (bei gedeckten Bedürfnissen). Schopenhauer war sehr wohl in der Lage, Erfüllung zu finden und sich nicht zu langweilen, allerdings eher über seinen Intellekt, weniger über seine Emotionalität: Russell meint, Schopenhauer hätte keine Leidenschaften gehabt – da wirft er wieder etwas hin, was sich nicht leicht beantworten lässt (in jüngeren Jahren war Schopenhauer immerhin aber recht sportlich). Paranoide, und überhaupt alle Menschen mit Persönlichkeitsstörungen haben als Asset, dass sie gewisse Dinge und Aspekte des Lebens schärfer wahrnehmen, bestimmte Dinge besser antizipieren und sich in bestimmten Situationen besser zurechtfinden können – in den meisten anderen aber nicht: Eben in jenen, die ihrer verzerrten Persönlichkeit entsprechen, nicht aber in solchen, wo dies nicht der Fall ist, und schon gar nicht dort, wo ihre Persönlichkeit tatsächliche Mängel und Inkompetenzen aufweist. Wenn Menschen mit Persönlichkeitsstörungen genial sind, mögen sie über ihre Verzerrtheiten die Verzerrtheiten der Menschheit an sich klarer sehen. Eigenartig ist, wie Schopenhauer als Mensch wenig greifbar erscheint (was allerdings auch der Geschlossenheit und Berechenbarkeit seiner Philosophie zugutekommen mag). Wie hat man sich Schopenhauer vorzustellen? Im Englischen Hof soll er mit seinem Haarkranz, seiner Kleidung und seinem Gebaren eine barocke Erscheinung abgegeben haben, wie aus der Zeit gefallen. Herrlich! Vielleicht würde man sich den großen Philosophen und Weltweisen anders vorstellen als Schopenhauer. Allerdings, eine grantige, markige Figur, unnahbar, autoritär, eine höhere Macht und mit kantigen Urteilen – wie soll der große Philosoph, der Weltweise auch groß anders sein? „Sobald der große Philosoph die Sonn uffgeh sah, nahm er ehrerbietigst sein Hut ab und hat sich vor err verbeugt … Äämal, am e Januar-Morjen, stieg die Sonnenscheib blutigrot hinner Offebach hervor, wie es uns begegend is und in gewohnter Weis der Kenigin des Tags sei Reverenz gemacht hat. Die Resi, die jiingst von de drei Mädercher, hielt den Äägeblick for geeigend, emal sein Pudel liewevoll zu streichele. Kaum awwer hat des der Weltweise bemerkt, hat er ääch schon drohend sein Stock erhowe un gerufe: Riehre den Mensch (so rief er seinen Pudel) nicht an, elend Bruchstück der Natur!“ (Anekdote überliefert von Adolf Stoltze, Sohn des Frankfurter Mundartdichters Friedrich Stoltze, zitiert in Volker Spierling: Schopenhauer ABC, „Bruchstück der Natur“, S. 37) Stellt man sich so den Weltweisen vor? Nein, das würde man nicht unbedingt, aber die besten und treffendsten Sachen passieren oft ganz unvermutet. JA, freilich kann man sich den Weltweisen so vorstellen! Das ist sogar ganz treffend! Wie soll man sich den Weltweisen denn sonst vorstellen?!

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„Der Stil ist die Physiognomie des Geistes.“ (PP, Zweiter Teilband, S. 563) Ja, ich sage immer: Wer denken kann, kann auch schreiben! Und für Schopenhauer zeigt der Stil „die formelle Beschaffenheit aller Gedanken eines Menschen, welche sich stets gleich bleiben muß; was und worüber er auch denken möge“ (ebenda, S. 564). Schopenhauer war bekanntlich ein großer Stilist, dessen niedergeschriebene Rede eine großen Sogwirkung ausübt. „Wegen der Sprache allein muss man ihn unbedingt lesen“, urteilt ein anderer Sprachkünstler, Kafka. Lästerer behaupten, der klare und anschauliche Stil und die einfache Verständlichkeit der Schopenhauerschen Werke, auf welche er sich selbst so viel zugutegehalten hat, sei einfach der Simplizität der Gedanken und des Gedankengebäudes geschuldet (was würden sie dann aber im Fall von Kafka sagen?). Einfachheit ist nun aber die höchste Form der intellektuellen Vollendung (so sagte es der Klügste von allen, Leonardo da Vinci), und für Schopenhauer ist „Simplicität stets ein Merkmal nicht allein der Wahrheit, sondern auch des Genies gewesen. Der Stil enthält die Schönheit vom Gedanken; statt daß, bei jenen Scheindenkern, die Gedanken durch den Stil schön werden sollen. Ist doch der Stil der bloße Schattenriß des Gedankens: undeutlich, oder schlecht schreiben, heißt dumpf, oder konfus denken.“ (ebenda, S. 566) Die Philosophie ist ebenso wie die Sprache von Schopenhauer klar und simpel, weil sie (wesentlich) wahr ist. Ihre mysteriöse Sogwirkung, die sie ausübt (sowie die Unverständlichkeit, mit der sie auf Zeitgenossen gewirkt hat), scheint darin zu liegen, insofern sie höchst anschaulich ist. Warum gelingt es einer sehr selten auftretenden Lebensform, dem Genie, im Gegensatz zu den meisten Menschen, dahin zu gelangen, wo alles klar, simpel, anschaulich und wahr ist, während der Rest in Konfusion lebt? Was ist die rätselhafte zusätzliche Dimension, in die das Genie zu blicken scheint? Die interessante Antwort, die Schopenhauer darauf gibt: Weil das Genie anschaulich denkt! Intellektuelles Arbeiten geschieht herkömmlicherweise in Begriffen und Konzepten, mithilfe derer von Intellektuellen bessere oder schlechtere Operationen und Kombinationen durchgeführt werden. Das Genie lebt jedoch in der reinen Anschauung, und die reine Anschauung ist die eigentliche Quelle aller Erkenntnis. Begriffe und Konzepte werden ursprünglich aus Anschauungen gebildet und dienen dazu, Anschauungen zu erklären und zu systematisieren. Sie haben dabei aber etwas inhärent Statisches, Formales und Totes; eine entsprechende Intellektualität ohne lebendige Anschauung hat daher etwas Begriffsklauberisches und Steriles und mag sich als inkompetent erweisen, neuartige Anschauungen zu beschreiben (was dementsprechende Intellektuelle dann fuchsteufelswild machen kann, wenn solche neuartigen Anschauungen, wie sie das Genie eben liefert, dann eben auftreten). Das Genie bewegt sich primär in Anschauungen, deren Eindrücke in ihrer abnormen Intensität eine große Macht auf das Genie ausüben, (weswegen das Genie nicht allein Probleme haben mag, den Herausforderungen der praktischen Welt zu begegnen, sondern so oft abwesend und zerstreut wirkt – da es die meiste Zeit über in einer entsprechenden intellektuellen Trance lebt: Das Genie steht permanent unter Eindrücken, so Otto Weininger). Wenn es intellektuell oder künstlerisch begabt ist, schafft es aus diesen Anschauungen heraus neue Begriffe, Kategorien, Theorien oder Kunstwerke (dass der geniale Deleuze den Sinn der Philosophie in der Schaffung von Begriffen sieht, denen man, mit Schopenhauer, ein wenig skeptisch gegenüberstehen mag, macht schon Sinn, insofern Deleuze ja vom kreativen Schaffen von Begriffen spricht, die bei ihm ja auch immer eine höchst dynamische Qualität haben (weswegen sie das bei ihm haben, ist aber weniger klar; philosophisch verordnet er sich in genuin produktiven Kräften des Seins oder im „Werden“; in Wahrheit ist für die Dynamisierung von Begriffen aber eben der kreative Geist vonnöten, der Zugang zu reiner Anschauung hat, und diese begrifflich ins Lot bringt)). Über welche Ausdrucksform sich das Genie äußert, hängt von dessen Talent ab (und die meisten Talente hat es jeweils meistens nicht: Schopenhauer gibt ja auch zu, z.B. kein Dichter zu sein), bei genialen Talenten (und die wenigsten Talente sind dann eben auch tatsächlich genial) scheint allerdings irgendeine Qualität dahinterzuliegen, die den Intellekt und in erheblichen Teilen auch die Persönlichkeit insgesamt betreffen. Paradoxes Assoziationsvermögen scheint diese Qualität des Genies auszumachen – und/oder eben die Fähigkeit zu unmittelbarer, empathischer Anschauung (wie so was möglich ist und was die neurologische Grundlage dafür? Ja, das würde ich nur zu gerne wissen! (In der Welt als Wille und Vorstellung denkt Schopenhauer hierzu was an, das ich aber gar nicht kompetent beurteilen kann, vgl. WWV, Zweiter Teilband, S. 97)). Erlauchte Kollegen (wie Hans Bethe) wussten von dem genialen Physiker Richard Feynman zu berichten, er sei (wie allerdings auch Alpher, Bethe und Gamov et el.) sehr gescheit gewesen, allerdings in einer für andere nicht nachvollziehbaren oder nachahmbaren Weise; und: Er habe tiefere, intuitivere Einsichten gehabt, was sich hinter den Gleichungen verbirgt, die die Physik beschreiben; tiefere Einsichten in die Beschaffenheit der Natur selbst. Von Einstein, dessen gewaltiges Charisma darauf beruht, dass er nicht nur unsere Begriffe, sondern grundlegend unsere Anschauungen über die Natur transformiert hat, kann man dasselbe sagen. Ja, das mit der Genialität als Vermögen zur Anschauung: da hat Schopenhauer schon was herausgefunden! Ich meine, wenn man sich die hässlichen, verkrachten Urlaubsfotos der meisten Leute auf Facebook ansieht, muss man sich schon fragen, wie es um ihr lebendiges Anschauungsvermögen, ja überhaupt ihre Wahrnehmung eigentlich bestellt sein mag! (Man suche nun aber nichts hinter den Phänomenen, sie selbst sind die Lehre – Goethe) Weiters begreift Schopenhauer das Genie als eine radikale Objektivität des Geistes. Genie ist „rein erkennendes Subjekt, klares Weltauge“ (WWV, Erster Teilband, S. 240). Insofern das Genie in abnormen Grade den Anschauungen ergeben ist, üben die veränderlichen objektiven Anschauungen ihre eigentliche Macht über das Genie aus. Das Genie ist ein vom Willen und unmittelbaren Nützlichkeitsdenken relativ befreiter Intellekt, der richtige Anschauungen über die Welt haben will: Das ist ja auch in etwa das, was ich sage und proklamiere; ich formuliere halt, dass das Ego verschwinden muss, damit Geist werden kann; denn mein Bestreben ist es, so viel Geist zu werden wie möglich (insofern könnte man vermuten, dass ja auch das Genie eine Perversion des Willens ist: denn sein radikaler Schaffens- und Erkenntnisdrang erscheint ja irgendwie als Wille, als vollständige Realisierung des Intellektes allerdings, nicht des bloßen Alltagswillens. Kann man natürlich auch sagen, hinter dem Intellekt verberge sich wohl der Wille zur Macht, oder die Libido, oder eben wieder das Ego und sein Herrschaftswillen; harmloser ausgedrückt halt vielleicht eine Freude daran, etwas zu beherrschen (was ja auch ganz unschuldig motiviert sein kann, und in Lebewesen (auch tierischen) gemeinhin auftritt). Ich würde aber eben eher mal sagen, dass der Erkenntnisdrang eine Konsequenz des Intellektes und der Intelligenz an sich ist und somit etwas sui generis). Das Genie ist ein vom Willen relativ emanzipierter Intellekt, denn „(d)er Wille, welcher die Wurzel des Intellekts ist, widersetzt sich jeder auf irgend etwas anderes Anderes als seine Zwecke gerichteten Thätigkeit desselben. Daher ist der Intellekt einer rein objektiven und tiefen Auffassung der Außenwelt nur dann fähig, wann er sich von dieser seiner Wurzel wenigstens einstweilen abgelöst hat. So lange er derselben noch verbunden bleibt, ist er aus eigenen Mitteln gar keiner Thätigkeit fähig, sondern schläft in Dumpfheit, so oft der Wille (das Interesse) ihn nicht weckt und in Bewegung setzt“ (WWV, Zweiter Teilband, S. 451); und „(d)er gewöhnliche Mensch … ist, wie gesagt, einer im jeden Sinn völlig uninteressierten Betrachtung, welches die eigentliche Beschaulichkeit ist, wenigstens durchaus nicht anhaltend fähig: er kann seine Aufmerksamkeit auf die Dinge nur richten, als sie irgend eine, wenn auch nur sehr mittelbare Beziehung auf seinen Willen haben. Da in dieser Hinsicht, welche immer nur die Erkenntniß der Relationen erfordert, der abstrakte Begriff des Dinges hinlänglich und meistens selbst tauglicher ist; so weilt der gewöhnliche Mensch nicht lange bei der bloßen Anschauung, heftet daher seinen Blick nicht lange auf einen Gegenstand; sondern sucht bei Allem, was sich ihm darbietet, nur schnell den Begriff, unter den es zu bringen ist, wie der Träge einen Stuhl sucht, und dann interessiert es ihn nicht weiter. Daher wird er so schnell mit Allem fertig, mit Kunstwerken, schönen Naturgegenständen und eigentlich überall bedeutsamen Anblick des Lebens in allen seinen Scenen“ (WWV, Erster Teilband, S. 242). Ja, das beobachte ich auch immer wieder, und kann mich bekanntermaßen nicht genug darüber wundern! Danke also, Schopenhauer, für diese Erklärung! Insofern das Genie Subjekt der reinen Erkenntnis über lebendige Anschauung ist, blickt es durch den Schleier der Maya hindurch, durch die Erscheinungen, und sieht (einigermaßen) das Ding an sich, das Ewige, das Überzeitliche, die platonischen Ideen; – was ich von den platonischen Ideen halten soll, weiß ich nicht (sie scheinen mir eine obskure Antwort auf eine obskure, allerdings notwendige Frage); tatsächlich aber nun ist das Genie jemand, der brillante, tiefsinnige, richtige Ideen hat, deren Charakter überzeitlich ist. Geniale Kunst ist für Schopenhauer Darstellung des Lebens und seiner Mysterien über diese Ideen, bzw. die Darstellung dieser Ideen über die Betrachtung des Lebens. Sie ist damit ewig und überzeitlich, und wirkt als ein Quietiv: über die Anschauung von Kunst wird das Subjekt der Welt des Willens, die dem Satz vom Grunde unterworfen ist (fernöstlich gesprochen: das Samsara) entledigt, und sieht die befreite Ewigkeit (fernöstlich gesprochen: das Nirwana); „dann werden wir, des leidigen Selbst entledigt, als reiner Subjekt des Erkennens mit jenen Objekten völlig Eins, und so fremd unsere Noth ihnen ist, so fremd ist sie, in solchen Augenblicken, uns selbst. Die Welt als Vorstellung ist dann allein noch übrig, und die Welt als Wille verschwunden.“ (ebenda, S. 255) Ja, diese (Über) Welt zu schauen ist ein großer Genuss, nach der unio mystica wohl der Größte, den es gibt! Ich weiß nicht genau, woran das liegt – und wahrscheinlich ist es etwas sui generis –, aber diesen Hinweisen von Schopenhauer bin ich schon wieder dankbar! Über Kunst und über Schauen der überzeitlichen Ideen ist man der Welt des Willens, die dem Satz vom Grund unterworfen ist, dem Samsara entrückt, und sieht nur noch die Ruhe, die Ebenmäßigkeit, die Ewigkeit; „Selige Öde auf wonniger Höh`“ (Wagner, Siegfried, Dritter Aufzug, Dritte Szene) – die Vision der Weißen Hütte! Das „bessere Bewusstsein“, das eben das bessere Bewusstsein ist. – Was für ein Genuss es ist, Schopenhauer zu lesen! Wie geborgen man sich in seiner Sprache, seinen Anschauungen, seinem Stil fühlt! Es ist die Ebenmäßigkeit seines Stils, die mir sehr zusagt! In ein warmes, angenehmes Braun blicke ich farblich, wenn ich Schopenhauer lese. Die explosive, ekstatische Farbenprächtigkeit des Nietzsche hat Schopenhauer nicht, was manche übrigens als ein Defizit von Nietzsche ansehen, was aber darin liegt, dass Nietzsche eben eine transzendente Gestalt war, der die materiale Hyle definitiv sprengt (anstatt ihr quietivistisch zu entsagen, wie Schopenhauer). Es ist aber gut, sich so viel Farbeindrücke wie möglich zu machen, und der farblichen Explosion von Nietzsche setze ich gerne das angenehme Braun des Schopenhauer in meinen Farbanschauungen dazu. Bei Schopenhauer hat man den Scheinwerfer des dunklen Lichtes des Dionysus Areopagita, der mit einem fremden dunklen Ton auf die Gegenstände und auf die Arena gerichtet wird, umkränzt wird das schalenförmig von einem Viertelrund aus Silber. Abgeschlossen, in sich abgeschlossen ist das alles (anders als die ständige Ekstase bei Nietzsche)! Das ist gut. „Wenige Denker haben in dem Maße und der unvergleichlichen Bestimmtheit empfunden, daß der Genius in ihnen webt“, so Nietzsche, bei dem Ähnliches der Fall werden sollte (Schopenhauer als Erzieher/Unzeitgemäße Betrachtungen, S. 206). Aber wenige haben auch das Dasein an sich je in die Tasche gesteckt, so wie eben Schopenhauer! Was den Vorwurf der Eitelkeit anlangt, dem man Schopenhauer, oder dem selbstbewussten Genie machen mag (meistens wohl, weil man sich in seiner eigenen Eitelkeit pikiert fühlt, ohne dass man ein Genie ist), so möchte ich wieder einmal sagen: Der Mensch neigt in den meisten Fällen zu Bescheidenheit und nicht tatsächlich dazu, sich als viel höher einzuschätzen als die anderen Menschen. Sich als viel höher einzuschätzen, ist ihm eher unangenehm (so auch mir). Wenn man jetzt aber tatsächlich etwas geschaffen hat, etwas von hohem Wert, so verändert man sich: Man ist, mit Houellebecq gesprochen, nunmehr im Reich der Werte und der Ideale angekommen. Ebenso verändert einem die Erleuchtung und das Satori (als die Transzendenzprinzip des ethischen Genies und des Genies der Selbstvervollkommnung). Mit der Erleuchtung, dem Erlangen des Satori, hat man diese Welt überwunden (nachdem man in der Regel größte Anstrengungen dafür unternommen hat). Man lebt also in solchen Fällen in einer höheren Welt. Schopenhauer hat intellektuell die Welt nicht nur umrundet, sondern sie auch überwunden. Sein Geist hat keine Erdenschwere mehr. Sein Wille ist vernichtet. Nur mehr sein Genie ist da – „und sein Genius verhieß im das Höchste – daß es keine tiefere Furche geben werde als die, welche seine Pflugschar in den Boden der neueren Menschheit reißt. So wußte er die eine Hälfte seines Wesens gesättigt und erfüllt, ohne Begierde, ihrer Kraft gewiß, so trug er mit Größe und Würde seinen Beruf als siegreich Vollendeter“ (Nietzsche, ebenda). Was sollen einen solchen noch die Meinungen und die Konventionen der anderen und der Welt bekümmern und ihm gelten?  „Wir bekennen es vielmehr frei: was nach gänzlicher Aufhebung des Willens übrig bleibt, ist für alle Die, welche noch des Willens voll sind, allerdings Nichts. Aber auch umgekehrt ist Denen, in welchen der Wille sich gewendet und verneint hat, diese unsere so sehr reale Welt mit allen ihren Sonnen und Milchstraßen – Nichts.“ (WWV, Erster Teilband, S. 508)

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„Auch der Stil seines Philosophierens stempelt Schopenhauer zum Außenseiter. Allzu offensiv wird darin die Haltung des Selbstdenkertums hervorgekehrt. In der ersten Auflage des Hauptwerkes sind die polemischen Ausfälle gegen die zeitgenössische philosophische Zunft noch recht zahm. Das Schroffe und schon fast Feindselige aber liegt im Gestus des stolzen Ignorierens: Schopenhauer zitiert die Klassiker der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit bis Kant. Er schaltet sich in ein Gespräch über Jahrtausende hin ein und gibt dabei zu verstehen: Die philosophische Gegenwart kann man vergessen. Schopenhauer tritt in seinen Schriften als jemand auf, der, abseits des Gemurmels und der Handgemenge des Tages, alles von Grund auf und selbstständig noch einmal durchdacht hat: eine große Philosophie im Eigenbau und – da abseits des akademischen Betriebs – in Heimarbeit hergestellt. Dieser Philosophie fehlt, so gelehrt sie ich auch darbietet, der akademische Stallgeruch. Das Unvergrübelte, die Klarheit und Schönheit der Schopenhauerschen Sprache fallen deutlich aus dem Rahmen des professoralen Diskurses. Sogar etwas Naives, Unbekümmertes, fast Treuherziges haftet dieser Philosophie an. Man denke nur daran, wie Schopenhauer seine ersten Berliner Vorlesungen ankündigen läßt: >>Arthur Schopenhauer wird die gesamte Philosophie, d.i. die Lehre vom Wesen der Welt und dem menschlichen Geiste vortragen.<<“ (Rüdiger Safranski: Schopenhauer und Die wilden Jahre der Philosophie, S. 390) Haha, ja das kenne ich! Wie Originalität und Lebendigkeit und Intelligenz immer wieder eingefordert wird, und doch „endlich wieder einmal“ passieren solle – und wie dann die Läden dicht gemacht werden, wenn ICH mit so was dann tatsächlich daher komme! Die Wissenschaft denkt nicht, mag man mit Heidegger sagen…. HA, bekomme ich gerade ein Interview mit meinem Philosophieprofessor Gerhard zu lesen, wo er zum Besten gibt: „Und er (Michel Serres, Anm.) sagt: Es gibt ganz wenige originäre Bücher, weil die meisten Leute nur von anderen Büchern abschreiben – das heißt nicht unbedingt plagiieren, aber zitieren und reflektieren und wiederkäuen. Der Großteil der Philosophie und ein Großteil der Kultur- und Sozialwissenschaften ist eigentlich ein Kuhbetrieb, ein Wiederkäuerbetrieb. Ich habe mir zahlreiche Habilitationen im Fach Philosophie angesehen – 350 Seiten darüber, was bisher in der (westlichen, europäischen) Geistesgeschichte darüber geschrieben wurde und zum Schluss kommt der „eigene Ansatz“ auf vier oder fünf Seiten.“ (Gerhard Fröhlich in Wie Michel Serres lesen, ohne zu verzweifeln? Fragen an Gerhard Fröhlich in Versorgerin 123, September 2019) Originalität ist also etwas, was in einem solchen Umfeld nicht eben gewünscht sein mag. „In der Gelehrten-Republik geht es, im Ganzen genommen, so her, wie in der Republik Mexiko, als in welcher Jeder bloß auf seinen Vortheil bedacht ist, Ansehn und Macht für sich suchend, ganz unbekümmert um das Ganze, welches darüber zu Grunde geht. Eben so sucht in der Gelehrten-Republik Jeder nur sich geltend zu machen, um Ansehn zu gewinnen: das Einzige, worin sie alle übereinstimmen, ist, einen wirklich eminenten Kopf, wenn er sich zeigen sollte, nicht aufkommen zu lassen; da er allen zugleich gefährlich wird. Wie das Ganze der Wissenschaften dabei fährt, ist leicht abzusehn.“ (PP, Zweiter Teilband, S. 529f.) Üppig wuchern bei Schopenhauer die Auslassungen über den akademischen Betrieb und ueber die Universitäts-Philosophie.Wissenschaft gilt, idealiter, der Wahrheitsfindung, und so würde man im Wissenschaftsbetrieb einen Ort und Hort der Wahrheit vermuten. Das Vordringen zum Ding an sich und zu den ewigen platonischen Ideen, so lehrt Schopenhauer, ist jedoch ein seltenes und prekäres Ereignis, und hängt, in letzter Instanz, vom lebendigen Anschauungsvermögen des Genies ab. Das Zentrum der Wissenschaft ist das idiosynkratische Genie, denn von dem kommen die grundlegenden Ideen. Das Verhältnis zwischen dem akademischen Betrieb und dem idiosynkratischen Genie ist aber immer wieder ein ebenso prekäres. Das idiosynkratische Genie ist ständig in seine Anschauungen vertieft und produziert und entwickelt ständig und ist daher in seiner Kommunikation und seiner Mitteilungsfähigkeit gestört, zu der der akademische Betrieb aber wesentlich da ist. Mehr noch ist es aber so, dass Betriebe niemand unbedingt haben wollen, der sie aus der Komfortzone reißt, und so will auch der akademische Betrieb das Genie nicht unbedingt, weil Systeme, wenn sie darin nicht blockiert werden, lieber selbstreferenziell werden als irgendetwas anderes. Das ist leichter und bequemer. „Ob auf dem Kunstmarkt oder in der intellektuellen Welt, in der Hauptsache gehe es darum, Netzwerke zu organisieren, Karrieren zu lancieren, Definitionsmacht zu gewinnen, Posten zu besetzen. Mit der Produktion von Ideen, Werken oder Theorien, die für sich selbst stehen, haben die entsprechenden Aktivitäten nichts zu tun“, so Julia Encke in ihrer Biographie über das zeitgenössische, an der zeitgenössischen Mittelmäßigkeit verzweifelnden Genie Michel Houellebecq. (Julia Encke: Wer ist Michel Houellebecq?, 2018,S. 182) Sabine Maria Schmidt bemerkt in ihrem Essay „Chronische Moderne“ im Periodikum Kunstforum: „Finanzökomonische Maßstäbe haben längst eine Definitionsmacht über die Kunst geschaffen, die die Befragung ihres ästhetischen, konzeptuellen und funktionellen Mehrwertes zunehmend überlagern. Was Kunst oder gar gute Kunst ist, im Sinne verkündeter Urteile unbestechlicher Autoritäten, ist kaum mehr von Interesse.“ (Kunstforum 252, S. 53) Natürlich ist es so, dass, vor allem in der heutigen Zeit, nur sehr wenige dazu in der Lage sind, unbestechlich autoritär zu urteilen, was Kunst ist. ICH bin das aber auf jeden Fall: meine Versuche, damit Anschluss zu finden an die Akademie sind aber bislang gescheitert, obwohl sie eigentlich die Erfüllung eines feuchten akademischen Traumes sein sollten – vielleicht existiert der in Wirklichkeit aber eben gar nicht. Meine gescheiterten Versuche müssen einstweilen noch nichts bedeuten, allgemein hat man hier aber Hinweise darauf, dass es dem akademischen wie dem Kunstmarkt nicht notwendigerweise darum gehen mag, Wahrheiten festzustellen (oder aber, unter Heranziehung postmoderner Weisheit, Wahrheitsansprüche überhaupt als was Gefährliches oder Reaktionäres abzutun, um es sich in der postmodernen Beliebigkeit bequem einzurichten: als selbstreferenzielles System freilich –„Hervorragende Kunstwerke zu machen ist für gewöhnlich eine beschwerliche Arbeit. Doch im Modernismus wurde nicht nur das Herstellen, sondern vor allem das Betrachten von Kunst noch anstrengender, musste man sich die Befriedigung und die Freude, die die beste neue Kunst vermitteln kann, mühsam erringen. In den letzten mehr als einhundertfünfunddreißig Jahren waren die beste neue Malerei und die beste neue Skulptur (und die beste neue Dichtung) zu ihrer Zeit für den Kunstliebhaber eine Herausforderung und eine Prüfung, wie sie es früher nicht gewesen waren. Doch gibt es den Drang sich auszuruhen, wie es ihn immer gegeben hat. Er ist eine permanente Bedrohung der Qualitätsmaßstäbe. Dass dieser Drang auszuruhen sich in immer anderer Weise ausdrückt, bezeugt nur seine Dauerhaftigkeit. Das Gerede von der „Postmoderne“ ist eine weitere Ausdrucksform dieses Dranges. Und es ist vor allem eine Art, sich dafür zu rechtfertigen, dass man weniger anspruchsvolle Kunst bevorzugt, ohne deswegen reaktionär oder zurückgeblieben genannt zu werden (was die schlimmste Befürchtung der neumodischen Philister der Avantgarde ist).“ (Clement Greenberg: Modern und Postmodern, 1980)). Nietzsche schreibt über diese Kraftlosigkeit und Wurstigkeit verzweifelt an Overbeck im Sommer 1886: „In dieser Universitätsluft entarten die Besten: Ich spüre fortwährend als Hintergrund und letzte Instanz, selbst bei solchen Naturen wie R.(ohde) eine verfluchte allgemeine Wurschtigkeit und den vollkommenen Mangel an Glauben zu ihrer Sache. Dafür, daß einer (wie ich) dio noctuque incubando von frühester Jugend an zwischen Problemen lebt und da allein seine Not und sein Glück hat, wer hätte dafür ein Mitgefühl! R. Wagner, wie gesagt, hatte es: und deshalb war mir Tribschen eine solche Erholung, während ich jetzt keinen Ort und keine Menschen mehr habe, die zu meiner Erholung taugten.“ – “Und in der schönen Literatur ist es nicht besser. Auch dort sind große Zwecke und echter Sinn für das Wahre und Tüchtige und dessen Verbreitung sehr seltene Erscheinungen. Einer hegt und trägt den anderen, weil er von ihm wieder gehegt und getragen wird, und das wahrhaft Große ist ihnen widerwärtig und sie möchten es gerne aus der Welt schaffen, damit sie selber nur etwas zu bedeuten hätten. So ist die Masse, und einzelne Hervorragende sind nicht viel besser”, spricht Goethe zu Eckermann (Goethe, Gespräche mit Eckermann, Mittwoch, den 12. Oktober 1825). Über die Gespräche zwischen Goethe und Schopenhauer ist leider kaum was bekannt, der aber sagt z.B.: „Denn darüber täusche man sich nicht, daß, zu allen Zeiten, auf dem ganzen Erdenrunde und in allen Verhältnissen, eine von der Natur selbst angezettelte Verschwörung aller mittelmäßigen, schlechten und dummen Köpfe gegen Geist und Verstand existiert. Gegen diese sind sie sämmtlich getreue und zahlreiche Bundesgenossen. Oder ist man etwa so treuherzig, zu glauben, daß sie vielmehr nur auf die Ueberlegenheit warten, um solche anzuerkennen, zu verehrten und zu verkündigen, um danach sich selbst so recht zu nichts herabgesetzt zu sehn? – Gehorsamer Diener! Sondern: tantum quisque laudat, quantum se posse sperat imitari (Jeder lobt nur so viel, als er selbst zu leisten hofft). (PP, Erster Teilband, S. 184). Ich frage mich auch immer wieder, wieso ich so voll des Lobes bin für schöne Sachen, und die anderen so wenig (zumindest dann nicht, wenn sie von mir kommen)! Warum ich so viel Respekt habe vor übergeordneten Instanzen, aber die oft keinen Respekt vor mir haben! Ich glaube, in denen ist so wenig Respekt, weil in ihnen so wenig Liebe drinnen ist! Weil in der Welt, allgemein, so wenig Liebe drin ist! Der einzige Mensch, den ich je in den Tiefen des weltweiten Internet getroffen habe, der möglicherweise gescheiter ist als ich (und der mittlerweile wieder verschwunden ist), der 23-jährige M. aus South Carolina, hat mir einst geflüstert, dass sich die Menschen eher einmal einen Scheißdreck um jemanden gruppieren würden, weil er recht hätte, oder aufgrund von intellektueller Schönheit; sie würden sich um Individuen gruppieren, von denen Status und Macht abfällt. Tom erzählt mir, wie, allem Anschein von der Emanzipation zum Trotz, sich die Professoren auf der FH nach wie vor wie die großen Zampanos gebärden, die die weiblichen Assistentinnen vor sich hertreiben und diese die Drecksarbeit machen lassen! G. erzählt mir, wie meine Alma Mater mittlerweile in den Händen von Professorinnen aus Deutschland sei, die frenetisch bestrebt sind, Machtstrukturen und Netzwerke zu etablieren, die keinem anderen als ihnen selbst nutzen und ihre eigenen Cuties aus Deutschland bei uns in Positionen zu hieven. Allgemein hieven Leute in irgendwelchen Machtpositionen dumme Leute in Assistenzpositionen, vor denen sie sich nicht fürchten müssen. Studenten, die ein wenig intelligenter sind als sie selbst, mögen auch durchaus Abgötter ihrer Professoren sein (da sie so ihre eigene Intelligenz wie über einen Vergrößerungsspiegel wahrnehmen können); ein so tiefsinniger Wanderer wie ich wurde, zwar nicht immer, aber doch immer wieder, dann und wann, eher einmal gehasst von ihnen (den Fehler bei mir zu suchen, deswegen habe ich ja auch den Yorick geschrieben; letztendlich bleiben es aber verschiedene Welten und Sinnsysteme, und „(k)eine Güte, keine Milde kann sie mit der Ueberlegenheit der Geisteskraft aussöhnen“ (PP, Erster Teilband, S. 184)). Professoren sind halt mal gerne Professoren, und Gelehrte belehren andere gerne. Das ist sehr frustrierend, weil man es selbst in die feinsten Verästelungen hinein in dieser Menschheit bemerken muss. Selbst R. erzählt mir, wie sie es hassen würde, wenn sie Professorin wäre und sie würde mir nichts beibringen können – denn als Professorin wäre es ja ihre natürliche Position, anderen was beizubringen! Dass man dem Genie nicht viel beibringen kann, die Funktion des Genies es ist, der Menschheit was beizubringen und es daher alle Unterstützung verdient, scheint ihr intuitiv ebenso wenig klar zu sein, wie dass man doch, bitteschön, nicht auf der Welt ist, um anderen was beizubringen und sich die anderen überzuordnen, als dass es der Sinn des Lebens ist, etwas zu lernen und sich den höheren Instanzen der Schönheit, Güte und Wahrheit unterzuordnen! Naja, es ist halt auch die Lernfähigkeit bei den meisten Menschen beschränkt. Daher flüchten sie dann lieber auf ausgetretenen Pfaden. In einem seiner letzten Bücher kann sich der amerikanische Philosoph John Searle die Fußnotenbemerkung nicht verkneifen: “Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die amerikanischen Universitätsangehörigen eine extrem konformistische soziale Gruppe bilden. Amerikanische Professoren werden schon als fortgeschrittene Studenten darauf gedrillt, eine bestimmte Menge von Hintergrundannahmen und -voraussetzungen zu akzeptieren. Diese Voraussetzungen betreffen Fragen wie diese: Welchen Geschmack sollte man haben? Mit welchen Freunden kann man sich sehen lassen? Welche politischen Anschauungen sind akzeptabel? Welche kulturellen Artefakte kann man bewundern? Und so weiter. Der Konformitätsdruck ist für viele unwiderstehlich, und Unabhängigkeit kommt selten vor. Eigentlich soll die Unkündbarkeit eines Professors dafür sorgen, dass er im Hinblick auf alle möglichen nonkonformistischen Gedanken und Verhaltensweisen intellektuelle Unabhängigkeit an den Tag legen kann. Doch wenn dem tatsächlich so ist, wird von dieser Unabhängigkeit nur selten Gebrauch gemacht.” (John R. Searle: Wie wir die soziale Welt machen, Berlin, Suhrkamp 2012, S. 267f.) Das nonkonformistische Genie passt da natürlich nicht gut rein – „In welche Tradition fällt das denn rein?? In welcher Tradition steht das denn??“, fragen z.B. die Literaturwissenschaftler und Kritiker dauernd, und können scheinbar kaum damit umgehen, wenn etwas eben in keiner offensichtlichen oder herkömmlichen Tradition steht – es entwickelt aber das Material für die Konformismen des Disktinktionsbestrebens der Zukunft (Ahhhh… bei dieser Gelegenheit habe ich vor meinem inneren Auge eine extrem plastische und ausformulierte Vision, wie sich die amerikanischen Universitätsangehörigen in naher Zukunft, wenn ich als der Größte gelten werde, darin zu überbieten versuchen, wonach sie bereits die neue Platte von Abaddon Incarnate gehört haben und die von Splitter und vor allem die von Moriture; und den einen Kollegen aufs Abstellgleis schieben, weil er die neue Moriture noch nicht kennt (was ich in dem Fall sogar ein wenig gutheißen würde)). Mit Cheri sitze ich beim Mittagessen an der Cote d`Azur, da sagt sie mir, Leute aus der akademischen Welt habe sie bis in deren höchste Regionen hinauf kennengelernt. Es handelt sich dabei erstaunlich oft um erstaunlich einseitige Persönlichkeiten. Wie soll ich die den Großen Zusammenhang lehren? Interessieren sie sich für den überhaupt? Wissen sie, dass es den gibt? Dass wissenschaftliche, künstlerische, philosophische und ethische Positionen relative Gültigkeit haben, gewisse Teilaspekte der Realität widergeben, und der absolute Geist darin besteht, diese Relationen ins Verhältnis zu setzen? Nein, das wissen sie oftmals nicht; ahnen es zwar wahrscheinlich, schieben es dann aber gleich wieder aufs tote Gleis, da sie sich mit ihren jeweiligen Positionen dann ja nicht als die Kings vorkommen können! Vor allen Dingen Philosophen scheinen vom Konx Om Pax kaum was zu wissen und davon, dass das Ziel der Philosophie friedliche Vereinigung ist; eher mal sind sie zerstritten, dass einer Sau graust. In dem Satireartikel Honest Academic Job Postings steht (explizit) bei den Philosophen: „The Philosophy department is now hiring an assistant professor who can tolerate the toxic environment of our department. Special consideration given to candidates who will take Dr. Warren’s side in her 30-year-old dispute with Dr. Wyatt, that Foucauldian asshole.“ Ja, diese zerstrittenen, feindseligen Philosophen! In der Philosophie geht es um das Denken an sich, und wer beherrscht schon das Denken an sich? Und dann diese Kleinkariertheit in den Persönlichkeiten! Wenn ich mich mit P., B., K., L., X. oder U. unterhalte, frage ich mich, ob ich meine Zeit nicht weniger frustrierend verschwenden könnte, wenn ich mich statt mit professionellen Philosophen mit den Junkies am Praterstern unterhalten würde! Die Amanda verbringt jetzt viel Zeit im Tageszentrum der Caritas zweimal um die Ecke, und ich frage mich, ob es nicht weniger frustrierend sein könnte, mich (statt mit professionellen Philosophen) mit den Obdachlosen und Halb-Obdachlosen dort zu unterhalten! Die Lösung des philosophischen Problems besteht darin, östlichen (ganzheitlichen) mit westlichem (analytischem) Verstand zu vereinigen (was ICH tue und MEIN Betrag zur Philosophie sein wird (unter anderem)). Sloterdijk aber sagt zu Heinrichs, mit einem Bhagwan-Zitat würde man sich unter westlichen Philosophen lächerlich machen (obwohl Bhagwan so etwas wie der leibhaftige Zarathustra ist!). Naja. Es widert eigentlich mich an, Philosophie zu machen, und es widert mich an, Kunst und Literatur zu machen, wenn so etwas dann immer und immer wieder mit ihr passiert (und einem somit auch gar keine Vorstellung vergönnt ist, dass es so etwas wie einen geschichtlichen und zivilisatorischen Fortschritt gibt, zumindest nicht in diesen Bereichen). Ich muss in meinem vorigen Leben ungeheuerlich viel falsch gemacht haben, dass ich in diesem zu einer so einen Sisyphos-Arbeit verdammt bin! Ich sehe beständig die höchsten Werte und die höchsten Schönheiten vor mir – und dann auch wieder, wie wenig sie in dieser Welt bedeuten! Es widert mich an, Philosophie zu machen! Es widert mich an, Kunst zu machen! Es widert mich an, dazu verdammt zu sein, Wissenschaft zu machen! Am meisten widert es mich an, Religion zu machen und eine religiöse Gestalt zu sein. Wo, bitteschön, haben die Leute denn tatsächlich Ideale? Irgendwelche kleinen Scheißdreck- und Arschloch-Dinger sind das meistens, an denen sie ihr Ego aufhängen, sind das meistens, ihre sogenannten Ideale! Bevor ich mich mit Sufi-Scheichen und Zen-Meistern unterhalte, unterhalte ich mich lieber mit den Dealern auf der Josefstädter Straße (mit dem Unterschied, dass die Sufi-Scheiche und Zen-Meister umgekehrt genau dasselbe tun). „Ein weiterer der vielen Widersprüche (Bourdieu würde von einem zerrissenen Habitus sprechen) bei Michel Serres ist seine Kritik an Kritikern. Auch sie zählt er zu den Parasiten. Es gibt (äußerst selten) Originale, und dann kommen sie in Scharen und kritisieren daran herum.“ (Gerhard Fröhlich in Wie Michel Serres lesen, ohne zu verzweifeln? Fragen an Gerhard Fröhlich in Versorgerin 123, September 2019) Klar, die Welt verlangt nach kritischer Prüfung dessen, was produziert wird. Das tun dann die Apparate. Aber tun die das dann in etwa so?: „Der Ausschuß ist sich bewußt, daß ihm hier ein Film zur Beurteilung übergeben worden ist, auf den der herkömmliche Kanon der Filmästhetik nicht mehr anwendbar ist. “La Notte” eröffnet bereits im Formalen Perspektiven, deren genaue Untersuchung von einem Ausschuß, dem nur begrenzte Zeit zur Verfügung steht, nicht geleistet werden kann. Der Bewertungsausschuß möchte die Vorläufigkeit seiner Feststellungen ausdrücklich betonen, die nichts anderes sein sollen als die gleichsam erste Reaktion auf ein filmisches Gebilde, für das ganz ohne Zweifel der Begriff “genial” verfügbar ist. Die Äußerungen des Bewertungsausschusses zu dem Film “La Notte” können nichts anderes sein als unvollkommene, fragmentarische Bemerkungen, die sich von irgendwelchen Interpretationskünsten fernhalten.“ So die Filmbewertungsstelle Wiesbaden über Michelangelo Antonionis „La Notte“ (die ihm dabei das Prädikat „Besonders Wertvoll“ verleiht). Warum kann man das bei mir nicht einfach auch so sagen?? So generös sind die bei mir nicht. (Naja gut, ich gebe zu, dass meine Sachen rätselhafter sind als die von Antonioni und der Joker in ihnen drin ist, der ihre Welt bedroht.)

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Gwinner gegenüber hat sich Schopenhauer anvertraut: an ihm selbst gefalle ihm wohl die intellektuelle Physiognomie, nicht aber die moralische (Karl Pisa: Schopenhauer, S. 375). Untersuchungen zufolge legen Professoren für Moralphilosophie kein großartig moralischeres Verhalten an den Tag als andere Menschen (eines der entsetzlichsten Untersuchungsergebnisse wohl überhaupt); Schopenhauers Mitleidsethik ist da aber zumindest, wie er insgesamt, eine schöne, üppig wuchernde Paradiesblume, eine lebendige Macht und ein Kraftfeld, im Gegensatz zu den immer wieder eiskalten akademischen moralphilosophischen Abhandlungen sonst. Was die Grundlage für Moral ist und warum sich der Mensch moralisch verhält, begegnet uns (einigermaßen) als Mysterium – „Dies aber ist ein Problem, dessen überschwängliche Schwierigkeit dadurch erzeugt wird, daß nicht nur die Philosophen aller Zeiten und Länder sich daran die Zähne stumpfgebissen haben, sondern sogar alle Götter des Orients und Okzidents demselben ihr Dasein verdanken. Wird es daher bei dieser Gelegenheit gelöst, so wird fürwahr die Königliche Sozietät ihr Gold nicht über angelegt haben“, leitet Schopenhauer seine Preisschrift über die Grundlage der Moral ein (Kleine Schriften, S. 633). Schopenhauer verwurzelt die Moral und die (wahre) moralische Anlage im Menschen (also die Bereitschaft zu moralischem/altruistischem Handeln jenseits von Kosten/Nutzen-Erwägungen, individueller Sympathie oder der Hoffnung auf Reziprozität) in seiner Fähigkeit zum Mitleiden mit der Kreatur. Im Mitleiden mit der fremden Kreatur erkennt er sein eigenes Leid, und das der Kreatur insgesamt; über Mitleid vernichtet er fremdes Leid, und damit letztendlich das Leid an sich. Mitleid ist eine spontan sich einstellende Empfindung: „Dieser Vorgang ist, ich wiederhole es, mysteriös: denn er ist etwas, wovon die Vernunft keine unmittelbare Rechenschaft geben kann und dessen Gründe auf dem Wege der Erfahrung nicht auszumitteln sind. Und doch ist er alltäglich. Jeder hat ihn oft an sich selbst erlebt, sogar dem Hartherzigsten und Selbstsüchtigsten ist er nicht fremd geblieben.“ (ebenda, S. 763) Aus der Perspektive der Metaethik, welche sich damit befasst, aus welchen Grundlagen heraus moralisches Handeln und Urteilen überhaupt entsteht (also der Frage, auf welche die Preisschrift eben eine Antwort geben will), ist Schopenhauer gleichsam Non-Kognitivist: er verortet die Grundlage der Moral in (logisch, rational) nicht wahrheitsfähigen Einstellungen (Gefühlen, Dispositionen u. dergl.) In der Tat, Mitleid und Sympathie sind sehr primäre Motive für moralische Handlungen. Schopenhauer ist nun aber nicht bloß, in dem Sinn, Non-Kognitivist (solche Kategorien gab es zu seiner Zeit noch nicht) – und eine transzendente Verankerung der Moral (also z.B. als von Gott kommend) fällt ihm schon gar nicht ein. Bei Schopenhauer ist die Welt zwar Wille und Vorstellung, es gibt aber keine Unterteilung von Welt und Über/Hinterwelt. Alle Affären finden innerhalb der Welt statt und beziehen sich auf sie. Von der Vorstellung ist es abhängig, wie genau man die Affären der Welt und, letztendlich, ihren wahren Charakter erkennt, das bessere Bewusstsein erkennt, dass alle Wesen der Welt eins sind und Ausdruck desselben Willens. Über das Mitleid erkennt es fremdes Leid als eigenes, ja, letztendlich erkennt es im Willen selbst einen blinden, melancholischen Gott, der sich über seine Erscheinungen stets selbst durchkreuzt und ins eigene Fleisch schneidet. Im Zentrum von allen, ein irrer, blinder Azathoth! – „Wie muß es inzwischen unser Mitleid erregen, wenn wir betrachten, wie blutwenig dagegen diesem Herrn der Welt, in seiner individuellen Erscheinung, wird: meistens eben nur so viel, als hinreicht, den individuellen Lein zu erhalten. Daher sein tiefes Weh.“ (PP, Zweiter Teilband, S. 310) Schopenhauer ist durchaus auch, und vor allem, metaethischer Realist, der da behauptet, dass es moralische Tatsachen in der Welt, unabhängig von unserer subjektiven Einstellung dazu, objektiv gibt. Moralische Gehalte, so behauptet der Realismus, sind in der Welt real vorhanden. Das mag Gelächter beim postmodernen Geist erregen, oder auch beim analytischen und bei allen Geister, die sich berechtigterweise fragen mögen (ähnlich wie bei den platonischen Ideen), welche und welcherart Entitäten in dieser Welt diese moralischen Gehalte denn seien. Sind sie etwas zum Anfassen oder zum Essen? Schopenhauers Zorn regt sich da wieder kräftig: „Daß die Welt bloß eine physische, keine moralische, Bedeutung habe, ist der größte, der verderblichste, der fundamentalste Irrthum, die eigentliche Perversität der Gesinnung, und ist wohl im Grunde auch Das, was der Glaube als den Antichrist personificirt hat. Dennoch und allen Religionen zum Trotz, als welche sämmtlich das Gegentheil davon behaupten und solches in ihrer mystischen Weise zu begründen suchen, stirbt jener Grundirrthum nie ganz auf Erden aus, sondern erhebt immer, von Zeit zu Zeit, sein Haupt von Neuem, bis ihn die allgemeine Indignation abermals zwingt, sich zu verstecken.“ (PP, Zweiter Teilband, S. 219f.) Die moralische Gegebenheit in der Welt und der Welt liegt darin, dass sie Wille ist, der erlöst werden will, indem er letztendlich abgetötet wird. Im Rahmen einer Entsagungsethik trifft sich Schopenhauer mit östlicher Weisheit, und den entsagenden Buddha als den weltüberwindenden Heiligen, der ins Nirwana eingeht, und für den „unsere so sehr reale Welt mit allen ihren Sonnen und Milchstraßen – Nichts“ mehr ist. (TATSÄCHLICH kann man nun wohl sagen, dass ethisches und moralisches Verhalten wohl nichts ist, was auf eine gemeinsame Wurzel zurückgeführt werden kann oder sollte (ja, es kann ja nicht einmal, weder normativ noch deskriptiv, einheitlich definiert werden). Es handelt sich um etwas letztendlich Unüberschaubares, das, mit dem späten Wittgenstein gesprochen, Familienähnlichkeiten zwischen seinen bestimmten Manifestationen aufweist, oder über diese verbunden erscheint. Das ist deswegen so, weil die Welt, auf die sich ethisches Handeln bezieht, auch so ist, und die Menschen und die Geschöpfe allgemein auch so sind. Ethische Dilemmata sind in der realen Welt unausweichlich. Moralisches Denken und moralisches Handeln sind nicht dasselbe. Dass moralisches Denken und moralisches Handeln nicht gleich sein muss, kann sogar recht gut sein. Es gibt, gleichermaßen, das Ideale und es gibt das Reale. Moralische Sehnsüchte und realistische Erwartungen. Etc. Mitleid ist, wie Schopenhauer meint, tatsächlich ein sehr starker (bzw. sogar der ausschlaggebendste) Motivator für moralisches Handeln. Das Unangenehme ist, dass Menschen primär Mitleid haben mit Wesen, die ihnen ähnlich sind, der eigenen Gruppe angehören. Ein ärmlich gekleidetes Mädchen, verloren wirkend auf einem öffentlichen Platz in einer reichen Gegend, erregt dort kaum Aufmerksamkeit. Erst wenn es besser angezogen und gekämmt u. dergl. ist, gehen die Erwachsenen dort auf es zu und wollen ihm spontan helfen. Über Mitleid wird Sympathie hergestellt, aber Sympathien steuern, mit wem man Mitleid hat. Wenn sich, auch bei Schopenhauer, der Mensch im Mitleid mit dem Nächsten in seinem eigenen Leiden erkennt, ist das Mitleid dann nicht durchaus auch egoistisch und selbstbezogen (und zwar ganz primär)? Fremdes Leid kann man freilich nur nachempfinden, wenn man es selber, an sich, empfunden hat. Das ist das eine. Das andere ist aber, wie Cavan (mit einem IQ von 195 derzeit der zweitintelligenteste Mensch der Welt) neulich festgestellt hat: was man auf den sozialen Medien beobachten kann, wie sich Menschen in Gruppen zusammenfinden, um sich gegenseitig selbst zu bemitleiden, von wegen, ihr sozialer Status sei nicht so hoch, ergo würden sie von den Politikern et al unterdrückt werden etc.; wenn sich Menschen gegenseitig unterstützen und aufmuntern lässt das mein Herz ja höher schlagen, realiter scheinen sich menschliche Gemeinschaften aber eher einmal als Solidargemeinschaften des kollektiven Selbstmitleides zusammenzufinden (die dann meistens auch einen Außenfeind brauchen). Nietzsches Attacken gegen das Mitleid bekommen letztendlich was Bizarres, sind aber wohl als Abgrenzung gegenüber Schopenhauer motiviert. Im Mitleiden etwas Egoistisches zu erblicken, dieser Möglichkeit sollte man sich wohl gewahr sein; es in ein derartiges Säurebad aufzulösen steht aber wohl nicht dafür. Weiters kann man den Realismus belasten, indem es moralische Tatsachen in der Welt offensichtlich gibt. Zivilisationen beruhen wohl überall im Universum darauf, dass sie sich erhalten und weiterentwickeln, dass sie also ethisch sind. Der einzelne Mensch ist sowohl ein Individuum ALS AUCH ein Gattungswesen, Mitglied einer Gesellschaft, einer Gruppe… Dies ist als Tatsache älter als der Mensch und ihm übergeordnet. Ethisches Verhalten, also das Austarieren von Einzel- und Gruppeninteressen, ist also etwas, das a priori vorhanden ist (und, bei aller Verschiedenheit der jeweiligen Wertmaßstäbe, ist gutes ethisches Verhalten immer das, wo die Rechte des Einzelnen als auch der Gruppe gewahrt werden). Die Welt ist von einer ethischen Betrachtung nicht zu lösen. (Noch etwas zum leidvollen Charakter der Existenz: Das Weltengenie leidet an der Welt, es ist mit dem leidenden Weltganzen verwoben. Schau dir dann aber mal an, worin das menschliche Leid so oft besteht und wie jämmerlich es oftmals ist! Andrea muss mir am Telefon erzählen, was sie heute alles erlitten habe und worüber sie sich so habe aufregen müssen. Bekomme ich dann also eine Geschichte zu hören von wegen, beim Arzt habe sie lange warten müssen und einer, der NACH IHR gekommen wäre, sei VOR IHR dran gekommen – und dann sei sie mit FALSCHEN NAMEN aufgerufen worden, und auf dem Weg dorthin habe die Ampel hämisch von Grün auf Rot geschaltet! Während ICH als Atlas das Weltenleid trage, ich unglücksel´ger Atlas, und unter dieser Last gefühltermaßen immer wieder zusammenzubrechen drohe, erzählt mir Andrea also, wie sehr sie darunter gelitten habe, vorher beim Arzt und wegen der Ampel etc.) – ich will bald eine längere Arbeit über Ethik und Metaethik verfassen, wo ich meinerseits genauer werden will über all das.) Schopenhauer hat sich selbst als einen „theoretischen Heiligen“ bezeichnet, und Nietzsche lobt an Schopenhauer, dass er „dem tiefen Bedürfnis des Genius nach Heiligkeit“ nicht nachgekommen sei (sondern wahrheitsliebender Philosoph (auch wenn die Wahrheit eben unangenehm ist)) (Schopenhauer als Erzieher/Unzeitgemäße Betrachtungen, S. 207). Ich frage mich ständig – und werde ganz von dieser Frage geplagt –: ist das Gute oder das Böse die weltbeherrschende Macht?! Der Geist oder der Ungeist?! Das deswegen, weil mein Geist die Welt locker überschreitet und es mit der ganzen Welt locker aufnehmen kann. Einfach so, ganz locker. Also muss er doch die weltbeherrschende Macht sein; aber genau das ist er (zumindest zur Zeit) eben NICHT (andererseits: wie soll der weltüberschreitende Geist denn auch die Welt beherrschen? Das sind verschiedene Sprachspiele). Für Goethe war das Böse eine vorhandene, das Gute balancierende Kraft innerhalb eines harmonischen, sich ausgleichenden Ganzen (so habe ich das tendenziell auch gesehen); bei Schopenhauer ist das Böse eine weltbeherrschende Macht: „Der Egoismus ist kolossal: er überragt die Welt“ (Preisschrift über die Grundlage der Moral/Kleine Schriften, S. 728) Naja, gut, dass aber eben auch der Geist die Welt überragt und in die Welt eingreift und die Welt formt – denn auch vom Geist kann man dasselbe sagen. „Dies ist Sansara, und Jegliches darin kündigt es an; mehr als Alles jedoch die Menschenwelt, als in welcher, moralisch, Schlechtigkeit und Niederträchtigkeit, intellektuell, Unfähigkeit und Dummheit in erschreckendem Maaße vorherrschen. Dennoch treten in ihr, wiewohl sehr sporadisch, aber doch stets von Neuem uns überraschend, Erscheinungen der Redlichkeit, der Güte, ja des Edelmuths, und eben so auch des großen Verstandes, des denkenden Geistes, ja, des Genies auf. Nie gehn diese ganz aus:  sie schimmern uns, wie einzelne glänzende Punkte, aus der großen dunklen Masse entgegen. Wir müssen sie als ein Unterpfand nehmen, daß ein gutes und erlösendes Princip in diesem Sansara steckt, welches zum Durchbruch kommen und das Ganze erfüllen und befreien kann.“ (PP, Zweiter Teilband, S. 238) – und bei mir steht, am Schluss vom uninterpetierbaren Traum:  „… Im Lauf der Zeit kam ich darauf, dass die Welt ja eigentlich und leider gar nicht so sensationell ist, wie ich mir das immer gedacht habe! Die höchste Intelligenz, die wir kennen, ist die des Menschen, soll heißen, in der Welt beziehungsweise unter Menschen geht es hauptsächlich um Geld und um persönliche Interessen. Dann kommt lange nichts, so scheint es. Rompf ist mir ganz einfach eine Verpersonifizierung dieses Seinsaspekts, der nicht über das Ego hinauslangenden menschlichen Trägheit. So einfach ist das! Lange Rede, kurzer Sinn! … UND DOCH! In dieser zersplitterten Welt, dieser Teile, die da auf dem Boden liegen, einige marschieren, andere kampieren, oftmals haben sie nichts miteinander zu tun, und dann – die seltsamen Verbindungen, die sich zwischen ihnen herstellen… gibt es doch Licht in der Welt, Sympathie! Höheres Streben, tieferes Ergreifen. Erhellung! Der Zauber der Welt oder zumindest der Weltwahrnehmung, der darin besteht, dass sie mit sich selbst nicht identisch ist und nicht abschließbar, sondern unendlich offen, dank unseres Geistes. Diese Offenheit, traumhaft und federleicht, anti-gravitationsmäßig, gilt es in sich aufzunehmen. Und das sind die eigentlichen Mächte, auch wenn sie oft stumm erscheinen, während das Reich des Rompf – des Geldes und der persönlichen Interessen – lärmt und schreit und scheinbar alles niedermacht bis alles kaputt ist und verdummt … Es kommt ganz einfach und zumindest in allem darauf an, es möglichst zu vermeiden, wie Rompf zu sein! Der Appell, nicht Rompf zu sein, ist die Grundlage jeder höheren Ethik, das was sich hinter dem Schleier der Maya für den Menschen nach seiner ewigen Frage nach dem Warum, Wieso und Wohin verbirgt. Und das ist es, was ich sagen wollte. Das ist die Kernaussage dieses Buches.“ – “Der Sarg dieses Mannes, der ein Menschenalter hindurch in unserer Mitte lebte und gleichwohl ein Fremdling unter uns blieb, fordert seltene Gefühle heraus … Welche von uns so glücklich waren, dem außerordentlichen Mann näherzustehen, ich meine zu der Zeit, da noch kein Tagblatt von ihm sprach und der “Narr” in unserer Mitte noch nicht als der “Weise von Frankfurt” in Geltung stand … Er hatte ein weiches, unendlich empfängliches, freilich auch unendlich empfindsames, reizbares Herz in seiner Brust … wie gering er von den Menschen auch dachte, er fühlte mit ihnen. Er war voll Mitleid.“ Das sagte Gwinner am Grab von Schopenhauer (zitiert in Karl Pisa: Schopenhauer, S. 386f.). Dr. Wilhelm Gwinner war einer der wenigen, die Schopenhauer in seinen späteren Jahren nahe standen, und er war dessen Testamentsvollstrecker. Nach Schopenhauers Tod schrieb er ein Buch über ihn. Schopenhauer wiederum einiges, was er erst nach seinem Tod veröffentlicht sehen wollte: So vor allem das Eis heautón, nach der Art von Marc Aurels Selbstbetrachtungen ein Sammelsurium von Beobachtungen, Einfällen, Notaten, ein persönliches „Geheimheft“. Das Eis heautón ist nach dem Tode Schopenhauers verloren gegangen, es besteht jedoch der Verdacht, dass Gwinner Passagen daraus für sein Schopenhauer-Buch verwendet hat (da sich entsprechende Stellen stark von Gwinners Stil unterscheiden und dem von Schopenhauer gleichen). So konnte das Eis heautón rekonstruiert werden (bei C.H. Beck unter „Die Kunst, sich selbst zu erkennen veröffentlicht“). Hat Gwinner, dem Schopenhauer vertraut hat, das Manuskript, an dessen posthumer Veröffentlichung Schopenhauer viel gelegen war, für seine eigenen Zwecke ausgeweidet und dann unabsichtlich – oder eben absichtlich – verloren oder vernichtet?? Das verliert sich im Geheimnis und im Dunkel der Vergangenheit. Wenn dem so ist, ist es freilich eine schmähliche, beklemmende Bestätigung der misstrauischen Philosophie des Meisters. Nicht einmal Gwinner kann man trauen! Lauter Arschlöcher in dieser unheimlichen Welt! „Ich habe die Geschichte von Rompf erzählt. Die Geschichte von Rompf hat sich entlang jener Linie, diesseits derer der Kosmos und jenseits derer das Chaos liegt, bewegt. Das Wichtigste, dass es zu verstehen gibt, ist, dass der Geist zunächst dem Raum selbst gleicht, das Ego hingegen einer Krümmung, einer Schwerkraft, unter der die Ausformungen des Geistes abgelenkt und nach innen gezogen werden, hin in das endliche Zentrum unseres pathologischen Verhaltens, einer kleinen, ständig auf- und zuschnappenden, hysterisch agitierten Falle, beziehungsweise, wenn ich näher rangehe, einem beständig klappernden, schnappenden und dabei insgesamt in einem leeren Raum hysterisch zitternden Gebiss, wie ich es mir bildhaft vorstelle: der Selbstreferenzialität. All das Leben ein Traum, uninterpretierbar.“

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„Wenn ich nun zu diesem Zwecke sage, die sogenannte Philosophie dieses Hegels sei eine kolossale Mystifikation, welche noch der Nachwelt das unerschöpfliche Thema des Spottes über unsere Zeit liefern wird, eine alle Geisteskräfte lähmende, alles wirkliche Denken erstickende und mittelst des frevelhaftesten Mißbrauchs der Sprache an dessen Stelle den hohlsten, sinnleersten, gedankenlosesten, mithin, wie der Erfolg bestätigt, verdummendesten Wortkram setzende Pseudophilosophie, welche mit einem aus der Luft gegriffenen und absurden Einfall zum Kern sowohl der Gründe als der Folgen entbehrt, d.h. durch nichts bewiesen wird noch irgend etwas beweist oder erklärt, dabei noch, der Originalität ermangelnd, eine bloße Parodie des scholastischen Realismus und zugleich des Spinozismus, welches Monstrum auch noch von der Kehrseite das Christentum vorstellen soll, also („Vorn ein Löwe, von hinten ein Drache und eine Ziege mittendrin, „Ilias“ 6, 181), so würde ich recht haben. Wenn ich ferner sagte…..“ – Ja, Schopenhauers „unintelligente Wut auf Hegel“ (Nietzsche) treibt bekanntlich die üppigsten, wucherndsten, hochaufschießendsten tropischen Blüten! Hegel habe ich fast nicht gelesen; als ich es einmal mit der Phänomenologie des Geistes (oder etwas Ähnlichem) probiert habe, ist mir dann doch – obwohl im philosophischen Jargon geschult und Schwierigkeiten liebend – nach einer Zeit die Luft ausgegangen (allerdings habe ich Kojéve gelesen!). In der Vorrede zur ersten Auflage von Die beiden Grundprobleme der Ethik folgt auf das da oben eine mehr als fünfzehnseitige Polemik gegen Hegel, die Universitätsphilosophie und gegen die Dänische Akademie der Wissenschaften, und im Gesamtwerk Schopenhauers (selbst, wie erwähnt, in den Nachlassschriften) finden sich noch viele Seiten dergleichen mehr. Ich kenne das ja auch, dass ich auf bestimmte Themen (wie z.B. der Verkanntheit (genauer gesagt: der Missachtung) meines Genies) rekurriere, zu einem guten Grund deshalb, weil es einfach viele stilistische Einfälle und allgemein Ideen und gute Witzchen dazu in mir hochspült, die ich niemandem vorenthalten will; zu einem guten Grund deshalb, weil sie mich tatsächlich neurotisch beschäftigen, da sie im Wesentlichen mein Leben und meine psychische und moralische Existenz bedrohen – bei Schopenhauer fällt halt auf, dass die zwanghafte Beschäftigung mit dem Rivalen Hegel praktisch immer nur Polemik bleibt, obwohl Hegel abseits von seiner dialektischen, idealistischen Philosophie ja auch viel andere Dinge, z.B. über Kunst zu sagen weiß, wie man auch allgemein seine dialektische idealistische Philosophie nicht so einfach vom Tisch wischen kann. (Natürlich, die zwanghafte Polemik mag auch leicht aus etwas, mit dem man intellektuell und seelisch nicht fertig wird, herrühren; etwas, das man sich nicht erklären kann; für das Genie mag es ohne Weiteres ein Rätsel sein: jenes Unverständnis, das ihm entgegen gebracht wird; als Adler umkreist es diesen Umstand, einigermaßen orientierungslos, und weiß nicht, wie es landen soll. „Ich weiß nicht, ob ich nicht einmal meine Anschauung ändern werde, aber jetzt bin ich überzeugt, dass Schopenhauer der genialste Mensch ist. Sie sagen er sei so-so, er habe einiges über Philosophie geschrieben. Was heißt einiges? Das ist die ganze Welt in einer unglaublich schönen und hellen Spiegelung … Beim Lesen begreife ich nicht, wie sein Name unbekannt bleiben konnte. Es gibt nur eine Erklärung, dieselbe, die er so häufig wiederholt, dass es fast nur Idioten in der Welt gibt“, meint dazu (der ebenfalls konfuse) Leo Tolstoi. Der große Geist begreift vieles, aber das Verhalten von Idioten begreift er notgedrungen nur schlecht. Das Verhalten von Idioten mag für den großen Geist ein endloses Faszinosum sein! Der Adler umkreist es, hilflos, kann aber nicht darauf landen.) Zwischen der Philosophie von Hegel und der von Schopenhauer gibt es natürlich wenig Berührungspunkte. Die Philosophie von Schopenhauer ist weder idealistisch noch materialistisch, und sie ist keine dialektische Philosophie, sondern eine Betrachtung der Ewigkeit. Der Philosophie von Schopenhauer mögen kühne Fortschrittsoptimisten vorwerfen, dass sie implizit handlungsunanleitend und reaktionär sei und den Gang der Geschichte verkenne; den Fortschrittlichen mag Schopenhauer entgegenhalten, dass ihre Philosophien sie zu unüberlegten Handlungen verleiten, und dass sie die Ewigkeit verkennen (und dass sie den Gang der Geschichte verkennen); speziell den Marxisten, dass sie einem „platten Optimismus“ frönen, der totalitäre Sowjetgesellschaften errichtet, die von einem manischen ideologischen Vorwärtsdrang erfüllt sind, der dann letztendlich implodiert, wenn sich das Ziel dieses ideologischen „Fortschritts“-Terrors als Chimäre erweist (und dann stattdessen korrupte, neoliberale Feudalregime auf deren vormaligem Boden errichtet werden – von denselben Leuten). Für Hegel war Napoleon der Weltgeist zu Pferde. Für Schopenhauer hat er „die ganze Bosheit des menschlichen Willens offenbart“ (Manuskripte, zitiert in Rüdiger Safranksi: Schopenhauer und Die wilden Jahre der Philosophie, S. 311). Insgesamt war Napoleon aber beides. Safranski weist diesbezüglich darauf hin, dass Schopenhauers „besseres Bewusstsein“ undialektisch ist, und Schopenhauer an der Duplizität zwischen „besserem Bewusstsein“ und empirischen Bewusstsein festhält (ebenda). Damit rückt sie in die Nähe der Religion, die in ihrer Diesseitsabgewandtheit implizit reaktionär ist (allerdings nicht notwendigerweise explizit – „Optimismus des Willens, Pessimismus des Verstandes“: man kann ja auch ein melancholischer Weltverbesserer sein). Unabhängig von der philosophischen und der ganz praktischen Apotheose des (preußischen) Staates durch Hegel (worin sich Hegel durchaus als eher schmählicher Diener des preußischen Staates erwiesen hat) hat die Hegelsche Philosophie demgegenüber etwas implizit Totalitäres, insoweit es dem Individuum und dem Einzelwesen keinen eigentlichen Platz zuweist. Aus einem ursprünglich mystischen Zugang zum Universum heraus begreift Hegel allein „das Ganze“ als das eigentlich Reale – und das Einzelwesen lediglich als ein unbedeutendes Element innerhalb des Ganzen, dass nur dann „wahr“ wird, wenn es sich dem Geist des Ganzen unterordnet. Kierkegaard hat dagegen rebelliert, Schopenhauer, wenn man so will, auch (indem sie die Betrachtungsweise, wenn man so will, umgedreht haben). Weder die Philosophie Kierkegaards noch die Schopenhauers sind politische Philosophien – sehr zum Verdruss beispielsweise der Marxisten. Sie sind allerdings Philosophien der individuellen Vervollkommnung und betreffen Bezirke, aus denen sich das Politische doch tunlichst draußen halten sollte: Das Seelenheil und die Individualethik (bei Schopenhauer auch durchaus kollektiver gefasst als bei Kierkegaard). Wenn Sozialisten Schopenhauer vorwerfen, dass seine Philosophie „unsozialistisch“ sei, kann er zurückgeben, dass seine Philosophie den „besseren sozialistischen Menschen“ formuliere, und dass sie allgemein die Fortschrittsoptimisten zwar nicht widerlegen, aber doch deutlich nachdenklicher machen solle. „Mir aber war außerdem noch ein ungewöhnlicher Feind hinzugegeben: ein großer Theil Derer, welche in meinem Fach das Urtheil des Publikums zu leiten Beruf und Gelegenheit hatten, war angestellt und besoldet, das Allerschlechteste, die Hegelei, zu verbreiten, zu loben, in den Himmel zu erheben … Hieraus erkläre sich der spätere Leser die ihm sonst räthselhafte Thatsache, daß ich meinen eigentlichen Zeitgenossen so fremd geblieben bin, wie der Mann im Monde.“ (PP, Erster Teilband, S. 153) – ja, aus dem wird die „unintelligente Wut auf Hegel“ dann auch wieder ein wenig nachvollziehbarer. Zu Unrecht im Schatten eines anderen zu stehen, ist schon ärgerlich; wenn der andere dann aber auch noch ein Trottel ist, kann die Wut schon Blüten treiben, die von der reinen Intelligenz nicht mehr erfasst werden können. „Ein anderer großer Vortheil, den poetische Leistungen vor philosophischen haben, ist dieser, daß alle Dichterwerke, ohne sich zu hindern, neben einander bestehen, ja, sogar die heterogensten unter ihnen von einem und dem selben Geiste genossen und geschätzt werden können; während jedes philosophische System, kaum zur Welt gekommen, schon auf den Untergang aller seiner Brüder bedacht ist, gleich einem Asiatischen Sultan bei seinem Regierungsantritt. Denn, wie im Bienenstock nur eine Königin sein kann, so nur eine Philosophie an der Tagesordnung.“ (PP, Zweiter Teilband, S. 11) Ja, und daher bin ich auch immer mehr geneigt zu behaupten, dass Philosophie was für Schwule sei, oder vielleicht eher was für gewaltbereite Heterosexuelle (denn Schwule sind oft sanft-feminin, haben einen Sinn für Ästhetik und wissen, wie man Partys feiert). Philosophien beruhen zumeist auf einem unzulänglichen, vereinfachenden, egoistischen Blick auf die Totalität. Die Meta-Philosophen hingegen überschauen die Totalität und die philosophischen Systeme und sind nicht bestrebt (oder in der Lage), philosophische System zu errichten; ihnen geht es darum, ein Bewusstsein über die Totalität und über die Philosophie zu errichten („Jede solche Auffassung ist nämlich nur von einem bestimmten Standpunkt aus wahr; wie ein Bild die Gegend nur von einem Gesichtspunkte aus darstellt. Erhebt man sich über den Standpunkt eines solchen Systems hinaus; so erkennt man die Relativität seiner Wahrheit, d.h. seine Einseitigkeit. Nur der höchste, Alles übersehende und in Rechnung bringende Standpunkt kann absolute Wahrheit liefern.“ (ebenda, S. 19)). Schopenhauer war eine Mischung aus einem Meta-Philosophen und einem philosophischen Systembastler – und hat daher auch Hegel nicht radikal transzendendiert. Oh Mann, der transzendente Meta-Philosoph würde, um sich allenfalls über Hegel auszulassen und die, stets ein wenig heuchlerischen, Gepflogenheiten und politischen Korrektheiten von Akademien in Dänemark und anderswo zu konterkarieren und ihnen die Rute ins Fenster zu stellen, doch nicht zwanzig Seiten am Stück schreiben und dann außerdem auch noch immer wieder darauf zurückkommen; sondern – wenn ihm danach also wäre – ganz einfach grunzen, dass Hegel schwul sei oder ein Neger oder effeminiert und dann weiter seine eigene Bahn ziehen: „Das Genie hingegen trifft in seine Zeit, wie ein Komet in die Planetenbahnen, deren wohlgeregelter und übersehbarer Ordnung sein völlig excentrischer Lauf fremd ist. Demnach kann es nicht eingreifen in den vorgefundenen, regelmäßigen Bildungsgang der Zeit, sondern wirft seine Werke weit hinaus in die vorliegende Bahn (wie der sich dem Tode weihende Imperator seinen Speer unter die Feinde), auf welcher die Zeit solche erst einzuholen hat.“ (WWV, Zweiter Teilband, S. 463)

Anm. 29. September: Jetzt habe ich Fichte gelesen, Die Bestimmung des Menschen, den Schopenhauer auch nicht so schätzt; in der Tat, ein schwächerer Philosoph, überraschend auch die Langatmigkeit seines Stils, obwohl er (wie auch Schopenhauer anerkennt) doch ein großer Rhetoriker gewesen sein soll. Trotzdem ich Die Bestimmung des Menschen schon vor Jahren mal gelesen habe und sie eher verdrießlich gefunden habe (und jetzt also schon wieder), werde ich es mit Fichte aber wohl noch mal probieren – vor allem werde ich es aber mit Schelling probieren, da mir den seine Metaphysik sehr brauchbar erscheint. Der Grund, warum ich Fichte jetzt noch mal gelesen habe: um den Anfangsabschnitt hier (den, sozusagen, nach der Einleitung) über Epistemologie fertig stellen zu können und ich die Arbeit endlich abschließen und veröffentlichen kann, bevor ich nach Paris abhaue nächste Woche! Diesen anfänglichen Abschnitt habe ich also praktisch zum Schluss geschrieben! Diese Arbeit über Schopenhauer ist komplex und umfangreicher als sogar die über Kafka und Kierkegaard und die umfangreichste Arbeit, die ich seit meinen Büchern geschrieben habe. Ich habe sie recht eklektisch erstellt, oftmals über Textbausteine, ich hoffe, das sieht man ihr nicht so sehr an, dass es sehr störend wirkt. Jetzt muss ich nur noch die Textbausteine im (nachher folgenden) Abschnitt über die Weiber zusammenstellen, dann ist alles fertig. Eventuell fällt mir auch noch was zu Schopenhauers tiefstem und verstörendstem Text ein – Versuch über das Geistersehn und was damit zusammenhängt – und zwar, wie das eventuell der impliziten Ordnung und der möglichen Welt der Synchronizität zusammenhängen kann, aber das liefere ich dann, gegebenenfalls, nach.

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„Was uns fast unumgänglich zu lächerlichen Personen macht, ist der Ernst, mit dem wir die jeweilige Gegenwart behandeln, die einen nothwendigen Schein von Wichtigkeit an sich trägt. Wohl nur wenige große Geister sind darüber hinweggekommen, und aus lächerlichen zu lachenden Personen geworden.“ (Eintrag in Manuskriptbuch, zitiert in Rüdiger Safranksi: Schopenhauer und Die wilden Jahre der Philosophie, S. 415)

Ach, armer Yorick!

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„Du, mein Arthur, must jetzt hinein ins ernste Leben, und wahrlich wird es Dir mehr als ernst, es wird Dir unerträglich vorkommen, wenn Du Dich schon so frühe gewöhnst, Deine Stunden alle mit der Kunst zu vertändeln. Du bist nun 15 Jahre alt, Du hast schon die besten Deutschen, Französischen und zum Theil auch Englischen Dichter gelesen und studiert, und noch außer denen Schulstunden, kein einziges Buch in Prosa, einige Romane ausgenommen, keine Geschichten nichts als was du lesen musstest um bey H. Runge zu bestehen.“ (Johanna Schopenhauer in einen Brief an den halbwüchsigen Arthur) Ach ja, immer diese neidischen Mütter! Ich bin nicht in einem Tiroler Bergbauerndorf aufgewachsen, sondern in urbanen Zentren, daher weiß ich bis heute nicht wirklich viel, wenn mich jemand fragt, was eigentlich die Unterschiede zwischen Männern und Frauen seien, von denen alle Welt so viel und so gerne spricht, insbesondere die genderdekonstruktivistischen Feministinnen. Das hängt sicherlich mit der Reinheit meiner Wahrnehmung, meines Herzens und meines Verstandes zusammen, die mir möglicherweise immer wieder Streiche spielen, was das Begreifen der harten Wirklichkeit betrifft, es scheint mir aber auch, dass die Unterschiede oder jeweiligen Distinktionsmerkmale zwischen Männern und Frauen allgemein übertrieben werden und dass zu viel Aufhebens darum gemacht wird. Ich habe bis heute keine definitiven Erfahrungen gemacht und ich bin kein Ausbildner beim Militär, der dazu sicherlich viel mehr sagen könnte (sofern es bei diesem Militär auch Frauen gibt (allein, das Problem bei den meisten Menschen ist sowieso, dass sie, auch über ihre unmittelbare Umgebung, nicht sonderlich viel zu sagen wissen, sondern sich ihre Berichte in ein paar Sätzen meistens schon wieder erschöpft haben)); ich weiß es nicht so genau, was die Unterschiede zwischen Männer und Frauen sind, über die sich Schopenhauer öfter einmal, vor allem in seinem tiefsinnigsten und verstörendsten Beitrag, Ueber die Weiber, auslässt. Ich sehe ja auch weder Männer noch Frauen, ich sehe nur Buddhas. Die Menschen, die mir am Nächsten stehen, sind eigentlich allesamt Frauen (wenngleich keine „typischen“ Frauen), und ich nehme sowie alle als Individuen wahr und nicht als typologische Ausdrücke. Ich lebe in keinem verdammten mentalen Gefängnis, so wie die anderen! Ich lebe in der Desorientiertheit der mentalen Freiheit! Kreative Männer haben meist deutlich „weibliche“ Persönlichkeitsanteile (und kreative Frauen deutlich „männliche“), und ich selber bin ziemlich weiblich (was bei den Frauen im Übrigen im Wesentlichen nicht so gut ankommt). Unter meiner mürrischen, selbstversunkenen Fassade stelle ich fest, dass ich doch sehr warmherzig, mitfühlend, sozial und empathisch bin. Ebenso ist meine intuitive Intelligenz der (sowieso extrem überschätzten) „weiblichen Intuition“ bei Weitem überlegen. Zu den großen Tragödien meines Lebens zählt, dass sich das nun aber nicht sehr gut bei den Weibern bezahlt macht, und ich große Probleme habe, kongeniale Partnerinnen zu finden. Das ist sehr traurig, da in mir ja sehr viel Liebe drin ist und ich von der weiblichen Schönheit in meiner Wahrnehmung sehr überflutet werde (das Gute ist, dass ich allein über die Wahrnehmung dieser Schönheit permanent Orgasmen der Wahrnehmung und des Denkens empfinde, die die Intensität sexueller Orgasmen an Qualität bei Weitem übersteigen – ja, wie Dywiann sagt, ist meine Schreibe ein einziger Orgasmus für den sapiosexuellen Verstand). Sapiosexuelle Frauen, und allgemein Menschen, sollte ich eigentlich anziehen wie ein Magnet; zu den irritierendsten Erfahrungen meines Lebens zählt aber, dass ich sie vielmehr abzustoßen scheine wie ein Magnet! Ich bin den Sapiosexuellen unheimlich! Ich bin den Kreativen und den Originellen unheimlich, da ich unberechenbar bin! Ich bin unheimlich, weil meine Seele und mein Tiefsinn so groß sind! Oder halt vielleicht, und wahrscheinlich, weil ich (aufgrund meiner mürrischen, selbstversunkenen Fassade) keinen guten Primäreindruck mache, und nicht zu gefallen weiß – davon hängt ja das Meiste ab. Gefragt, wie er es schaffe, immer wieder Frauen abzuschleppen, meint der dauernd besoffene Michi: Man müsse nur an der Bar sitzen und grinsen, und schon fliegen sie einem um den Hals. Naja, was sollen denn die Frauen mit einer Trauerweide mit mir – aber wenn ich mich rege, kommen sie mit meinem Humor und meinem Geist auch wieder nicht zurecht.  Jaja, meine Sprache ist bisweilen hart und grob und analytisch. Aber das ist halt mal das, was Intelligenz zu einem guten Teil ausmacht. Sonderlich gut kommt das bei den Weibern nicht an, entweder zu Recht, oder halt wohl eher, weil sie nichts Kongeniales drauf zu sagen wissen, und weil sie sich allgemein (ähnlich wie die Männer) leicht (in ihrem Stolz oder eher in ihrer vermaldeiten Eitelkeit) pikiert fühlen. Zu den großen Nachteilen meines großen Geistes und meines komödiantischen Talents zählt halt mal, dass sie tatsächlich etwas Pikierendes und Vernichtendes haben, zumindest gegenüber Wesen, die innerlich schwach sind. Vor allem die Frauen glauben dann eventuell, ich sei negativ und aggressiv. Allerdings und vor allem pikiere und vernichte ich mich ja auch selbst – was dann die Frauen wieder als „mangelndes Selbstbewusstsein“ auslegen (das sie bei Männern hassen, offenbar eben, weil das ihre eigene Nemesis ist). Zu den großen Nachteilen meines singulären Geistes und meiner singulären Seele gehört, dass ich keine echte „Theory of Mind“ von meinem Gegenüber habe, und bei Frauen scheint sich das speziell zu rächen. Natürlich kann ich charmanter als jeder andere sein, was dann natürlich auch eben wieder nichts hilft; wenn ich eine mit „holde Prinzessin!“ anspreche (und sie so in die Flucht schlage), steht dem realiter ja auch tatsächlich entgegen, dass es sich ja meistens bei jener um keine holde Prinzessin handelt, sondern um ein ziemlich triviales und dummes und eigennütziges Ding. Die feministisch orientierte Christina hat einst, vor vielen Jahren, als wir noch jung waren, gemeint: Wenn sie mal einen Knaben zur Welt bringen sollte, würde sie ihn so erziehen, dass er in Schmerzsituationen durchaus auch weine (so wie die Mädchen)! Hört sich schön und gut an, warum dann aber auch nicht wieder umgekehrt? Was ist am Heulsusentum der Mädchen und ihrem ständigen Angst vor allem Haben und permanentem Schwanzeinziehen denn so toll? Vor allen Dingen eben im Sinne der Mädchenemanzipation und der Formierung eines kühnen und unerschrockenen Charakters und Forschergeistes, der die Gesellschaft weiterbringt?! Beim letzten Konzert (von Sumac) war der Frauenanteil im Publikum sogar bei über 5 Prozent (allerdings nicht bei über 10 Prozent!); allgemein ist das Männer:Frauen Verhältnis bei den Konzerten, denen ich gerne beiwohne – also bei Konzerten mit sehr harter, abstrakter Musik, und die tatsächlich außerhalb der Gesellschaft stattfinden und bei denen großer individualistischer Wagemut gefordert ist – meistens 13:1! Die harte, rationale Sprache der Wissenschaftlichkeit und der Technik, in der ich mich wesentlich ausdrücke, und in der sich meine Musik ausdrückt, scheint nicht wirklich das Element der Frauen zu sein. Ebenso wenig können sie gut mit Ambivalenz umgehen. Wo man sich auch mit den dümmsten unter den Männern in der harten Sprache der Rationalität und der Wissenschaftlichkeit und der Ambivalenz leicht unterhalten kann, da das ihre Substanz ist, scheint das auch bei den klügsten unter den Frauen immer wieder nur Akzidens und ein glücklicher Zufall (kann man jetzt (mit Schopenhauer) sogar noch dazusetzen: Weil Frauen eben wesentlich subjektiv sind, und Männer wesentlich objektiv! Schlecht, weil ja das Objektive das Kulturschaffende und Tätige ist; und bei Männern hat man die sachlich mitteilende Kommunikation, wo man bei den Weibern das Getratsche hat etc.!) Wenn die Frauen auf jeden Fall auf einen Mann treffen, den sie nicht beherrschen können, ist es vorbei mit aller Verliebtheit und aller „Sapiosexualität“ (und es würde mich nicht wundern, wenn das bei ihnen noch schlimmer ist, als bei den Männern (wie man ja heutzutage landläufig meint (evolutionsbiologisch betrachtet scheint es ja auch sinnvoll, wenn die Frau mehr Macht und bindende Gewalt über den Mann ausüben als er es über sie tut, da sie an ihm ja mehr zu verlieren hat))). Wenn ich nachfrage bei den Frauen, warum sie nichts von mir wollen, lachen sie meistens dümmlich und sagen, das wüssten sie nicht! Letztendlich glaube ich das sogar, und bekomme damit ja auch sogar bestätigt, dass ich in einer Welt, in der die Leute immer wieder kaum was wissen und auch keine psychologischen Einsichten haben, weder in sich selbst oder in andere, einfach ein Fremdkörper bin und sein muss. Was wollen Frauen eigentlich überhaupt? Das fragen sich die Männer andauernd, und sie selbst sagen dann: das wissen sie nicht! Sitze ich mit Tom an der Strandbar und Tom unterhält sich mit dem feschen Kellner kurz darüber, was Frauen eigentlich wollen würden, er müsse das doch wissen, aber: Das wisse er bis heute nicht, so der fesche Kellner, was Frauen eigentlich wollen würden. „Mehr“, antwortet dann Tom, worauf beide herzlich/verzweifelt lachen. Man hat dabei auch sofort gemerkt, dass zwischen uns und dem Kellner spontane Freundschaft möglich ist, etwas Tiefgreifendes und Ursprüngliches. Was die angeblich weit überlegenen sozialen und zwischenmenschlichen Fähigkeiten der Frauen anlangt, so erinnere ich mich, wie mir meine (kommunistische) Oma einst gesagt hat: Philip, nichts geht über eine echte Männerfreundschaft! Es gibt nichts Schöneres und nichts Wertvolleres im Leben als eine echte Männerfreundschaft! Ein sehr lustiger Beitrag in dem Satiremagazin The Onion war einmal über eine Gruppe von Frauen, die sich so sehr mit (nicht notwendigerweise aufrichtigen) Komplimenten überhäufen, bis dass sie Lokalverbot bekommen. Männer überhäufen einander mit Beleidigungen, die sie nicht ernst meinen, Frauen überhäufen einander mit Komplimenten, die sie nicht ernst meinen. Falls jetzt eine meint, dieser Abschnitt wäre misogyn, sollte die dann mal hören, was Frauen erst über Frauen alles an allerhand Negativem zu berichten haben! Das schlägt männlich-misogynen Fässern immer wieder locker den Boden aus. Meine Freundin Dagmar klärt mich auf: Moralisches streben in der heutigen zeit ist ein sehr löbliches Ziel und du bust wahrscheinlich einer der wenigen menschen auf.diesem durchgeknallten planeten der es wohl schaffen könnte. Der rest der menschheit ist neidisch verschlagen link nur auf seinen vorteil bedacht prakmarisch materiell und wirtschaftlich ausgerichtet … Und zum.teil oft so dumm in seinen ansichten und oberflächlich ich bin.oft so froh wenn ich mich nicht damit auseinandersetzen muss … Und frauen sind mit abstand oft am ärgsten zueinander und das meist wegen einem.mann wie grotesk ist den das könnte bücher füllen mit geschichten darüber glg sent from mobile“ Meine geliebte Liliana, die, wie ich, ein großes Kind ist und die Eindrücke unmittelbar wahrnimmt, sagt, dass Frauen „mucho peor“ im Vergleich den Männern seien (jetzt, als sich nochmal frage, vertieft sie: Aber meine Liebe, was passiert, willst du genau wissen? Tu sabes que yo admiro al ”HOMBRE” la máxima y perfecta creación de DIOS ,y nosotras las mujeres somos una pequeña parte (una costilla , apenas) pero ,… pero tenemos algo que a los hombres les gusta, nuestra ponzoña ,la perdición y a veces ni es necesario que la toquen ,que la vean ni lla huelan ni la sientan , porque como la serpiente original ,tenemos el don de engañar engatusar y envenenar ,nuestra lengua y nuestro ego que para algunas es una bendición y para otras la perdicion; a veces me avergüenzo de mi condición de mujer ,pero cuando veo un cuerpo ,una cara hermosa se me pasa ,me encantan los hombres ,los amo). Ich habe mich hin und wieder gefragt, ob ich zumindest irgendwie heimlich und tendenziell auf Frauen herabblicke, da sie mir eventuell leichter (oder leichtgewichtiger) erscheinen. Eigentlich ist es aber eher so, dass ich die Frauen deswegen gerne „Schwester“ nenne, und in meinen Büchern primär die „Leserin“ anrede, da sie mir viel eher als die Männer als meine wahren Mitverschworenen und meine Brüder erscheinen: Sie erscheinen liebreizender, authentischer, schöner, unschuldiger, weniger erdenschwer und unverbrauchter und als die einstweilen noch nicht zur Reife gekommenen oder unterdrückten, insgesamt aber wahren Agenten, denen es obliegt, wahre und endgültige Brüderlichkeit unter der Schöpfung herzustellen. Deswegen ist die „Schwester“ mein eigentlicher Bruder. Leider sind meine Erfolge mit den „Schwestern“ diesbezüglich aber begrenzt. Es ist schade, dass diese schönen und liebreizenden Wesen einfach immer wieder so dumm sind! Wie es ihnen immer wieder an innerer Autonomie mangelt! Wieder einmal eine Gemeinheit der Natur, die uns täuscht. Wie eben Schopenhauer sagt, ist das Dasein ein fortwährender Betrug. –  Falls jetzt eine (oder einer, der sich bei den Weibern einschleimen will) daherkommt und schreit: Diese Ausführungen sind misogyn!, so möchte ich sagen, dass ich es bei nebulosen und relativierenden Harmlosigkeiten belassen habe und die eigentlichen Geschütze, die alles in Grund und Boden schießen könnten, nicht aufgefahren habe. Das habe ich unterlassen! Ich möchte auch dazu sagen, dass die Misogynie nicht auf meinem Mist gewachsen ist! Auch die Stärksten unterliegen offensichtlich kulturellen Normen, und wenn die kulturellen Normen misogyn sind, unterliegen sie diesen; aber soweit ich sehen kann, bin ich durch kulturelle Normen tatsächlich praktisch unbeeinflussbar, sondern lasse mich einfach durch mein reines und volles Herz leiten. Im alten, misogynen Griechenland waren die Akademien der großen Geister für Frauen nicht zugänglich – mit der Ausnahme des besonders radikalen und gleichzeitig harmoniesüchtigen Pythagoras (aus der die Hypatia hervorgegangen ist). Und ich bin der ewige Pythagoras! (Der ewige Pythagoras bin ich! Der ewige Pythagoras!) Die meisten Feministinnen werden in hundert Jahren nicht so feminin sein wie ich! Sie werden auch kein so großer Neger sein wie ich! Ich bin tendenziell auf der Seite des Underdog, und da ich in die Zukunft sehen kann, in das „goldene Matriarchat“, das in etwa so golden sein wird wie der Kommunismus und das sozialistische Arbeiterparadies, zu dem es aber gekommen sein mag, weil die Männer sich nicht mehr wehren können oder wollen, aus lauter „affenwürdiger Weiberveneration, von der ein noch vorhandener Rest, die Galanterie, mit wohlverdienter Weiberarroganz bezahlt wird und allen Asiaten dauernden Stoff zu einem Lachen giebt, in welches die Griechen miteingestimmt haben würden“ (PP, Zweiter Teilband, S. 386), oder zumindest, wenn ich mir die Vulgärfeministinnen anhöre, bin ich bei der Gelegenheit mal auf der Seite des Mannes, weil der ist mittlerweile der Underdog. Ja, all diese Ausführungen kommen eigentlich nur daher, weil mich die Vulgärfeministinnen mit ihrem spöttischen Hohn auf die Männer einerseits und ihrer zusammenfallenden Beleidigtheit auf die Männer andererseits – die niemals harmonisch aufgehen und höher synthetisieren (da sie ja die jeweils andere Seite der insgesamt unreinen, egoistischen Medaille sind) auf die Nerven gehen, da sie die heilige Idee des Feminismus beschmutzen, indem sie anstelle des Männeregoismus einfach nur einen Weiberegoismus setzen und legitimieren würden! (Anm. 8.9.2019: Beim gestrigen Familientreffen haben sich meine Tanten ausgelassen, wie sehr ihnen „diese #metoo-Weiber“ mittlerweile auf die Nerven gehen würden.) – „Das ist wohl etwas für Apotheker!“ (Johanna, als Arthur ihr seine Abhandlung Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde überreicht). Ach was, immer diese neidischen Mütter! Die Frauen sind das schöne Geschlecht, folglich sind sie auch das eitle und das eingebildete Geschlecht! Wenn man sie in ihrer Eitelkeit und in ihrer Eingebildetheit stört und sie auf den Boden der Tatsachen zurück befördert, spritzen sie Feuer und Tod und Gift und Galle. Ja, das ist epigenetisch für alle Zeiten so festgelegt und in Stein gemeißelt! So und nicht anders! (Ich gestatte mir diese kleine implizite Relativierung gerne, insofern wohl gerade die Vulgärfeministinnen, die immer so tun, als wie wenn sie den braven und fleißigen Männern haushoch überlegen wären, obwohl sie meistens doch gar nichts großartig geleistet haben, und die sich für unglaublich schlau halten, weil ihnen, im Gegensatz zum Bergbauern und der Resi auf der Alm, der Begriff „Gender“ bekannt ist, wohl am Wenigsten wissen, was „epigenetisch“ bedeutet.) (Der spätere) Nietzsche bemängelt an Schopenhauer, dass dessen gesamte Philosophie mehr oder weniger eigentlich nur ein Ausdruck seines spezifischen Temperamentes sei – und es kann schon, möglicherweise, eventuell, so sein, dass die wenig erbaulichen Erfahrungen, die der griesgrämige und auch nicht vollständig attraktive Schopenhauer mit den Frauen und mit seiner Mutter gemacht hat, zu seinen negativen Einschätzungen über sie beigetragen haben könnte, vielleicht. Kurz vor seinem Tod, und unter dem Eindruck der Bekanntschaft mit Elisabeth Ney, hat Schopenhauer dann plötzlich gemeint: Er müsse unbedingt seine Meinung ueber die Weiber revidieren! Sie erscheinen ihm nunmehr als der deutlich bessere und höherstehende Teil der Menschheit!, so wie er allgemein gemeint hat, er müsse noch mindestens neunzig Jahre alt werden: Er habe der Menschheit noch so viel zu sagen und seinen Parerga und Paralipomena noch wichtige Zusätze zu geben – unter anderem auch ueber die Weiber. Ach, dieser Schopenhauer! Immer von einem Extrem ins andere! Durch seinen plötzlichen Tod ist es nicht mehr dazu gekommen. Er hat geschwiegen, so ist er Philosoph geblieben.

Die Krüge von Nektar

Die Berge von Freuden,

Schatzkammern der Lust –

Wer schuf uns die Frauen?

Dem Lichte des Mondes gleichen schöne Frauen,

Mit Wonne aller Augen auf sie schauen,

Wie Wein berauschen sie jedweden Mann

Und ziehen wie ein Königsthron ihn an.

Von allen Edelsteinen ist die Frau der schönste Edelstein.

Wünscht man sich Geld, so wünscht man es um ihretwillen sich allein,

Gibt man sie auf, verliert man sie, kann Geld dann noch von Nutzen sein?

Etc.

(Glaube und Weisheit der Hindus, S. 167)

*

Zur Farbenlehre Schopenhauers, wie zu der von Goethe, kann ich gar nichts sagen! Ich mache mich ganz klein und verstecke mich hinter dem Pinkelstein, und wage es kaum hinzusehen, wie diese beiden Titanen gegeneinander um die Deutungshoheit auf dem so schwierigen Gebiet der Farbenlehre ringen! Zwei riesige Krieger, in eiserner Rüstung und schwerster Ausrüstung, riesige Transformer-Roboter, stehen sie auf der Anhöhe der Menschheit und bewerfen einander mit schwerem Geschütz, die Sonne senkt sich über sie. Blitz! Krach! Donner! Einen Wolkenkratzer wirft der eine nach dem anderen; der reißt eine künstliche Halbinsel in Dubai aus und schleudert sie nach dem Gegner – wie der Bürgerkrieg im Q-Kontinuum, in dem die höchsten, gottähnlichen Geschöpfe des Universums miteinander Krieg führen; die zum Einsatz kommenden Energiemengen und Machtmitteln beschädigen ganze Sonnensysteme im engeren und weiteren Umkreis! So ringen Goethe und Schopenhauer um die Deutungshoheit über die Farbenlehre. Schnell also in Deckung! Schopenhauers Farbentheorie baut auf der Farbenlehre von Goethe auf – die mir nicht bekannt ist: Alles, was mir über die Goethesche Farbenlehre bekannt ist, ist, dass sie eine gigantische Leistung sein soll, und für Künstler des neunzehnten Jahrhunderts inspirierend, nur halt eben (angeblich) naturwissenschaftlich fehlgeleitet. Goethe hat seine Farbenlehre unbeirrbar für seine größte und authentischste Leistung gehalten, obwohl bereits zu seinen Lebzeiten eher wenig dafür gesprochen hat, und Eckermann wundert sich, warum Goethe, der gegenüber allerhand Beurteilungen seiner dichterischen Werke so lässlich wirkt, bei seiner Farbentheorie gar wenig sich für Widerrede empfänglich zeigt. Der meint dann eben zu Eckermann: „Auf alles, was ich als Poet geleistet habe, bilde ich mir gar nichts ein. Es haben treffliche Dichter mit mir gelebt, es lebten noch trefflichere vor mir, und es werde ihrer nach mir sein. Dass ich aber in meinem Jahrhundert in der schwierigen Wissenschaft der Farbenlehre der einzige bin, der das Rechte weiß, darauf tue ich mir etwas zugute, und ich habe daher ein Bewusstsein der Superiorität über viele.“ Das also war des Pudels Kern! Der trefflichste aller Dichter ist Goethe nicht, und Nietzsche hat gemeint, Goethe sei eigentlich ein verhinderter Plastiker gewesen, der aber suchte sein Heil in der Farbenlehre. Jetzt wirft der Goethekrieger vor sinkender Sonne eine Raumstation, die er vom Himmel geholt hat, nach dem Schopenhauer, der sich höflich duckt und seinerseits dem Goethekrieger das Bein zu stellen versucht. Schopenhauer hat da ebenfalls zeit seines Lebens nicht locker gelassen, was die Richtigkeit seiner Farbenlehre anlangt. Seine Farbenlehre legt ihr Gewicht, gemäß seiner Philosophie im Allgemeinen, in die Farbwahrnehmungen als Vorstellung, die so also von unserem Wahrnehmungsapparat erst erzeugt werden. Goethe zeigte sich über diese Verbesserung wenig amüsiert. In Feindschaft sind Goethe und Schopenhauer nicht voneinander geschieden, aber die Distanz hat bald (von Seiten Goethes) überwogen. Wie gesagt, ich kann gar nichts dazu sagen, ich bin ganz klein und verstehe von der Farbenlehre fast gar nichts! Jetzt holt der Schopenhauerkrieger das Wrack der Titanic vom Meeresgrund und zieht dem Goethekrieger damit eins über. Der dreht ich dabei halb um sich und fällt auf dem Bauch, scheint aber darob erst recht wütend zu werden. Um zu zeigen, dass ich die Schopenhauerschrift über das Sehn und über die Farben aber wohl gelesen habe, möchte ich daraus zitieren: „Die der Blendung entgegengesetzte Verletzung des Auges ist die Anstrengung desselben in der Dämmerung. Bei der Blendung ist der Reiz von außen zu stark, bei der Anstrengung in der Dämmerung ist er zu schwach. Durch den mangelnden äußern Reiz des Lichtes ist nämlich die Tätigkeit der Retina intensiv geteilt, und nur ein kleiner Teil derselben ist wirklich aufgeregt. Dieser wird nun aber durch willkürliche Anstrengung, z. B. beim Lesen, vermehrt, also ein intensiver Teil der Tätigkeit wird ohne Reiz, ganz durch innere Anstrengung, aufgeregt. Um die Schädlichkeit hievon recht anschaulich zu machen, bietet sich mir kein anderer als ein obszöner Vergleich dar. Jenes schadet nämlich auf dieselbe Art wie Onanie; und überhaupt jede ohne Einwirkung des naturgemäßen Reizes von außen durch bloße Phantasie entstehende Aufreizung der Genitalien viel schwächender ist als die wirkliche natürliche Befriedigung des Geschlechtstriebes.“ (Kleine Schriften, S. 265) – „Kinderchen, laßt mir Den dort in Ruhe, der wächst uns allen noch einmal über den Kopf“, weist Goethe eine Gruppe von Mädchen in seinem Hause zurecht, die über den in sich gekehrten jungen Schopenhauer kichern und tuscheln (Karl Pisa: Schopenhauer, S. 257). Dass ihm Schopenhauer bald darauf auch in Bezug auf die Farbenlehre über den Kopf wachsen würde – hätte er sich das gedacht? Lol. Der Goethekrieger ist wieder aufgestanden und trommelt sich wütend an die Brust gegenüber dem Schopenhauer, die Abendsonne taucht die Sonne in ein sinkendes, sich langsam entziehendes, unerreichbares Gold. (Kennt man das? Bei falschen Anschauungen und Theorien können die Kämpfe innerhalb der von ihnen abgegrenzten Arenen endlos weitergehen, während die Karawane längst weitergezogen ist. Wenngleich ich damit gar nichts gesagt haben will, wäre es doch der Clou, wenn sich in Zukunft einmal die Goethesche Farbentheorie als die richtige erweisen würde, und nicht die von „Neuton“ – und der Clou vom Clou wäre es, wenn sich die von Schopenhauer dann auch noch als die ergänzende Krönung davon herausstellt.) Vor einiger Zeit bin ich mal in der Zeitschrift Sterne und Weltraum über ein neues Buch über die Entwicklung der Spektralanalyse gestolpert, das ich früher oder später mal lesen wollte, da mich die Frühgeschichte der Spektroskopie durchaus interessiert! (Jürgen Teichmann: Der Geheimcode der Sterne, Verlag Deutsches Museum 2017) Gut, dass ich da daran erinnert worden bin!

*

„Denken wir uns das Auge des Philosophen auf dem Dasein ruhend:  er will dessen Wert neu festsetzen. Denn das ist die eigentümliche Arbeit aller großen Denker gewesen, Gesetzgeber für Maß, Münze und Gewicht der Dinge zu sein.  Wie muß es ihm hinderlich werden, wenn die Menschheit, die er zunächst sieht, gerade eine schwächliche und von Würmern zerfressene Frucht ist! Wie viel muß er, um gerecht gegen das Dasein überhaupt zu sein, zu dem Unwerte der gegenwärtigen Zeit hinzuaddieren! … Deshalb muß der Philosoph seine Zeit in ihrem Unterschiede gegen andre wohl abschätzen und, indem er für sich die Gegenwart überwindet, auch in seinem Bilde, das er vom Leben gibt, die Gegenwart überwinden… Dies ist eine schwere, ja kaum lösbare Aufgabe.“ (Nietzsche, Schopenhauer als Erzieher/Unzeitgemäße Betrachtungen, S. 209) Also tat Schopenhauer. Schopenhauer setzt sich hin, sagt sich: will ich mich nun zu Tisch setzen, diese Suppe auslöffeln, gewaltig ist mein Hunger – ach ja, bevor ich diese Anekdote vergesse:

„Aber der Herr Doktor essen ja heute wieder für zehn!“

„Ja freilich, ich denke ja auch für zehn.“

(Dialog zwischen dem oftmals gewaltige Portionen verschlingenden Schopenhauer und dem Personal im Englischen Hof)

— gewaltig also sein Hunger, setzt er sich also hin und versucht, den Wert des Daseins zu bestimmen, das Dasein in den Griff zu bekommen. Schwere und kaum lösbare Aufgabe. Aber: hat er es nicht recht gut gemacht? Das Dasein ist groß, und die Welt ist tief, und tiefer als der Tag gedacht. So mag er immer wieder fragmentarisch wahrgenommen werden. Das scheint immer wieder zu passieren, besser gemeint oder auch schlechter. Man kann in ihm einen Vordenker dessen sehen, dass der Mensch nicht autonom ist, sondern größtenteils von einer fremden Macht (dem Willen) gesteuert, die ganz dumm ist und mit der man (bzw. der Intellekt) nicht wirklich kommunizieren kann; Freud sieht in ihm einen frühen Entdecker des Unbewussten. Einige halten Schopenhauer für einen „schwachen Denker“, wozu die ungeheure Leichtigkeit seiner Philosophie und seiner Sprache eventuell verleiten kann (man soll dann aber nicht dabei verharren). Geistreiche erkennen in ihm, wie erwähnt, einen „Geistreichen“. Marxisten u. dergl. sehen in ihm einen Vorbereiter des Irrationalismus, da sie keine korrekten Unterscheidungen zwischen Rationalität und Irrationalität treffen, noch, oftmals, zu treffen gewillt sind, da ihre eigene Philosophie zu einem guten Teil weniger von Erkenntnis, denn von Willen (Wunschdenken) gesteuert und motiviert ist (korrekterweise ist der Wille als sein Weltprinzip a-rational, und nichtsdestotrotz kann ihm korrekte Erkenntnis gegenübergestellt werden). Russell macht in seiner Philosophie des Abendlandes mangelnde Folgerichtigkeit und logischen Zusammenhang bei Schopenhauer ausfindig, indem seine Lehre von der Allmächtigkeit des Willens mit seinem Ethos des Verzichtes nicht gut zu harmonieren scheint (Bertrand Russell: Philosophie des Abendlandes, S. 769) – aber, hey!, die Welt ist halt mal nicht harmonisch und folgerichtig (davon schreibt Schopenhauer ja eben die ganze Zeit). Einige wiederum mokieren sich über die Vermeintlichkeit, dass er von fremder Weisheit abgeschrieben habe und von ihrem Fett zehre; Sloterdijk vermutet in seiner (irgendwie verschämt wirkenden) Darstellung in den Philosophischen Temperamenten, in der Introduktion asiatischer Weisheit in die westliche Philosophie könnte „auf lange Sicht seine wichtigste geistesgeschichtliche Wirkung liegen“ (ebenda, S. 94). Asiatische Weisheit allerdings:

Nicht gibt es eine Vielheit hier,

Der Denkende erkennt es klar.

Von Tod zu neuem Tode geht,

Wer eine Vielheit noch nimmt wahr.

Als Einheit sei das All erschaut,

Als unerkennbar, anfangslos.

Jenseits des Raums west ewig rein

Der Atman unermesslich groß.

(Glaube und Weisheit der Hindus, S. 38)

Wenn ein Mensch auch beständig Kultakte vornimmt und sich hundertfach kasteit, so erlangt er doch nicht das Heil, solange er nicht das Wissen erreicht hat. Nur wer erkannt hat, dass die ganze Welt von Brahma bis zum Grashalm eine durch die Maya hervorgerufene Einbildung ist und dass das einzig Wahre das eine höchste Brahma (Absolute) ist, wird selig. Alle Vorstellungen von Name und Form gleichen nur dem Spiel von Kindern, nur wer dies alles aufgegeben hat und fest im Brahma verharrt, ist ein Erlöser, daran besteht kein Zweifel.

(Glaube und Weisheit der Hindus, S. 132)

Wer mit dem Andern sich als Eines dachte,

Wer Tag und Nacht in sich als gleich empfand,

Wer sich im Geist frei von der Zweiheit machte,

Der allein hat den höchsten Gott erkannt.

(Glaube und Weisheit der Hindus, S. 237)

– auf dererlei Weisheit kommt freilich jeder korrekt denkende und empfindende Mensch auch selber. Schopenhauer hat diese, eben auch in ihm schlummernde Weisheit der Brahmanen sofort verstanden, nachdem er darauf gestoßen ist, während man derleichen westlichen akademischen Philosophen eventuell hundertmal erklären kann und sie verstehen es nicht (oder weigern es sich anzuerkennen, da das ihre analytische Welt bedroht). „Im allgemeinen freilich haben die Weisen aller Zeiten immer dasselbe gesagt, und die Toren, das heißt die unermeßliche Majorität aller Zeiten, haben immer dasselbe, nämlich das Gegentheil, getan: und so wird es denn auch ferner bleiben.“ (Aphorismen zur Lebensweisheit, S. 10) Nein, nein, Schopenhauer ist ganz und gar kein Epigon – und überhaupt mögen alle über ihn sagen, was sie wollen – „Wenn ich zu Zeiten mich unglücklich gefühlt, so ist dies mehr nur vermöge einer méprise, eines Irrthums in der Person geschehen, ich habe mich für einen Anderen gehalten, als ich bin, und nun dessen Jammer beklagt; z.B. für einen Privatdocenten, der nicht Professor wird und keine Zuhörer hat, oder für Einen, von dem dieser Philister schlecht redet und jene Kaffeeschwester klatscht, oder für den Beklagten in jenem Injurienprozesse, oder für einen Liebhaber, den jenes Mädchen, auf das er capriciert ist, nicht erhören will, oder für den Patienten, den seine Krankheit zu Hause hält, oder für andere ähnliche Personen, die an ähnlichen Miseren laboriren: das Alles bin ich nicht gewesen, das Alles ist fremder Stoff, aus dem höchstens der Rock gemacht gewesen ist, den ich eine Weile getragen und dann gegen einen andern abgelegt habe. Wer aber bin ich denn? Der, welcher die Welt als Wille und Vorstellung geschrieben hat und vom großen Problem des Daseins eine Lösung gegeben, welche vielleicht die bisherigen antiquiren, jedenfalls aber die Denker der kommenden Jahrhunderte beschäftigen wird. Der bin ich, und was könnte den anfechten in den Jahren, die er noch zu athmen hat?“ (Die Kunst, sich selbst zu erkennen, S. 36f.) Die Leistung von Schopenhauer besteht darin, dass er das Dasein insgesamt umrundet hat; eine Antwort über sein Wesen gegeben hat. Das ist, in der Philosophie, die größte aller möglichen Leistungen. Auf die (in etwa) zentrale philosophische Frage Warum gibt es etwas und nicht vielmehr nichts?, auf die Frage nach der urtümlichen demiurgischen Produktivität also, aus der alles stammt und die wir verehren und bewundern, gibt Schopenhauer die Antwort eines geistlosen, wesenlosen, arbiträren und areflexiven, daher tendenziell maliziösen Prinzips, des Willens. Damit entfällt das Problem der Theodizee, also der Frage nach dem Warum? bezüglich des Bösen. Vielmehr stellt sich eher die Frage nach einem Warum überhaupt? des Guten, die sich elegant in etwa so beantworten lässt: Weil ohne ein bisschen Gutes und gute Konstruktivität die Konstruktionen des Willen instantan in sich zusammenbrechen würden! und daher notwendig ist bzw. dass es das reine Gute an sich kaum gibt, vielmehr ist das Ding an sich hinter dem, was gut erscheint, dann halt auch wieder zumeist der Wille! Was will man dagegen einwenden? Dass das „geistreich“ sei (wie die Meisten das natürlich täten)? Nein, mit Schopenhauer kann man einfach nicht fertig werden! Es ist unmöglich, mit Schopenhauer fertig zu werden! – Beiläufig gibt Schopenhauer eine elegante Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, den er eben darin sieht, dass man im Lauf des Lebens lernt, es nicht zu wollen und darauf verzichten zu können (der frühreife Otto Weininger hat mir die Frage nach dem Sinn des Lebens am erwärmendsten beantwortet; der Sinn des Lebens liegt darin, Ethik und Logik gleichermaßen zu realisieren; eventuell liegt der rätselhafte Freitod von Otto darin, dass er auch jene Erkenntnis Schopenhauers für sich antizipiert hat…). Das Dasein ist eher nichts, was bergend ist, und die Menschen sind eher nichts, wo man sich viel erwarten sollte. Es ist, insgesamt, eine heillose Angelegenheit. Es wird vom Willen bestimmt, und der individuelle Wille wird meistens durchkreuzt; seine Pläne werden vereitelt. Eine schöne metaphysische Wahrheit und einen schönen Sinn gibt es nicht. ALLERDINGS kann es so sein, dass man davon auch gar nicht wirklich berührt wird. Dass das für das jeweilige Leben gar keine wirkliche Rolle spielen mag. Das kommt immer wieder vor! Tatsächlich überwiegen im Leben (wie im Traum) die als unlustvoll wahrgenommenen Momente, von den meisten Augenblicken würden wir nicht sagen: Verweile doch, du bist so schön! Wir würden eher wünschen, ihnen zu entkommen. Auch wenn die meisten auf die Frage, wie es ihnen geht, mit „gut!“ antworten, sind wir die meiste Zeit unseres Lebens nicht tatsächlich glücklich; obwohl Kinder das größte Glück im Leben seien, sind Kinderlose glücklicher als Eltern etc. (vgl. dazu etwa das bekannte Buch von Thomas Metzinger, Der Ego-Tunnel). Allerdings gibt es dann doch mannigfache Gelegenheiten, sich das Leben oder zumindest den Augenblick ganz gut einzurichten und sich darin zurechtzufinden, indem man gute Bezüge herstellt, deren Charakter individuell ist. Schopenhauer deckt diesen Teil mit seiner populärsten Schrift ab, die ihn endlich bekannt gemacht hat, indem sie den paradoxen Schlüssel zu seiner einerseits leicht, andererseits schwer nachvollziehbaren Philosophie liefert: die Eudämonologie seiner Aphorismen zur Lebensweisheit (Metzinger weist in seinem Ego-Tunnel darauf hin, dass Glück nicht alles ist, was im Leben Wert hat: auch Wahrheit oder Schönheit haben einen hohen Wert – möglicherweise einen höheren als stumpfe Zufriedenheit – und Schopenhauer tut ja kaum anderes, als sich sein Glück als Erkennender von der Seele zu schreiben). Ja, wohl mag die Rezeption und die Wirkung Schopenhauers in der abendländischen Philosophie die womöglich unlinearste von allen der großen Philosophen sein, da Schopenhauer mit seinem Werk auch irgendwie außerhalb der Philosophie steht, seiner Philosophie als Daseinshermeneutik (Rüdiger Safranski), die über alle sonstige Philosophie hinausschießt… Schopenhauer als „siegreich Vollendeter“ (Schopenhauer über Gautama Buddha) der Philosophie…. Und, eben, was für ein Schriftsteller! Mit seinem schönen, kompakten und abgerundeten Werk hat Schopenhauer an und für sich einen Roman des Daseins geschrieben. Schönes erdiges Dunkel im Kessel, von einem silbrig leuchtenden Halbrund dynamisch eingeschlossen. Schopenhauer hat eine große Lösung vom großen Rätsel des Daseins gegeben, der nicht mehr viel hinzugefügt werden kann – und jetzt steht er einfach da, in Ruhe und Bewegung, Anfechtend und wenig anfechtbar. Mein Freund Clemens singt davon, wie er in der leeren Halle steht, die er regiert. Und da sehe ich auch Schopenhauer in einer eher großen Halle, einem Saal, tiefblau und mit silbrig aufschießenden Wänden, eine kleine Figur da drin, überaufrecht und ein wenig angespannt dastehend, Hände hinten verschränkt, mit einer leicht nach oben blickenden Physiognomie von stolzem Trotz, ernstem Blick, gleichzeitig verwundert, anfechtend und zur Anfechtung bereit, wie ein Kind, das was gemacht hat und zeigt: Da! Da habe ich was gemacht! Das da habe ich gemacht! Was willst du jetzt dagegen tun? Man kann bei Schopenhauer nicht mehr viel tun, man kann ihn wenig ausbauen oder für andere philosophische Zwecke ausbeuten (wie z.B. Nietzsche), da er alles, im Wesentlichen, gesagt hat. Und ich habe vorhin gemeint, Schopenhauer sei als Person nicht eindeutig fassbar, vielleicht sogar ein wenig langweilig und reduziert. Heute Nacht beim Einschlafen ist mir aber die Vision der Möglichkeit gekommen, dass der pessimistische und mieselsüchtige Schopenhauer doch vielleicht die vitalste und unbeschwerteste Gestalt war und das Problem des Philosophen-Lebensvollzuges am Besten gelöst hat. Er sei früh gealtert, aber auch (bereits bevor er allgemeine Anerkennung gefunden hat und der „Nil in Kairo angelangt“ war früh zu einem „heiteren Greis“ geworden. Sich selbst hat er als einen „theoretischen Heiligen“ betrachtet. Das erscheint unvollständig, in der Gesamtheit des Daseins muss es aber so was auch geben. Das Heilige ist gemeint als kraftvolles Gegenexempel zum Unheiligen und Profanen. Darin ruht es in sich selbst und ist nicht anfechtbar. Es ist moralische Genialität, aber eher nicht wissenschaftliche oder philosophische Genialität, denn es analysiert das Unheilige und Profane nicht tatsächlich. Es überwindet es nur durch ethische Tat. Der Philosoph ist aber da, um zu analysieren und reflektieren. Schopenhauer schwärmt vom entsagenden Heiligen, der sich absichtlich demütigen lässt, um Mitleid in die Welt zu bringen und Willen abzutöten. Allerdings sind die Individuen, die demütigen, meistens eh zu abgefuckt, auf dass sie das tatsächlich verstehen würden und das großartig was bringen würde, sich endlos und fruchtlos um sie zu bemühen. Dass er mit den bipedes nichts gemein habe, davon schreibt Schopenhauer in sein Tagebuch, das Eis heautón. Das scheint ganz im Widerspruch zum tat twam asi zu stehen. Aber nur scheinbar, denn es ist eben so, dass es in der Welt dieses und jenes gibt, das eine und das andere, die eigene Vollkommenheit und die heillose Abgefucktheit des anderen und so vieler Mitmenschen. Ja, diese Vorstellung scheint von fast jedem beliebigen Standpunkt aus richtig. In seiner Heterogenität – das All, ein großes Ganzes. Als der Mönch den ehrwürdigen Shi-Lou fragte: „Ehrwürdens Fehler, worin bestehen die?“, antwortete Shi-Lou: „Meine Fehler bestehen in deinen Fehlern“. Der Mönch verbeugte sich in Verehrung vor Shi-Lou. Shi-Lou versetzte dem Mönch auf der Stelle einen Schlag. Das ist er, der große Spiegelsaal, in dem die transzendente Erkenntnis wohnt. Schopenhauer hätte das sofort verstanden!

Literatur:

Avenessian, Armen (Hg.): Realismus Jetzt. Spekulative Philosophie und Metaphysik für das 21. Jahrhundert, Berlin, Merve Verlag 2013

Nietzsche, Friedrich: Unzeitgemäße Betrachtungen, Frankfurt/Main, Insel 1981

Pisa, Karl: Schopenhauer. Philosoph des Pessimismus, München, Heyne 1988

Russell, Bertrand: Philosophie des Abendlandes, Wien/Zürich, Europa-Verlag 1988

Safranski, Rüdiger: Schopenhauer und Die wilden Jahre der Philosophie, München/Wien, Hanser 1987

Schopenhauer, Arthur: Aphorismen zur Lebensweisheit, Frankfurt/Main, Insel 2003

Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung (WWV), zwei Teilbände, Zürich, Diogenes 1977

Schopenhauer, Arthur: Die Kunst, sich selbst zu erkennen, München, C.H. Beck 2006

Schopenhauer, Arthur: Kleine Schriften, Frankfurt/Main, Suhrkamp 1986

Schopenhauer, Arthur: Parerga und Paralipomena (PP), zwei Teilbände, Zürich, Diogenes 1977

Sloterdijk, Peter: Philosophische Temperamente, München, Diederichs 2009

Spierling, Volker: Schopenhauer ABC, Leipzig, Reclam 2003

Von Glasenkamp, Helmuth: Glaube und Weisheit der Hindus, Leipzig, Richter Edition seltener Bücher 2009

In Memoriam Plaaastic

Coming back to Sheidlina, I had to find out that Sheidlina collaborator Plaaastic died. Her universe was more uncanny as she was suffering from horrible depression. This is very sad. I hope she will now truly be in some celestial realm. Farewell, sister 😓

One Day

One day I will be
Just a forgotten memory.
But I will be your
forgotten memory.

Don’t forget to forget

http://www.plaaastic.com/

Aliens Looking for Real Fun (Spellling, Shampoo, Sheidlina and the Antisphere)

Spellling I find to be the contemporary Queen of Pop and the greatest Queen of Pop since Shampoo! Consequently, Shampoo are barely remembered and Spellling is barely known (currently she has 1.824 followers on FB). Shampoo were perfect individuals, and individualism is what (some) people try to achieve and some collective phantasma; in the final instance, nevertheless, the individual is an antithesis to any collective and therefore disembedded. The perfect individual will be truly monadic, and the highest degree of individuality gets achieved when someone erects his empire in the highest anarchy, as a loner and a hermit, says Nietzsche. Whereas Shampoo were a fusion of punk, kitsch, girlie pop, abrasiveness, cuteness, Sex Pistols, East 17 and Gary Numan; Spellling is commonly characterised as an amalgam of afropop, R & B, darkwave, vintage electronic, howling, whispering, presence and elusiveness, something that is child-like as well is it is uncanny and haunted. Yet, by all means, the music of Spellling is perfectly pure and in no way derivative. Bhagwan, the 20th century Zarathustra, says: One who wants to transcend this obnoxious humanity will need to be so extreme that humanity will deem him/her crazy! Spellling appears highly eccentric, also (occasionally) in the way she dresses (at most occasions she is just rather casually clothed though, like I am, since we are no pretenders), in reality she is just completely sane and is the magic source and the center from which all rationality and creativity pours out. There she stands, in stasis, where everything around her revolves! Nietzsche says, (when the highest level of consciousness is reached), there shall be „something inexpressible, to which joy and truth are only feeble after-images … earth is losing its gravity, the incidents and the powers of earth become dream-like, like on a summer evening a transfiguration and glorification comes into place….“ (Schopenhauer as Educator). Yes, indeed, strange celestial realms, which are beyond that what is commonly imagined as Heaven (since they also incorporate, as a necessary by-product of totality, Hell). It is the Antisphere! In Heaven you are in a permanent communion with Christ, the Grand Unifier. However, how should the wandering mind be in an everlasting communion with anything, including the Grand Unifier?! The Antisphere explodes with colours. It is the phase space of creativity. In the Antisphere you are in a negatively curved space, on a line of flight into infinity, as you are in permanent communion with your own transgression. In the Antisphere you do not want to confirm of affirm yourself. You want to get rid o fand away from yourself. All my life I just tried to get away from myself, said Marcel Duchamp, the Holy Ghost of 20th century art. That´s the spirit of art and of (any sort of) enlightenment! In the Antisphere you are in perfect harmony with yourself, since in the Antisphere you are the source. Janis said, of all the great artists he had personally met, only Duchamp and Mondrian had been truly harmonious and uncompetetive personalities. This is the Antisphere. Spellling says she loves the figures of wizards, tricksters and jesters. Yorick, the Fool. Spellling says the essence of Spellling is about capturing the essence, the magic of every moment. As concerns the heavens, Spellling says she does not know about the afterlife, but she is interested in parallel lives. Her dad has synaesthesia. In the video to Under the Sun (set up by congenial collaborator Catalina Xavlena and in which you see the Antisphere) she dances like the most intelligent person in the world. In general, in the Antisphere the dances between signifier and the signified are beyond common understanding and beyond the limits of (post) structuralism, they become a unified whole, reality and dream become one, the phantasma becomes transgressed; it is the mind of the Grand Unifier death to false metal.

Solange, the little eccentric sister of Beyoncè, I find also charming ->

Sheidlina is also from the Antisphere. She once said, after doing this stuff for years, she has come to recognise that coolness like that will only ever be something for a tiny minority to be grasped (haha, very cool!).

Präludium zu einer Notiz über den Poststrukturalismus

Wolken und Mond sind ein und dasselbe, Berge und Täler sind jeweils verschieden; in der Großen Leere gibt es keine Wolken – transzendentes Wissen geht über solche Dichotomien hinaus. Sekundäre Denker wie Foucault, die die Welt von einem Sechstausender aus betrachten und nicht von einem Achttausender aus, und die sich nicht sehr mächtig und radikal über ihr Zeitalter erheben, können nur den Abglanz einer Ahnung hiervon erhalten. Wenn ich mich recht erinnere, sprechen auch die Poststrukturalisten von einem Außen, aber es erscheint bei ihnen vornehmlich als Schatten, außerhalb ihres theoretischen und spirituellen Aktionsradius; vom Außen aus blickt man in die Ewigkeit und nicht in die typologischen Variationen der Episteme, oder anders gesagt, in das Samsara. Was Yorick damit sagen will? Ja das würde ich nur zu gern wissen; es ist ein großes Geheimnis, ein brütendes Ei; sein mächtiger Schatten legt sich alsbald auch über Foucault.

Georg Büchner und Lautréamont

… Wer diese Schilderung für übertrieben hält, der erinnere sich an Kants famosen Ausspruch in der Anthropologie, wo der Alte vom Berge alles Ernstes erklärt, das poetische Vermögen, von Homer an, beweise nichts, als eine Unfähigkeit zum reinen Denken, ohne jedoch die sich mit Notwendigkeit ergebende Konsequenz hinzuzufügen, dass auch die Welt in ihrer stammelnden Mannigfaltigkeit nichts beweise, als die Unfähigkeit Gottes, einen Monolog zu halten.

Friedrich Hebbel, Vorwort zu Maria Magdalena

Dieser Büchner war ein toller Hund. Nach kaum 23 oder 24 Jahren verzichtete er auf weitere Existenz und starb. Es scheint, die Sache war ihm zu dumm…

Alfred Döblin

Woyzeck sucht Sinn, sucht den Gesamtzusammenhang zu erkennen, vermutet ihn eventuell (heute wie damals) als von den Freimaurern gesteuert, bleibt aber in seinem fragmentarischen Sprechen hängen, fremde Mächte verfügen über ihn, er mag ihnen leicht reinscheißen, indem er zu früh pisst, aber auch, und vor allem, die höheren Hierarchiestufen sind von albernen Figuren bevölkert, von guten, jovialen Menschen eventuell, aber ohne wirkliche Moral, denn Moral, das ist wenn man moralisch ist – traurige Absage an die Idee davon, der Mensch könnte seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit tatsächlich und effektiv groß entkommen; die Französische Revolution, ihre Agenten und ihr Stimmvieh, unentschieden wandelt sich das Bild rund um Dantons Tod ständig von einer interessanten bis heilsverkündenden Sinfonie der produktiven Heterogenität und Vielfalt unter Menschen und ihrer Ansichten und der einer nihilistischen Kakophonie, der der Dirigent abgeht. Ich studirte die Geschichte der Revolution. Ich fühlte mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte. Ich finde in der Menschennatur eine entsetzliche Gleichheit, in den menschlichen Verhältnissen eine unabwendbare Gewalt, Allen und Keinem verliehen. Der Einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen unmöglich. Ach! Das ist jenseits der Frage von Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie? – es ist eine nüchterne (feurig artikulierte) Einsicht in den Lauf der Dinge und in den Chaosmos (dem Zusammenspiel von Zufall und Ordnung), den zu erkennen das Höchste, den zu beherrschen unmöglich ist. Es ist eine Einsicht in die absolute Beweglichkeit der Dinge, die bei Büchner korrespondiert in einer absoluten Beweglichkeit der Sprache, die selbst Shakespeare (vor allem aber Goethe) ein wenig unbedarft aussehen lässt. Büchners Sprache ist Fähigkeit zum reinen Denken und artikuliert einen Monolog Gottes, der alle stammelnde Mannigfaltigkeit der Welt beinhaltet. Büchners Sprache legt sich über die Welt. Die Welt ist etwas Subjektives wie Objektives, solipsistisches Abbild im Gehirn einer dennoch unermesslichen und indifferenten Weite da draußen – sie realisiert sich, für uns, in den Verhältnissen, in denen wir zu ihr leben. Satori und Erleuchtung und kosmisches Bewusstsein bedeutet Amalgamierung von Subjekt und Objekt und (Quasi-) Transzendierung von Mensch und Welt hinsichtlich uns allgemein bekannter Formen von Mensch-Welt-Verhältnissen. Im Lenz hat man das in einer höchst produktiven Weise. Den 20. ging Lenz durchs Gebirg … es drängte in ihm, er suchte nach etwas, wie nach verlorenen Träumen, aber er fand nichts. Es war ihm alles so klein, so nahe, so nass, er hätte die Erde hinter den Ofen setzen mögen, er begriff nicht, dass er so viel Zeit brauchte, um einen Abhang hinunterzuklimmen, einen fernen Punkt zu erreichen; er meinte, er müsse alles mit ein paar Schritten ausmessen können. Nur manchmal, wenn der Sturm das Gewölk in die Täler warf, und es den Wald herauf dampfte, und die Stimmen an den Felsen wach wurden, bald wie fern verhallende Donner, und dann gewaltig heranbrausten, in Tönen, als wollten sie in ihrem wilden Jubel die Erde besingen, und die Wolken wie wilde wiehernde Rosse heransprengen, und der Sonnenschein dazwischen durchging und kam und sein blitzendes Schwert an den Schneeflächen zog, sodass ein helles, blendendes Licht über den Gipfel in die Täler schnitt; oder wenn der Sturm das Gewölk abwärts trieb und einen lichtblauen See hineinriss, und dann der Wind verhallte und tief unten aus den Schluchten, aus den Wipfeln der Tannen wie ein Wiegenlied und Glockengeläute heraufsummte, und am tiefen Blau ein leises Rot hinaufklomm, und kleine Wölkchen auf silbernen Flügeln durchzogen und alle Berggipfel scharf und fest, weit über das Land hin glänzten und blitzten, riss es ihm in der Brust, er stand, keuchend, den Leib vorwärts gebogen, Augen und Mund weit offen, er meinte, er müsse den Sturm in sich ziehen, alles in sich fassen, er dehnte sich aus und lag über der Erde, er wühlte sich in das All hinein, es war eine Lust, die ihm wehe tat; oder er stand still und legte das Haupt in das Moos und schloss die Augen halb, und dann zog es ihn weit von ihm, die Erde wich unter ihm, sie wurde klein wie ein wandelnder Stern und tauchte sich in einen brausenden Strom, der seine klare Flut unter ihm zog. Überwältigende Wanderungen des wandernden Geistes! Aber es waren nur Augenblicke, und dann erhob er sich nüchtern, fest, ruhig als wäre ein Schattenspiel vor ihm vorübergezogen, er wusste von nichts mehr. Im Lenz hat man das Einheits-Bewusstsein, eine alles durchdringende und einheitliche, demokratische innere und äußere Wirklichkeitserfahrung, die natürlich auch den ungeheuern Riss, der durch die Welt geht, wahrnimmt (schmerzlich), diesen aber durch ihre eigene Intensität ohne weiteres kompensiert (solange das Subjekt gesund ist; wenn es krank wird, hat es dann möglicherweise nur mehr n i c h t s). Ei, in Lenz sind alle Dinge verwoben, man hat die Decke der Welt und das empathische Ergreifen aller Dinge im ultimativen Subjekt, das den Kelch der Welt austrinkt, als unendliche Aufgabe, in einem unendlichen Fest und Bacchanal. Es dehnt sich aus, es zieht sich zusammen, es vergewissert sich seiner Geborgenheit, es vergewissert sich seiner Isoliertheit… es stabilisiert sich von Zeit zu Zeit in reiner, abstrakter Geometrie, die bald wieder zu tanzen anfängt, zu rauschenden Tönen inmitten von Farben, es reitet die Welle. Er durchstrich das Gebirg in verschiedenen Richtungen, breite Flächen zogen sich in die Täler herab, wenig Wald, nichts als gewaltige Linien und weiter hinaus die weite rauchende Ebne, in der Luft ein gewaltiges Wehen, nirgends eine Spur von Menschen als hie und da eine verlassene Hütte, wo die Hirten den Sommer zubrachten, an den Abhängen gelehnt. Er wurde still, vielleicht fast träumend, es verschmolz ihm alles in eine Linie, wie eine steigende und sinkende Welle, zwischen Himmel und Erde, es war ihm als läge er an einem unendlichen Meer, das leise auf und ab wogte. Manchmal saß er, dann ging er wieder, aber langsam träumend. Er suchte keinen Weg. Der Weg zu Erleuchtung und Satori ist bekannt als der weglose Weg. Der weglose Weg reflektiert auch das Blinde des Schicksals und das Elementarische des Lebens, das sich in seiner eigenen Mimesis am Elementarsten realisiert. Ich verlange in allem Leben, Möglichkeit des Daseins, und dann ist´s gut; wir haben dann nicht mehr zu fragen, ob es schön, ob es hässlich ist, das Gefühl, das was geschaffen sei, Leben habe, stehe über diesen beiden, und sei das einzige Kriterium in Kunstsachen. Übrigens begegne es und nur selten, in Shakespeare finden wir es und in den Volksliedern tönt es einem ganz, in Goethe manchmal entgegen. Alles Übrige kann man ins Feuer werfen …  Dieser Idealismus ist die schmählichste Verachtung der menschlichen Natur … Wie ich gestern neben am Tal hinaufging, sah ich auf einem Steine zwei Mädchen sitzen, die eine band ihre Haare auf, die andre half ihr; und das goldene Haar hing herab, und ein ernstes bleiches Gesicht, und doch so jung, und die schwarze Tracht und die andre so sorgsam bemüht. Die schönsten, innigsten Bilder der altdeutschen Schule geben kaum eine Ahnung davon … Nur eins bleibt, eine unendliche Schönheit, die aus einer Form in die andre tritt, ewig aufgeblättert, verändert, man kann sie aber freilich nicht immer festhalten und in Museen stellen und auf Noten ziehen und dann Jung und Alt herbeirufen, und die Buben und Alten darüber radotieren (lt. Duden: „ungehemmt schwatzen“, Anm.) und sich entzücken lassen. Man muss die Menschheit lieben, um in das eigentümliche Wesen jedes einzudringen, es darf einem keiner zu gering, keiner zu hässlich sein, erst dann kann man sie verstehen. Büchner ist der Alte vom Berg, der alle Welt überblickt. Dass ein (noch dazu sehr Junger) von einem so hohen Berg aus alle Welt überblickt, ist extrem selten. Dass im 19. Jahrhundert gleich drei solche da waren (außerdem eben: Rimbaud und Lautréamont), ist vielleicht das curioseste von allem. Köstliche Kuriosität!

Lautréamont wird niemals eine historische Persönlichkeit sein. Er steht außerhalb der Literaturgeschichte, außerhalb der Sittengeschichte … Unter einem zu niedrigen Himmel, inmitten der Hast und des Gedränges, fühlt man sich erdrückt wie ein Fisch in einem übervollen Netz; man erstickt an der eigenen Größe. Seltsames Paradox: ein Genie erstickt und fühlt sich endgültig allein und mehr als allein, es fühlt sich verlassen. In seinen Träumen hält es sich für einen Schwimmer, der sich verirrt hat, Hunderte von Kilometern vom Festland entfernt, ohne Hoffnung auf Hilfe. Für ihn gibt es nur die Wogen des Meeres, den unbarmherzigen Himmel und den eigenen Mut… Das Drama spielt sich in seiner eigenen Brust ab. Der Vorhang öffnet sich auf eine Wüste…

Philippe Soupault

„Geniale Intelligenz ist bewirkt durch Reibung der Gewöhnlichkeit am Traum. Büchner war ein großer Träumer, der sich der Gewöhnlichkeit ausgeliefert hat“, so Büchner-Biograph Hermann Kurzke. Die Gesänge des Maldoror von Büchners Intelligenzgenossen Lautréamont gelten als Traumliteratur, als genuine und höchst überraschende Schöpfung außerhalb aller Tradition von einem ca. 23jährigen weitgehenden Unbekannten. Was man da, auf diesen gewaltigen Textflächen hat, sind rationale und durchkomponierte Halluzinationen und Meditationen, Emanation von Bildern, von denen eines ins andere übergeht, einen schönen, demokratischen Strom von unzerreißbarer Textur – abermals das Einheits-Bewusstsein! Sein Verleger (der sich dann doch nicht getraut hat, die Gesänge zu veröffentlichen, die erst zwanzig Jahre später von einem anderen, befreundeten Verleger publiziert wurden) hat den „großen, dunklen, jungen Mann, bartlos, unruhig, ordentlich und fleißig“, für verrückt gehalten, weil so vieles abartige Zeugs – nicht nur Perverses, sondern auch offensichtlich Unsinniges –  bei ihm besungen wurde. Alter Ozean, deine Wasser sind bitter. Ihr Geschmack gleicht genau dem der Galle, welche die Kritik über die schönen Künste, über die Wissenschaften, über alles ergießt. Hat jemand Genie, wird er für einen Dummkopf gehalten; ist ein anderer schön von Gestalt, nennt man ihn buckliges Scheusal. Gewiss, der Mensch spürt gewaltig seine Unvollkommenheit, die er übrigens zu dreivierteln sich selbst zuzuschreiben hat, da er sie derartig tadelt! Ich grüße dich, alter Ozean! „Aber, eben dieser Verstand ist so stark, er hat eine solche Weite, dass er zugleich alle Bewegungen des Unverstandes zu umgreifen scheint und die seltsamsten Abirrungen einbeziehen kann, jene unterirdischen Konstellationen, die ihm als Wegweiser dienen, und die er dennoch mit sich reißt, ohne sich zu verlieren und ohne sie zu verlieren.“ (Maurice Blanchot über Lautréamont) Solcherart waren Geist und Seele des Comte de Lautréamont. Ja, was man bei Lautréamont hat, ist der (absolute) GEIST (in der absoluten Form), der um die Welt und um sich selbst rotiert. Er rotiert um die Rätsel, genauer gesagt, um die Mysterien der Existenz, die er mühelos überblickt, deren metaphysischen Beschränkungen er dabei genauso unterliegt, wie alle anderen Wesen, einschließlich Tieren, Kindern und Ozeanen: Weder ich noch die vier Schwimmflossen des Eisbären im Nordmeer haben das Rätsel des Lebens lösen können. Das Rätsel des Lebens, von noch keinem befriedigend beantwortet oder gelöst, gibt es als Substanz wohl nicht. Gut und Böse gibt es, als Substanz, wohl auch nicht. Was es aber, wie Baudrillard (?) sagt, gibt, ist die Spannung zwischen Gut und Böse! Die ist etwas, was uns beschäftigt und eine Erscheinungsform des Rätsels des Lebens ist. Wenn das Rätsel des Lebens als Substanz nicht existiert, teilt es sich doch über Spannung und Intensität mit, die zumindest vom gespannten und intensiven Geist erfahren wird (Lautréamont sei der Schriftsteller mit der höchsten geistigen Intensität des 19. Jahrhunderts gewesen, urteilt Carl Einstein, unabhängig davon, über ihn).  Die Gesänge des Maldoror sind Meditationen über das Böse und eine traumhafte Phänomenologie des Bösen – bei der dadurch an Schrecklichkeit aber etliches rausgenommen wird, denn auch wenn Träume oft unangenehm sind: gefährlich sind sie ja nie. Eher sieht es so aus, als wie wenn ein betrunkener Gott (der auch in den Gesängen auftritt) auf die Welt blickt und sein Weltauge errichtet. Nach den publikationsmäßigen Misserfolg der Gesänge des Maldoror plant Lautréamont das Gegenteil, dichterische Gesänge des Guten, die aufgrund seines frühen Todes nur in (künstlerisch scheinbar weniger zwingenden, intellektuell teilweise aber äußerst hochstehenden) Fragmenten vorliegen. Mit den Gesängen des Maldoror will sich Lautréamont durch das Böse hindurchschießen, mit dem Folgewerk will er sich durch das Gute hindurchschießen. Im Einheits-Bewusstsein spielt sich der meditative Kampf von Gut und Böse als (erscheinenden) Polen der Existenz und allgemein die Meditation des Welträtsels in äußerster Ruhe und Intensität ab. Albert Camus zeiht ihn der Banalität; der Mensch der Revolte, als den Camus den jungen Lautréamont auffasst, strebe letztendlich nach der eingangs erwähnten Gewöhnlichkeit, dem Konformismus, der Banalität, suche dort seine Heimat. Aufgrund von Weltekel komme er dann mit banalen versöhnlichen Lösungen und Botschaften: „die Menschheit zu trösten, sie als Bruder zu behandeln, zu Konfuzius, Buddha, Sokrates, Christus zurückzukehren … Jedes Genie ist zugleich befremdend und banal. Es ist nichts, wenn es nur eins von beiden ist“. Ich finde nun aber das Gute nicht banal. Menschen, in ihrer Invertiertheit, finden immer wieder das Böse faszinierend, und das Gute schal: wobei es ja in Wirklichkeit das Gute ist, das faszinierend ist, und nicht das Böse. Das Böse ist höchstens faszinierend, indem es eventuell labyrinthartig ist und geheimnisvoll, indem es ränkeschmiedend ist und aus dem Hinterhalt angreift, aber das Böse ist nicht wirklich komplex; das Gute ist komplex, sogar von endloser Komplexität, und es reflektiert auf das Böse umfassender als es vom Pol des Bösen aus umgekehrt stattfindet. Das Gute ist expansiv, das Böse ist kontraktiv. Im Einheits-Bewusstsein spielt sich der meditative Kampf von Gut und Böse als (erscheinenden) Polen der Existenz und allgemein die Meditation des Welträtsels in äußerster Ruhe und Intensität ab. Das Gute, wenn es nicht allein immer nur aus dem Affekt heraus geschieht, sondern konsequent durchdacht wird, ist dem Bösen an Komplexität weit überlegen. Für Gide war Lautréamont, mehr noch als Rimbaud, der „Schleusenmeister der Literatur von morgen“, was man auch zu sehen vermeinen könnte, insofern die Dichtung des Psychopathen Rimbaud, von technischen Raffinessen abgesehen, auf nichts hinausläuft, während die von Lautréamont auf alles hinausläuft und die ganze Welt überschwemmt. Ich grüße dich, alter Ozean! Im Einheits-Bewusstsein spielt sich der meditative Kampf von Gut und Böse als (erscheinenden) Polen der Existenz und allgemein die Meditation des Welträtsels in äußerster Ruhe und Intensität ab. Die Gesänge des Maldoror bestehen aus lauter Bildern, manche sehr, andere weniger plastisch; der Gedankenstrom fließt reißend und unaufhörlich bei Lautréamont, und für immer; Lautréamonts Geist wandert unaufhörlich, und da der eigene Geist auch unaufhörlich wandert, kommt es immer wieder zu unterschiedlichen Bewegungen bei der Lektüre zwischen dem eigenen Geist und dem, der da vor einem ausgebreitet wird; aber das ist gut, denn so kann man immer wieder zurück (speziell) zu Lautréamont; aufgrund seines Reichtums finden da immer wieder zufällige Zusammentreffen von Nähmaschinen und Regenschirmen auf dem Seziertisch statt (die ich z.B. bei der ersten (wiederholten) Lektüre von diesmal überlesen habe, und sie beim zweiten Mal wohl auch nur bemerkt, weil sie von den Surrealisten zu einem geflügelten Wort gemacht wurde (Amadeo Modigliani hatte angeblich immer ein Exemplar der Gesänge bei sich und immer wieder darin gelesen)). Sowohl Lautréamont als auch ich lieben Kinder (als das werdende Gegenstück zum gewordenen Erwachsenen) und den Ozean (Alter Ozean … du bist bescheiden. Der Mensch rühmt sich unaufhörlich und um nichtiger Dinge willen. Ich grüße dich, alter Ozean!). Zu Tieren (die in den Gesängen des Maldoror auch recht häufig vorkommen) habe ich zwar kein metaphysisches Verhältnis, aber ich mag dann, bei der persönlichen Begegnung, Tiere, und die Tiere mögen mich. Kinder und Tiere sind unschuldig, meint auch Tarkowski (der außerdem für sein Naheverhältnis zum Wasser bekannt ist), wobei sie in den Gesängen des Maldoror meistens böse sind (aber das hätte Tarkowski natürlich sofort verstanden (und ich manage die FB-Gruppe „Sociopathic Children“)). Während Büchner an natürlicher Ursache gestorben ist (ansonsten er aber womöglich im Knast verrottet wäre wie seine revolutionären Mitverschwörer, oder in Wahnsinn, Depression und Selbstmord geendet hätte, wenn er älter geworden wäre?), fand man Lautréamont eines Tages tot in seinem Hotelzimmer. Über die Todesursache des 24jährigen ist nichts bekannt, von einer Krankheit dieses jungen Menschen auch nicht, ein Selbstmord ist nicht auszuschließen. Kaum eine biographische Spur hat das einzelgängerische Ultragenie hinterlassen, für das die Erde aber sowieso kein richtiger Platz schien. „War es eine Bekehrung? Suchte er ein Alibi? Wahrscheinlich tauchte er für eine Weile aus dem Ozean seines Unbewussten auf und fand sich auf der Erde nicht zurecht. Vielleicht glich er Baudelaires Albatros, aus einem Element, das ihn trug, auf das Deck des Schiffes gefallen, ohne Orientierung.“ (Wolfgang Koeppen über Lautréamont) Und so gilt Lautréamont als höchst geheimnisvoll. Wenngleich nicht für mich, denn wir sehen uns durch das Einheits-Bewusstsein, das den Schleier der Maja erheblich verdünnt (wenngleich wir, wie gesagt, den metaphysischen Beschränkungen genauso unterliegen wie alle andere Welt). So will ich am Schluss auch noch definitiv erhellen, warum sich Isidore Lucien Ducasse das Pseudonym „Comte de Lautréamont“ wohl zugelegt hat! Der Legende gemäß wird auf Duhamel de Latréaumont verwiesen, einen verwegenen Abenteurer des 17. Jahrhunderts, der eine Verschwörung gegen den Sonnenkönig anzetteln wollte und die Normandie an Holland verkaufen; dass Isidore L. Ducasse den Namen leicht umgedreht hat in „Lautréamont“, scheint der homophonen Doppelbedeutung „l´autre Amon“, der andere Amon, geschuldet: eine Kreatur aus der Hölle also, eventuell auch aus dem Himmel (bei seinen Gesänge des Guten scheint er auf jeden Fall zumindest nicht geplant zu haben, sie unter dem Pseudonym Lautréamont zu veröffentlichen). Dererlei Vermutungen scheinen würdig und recht. Ich muss mich bei dieser guten Gelegenheit jetzt aber gut 25 Jahre zurückerinnern, an meinen Jugendfreund Weißi, als wir bei unseren nokturnalen Touren hin und wieder einen jungen Lehrling aus seiner Firma mitgenommen haben. Das war ein rechter Tollpatsch, der vieles falsch gemacht hat. Also bekam der in der Firma den Spitznamen „Isidor“ verpasst – denn wie sollte ein Tollpatsch, der so vieles immer falsch macht und Fehlerhaftigkeiten ausführt, auf die man gar nie gekommen wäre, dass sie überhaupt möglich sein könnten, darin also stets für Überraschungen sorgt und sogar so was wie eine unfreiwillige Phantasie, wenn nicht vielleicht sogar Genialität beweist, anders heißen als „Isidor“? Dessen war sich Isidore Ducasse wohl bewusst; das Leben teilt blind an jeden von uns seine Karten aus, und aus Scham darüber, dass er jene Karte mit dem Namen „Isidor“ zugeteilt hat bekommen, obwohl er ein offensichtlich so fähiger Mensch war, nannte sich Ducasse dann eben (in seinen anklagenden Gesängen auf die Schöpfung) „Lautréamont“. Fall gelöst. („Yorick“ ist auch ein herrlicher, wenn nicht ultimativer Name für den Hofnarren und Fettnäpfchentreter; der aber hat alles tragikomische Potenzial der Welt, wobei „Isidor“ einfach nur ein entrückter Dummkopf ist. Während ich über Yorick singe, zieht Bruder Isidore sein Ding durch, indem er sich „Lautréamont“ nennt. Der Isidor hat nicht eben die Schwingen des Baudelaireschen Albatros, wohl aber hat die der Abenteurer Lautréamont.)

ADDENDUM 1: Georg Büchner (außerdem: Goethe)

(aus dem Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken, 2015)

Erst vor ein paar Wochen, an einem schönen Sommersamstagabend, hat mich mein Nachbar Oliver Stangl auf Büchner und seinen „Lenz“ aufmerksam gemacht, und zwar beim Café Nelke am Volkertmarkt und zwar, glaube ich, deswegen, weil ich ihm ein bisschen was vom Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken erzählt habe. „Das ist ja so wie bei „Lenz“ von Büchner, wo beschrieben wird, wie ein Dichter in erster Linie mit seinem Wahnsinn beschäftigt ist; Augenblicke geistiger Klarheit hat er nur dann, wenn er über Literatur spricht. Ansonsten wird da nur seine verzerrte, verrückte Wahrnehmung von allem beschrieben.“ Was bedeutet hat, dass ich mir sofort am Montag den „Lenz“ besorgen musste, außerdem den „Woyzeck“. „Dantons Tod“ habe ich erst gestern gelesen, etwas hinzuaddiert zu meiner Ansicht, Büchner sei der Größte der deutschsprachigen Literatur, hat das nicht, es hat eher was subtrahiert, denn wenngleich „Dantons Tod“ das Werk eines großen Genius ist, ist es durchaus kein Meisterwerk, sondern ein grauenhaft schlechtes Stück, wen wundert es, dass es also so populär ist, und übrigens gegenwärtig gerade in Schwechat aufgeführt wird… Es ist wohl gut, dass ich mit Büchner und seinem „Lenz“ also erst vor Kurzem in ernsthafte Berührung gekommen bin, denn sonst hätte sich für mich möglicherweise das Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken erübrigt, das mir, nach der ersten Lektüre von Büchner, bloß nur mehr wie ein sinnloser kreativer Appendix und Wurmfortsatz zum „Lenz“, und nicht viel mehr, erschienen ist. Was dann allerdings doch nicht stimmt, denn um auf Wahrheiten draufzukommen, da muss man schon selber seltsam und unproduktiv denken und leiden, anders geht das nicht, es bleibt einem nicht erspart glücklicherweise im Unglück, unglücklicherweise im Glück, und so wie ich das sehe, könnte das Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken Geist genug erhalten, um künftigen Wahrheitssuchern die eine und andere Orientierung auf rauer See zu bieten, sollte dem so sein, ist mein Sieg vollständig und total; überhaupt hat also nun die Welt neben dem vorzüglichen, allerdings kaum gelesenen „Lenz“ nun auch das vorzügliche, aber ? Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken. Weil gerade Zeit ist und sich außerdem die Gelegenheit aufdrängt, möchte ich vor der Weiterführung des eigentlichen Gedankenganges noch ein wenig bei jenem Sommersamstag von vor ein paar Wochen verweilen. Manche mögen sich vielleicht in dreihundert Jahren fragen, wie ich so gelebt habe. Nun, zu sieben Achteln als denkender Eremit, wie immer in solchen Fällen; wie es bei authentischen und gutmütigen Menschen allerdings auch der Fall ist, inmitten von Freunden und Freundinnen. Den Samstag bin ich mit dem Soko und dem Martin am Volkertmarkt herumgelungert. Der Soko hat mich mal spontan im Xi angesprochen und mich gefragt, was ich so mache. Da ist der „Yorick“ ins Gespräch gekommen, der damals noch nicht veröffentlicht war, 2009 war das. Ich habe dem Soko was daraus zum Lesen gegeben, und er hat mich bestärkt darin, dass das ziemlich gut sei. Der Soko ist ein guter und umsichtiger Mensch, der sich im Kampf für die Wahrheit schon mal auf was einlässt und dafür öfter leider nichts Gutes zurückbekommt, zum Beispiel einen Fussball mitten ins Gesicht von den Türken- und Tschetschenenfratzen, die sich aufführen, wie nur was, und von deren Eltern auch noch darin bestärkt werden; typisches Unterschichtenverhalten, dass allerdings einfach nirgendwo hinführt außer in die Perpetuierung des Unterschichtenstatus. Neulich habe ich ihn, schwer an mir zweifelnd, wie öfter einmal, gefragt, welchen künstlerischen Status der Yorick wohl habe. Ob er zu messen sei an Werken wie denen von Hemingway oder so; der Soko hat gesagt, aber, das könne man nicht vergleichen, der Yorick sei eher so was nach der Art von Joyce. Joyce finde ich, wie schon gesagt, grauenhaft, Hemingway habe ich vor Kurzem zu lesen probiert, „Fiesta“; abgesehen von anderen Versuchen in der Vergangenheit, bin aber kaum reingekommen, es war mir irgendwie zu uninteressant, zu wenig überraschend und hatte zu wenig geistige Intensität, vielleicht ist das alles ein entsetzlicher Irrtum, da aber der Charakter von Hemingway zumindest ein entsetzlicher Irrtum, oder zumindest paradox war, könnte das schon hinkommen. Der Martin findet meine Texte vom Quadrat und der halbzylindrischen Wölbung und dergleichen mehr so toll, sagt er, dass er immer aufhört, Musik zu machen, wenn ich lese, denn er macht immer die Musik zu unseren Trauma-Lesungen. Gegen Abend hat mir die Amanda ein SMS geschrieben, der Franz spiele ein Konzert vorm Café Nelke, wobei der Franz dem Flo zwei Wochen zuvor beide Hände gebrochen hat, weil der Flo sich im Xi im Rausch unmöglich aufgeführt hat, wie öfter einmal, weswegen ihn der Franz gepackt und rausgezerrt hat, sehr gewalttätig, wobei der Flo umgeflogen ist, und sich beide Hände gebrochen hat. – Von einer meiner Lieblingsbands, Napalm Death, gibt es ein „Lied“ mit dem Titel „Continuing War Against Stupidity“. Bei Büchner ist so was nicht notwendig. Bei Büchner hat man das Gefühl, der höchsten Intelligenz gegenüberzutreten, die im Rahmen der deutschsprachigen Literatur überhaupt tätig war, wenngleich ich keinen vollständigen Überblick über die deutschsprachige Literatur habe, nur einen ganz passablen, und innerhalb dieser Perspektive scheint es mir halt so bestellt zu sein. Was man bei Büchner hat, ist die absolute Beweglichkeit der Sprache! Die absolute Beweglichkeit der Sprache, die die absolute Beweglichkeit des Intellekts ist, und die der absoluten Beweglichkeit der Psychose nahe ist. Es erscheint wie ein Wunder, dass sich Büchner so gut in den halbwahnsinnigen Jakob Michael Reinhard Lenz hineinzuversetzen wusste. Es ist aber keines, denn was Büchner in „Lenz“ beschreibt, ist ja nicht bloß die Wahrnehmung eines Psychotikers, sondern des absoluten Intellekts des Omega-Menschen, wenngleich natürlich in seiner krankhaften Erscheinungsform. Der mit allem in der Welt verbunden ist. Der mit der Welt insgesamt verbunden ist, beziehungsweise verwoben. „Lenz“, ein Schreiben, dass den beschriebenen Intellekt weit auseinanderzieht, in alle Richtungen, und ihn schließlich in das Weltgewebe hinein aufsaugt. Aus irgendeinem Grund denke ich an einen Fliegenflügel, so schaut das alles irgendwie aus, ein leicht trüb gläsernes Etwas, ein Schirm, mit Faltungslinien und Adern, das Weltganze, der Weltschirm, in dem der Lenzsche Intellekt aufgeht, eine Ader ist er dann vielleicht, etwas, dass sich aus der scheinbaren Indifferenz des Weltganzen hervorhebt, ohne allerdings vom Weltganzen gesondert zu sein. – Es ist auffällig, dass dem, der gemeinhin als das größte Genie der deutschsprachigen Literatur, wenn nicht überhaupt gilt, Goethe, das nicht so ganz geläufig zu sein scheint, wenngleich ich jetzt kein Experte bezüglich Goethe bin; bezüglich Büchner ja auch nicht, ich komme hier nur mit meiner Intuition daher. Goethes Figuren und Charaktere sind alle einigermaßen komisch, haben keine Vorbildwirkung, und wenn sie eine Vorbildwirkung hatten, dann eine schlechte, so wie der Werther. Wenn sie gut sind, und man Sympathie für sie empfinden kann, so wie für das Gretchen, sind sie harmlos, weltfremd und impotent. Wenn man den „Lenz“ mit dem „Tasso“ vergleicht, so scheint deutlich zu werden, dass Goethe vom „Dichterwahnsinn“ und der schöpferischen Psychose keine Ahnung hat, sein Tasso ist gerade einmal ein Neurotiker. Nur eine Handvoll glücklicher Wochen habe er in seinem Leben gehabt, so Goethe zu Eckermann, der Rest seines Lebens sei ihm wie das Aufwärtsrollen eines Steines nach dem Bild des Sisyphos vorgekommen. Von Extremzuständen im Positiven wie im Negativen ist bei ihm nicht die Rede. Und deshalb (und überhaupt, insgesamt) erscheint Goethe einfach nicht wie ein Omega-Mensch, sondern wie der dauernde Simulant eines Omega-Menschen! In seinem Faust individualisiert sich zwar natürlich die Menschheit, doch ist er einfach nur eine verunglückte Gestalt, ohne, dass es Goethe jemals so zu Bewusstsein gekommen sein dürfte, schließlich ist der Faust ja auch eine Extrapolation seiner selbst. Faust will mit allem verbunden sein, weil er mit nichts verbunden ist, und er ist deswegen mit nichts verbunden, weil er kein guter Mensch ist und keine innere Moral, kein sittliches Ich hat, genauso wenig wie Peer Gynt! Der gute Mensch, der Omega-Mensch hat die Unendlichkeit in sich, und braucht sie daher nicht über so groteske Umwege zu suchen, wie Faust, abgesehen davon, dass der gute Mensch, der Omega-Mensch mit und in jedem Augenblick lebt und in jedem Augenblick präsent ist, und auch glücklich, wenngleich natürlich ganz und gar nicht im landläufigen Verständnis von Glück. Es ist sehr eigenartig, dass Goethe dafür gar keinen Sinn hatte. Weiters nun die absolute Beweglichkeit, die die Sprache Goethes im Gegensatz zu der von Büchner nicht hatte! „Woyzeck“ beinhaltet den umfassenden „Wahnsinn“, die zugrundeliegende Psychose der Sprache, daher des Geistes, daher des Menschlichen, will sagen, das Zusammenspiel von Rationalität und Irrationalität als Grund der Welt, vor allen Dingen eine authentische Form des künstlerischen Ausdrucks der Sprache der sogenannten einfachen Leute. Goethes Ansatz hierzu weist zwar in eine richtige Richtung, die Sache geht aber einfach nicht auf, wie man im Faust in der Auersbachkellerszene sowie in der Walpurgisnacht merkt. Es scheint bei Goethe auch keine wirkliche Sympathie für die „einfachen Leute“ vorhanden zu sein, bloß weitgehende Indifferenz; Goethe hatte kein sonderlich ausgeprägtes soziales Gewissen und keine sonderlich Solidarität mit den Armen und Benachteiligten! – Wohingegen Büchner ein forscher Revolutionär war, mit dem „Hessischen Landboten“ einen politischen Aufruf verfasst hat, der an Kühnheit selbst seinen revolutionären Mitstreitern die Sprache verschlagen hat, beinahe wäre er eingekastelt worden dafür; zu seinem Verdruss waren die unterdrückten Massen für solches Gedankengut gar nicht empfänglich, so dass sich Büchner, zumindest äußerlich wieder davon abgewandt hat, das ist die zweifelhafte Verfasstheit des extrem schnell arbeitenden Geistes. – „Goethe war ein Egoist in ungewöhnlichem Grade!“ – Vom Goetheschen Egoismus, mit dem er die Leute für seine Zwecke eingespannt hat, hat freilich jeder reichlich profitiert, auch waren die Zwecke höhere, das ist allerdings beim Omega-Menschen genauso, wobei der Omega-Mensch allerdings Anti-Egoist sein wird! – Goethe – Ich muss hier einfügen, dass ich mir vor eineinhalb Wochen zum ersten Mal darüber Gedanken gemacht habe, wonach man Genies vielleicht in Genies und Hyper-Genies einteilen könnte. Genies – unter den ganz Großen Marx, Leibniz, Tolstoi oder eben Goethe – verkörpern ein Denken mit positiver Krümmung und errichten geschlossene Systeme (wenngleich mit vielen Öffnungen); Hyper-Genies – Nietzsche, Wittgenstein, Kafka, van Gogh oder eben Büchner – denken negativ gekrümmt und errichten offene Systeme, Meta-Systeme, Stile, die in der permanenten Veränderung des Stils aufgehen. Hyper-Genies haben daher dauernd den Eindruck, dass ihnen ihr Geist davonfliegt, ihr ständig divergentes Denken erzeugt eine dauernde Hyperreflexion, daher die Krisen, daher die Ekstasen. Von ihnen kommen die rätselhaftesten und eigenartigsten, sowie die umfassendsten und profundesten Leistungen der Menschheitsgeschichte. Shakespeare hingegen hat gar keine Krümmung, sein Universum ist flach, außermoralisch. Daher das Problem mit Shakespeare. Den Genies mag er als das höchste erscheinen, als der rätselhafte, sich entziehende Himmel, für das Hyper-Genie hingegen wird er eine Zeitlang eben ein Problem darstellen, da er außermoralisch ist; das Hyper-Genie hingegen sieht in den Menschheitskessel, wie Shakespeare, erkennt das Chaos, und will deshalb Werte schaffen, was Shakespeare nicht tut. – Goethes Poesie war nicht vollständig beweglich, im Gegensatz zu der möglichen Poesie Büchners! Goethes Poesie war eine eigenartige Mischung aus Viereckigkeit und Grazie/Zartgefühl. Ich denke mir einen auf einer Seite ausgelösten Holzrahmen, C-förmig, im Bauch des C sprudeln virtuelle Wellen, teilweise auch über die Beschränkung hinaus, das ist die gute Substanz der Goetheschen Poesie. – Dann die Komik um die Farbenlehre! Auf seine dichterischen Werke bilde er sich gar nichts ein, so Goethe zu Eckermann, das hätten Leute vor ihm gemacht und würden Leute nach ihm machen; dass er aber auf dem so schwierigen Gebiet der Farbenlehre, entgegen der allgemeinen Lehrmeinung, Newton korrigiert habe, beweise ihm seine eigentliche Superiorität. Natürlich braucht auch der Omega-Mensch etwas, das ihn stabilisiert, und natürlich wird sich auch das Hyper-Genie was auf sich einbilden, aber so würde ein solches Exemplar der menschlichen Gattung das auch nicht handhaben. Wenn man das jetzt vergleicht mit Wittgenstein, zum Beispiel, und seiner Bereitschaft zur radikalen Selbstkritik! – „Dichtung und Wahrheit“ habe ich zweimal zu lesen versucht, bin aber ganz und gar nicht weit gekommen. Goethe hatte eine ungeheure Erlebnisfähigkeit, das ist wahr, und die breitet er da, wie mir scheint, voll und ganz aus. Jetzt ist es so, dass eine sehr umfangreiche Darstellung von allem möglichen Gegebenen, oder in der Beantwortung einer Aufgabenstellung, auf eine sehr hohe Intelligenz hinweist. Auf eine noch höhere Intelligenz scheint mir aber hinzuweisen, wenn man sich dann aber wieder ganz einfach knapp, präzise und alles andere als wortreich ausdrückt. Bei „Dichtung und Wahrheit“ wuchert alles, es wuchert einem entgegen, wie das ganze Werk Goethes. Was das Hyper-Genie anlangt, so ist es fraglich, ob es so was wie eine Autobiographie ins Werk setzt, und wenn, dann eher in der Art von Nietzsches „Ecce Homo“. Große Männer gehen allein in ihren Werken auf, meint Otto Weininger. Ja. Nein. Sie werden sich auf jeden Fall hauptsächlich für ihr Werk interessieren. – Goethe hat Kleist nicht verstanden! – Zwar weiß ich nichts über diese Auseinandersetzung und habe Kleist auch kaum gelesen, insgesamt scheint Kleist aber einer von den Omegas gewesen zu sein. Bei Kleist, wie auch bei Grabbe, hatte man auf jeden Fall das Gewaltsame und das furchtbar Irrationale. Goethe war alles Gewaltsame bekanntlich verhasst, deswegen lehnte er auch die Revolution ab, auch konnte er kein Blut sehen und Fäulnis und Tod nicht ausstehen. Beim Hören der Fünften von Beethoven hat er gesagt: „Das ist ja, wie wenn ein Haus zusammenfällt!“ Der Omega-Mensch wird das Gewaltsame und zutiefst Irrationale sehr wohl begreifen, obwohl er selbst lammfromm und gut sein wird; ja, genau deswegen wird er dazu neigen, das Gewaltsame und zutiefst Irrationale als den Grund der Welt anzunehmen, weil er eben von der übrigen Menschheit zu weit entfernt ist, im positiven Sinne. – Jetzt habe ich da mal einiges beisammen, das Wesentliche, was ich zu Büchner und auch zu Goethe sagen wollte, zumindest im Moment. Ich frage mich, warum ich mir solche Impertinentheiten gegenüber Goethe geleistet habe! Nun ja, weil der Blick auf Goethe, von Büchner aus gesehen, sich tatsächlich in etwa so ausnimmt. Büchner muss man sich auch zum Vorbild nehmen, nicht Goethe, das erscheint ganz klar. Bleibt nur noch zu klären, warum Goethe als Universalmensch angesehen wird. Die Omega-Menschen und Hyper-Genies erscheinen zwar beeindruckend, aber irgendwie nicht als Universalmenschen, sondern als sektorielle Intelligenzen, also, irgendwie. Die Antwort auf diese Frage sieht so aus, dass Goethe zwar sehr wohl der Universalmensch ist, die Hypers und Omegas aber der transzendente Mensch.

Die Klassik ist das Gesunde, die Romatik ist das Kranke, so Goethe. Kleist, Grabbe und Büchner sind von nichts ein Anfang. Sie sind nicht einmal der Anfang vom Ende, so Peter Hacks. – Kann man sich fragen, inwieweit Goethe, Dante, Milton etc. die größten Genies sind und als solche gesunde Genies,  Ausdruck einer großen Gesundheit, während Omegas krank erscheinen, überspannt, Übermaß an pathologischem philosophischen Zweifel sie auszeichnet, Übermaß an Subjektivität (folglich (so in den Augen der Normalen zumindest) Exzentrikertum), Nähe zur Psychose. Ich finde die Omegas aber interessanter und in engerem, intimeren Kontakt mit der Wirklichkeit und der Hinter-Wirklichkeit (abgesehen davon dass die Hirne und die Persönlichkeiten der Omegas in der Regel ja recht gut funktionieren). Shakespeare wieder die Wasserscheide. Attar ist größer als Dante und hat die Existenz viel tiefer erfasst und umfasst; Dante scheint im Vergleich dazu oberflächlich (siehe weiter unten)! Goethe ist eine ziemlich konventionelle Persönlichkeit, eine gescheitere Ausgabe von z.B. Zelter oder eben eines Fürsten Ministers. Ein Mensch von höchster Intelligenz, aber nicht von höchstem Genie. Ich frage mich, warum einer wie Nietzsche vor Begeisterung fast seine Füllfeder verschluckt hat, wenn er auf Goethe zu schreiben kam. Obwohl er das eh nicht tat, eher hat er Goethe freundschaftlich zugewunken. Nicht auszudenken, wenn Eckermann auf einen achtzigjährigen Büchner getroffen wäre! Noch weniger, wenn Büchner und Nietzsche (im hohen Alter) aufeinander getroffen wären! Ich finde, über letzteres sollte ich mir Gedanken machen.

Also nein! Nochmal: Was ich mir für Impertinentheiten gegenüber Goethe gestattet habe! Aber es sind Gedanken und Eindrücke, die sich halt mal aufdrängen und es ist dann ja so auch wieder nicht gemeint, Goethe ist ja weiträumig, er enthält Vielheiten. Goethe mag es außerdem verstehen, denn Goethe war ja sehr konziliant. Daher auch der nicht ganz logische Schluss beim Faust. Um echte Tragödien zu dichten, dafür sei er immer zu konziliant gewesen, hat Goethe gemeint. So was finde ich sehr gut. Abgesehen davon, dass wir hier ein Beispiel haben, dass Konzilianz und Herzlichkeit weiter sieht als Logik. „Wer ewig strebend sich bemüht, den können wir erlösen“, ist ein gutes Schlusswort und überhaupt der Goethesche Faust kein so eindimensionales Kunstwerk wie der Faust von Christopher Marlowe.


Genauso wie Goethe eben keine Ahnung und kein Gespür für den Wahnsinn des echten Lenz hatte, den er verstoßen hat, was man ihm jetzt freilich nicht zum Vorwurf machen kann, denn das ist ein heikles Terrain.

Der junge Beckett bezeichnet ihn nach einer ersten, irritierten Lektüre, als eine machine á mots.

Wie auch der junge Beckett vermerkt hat.

ADDENDUM 2: Lautréamont (außerdem: Modigliani)

(aus dem Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken, 2015)

Wenig ist über Lautréamont, den Verfasser der „Gesänge des Maldoror“, bekannt, der im Alter von 24 Jahren gestorben ist. Die Gesänge des Maldoror sind ein Werk ohne wirkliches Vorbild, eine sehr eigene Leistung. Sie handeln vom Bösen, soll heißen, vom Problem der Moral, und beruhen auf der freien, spontanen Assoziation, sie sind Texte der Nacht, sie sind Sprache der Nacht, und können immer wieder von Neuem gelesen werden, da sie kaum auszuschöpfen sind. Die geistige Intensität ist so hoch, die Texte so dicht, wie bei kaum einem anderen Schriftsteller. In den wenigen Texten, Briefen, Reflexionen, die von Lautréamont vorliegen, kommt, wenig überraschend, ein Mensch der höchsten geistigen Stufe zum Vorschein, der Racine, Corneille und andere der Großen und Größten ohne weitere Umstände überblickt. Modigliani hat (natürlich) sehr viel gelesen, ein Buch hatte er immer bei sich, die traumartigen Gesänge des Maldoror. Man könnte meinen, es sei große Selbstsicherheit notwendig, um neben Picasso von diesem unbeeinflusst zu bleiben, und sein eigenes, scheinbar viel weniger komplexes Ding durchzuziehen, wie Modigliani. Wie herzerwärmend dann aber die Kunst Modiglianis ist, während die Kunst von Picasso das nicht ist! Modigliani hatte viel Liebe und Respekt für seine Modelle, mithin für die Menschen. Gelebt hat er zeit seines kurzen Lebens in Armut. Als er im Alter von 35 Jahren, kurz, bevor er bekannt wurde, gestorben ist, hat sich seine Verlobte Jeanne aus dem Fenster gestürzt, trotzdem die beiden ein Kind hatten. Man ist einfach geneigt, eine so eine Reaktion von Grund auf zu verstehen.

Nachbemerkung: Die Aphorismen, das zweite Werk Lautréamonts, geben deutlich weniger her als die Gesänge. Sie sind halt, so wie die Gesänge, schnell geschrieben, assoziiert, und weniger durchdacht. So wie die Prosatexte Rimbauds, die, meiner Erinnerung nach, auch nicht viel hergeben, trotzdem auch sie das Werk einer ganz außergewöhnlichen Intelligenz ist. Wie vielfältig Intelligenz insgesamt ist! Da assoziieren und kombinieren und delirieren welche, aber es jagt im Großen und Ganzen immer nur ein einfallsloser Einfall den anderen und insgesamt haben sie zwar viel kombiniert, aber wenig gesagt (zum Beispiel James Joyce). Oder aber ihre schönen und beherzten, einzigartigen Spekulationen sind zu einem guten Teil missgeleitet oder falsch (Freud), oder unpraktisch und sinnlos (Lacan). Was jetzt natürlich nur ein begrenzter Einwand gegen Freud, Lacan et al. ist; das Genie ist auch im Irrtum groß, oder zumindest interessant, sowie lehrreich, und wenn schon alles andere nicht klappt, beeindruckt zumindest die Kraft der Gedanken und ihrer Durchführung, erhebt uns in einsamen Stunden, es wird etwas Neues in die Welt gebracht, derjenige, der die sich die Gedanken gemacht hat, verkörpert einen heroischen Lebenslauf et al.


Irritierende Fälle in der heutigen Zeit sind die Schriftsteller E., D. und B., die zwar etwas Geniales an sich haben, in ihren Mitteilungen dann aber ganz schön kraftlos sind. Und vom Stil her akademisch und nicht aus der Tiefe geschöpft. E. verfasst zu seinem ersten Roman ein geniales Vorwort, sowie ein geniales Nachwort, problematisch ist dann halt, was alles dazwischensteht. Alibihandlungen und Ersatzhandlungen. Sonst würden sie ja wohl auch nicht verlegt und gelesen werden, wenn sie echte Gedanken äußern würden. Das ist, so sagen es auch andere, heute nicht erwünscht. Dann würde das Kartenhaus zusammenbrechen.

Die leuchtenden Bilder des Arthur Rimbaud

Michel Houellebecq moniert (in „Unterwerfung“), der große, übergroße Arthur Rimbaud sei „im Experiment“ stecken geblieben. Wenn aber die Intelligenz, die Kreativität, die Spiritualität solche Ausmaße ausnimmt, dass sie jegliches menschliche Maß absolut überschreitet und der Blick auf die menschlichen Verhältnisse scheinbar von irgendwo draußen im Weltall stattfindet, was soll sie denn dann sonst für eine Erscheinungsform annehmen als die des Experimentellen; dem Gegenüberstellen von mannigfachen Perspektiven, dem Einnehmen diverser Zustände, dem Testen von sich selbst, die Entrückung in ihren eigenen Phasenraum, der alle möglichen Zustände eines Systems abdeckt; Weltgeist, der in seine eigene Kontemplation versunken ist, die im Falle des künstlerisch begabten Weltgeistes dann eben die Erscheinungsform einer rauschhaften Kontemplation annimmt: ich nehme meinen Platz auf der obersten Stufe dieser Engelsleiter des gesunden Menschenverstandes ein. Und so fand die Dichtung von Arthur Rimbaud eben ihre Vollendung im „Experiment“. Anders als William J. Sidis, der als Achtjähriger bereits mehrere Bücher geschrieben hatte, mehrere Sprachen gesprochen, und eine gesamte Sprache, Vendergood (eine verbesserte Form von Esperanto, die sich allerdings nicht durchsetzen konnte), entwickelt hatte, formuliert Arthur Rimbaud im bereits fortgeschrittenen Alter von in etwa elf Jahren (es ist ja auch mehr Lebenserfahrung und seelische Reife dafür notwendig) sein Programm von der objektiven Einsicht in das, worum es letztendlich in der Kunst geht: Seher werden! Tief in das Universum zu schauen, um tiefer in seine „Geheimnisse“ einzudringen und, über den Erwerb von Einsicht und Ausdruck, absolutes Wissen zu erwerben. Um Einsicht und Ausdruck zu erwerben, deren Möglichkeiten unendlich sind, gilt es, einen Tunnel zu errichten, in dem die Einsichten und Ausdrücke durch sich selbst hindurchfallen und sich fortwährend transformieren; einem Tunnel, einem physikalischen Wurmloch gleich, der über ein Schwarzes Loch, in das alles reinfällt auf der einen Seite und einem Weißen Loch, aus dem alles heraus muss auf der anderen Seite eine extradimensionale, abkürzende Verbindung zwischen ganz unterschiedlichen Regionen des Universums herstellt; wie Rimbaud es für sich formuliert: Es geht darum, durch die Verwirrung aller Sinne im Unbekannten anzukommen. (Die Leiden sind gewaltig, aber man muss stark sein, als Dichter geboren sein, und ich habe mich als Dichter erkannt.). Das Wurmloch, der Tunnel, in dem sich alles transformiert und umwandelt, ist der abgründige Tiefsinn des Geistes: Zur Zeit jagen mich die ewige Krümmung der Augenblicke und die mathematische Unendlichkeit durch die Welt, wo ich alle bürgerlichen Erfolge ertrage, respektiert wegen fremder Kindheit und ungeheuerlicher Leidenschaften. Das tiefste Gesetz des uns bekannten Universums ist das des Zusammenwirkens von Zufall und Ordnung, und die letzte Einsicht, die man haben kann, ist die vom Chaosmos, und die letzte Ansicht/der letzte Ausdruck, die/den man in der Kunst haben kann, ist die direkte Vision vom Chaosmos: diese hat man im Fanal der Rimbaudschen Dichtung, den „Leuchtenden Bildern“. Die Leuchtenden Bilder offerieren einen herrlichen Blick direkt in den Chaosmos! Das, was den Chaosmos anschaut, ist das Einheits-Bewusstsein, das alle Manifestationen der inneren und äußeren Wirklichkeit gleich umfasst, und das, was ihn reflektiert, ist der absolute Geist in der absoluten Form, dessen Rede Kunst, Philosophie, Wissenschaft und Religion in einem ist. Die Dichtung von Arthur Rimbaud führt uns dort hin! Nach den Leuchtenden Bildern hat Rimbaud zum Dichten aufgehört und wurde zum Wanderer. Man könnte meinen: so schnell hat er sich durch den kreativen Prozess, das Wurmloch hindurchgetunnelt, dass er tatsächlich an einer anderen Seite vom Universum herausgekommen ist, und er die Dichtung so sehr überwunden, dass sie ihm nichts mehr bedeuten konnte: Nicht einmal, dass sie verlegt und allgemein bekannt gemacht wurde, bedeutete ihm, Jahre später, dann noch was (vielmehr hat er es abgelehnt)! Rimbaud war, scheinbar, zu schnell, als das er irgendwo hätte ankommen können. Man könnte meinen, Rimbaud hat sich schnell durch sich selbst hindurchgeschossen, dass er sich verbraucht hat, und das erhöht natürlich das Pathos und das Charisma seiner Figur! Ein Unbehauster, der in der Gegenwart nicht leben kann, auch gar nicht wirklich in Vergangenheit und in Zukunft, sondern in all dem zugleich: Bewohner einer radikal überzeitlichen (oder eben: ewigen) Sphäre! Obwohl die Gegenwart zu dornig für meinen großen Charakter war, ( – fand ich mich gleichwohl bei meiner Herrin, als dicker Vogel, grau und blau, der sich zu den Deckensimsen aufschwang und den Flügel im Abendschatten schleppte), und das kann bei großen Charakteren durchaus der Fall sein; umgekehrt aber auch der Charakter zu dornig sein kann für die Gegenwart: Obwohl ich mich, wie man weiß, bei der Betrachtung von transzendenten Menschen immer gerne dafür ereifere, in ihnen eine transzendente ethische Lebensführung und ausgezeichneten Charakter zu entdecken, scheint Rimbaud meine Vermutung eines absolut notwendigen Zusammenhanges zwischen beiden zu konterkarieren. Wenn man sein Verhalten gegenüber Verlaine und dessen Zirkel betrachtet, hat man, auch unter Berücksichtigung aller künstlerisch-philosophischen Kalkuliertheit der Amoralität als experimentellen Lebensstil, offensichtlich einen boshaften Psychopathen vor sich. Auch das spätere ziellose Herumirren über den Globus lässt sich nur bedingt als Ausdruck der „Unbehaustheit des Genies“ romantisieren; eher hat man da die planlose Rastlosigkeit des psychopathischen Individuums. In z. B. der 500-Seiten-Biographie von Robb tritt einem Rimbaud kaum als fassbares, seelisch definierbares Individuum gegenüber. Und – vor allen Dingen – in seiner Dichtung ist das auch nicht der Fall. Trotz dem Bombardement von Reizen, dem man ausgesetzt ist, steht in den Dichtungen von Rimbaud nicht eben viel drinnen. Die Eindrücke werden nicht vertieft. Die Leuchtenden Bilder stehen – außerhalb aller Dichtung, ja, aber als Art Kreaturen, die intern wenig differenziert sind, so dunkle Kuttenmänner, die da Falten haben. Sie leuchten, aber sie sind dünn und sie flirren in außerordentlichstem Grade. Das erhöht ihr Pathos und ihr Charisma: man kann immer wieder zu ihnen zurück, um versuchen, sie zu entdecken – aber man tut es dann niemals. Die frühen Gedichte wären von wenig Relevanz, wenn sie nicht die frühen Gedichte von eben Rimbaud wären, die neuen Verse und Lieder sind besser, aber man nimmt wenig mit, Ein Aufenthalt in der Hölle ist dann schon wieder jenseits der Dichtung und die Leuchtenden Bilder jenseits dann davon. Eine wahrhaft „exzentrische Bahn“ (Hölderlin) der kreativen Entfaltung! Aber – ironischerweise entsprechend ihrer Intention – : die Leuchtenden Bilder sind zwar sehr breit und füllen den Raum gut aus, aber sie sind auch sehr dünn und zerreißen sogleich. Selten, scheinbar nie, kann was perfekt sein, und bei Rimbaud hat man offenbar – adressierend das Pathos und das Charisma von der volkstümlichen Ansicht von wegen „Genie und Wahnsinn“ – , ein sonderbares Hybrid aus sehr hohem, transzendentem Genie und einem Übermenschen (denn speziell die Leuchtenden Bilder präsentieren die Wahrnehmung des Übermenschen) und einem Psychopathen (also einem Wesen, das auch, gemeinhin, als vom Menschen verschieden und als eigene Spezies gilt, allerdings eine weniger angenehme). O Fruchtbarkeit des Geistes und Unermesslichkeit des Universums!

Ich wiederhole nochmal: Wenn man Rimbaud vorwirft, „im Experimentellen“ stecken geblieben zu sein, verkennt man, dass die Herrschaft über alle Dinge, und die Übersicht über den Phasenraum aller Dinge, eben nur über das „Experimentelle“ möglich ist bzw. über einen Geist, der in seiner Selbstbetätigung eben selbst „experimentell“ wird. Wissenschaft geschieht über Postulieren von Hypothesen, also experimentelle Annahmen, die dann experimentell durchlaufen werden. Kunstwerk ist, im ersten und letzten Sinn, Studie über den Gegenstand der Darstellung oder über sich selbst. Das war zunächst nur eine Studie. Ich schrieb das Schweigen nieder, das Nächtliche, ich zeichnete das Unsagbare auf. Ich bannte Taumel und Rausch. Taumel und Rausch und Unsagbares sind, eventuell, nicht unendlich, markieren aber eine Grenze zwischen der Endlichkeit unserer Verständnisse, und dem, was „jenseits“ dessen liegt, eine Grenze, die vom Grenzgänger durchstoßen wird. Das ist die Aufgabe des Grenzgängers: Grenzen weiter hinaus ins Unbekannte zu stoßen und die Bezirke des Bekannten zu vergrößern. Andere schreckliche Arbeiter werden kommen; sie werden an jenen Horizonten beginnen, an denen er (der aktuelle Grenzgänger, Anm.) hinsank. Das ist die Öffnung in die Unendlichkeit der Zukunft hinein und in den Fortschritt hinein: So legte der Dichter das Maß des Unbekannten fest, das in seiner Zeit in der universellen Seele erwacht: er gäbe mehr – als die Formel seines Gedankens, als die Aufzeichnung seines Weges zum Fortschritt! Wenn das Enorme zur Norm wird und von allen aufgenommen, wird er wahrhaftig zum Vervielfacher des Fortschritts! Der Fortschritt von Rimbaud vollzog sich so schnell, dass er scheinbar innerhalb von wenigen Jugendjahren sich ganz durch die Mysterien der Dichtung hindurchgetunnelt hat; in den äußersten Grenzregionen zuletzt angelangt, jenseits derer es dann eben nichts mehr zu sagen gibt. Diese Sprache wird von Seele zu Seele gehen und alles zusammenfassen, Düfte, Töne, Farben, den Gedanken, der sich dem Gedanken anhaftet und ihn nach sich zieht. Das ist gut, das ist die Basis für das Einheits-Bewusstsein und für die wahre Erleuchtung. Rimbaud war so gut, dass er alles gleichzeitig gesehen hat, und daher nur mehr schwer von anderen erkannt werden konnte: Ich zeigte euch unerhörte Reichtümer. Ich verfolgte die Geschichte von Schätzen, die ihr gefunden. Ich sehe die Folgen! Meine Weisheit wird ebenso verachtet wie das Chaos. Rimbaud, das transzendente Genie und der große Abenteurer – der Unbehauste. Entsprechende geistige und kreative Fähigkeiten legen Unbehaustheit ihres Trägers in dieser Welt nahe. Ein Studium der Biographie Rimbauds legt aber vor allem nahe, dass es sich bei Rimbaud (neben den entsprechenden positiven Charakteristika) um einen Psychopathen gehandelt haben könnte. Psychopathen sind gefühllos, bösartig/boshaft, rastlos, irrational, planlos und leben aus dem Augenblick heraus, und hinter einer eventuell interessanten bis faszinierenden Fassade haben Psychopathen wenig echte Persönlichkeit und erst recht nicht so was wie „Seele“. In der Dichtung von Arthur Rimbaud frage ich mich aber auch, wo genau die Seele ist. Die Seher – Briefe des Kindes sind von einer unglaublichen intellektuellen Solidität, und alles andere auch (auch als umtriebiger und hellsichtiger Geschäftsmann in Afrika ist Rimbaud eher an der trägen Umgebung gescheitert) – aber es steht halt mal ziemlich wenig in all dem drinnen. Weiters – auch wenn Rimbaud-Biograph Robb nahelegt, Rimbaud habe zum Dichten aufgehört, weil er nach der Verhaftung von Verlaine (seinetwegen) niemand mehr hatte, mit dem er vernünftig poetisch hätte kommunizieren können – ist die Gleichgültigkeit von Rimbaud gegenüber seiner Dichtung unheimlich; er scheint etwas so Wertvollem keinen Wert beigemessen zu haben, und das, in was er sich in seiner Jugend hineingesteigert hat – „Seher“ zu werden und übernatürliche Kräfte erwerben. Und siehe! ich muss meine Phantasien und Erinnerungen begraben! Dahingeweht, der schöne Ruhm des Künstlers und Erzählers! War ihm die ganze Unternehmung nur ein ephemerer Zeitvertreib, der beim Kind und beim Psychopathen immer wieder von neuen Zeitvertreiben abgelöst wird? Übernatürliche Kräfte erwirbt man, ganz einfach, – oder zumindest ich tue das –, indem ich zum Beispiel da meinen Finger an die interessante zinnoberrote Häuserwand halte. Dadurch bildet sich ein Komplex, eine Assemblage, die mächtiger ist als das, was vorher war und was Neues, ich ist reduziert und ist dann ein anderer, und man hat übernatürliche Kräfte erworben. Das hätte Rimbaud natürlich sofort verstanden, aber konnte er es auch leben? Ich liebe einfältige Zeichnungen, die Gesimse über den Türen, Bühnendekorationen, die Zelte der Gaukler, Wirtshausschilder, bunte Bilder fürs Volk; die aus der Mode gekommene Literatur, das Latein der Kirche, erotische Bücher mit fehlerhafter Rechtschreibung, die Romane unserer Großväter, Feenmärchen, Büchlein für Kinder, alte Opern, harmlose Kehrreime, naive Melodien. So weit, so herzig. Alte, kindliche Seele! Aber wie alles andere auch wird das zwar mannigfach aufgezählt, aber nie vertieft, was da sein sollte, wenn man eben ein tatsächlich tiefes Verhältnis zu naiven Melodien et al. hat. Die Leuchtenden Bilder sind sinnlos, wirr und ephemer. Man ist (heute) geneigt, den dicken Polizisten auszulachen, der Rimbaud mitgenommen hat und über ihn geurteilt: Rimbaud sei ein außerordentliches Individuum, er könne Verse machen, wie kein anderer – nur seien diese Verse völlig unverständlich. Aber das sind sie ja auch! Man ist natürlich geneigt zu meinen bzw. sich vor lauter Schreck unter den Tisch zu flüchten; von wegen, einen so großen Geist kann man unmöglich dechiffrieren, was er da gemeint hat – ich allein habe den Schlüssel zu dieser wilden Schau – ICH aber, ich bin (ein andrer und) Rimbaud intellektuell und an poetischer Begabung gleichrangig, stehe dabei aber seelisch viel höher, und kann mir daher, eventuell, ein Urteil erlauben. Und mein Urteil ist also gespalten: Rimbaud ermöglicht uns einen Blick in den Chaosmos, aber sein Chaosmos hat keine Substanz. Der Blick in den Chaosmos ermöglicht die Herstellung des Einheits-Bewusstseins – wenn Geist und Seele vereint sind. Bei Arthur Rimbaud hatte man ein Missverhältnis zwischen Geist und Seele. Er begreift die Dinge zwar mit unerhörter Leichtigkeit, aber inwieweit er sie auch ergreift, scheint gar schwer auszumachen. Und so fand die Dichtung von Arthur Rimbaud eben ihre Vollendung in der Verwirrung der Sinne (nicht in der Erlangung des Einheits-Bewusstseins und einer produktiven Vision vom Chaosmos, welche die Herrschaft über die vier Himmelsrichtungen ermöglichen und über das Heideggersche Geviert). So ist das dann eben, wenn Ich ein Anderer ist. Und so ergibt sich, dass meine Vermutung, dass Geist und „Seele“ zusammenspielen müssen, sie voneinander getrennt nur bedingt was ausrichten können, offenbar korrekt ist. Und das ist nicht nur sehr gut; es ist auch alles, was mich interessiert. Kunst, die Schönheit, die Wahrheit, das Gute, interessieren mich, in Wahrheit, nicht. Was mich interessiert, ist dass meine Theorien richtig sind. Was mich interessiert, ist dass ich mich ausbreiten kann, Raum einnehmen (eventuell auch den anderen wegnehmen), indem ich Theorien aufzustellen imstande bin, dadurch meine eigene Stärke fühle, die dann verunendlicht wird, indem festgestellt werden muss, dass meine Theorien stimmen. Oder auch nicht einmal, dass es sich dabei um Theorien handelt, also um Orientierungshilfen und objektivierbares Wissen für andere, eigentlich ist es zunächst und vor allem wichtig, dass etwas sich als richtig herausstellt, nur weil ich es einmal gesagt habe. Dass etwas richtig und wichtig ist, nur weil ICH es gesagt habe, ist alles und das einzige, was mich da anficht und interessiert.

Ich hasse jetzt die mystischen Überschwänglichkeiten und die Verschrobenheiten des Stils.

Jetzt kann ich sagen, dass die Kunst eine Dummheit ist.

(Die) Unsere großen Dichter (unleserlich) ebenso leicht: die Kunst ist eine Dummheit.

Gepriesen sei Güte.

Die Unnatur des Heinrich von Kleist

In „Poesie und Nichtpoesie“ versammelt Benedetto Groce in einer Zeit, in der es mit der Literatur und ihrer Kritik noch anders bestellt war als heute, vor gut hundert Jahren, Essays über zwei Dutzend Dichter und Literaten des 18. und 19. Jahrhunderts, und (neben Werner) ist es Heinrich von Kleist, der am schlechtesten dabei wegkommt. Groce verübelt Kleist, dass er den Gegenstand der Dichtung – die Leidenschaften – zwar durchaus gekannt hat, sie aber scheinbar nicht im Zaum halten und sie reflektieren konnte – dass er daher auch nicht über sie triumphieren konnte und nicht den eigentlichen Zweck der Dichtung erreichen: das sittliche Ideal zu errichten. Heute ist man viel eher geneigt zu feiern Kleist als Ahnherr des psychologischen Dramas, Menschenkenner und Metaphysiker, der Ahnung hat von einer gewichtigen Eigenschaft der Welt, die da in ihrer Instabilität und in ihrer Verhängnishaftigkeit liegt. Ja, bei Heinrich von Kleist hat man diesbezüglich schon eine Angefülltheit mit Raffinessen, dass es einen umhaut! Das Käthchen von Heilbronn, das stark/schwach, unbeirrt/somnambulent ihrer reinen Liebe folgt – zu einem unsympathischen Adeligen, der eher das männliche Ebenbild seiner/ihrer Antagonistin Kunigunde ist (oder aber auch an Kleists frühe Geliebte Wilhelmine von Zenge erinnern mag, mit der Kleist (möglicherweise auch unter dem Eindruck seiner latenten Homosexualität) ziemlich eigenartig umgegangen ist)! Adam, der mit Eve rücksichtsvoller spricht als der ungehobelte Ruprecht! Das Genie der Tat (Robert Guiskard), das, Napoleon gleich, kurz davor steht, eine tiefe Schneise in die weltgeschichtlichen Verhältnisse zu ziehen und sie signifikant umzupflügen, kurz davor aber qualvoll von der Pest niedergerafft wird und mit seinen Mannen einigermaßen sang- und klanglos verschwindet! Hermann, an dem sich die Unterschiede zwischen Recht und Unrecht, Zivilisation und Barbarei und, vor allem, Altruismus und Egoismus einebnen, im Rahmen einer schicksalshaften Konstellation, die nur mehr einen weitgehend moralfreien Dezisionismus zulässt (Ist man für die Römer? Oder gegen sie?)! Der Prinz von Homburg, der entweder in einer höheren (und extrem sozialen und geistesgegenwärtigen) Trance ist, oder in einer niedrigen (und selbstbezogenen), der Held ist, Feigling, Opportunist, der die Umstände umwirft und die Wellen bricht und dann wieder von ihnen umgeworfen wird und beinahe gebrochen! Götter, die mit Menschen eher schlecht als recht kommunizieren können und Götter- und Menschenwelten, die sich eventuell gegenseitig kaum was angehen und bei denen das Trennende über das Gemeinsame und Verbindende überwiegt – ach! Die entrückten Opfer der heiligen Cäcilie, die in einer Art Stupor leben, nachdem sie das Licht Gottes gesehen! Nicht zu reden von den extrem unheimlichen Verwandlungen (?), die diverse der Figuren im Kleistschen Kosmos durchmachen, um von unauffälligen oder gar gutherzigen Zeitgenossen plötzlich in Monster zu mutieren. Kleist ist als metaphysischer Künstler sehr groß, denn er sieht hinter das Wesen aller Dinge und wirft zeitlose, transhistorische Bilder. Auf einem so hohen Niveau der Abstraktion und des Begreifens arbeiten gar wenige. Gar viel hat Kleist verstanden. Kleist hat den Höheren Frieden verstanden, er hat den sicheren Weg des Glücks zu finden verstanden (weniger aber, auch unter den größten Drangsalen des Lebens – ihn zu genießen), und er hat das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt gelesen (Über das Marionettentheater); er hat auch somnambulent fremdgesteuerte Wesen der Liebe oder der Verklärtheit über sich selbst verstanden und Wesen des Hasses, der Rache und der Gewalt, von denen man nicht weiß, ob sie außer sich sind oder eben völlig bei sich. Er hat die Welt umrundet. Das ist allerdings nicht eben ein Kunststück, sondern es ist das, was das Genie eben tut. Der Stammtischbruder versteht (hin und wieder) den gesamten Umfang der Existenz ja auch, aber flach und unbeeindruckt; sogar der Intellektuelle tut das, wobei er sich meistens aber vor lauter großem Schreck unter den Tisch flüchtet, wenn er sich mit Manifestationen der Wirklichkeit konfrontiert findet, die ihm nicht in sein Weltbild passen: das Genie hingegen tritt dem gesamten Existenzkreis (intellektuell) unerschrocken gegenüber und lässt nichts unter den Tisch fallen. Allerdings fragt man sich auch immer wieder, inwieweit Kleist all das eben auch tatsächlich verstanden hat; sich vom höheren Frieden ein seelisches Abbild machen konnte, und von den leidenschaftsgesteuerten Wesen seiner Imagination ein intellektuelles…. Auf jeden Fall aber fällt bei Kleist die Leichtigkeit auf, mit der er seine Bahn um den gesamten Existenzumfang und um die Gesamtheit der menschlichen Verhältnisse zu ziehen imstande scheint, Wesen wie die Penthesilea einschließend, die auch für Goethe zu fremdartig und unverständlich erscheinen. Kleist war nicht allein ein Genie, er war einer der ultrakomplexen Menschen. Das Innere der ultrakomplexen Menschen ist der unendliche Saal der Spiegel, wo sich alles in allem spiegelt! Wieland bemerkt weiland „unter mehrern Sonderlichkeiten, die an ihm (Kleist, Anm.) auffallen mussten … eine seltsame Art der Zerstreuung, wenn man mit ihm sprach, so daß zum Beispiel ein einziges Wort eine ganze Reihe von Ideen in seinem Gehirn, wie ein Glockenspiel anzuziehen schien“, sowie „daß er bei Tische sehr häufig etwas zwischen den Zähnen mit sich selbst murmelte und dabei das Air eines Menschen hatte, der sich allein glaubt oder mit seinen Gedanken an einem andern Ort und mit einem ganz andern Gegenstand beschäftigt ist“. Hell yeah, die ultrakomplexen Menschen! Das Gute an der Ultrakomplexität (oder Allumfassenheit) ist der höhere Frieden in seiner höchsten Form, insofern sie ihre gesunde Vergegenwärtigung in der Weißen Hütte hat, in der Dichotomien nicht mehr existieren und alle Inhalte (äußerer oder innerer Natur) nur mehr, eventuell, Kräuselungen in einem angenehmen, strahlenden weißen Licht darstellen. Das ist das Reich des absoluten Friedens. Selige Öde auf wonniger Höh` (Wagner, Siegfried, Dritter Aufzug, Dritte Szene). Das schlechte ist, wenn sich durch die Ultrakomplexität die Widersprüche und Konflikte potenzieren, was vor allem der Fall sein mag, wenn der ultrakomplexe Mensch auf eine unterkomplexe, sehr simple Welt trifft, die für solcherlei Raffinessen wenig Verständnis aufbringt. Wenn er nicht stark ist, kann der ultrakomplexe Mensch da zerschellen. Vielleicht kann das Problem des ultrakomplexen Menschen aber auch in ihm selbst liegen, denn natürlich sind sich auch die Ultrakomplexen nicht alle gleich, und natürlich haben sie auch ihre individuelle Psychologie. Komisch ist, dass ich, wenn ich auf Kleist schaue, immer ein dunkles Grün sehe (das bestenfalls links oben von einem dunklen Schwarz begrenzt wird). Die Ultrakomplexität schimmert meistens in unendlichen Farben – bei Kleist sehe ich aber tatsächlich immer nur dieses tiefe, dunkle, monochrome Grün (bestenfalls eben teilweise begrenzt von (annähernd) schwarzem Rand). Ach! Das ist dann schon unheimelig. Wenn Groce vorschlägt, in Kleist einen zu sehen, der von momentanen Leidenschaften beherrscht war, die er sehr differenziert (weniger aber reflektiert) zu beschreiben wusste, und die der Anfang und auch das Ende seiner Dichtung waren, kann er teilweise schon recht haben, denn man hat bei Kleist schon eine gewisse Morbidität, die vielleicht weniger in der Extremität der geschilderten Leidenschaften liegen mag, sondern in einem offenbaren Fehlen ihres inneren Zusammenhanges. Bei Dostojewski hat man da einen leuchtenden Feuerkreis, der alles zusammenhält, und alle Figuren leuchten und treten hervor, bei Kleist hingegen wirken sie alle irgendwie eingefallen. Bei Kleist stehen die Charaktere (von (etlichen) Ausnahmen abgesehen) immer mindestens 10 Meter auseinander; bei Shakespeare hat man auch eine nebelhafte Welt und einen gasförmigen sittlichen Zusammenhang, aber bei ihm haben die Figuren durchschnittlich nur immerhin einen Abstand voneinander von gut zwei Metern; ja, eigentlich wirken sie überhaupt wie ein unauflöslicher Knäuel ineinander amalgamiert, wenn ich mir das jetzt eben zu vergegenwärtigen suche: bei Kleist sind es aber eben durchschnittlich zehn Meter; seine Welt ist so nebelhaft, dass man immer den Eindruck hat, man würde durch sie hindurchfallen. Wenn man keine entschiedene Position bezieht und skeptisch bleibt, ist das gut (und zumindest für den Philosophen auch allein angemessen), wenn man sich aber auf Positionen, auch zur Not, nicht festlegen kann, ist das schlecht, und scheint ein Hinweis, dass man sie eben gar nicht wirklich verstanden hat. – Der Ausdruck von Kleist ist einzigartig und unnachahmlich, aber er verursacht mir ein gewisses Unbehagen: Und zwar immer dahingehend, ob es auch der richtige Ausdruck ist! Das mit der eindeutig genialen Dichtung geht so: Man hat da den Kessel und undifferenzierten Quasi-Hintergrund der Imagination und als starre, robuste Formationen die Sätze und Wortflächen, in sich selbst solide gebunden und von äußerster Stabilität im (Quasi-) Vordergrund; sie mögen gleichsam als Protuberanzen aufsteigen oder über so Stangen mit dem Feuerkessel verbunden sein; es gibt da eine Verbindung, wenn nicht gegenseitige Verwachsenheit: Das dynamisiert dann die Sprache und das Bild, für immer und in alle Ewigkeit. Das Spiel und das ständige gegenseitige Verweisen von Motiv (dem Ausdruck) und Hintergrund (der Ausdrucksfähigkeit): das ist das Unendliche, das man in der genialen Dichtung hat. Ewiges Spiegeln und Ineinanderversenken der Welten und Hinterwelten. Bei Kleist hat man das recht eindeutig; ja, man hat trotz erzerner Starrheit und Solidität eine galoppierende Sprache, wie es Deleuze bei Kleist in etwa feststellt. Kleist galoppiert uns immer davon, und wir jagen ihm nach und werden nicht müde dabei. In der Prosa (speziell seiner Novellen) sehe ich einen schönen Strom, in dem sich fortwährend kleinere Wirbel bilden. Groce, der da moniert, die Novellen von Kleist wirken wie die Erzählung von Anekdoten, eine bloße Aneinanderreihung von Fakten habe man da, ohne literarische Ausschmückung bzw. Aufarbeitung bzw. Verwandlung, da Kleist die Gestaltungskraft fehle. So einfach kann man sich das nicht machen, und man kann sogar jubilieren, dass in Kleists Novellen die übertriebene „literarische“ Geschwätzigkeit fehlt, die man bei anderen ja genug und übergenug hat; allerdings wirft Groce da schon wieder eine Nuss hin, die man nicht so einfach knacken kann. Noch einmal und zusammengefasst: ist es sehr gut, wenn man im literarischen/künstlerischen Werke das Ineinanderversenken zwischen tatsächlichem Ausdruck (im Vordergrund) und dem Hinter/Untergrund/Schoß der Imagination hat, zwischen der Gestaltung und der Gestaltungskraft; das dynamisiert alles, das macht es ewig, das sind die „Tiefen“ – aber bei Kleist frage ich mich doch immer wieder, ob man die betreffende Stelle, oder das gesamte betreffende Stück nicht ganz anders hätte schreiben können, oder, mehr noch, hätte schreiben sollen! Verfluchte Unentscheidbarkeit! – Dass Amphitryon ein Lustspiel sein soll, ist mir erst aufgefallen, als ich das nachher im Nachwort explizit so definiert gesehen habe; den zerbrochenen Krug habe ich jetzt drei Mal gelesen (um ihm endlich ganz folgen zu können), gelacht habe ich noch immer nicht, obwohl der zerbrochene Krug ja als das deutsche Lustspiel Nr. 1 gilt; da können wir Österreicher möglicherweise wieder sagen: Jaja, die Deutschen und der Humor; ei, da haben wir Österreicher den Deutschen was voraus und wir haben auch den „Villacher Fasching“; wenn Groce sagt, der Humor von Kleist sei rein intellektualistisch, hat er wohl recht; die Stücke von Moliere sind immer wieder tatsächlich sehr komisch und sie sind eine gute, hervorragende Schule für die Menschenkenntnis; die metaphysische Weite von Kleist haben sie aber nicht, und metaphysisch bestimmt wird der Mensch bei Moliere eher nicht – bei Kleist aber eben schon! Natürlich sind weder der Amphitryon noch der zerbrochene Krug tatsächlich Lustspiele, sondern sie werfen die Frage auf Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie? – ohne sie jetzt allerdings tatsächlich zu beantworten; diesem allsehenden Auge/Auge Gottes, das da errichtet wird und in den Weltkessel blickt, fehlt irgendwie dann eine Teilhabe (oder so; irgendwas fehlt aber irgendwie, oder scheint (irgendwie) zu fehlen). Der zerbrochene Krug ist groß, ja; eine Ellipse, deren Brennpunkte ein volkstümlicher Schwank einerseits und die letzten Rätsel der Welt und die Mysterien der Schöpfung andererseits sind; und, um bei geometrischen Metaphern und Veranschaulichungshilfen zu bleiben, hat man bei Kleist ein negativ gekrümmtes Universum, bei dem alles ins Unendliche und Unbekannte und ins Sich-Entziehende flieht. Aber eben: beim größten deutschen Lustspiel – hätte ich mir was anderes erwartet. Am Anfang vom zerbrochenen Krug hat man Dialoge, die das seltsamste von der Welt sind – und zwar AUCH wenn man in Betracht zieht, dass „die wahrheitsbildende Kraft der Sprache“ (Günter Blamberger) dort zerbrochen sei, und AUCH wenn man das mit der allmählichen Verfertigung von Gedanken beim Reden in Betracht zieht (was ich von mir aus recht gut kenne, aber, wie mir scheint, vor allem im Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken (und vor allem in meiner ersten Kurzgeschichte, der vom Quadrat, besser bildlich dargestellt habe). – Aufgrund des wandernden Geistes oder auch der Unkonzentriertheit, die einem Mangel an geistigen Fähigkeiten entspringt, hat man immer wieder Mühe, Theaterstücken oder auch Abhandlungen über Spezialgebiete der Differentialgeometrie zu folgen. Zumindest ich habe bei Kleist erhebliche Schwierigkeiten gehabt, seinen Dramen zu folgen, und sie mehrmals lesen müssen um sie, natürlich unter Heranziehung diverser Sekundärliteratur, einigermaßen zu verstehen und ihnen folgen zu können. Komisch, wie man bei ihm schwafelnde Umständlichkeit ohne viel Aussage hat, und dann wieder entscheidende Hinweise in einen Halbsatz verpackt, der unter seinen Kollegen keineswegs hervorragt – so wie, eventuell, im (sogenannten) richtigen Leben, aber eben auch, und dann auch wieder, nicht. Ist das eine Stärke? Ist das eine Schwäche? Man weiß es nicht. – Goethe hat sich bekanntermaßen über die „Unnatur“ des Heinrich von Kleist ereifert, und Kleist wollte Goethe zum Duell fordern. Man hat bei Kleist eine ausgeprägte Ruhmsucht, Unstetigkeit (möglicherweise nicht allein des Genies, dem die Welt immer wieder zu eng wird, sondern als etwas Grundsätzlicheres), hohe Empathie und dann wieder erschreckend niedrige Empathie, man hat die unintelligenten Provokationen im Phoebus u. dergl. mehr. Man ist heutzutage leicht geneigt, Goethe für eine Art Tattergreis zu halten, dem immer wieder entscheidende Hinweise entgangen seien – aber ich, ICH, will, nachdem ich in der Vergangenheit darauf hereingefallen sein mag, dieser Versuchung nicht mehr so einfach erliegen! Wenn die Zeitgenossen losprusten, wenn Goethe zum Beispiel urteilt: Möge das Studium der griechischen und römischen Literatur immerfort die Basis der höheren Bildung bleiben! Chinesische, indische, ägyptische Altertümer sind immer nur Kuriositäten; es ist sehr wohlgetan, sich und die Welt damit bekannt zu machen; zu sittlicher und ästhetischer Bildung aber werden sie uns wenig fruchten; so werde ich weitgehend schweigsam und nachdenklich bleiben (denn etwas anderes als eine düstere Herdenmenschencultur haben die Chinesen oder die Inder oder die alten  Ägypter ja bis auf den heutigen Tag nicht zustande gebracht). So ist das, was Goethe bei Kleist als „Unnatur“ wahrnahm, bei heutigem medizinischem Wissen möglicherweise (wie Günter Blamberger zur Debatte stellt) eine narzisstische oder eine Borderline-Persönlichkeitsstörung gewesen, an der Kleist gelitten haben mag und die dann in Verbindung mit der Anomalie des Genies und dessen grundsätzlich enorm gesteigerter Wahrnehmung und intensiven Innenlebens die eigenartigsten, und letztendlich kaum entwirrbaren, Erscheinungsbilder abgegeben hat. Was hätte Kleist an Werken wohl noch von sich gegeben, und wie wäre er und seine Entwicklung zu interpretieren, wenn er ein so ansehnliches Alter wie Goethe erreicht hätte? Genau kann man das freilich nicht sagen, da Kleist ja gleich wieder gestorben ist; wenige auch der hohen Genies erreichen einen Grad abgründiger Tiefe vor ihrem fünfunddreißigsten oder vierzigsten Jahr – die „abgründige Tiefe“ wird erreicht, wenn der Adler in den Abgrund des Abends fliegt und, gemeinsam mit einem hellen Morgen, hinten wieder aus dem Abgrund aufsteigt, nachdem er die Welt umrundet hat – natürlich gibt es auch Frühvollendete (die dann möglicherweise sich nicht mehr nur nicht mehr weiter entwickeln sondern „ausbrennen“), und vielleicht war ja Kleist auch ein Frühvollendeter, der am Ende seiner „exzentrischen Bahn“ (Hölderlin) angelangt ist; vielleicht ist es ja so, dass wir mit dem vierunddreißigjährigen Kleist dann eben auch den ganzen Kleist vor uns haben: vielleicht, vielleicht (ja, das würde einer schon gern wissen!) (und, auch wenn ich mich anstrenge: sehe ich bei Kleist nach wie vor immer nur ein dunkles Grün, eventuell teilweise von einem schwarzen Viertelrund begrenzt). Bei Goethe hat man das Architektonische, die Stabilität, das Ideal; bei Kleist die Bewegung des Unterlaufens; und beide waren eventuell ein bisschen zu sehr in ihrem eigenen Stück gefangen, somit also naturgemäß Antipoden. Den Eisernen Ring, der die Welt zusammenzuhalten imstande ist, schmiedet man aber über beide Bewegungen gleichermaßen. Durch die Stabilität, das Errichten, das Ideal sowie das Unterlaufen von alldem, um erneut, und ohne Sterilität, errichten zu können und Ideale glaubhaft revitalisieren zu können. Sowohl Goethe als auch Kleist haben die Welt umrundet. Aber beide haben sie nicht überschritten. Goethe hat es sich in der Welt gut eingerichtet, und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er noch heute; Typen wie Kleist (oder Baudelaire oder Nietzsche) sind dem jeweils zeitgenössischen Bildungsphilister unheimlich, er kann sich in ihnen nicht selbst erkennen, sie werden (wie Amanshauser vermutet), womöglich immer wieder von Neuem zu Lebzeiten von ihm nur in die Gosse getreten. Ewige Wiederkehr des Gleichen und Amor Fati und Manche werden posthum geboren. Symboltriefende Rätselhaftigkeit des Heinrich von Kleist in der Frage nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Welt. Endlosschleife? Möbiusschleife? Die Welt ist stark, und das Genie ist schwach. Allerdings ist das ja gar nicht so, vielmehr ist es die Welt, die schwach ist, und das Genie, das stark ist! Das Genie hebt die Welt aus den Angeln, da das Genie eben stärker als alle Welt ist: so sagt das auch Kierkegaard in Der Begriff Angst. Da allerdings auch das Genie, wie auch die Welt, dem Schicksal unterworfen ist, und das Schicksal mächtiger ist als alles andere, da blind und dumm, kann das Genie (und, wie man fairerweise dazusagen sollte, die Welt) Angst haben vor dem „Schicksal“, eventuell Angst vor dem Schicksal, verkannt zu werden und letztendlich nutzlos zu bleiben; diese Angst kann das Genie in den Selbstmord treiben. Auch eben nicht die Stärke, sondern die ewige nervtötende Schwäche der Welt mag das Genie dazu bringen, sich aus der Welt zu verabschieden. Normalerweise wird das aber nicht der Fall sein; jeder Mensch, und erst recht jedes Tier hat sein Kreuz zu tragen, und ganz so schlimm ist es ja meistens nicht. Kleist hingegen hat behauptet, seine sei die „qualvollste Existenz, die je ein Mensch geführt hat“. Hm. Was ist dann aber erst die Existenz von Kurt? Wenn der äußere Reichtum fehlt, hat man da immer noch den inneren Reichtum; wenn die äußere Freiheit fehlt, hat man immer noch die innere Freiheit: und die inneren Reichtümer und Freiheiten sind dabei die eher wichtigeren. Im Zusammenhang mit seiner unsicheren materiellen Situation, seiner dauernden Erfolglosigkeit, seiner hartherzigen Familie und seinem scheinbaren Schicksal, zu einem ständigen glorreichen Scheitern verurteilt zu sein, in allem, was er in Angriff nimmt, und trotzdem er es ja gut ausführt, kann schon sein, nicht nur, dass es Kleist irgendwann gereicht hat, sondern dass er all das als ungeheure Kränkungen wahrgenommen hat, infolge einer irgendwie pathologischen inneren Struktur, die er mit Penthesilea oder Michael Kohlhaas (oder Congo Hoango, oder dem Bettelweib von Locarno, oder Piachi, oder dem Vater der Marquise von O… ….) zu teilen schien, und die die andere Seite seiner, ebenfalls psychologisch nicht eben stabilisierenden, übertriebenen Ruhmsucht gewesen sein könnte. Im Selbstmord, dem er mit kindischer, ausgelassener Heiterkeit entgegengegangen ist, hat er dann nicht nur seine innere Freiheit wiedergefunden, gegenüber dem verhängnisvollen Monstrum Welt, sondern eventuell auch eine Möglichkeit, es der Welt heimzuzahlen (neben einer Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erregen und sich für die Nachwelt dauerhaft interessanter zu machen). Aus einem Mangel an organisiertem und robusten Selbst hat sich Kleist also (eventuell) erschossen, aus ausufernder Komplexität bei gleichzeitig fehlender innerer Zusammenhaltigkeit (wenngleich mir Kleist da möglicherweise durchaus was voraushat, und ich, wenn ich wüsste, wie Neid sich eigentlich anfühlen würde, eventuell auf Kleist sehr neidisch sein könnte, denn aufgrund meines starken Selbst, meinem extrem festen Haften an der Welt und meiner seelischen Verbindung mit dem Weltgeist, scheint es mir letztendlich dann nicht  möglich, Selbstmord dann auch tatsächlich auszuführen, weswegen ich mich dann immer der Perspektive der Qual eines weitgehend sinnlosen Lebens ausgesetzt sehe, ohne daran was ändern zu können). Kleist war einer der ultrakomplexen Menschen, aber er war nicht eben der Gescheiteste von ihnen. Hell yeah, die ultrakomplexen Menschen!

Doch so, wie sich der Durchschnitt zweier Linien, auf der einen Seite eines Punkts, nach dem Durchgang durch das Unendliche, plötzlich wieder auf der andern Seite einfindet, oder das Bild eines Hohlspiegels, nachdem es sich in das Unendliche entfernt hat, plötzlich wieder dicht vor uns tritt: so findet sich auch, wenn die Erkenntnis gleichsam durch ein Unendliches gegangen ist, die Grazie wieder ein; so, daß sie, zu gleicher Zeit, in demjenigen menschlichen Körperbau am reinsten erscheint, der entweder gar keins, oder ein unendliches Bewusstsein hat, d.h. in dem Gliedermann, oder in dem Gott.

Mithin, sagte ich ein wenig zerstreut, müßten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen?

Allerdings, antwortete er; das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt.

H. v. K. (Über das Marionettentheater)

Der ist der glücklichste Mensch, der das Ende seines Lebens mit dem Anfang in Verbindung setzen kann.

Goethe, Maximen und Reflexionen

Vincent van Gogh and the Abyss of Art

Vincent van Gogh is one of the most incandescent minds of all time. While it is true that he did sell a single painting in his life, it is not true that he had come to be utterly unrecognised. Albert Aurier, the most profound art critic around at that time, would write an exalted article, praising Vincent van Gogh as a rare genius, able to see through the material hyle of shit while at the same time not transcending (or descending) into otherworldy or celestial depths. Rather, you would have an overabundance, a plethora of world, due to an intense perception of „a bubbling brain that would burst out his lava into all canyons of art;  a terrifying, half-mad genius, often sublime, sometimes grotesque, always slightly grazing the pathological“. It is true, in the art of Vincent van Gogh you have the otherwordliness of the world. You may say, you have a vision that refers to the peak of human perception and episteme, the Unitary Consciousness, in which all manifestations that lie within reality and that lie within the mind and in the spirit amalgamate into single, intense, elevated, transcendent perception of totality. In Vincent van Gogh´s paintings, everything has an extreme presence; nothing is hidden, reality seems to emerge out of itself, in ways that might be beautiful, frightening, dangerous or disgusting. Nature becomes of an expressive character; therein Vincent would become a forerunner of Expressionism, while his vision and, consequently, his impact on art would be more general and more profound. It is a true metaphysical reflection of the metaphysical structure of the world; while Vincent would reflect on some kind of embracive overtotality that lies inside (or beyond) nature, he was also aware that it is not necessarily protective; Artaud would say that in Vincent van Gogh´s vision you have laid bare „the hostile flesh of nature“; haha, art and the recognition of art lies in the eye of the beholder, and the depth of vision would also articulate itself in the many aspects it oversees; the more abysmal the depth, the higher and more glorious the vision until it gets consuming like the flame. The Burning World. „I love a nature that is nearly burning“, and: „Some men have great fire within their soul“. – While he had not been a child prodigy, but rather a problem child (although actually problematic (or „problematic“) he would eventually become later in his life), Vincent van Gogh had a capacity to get immersed into things, a pronounced and synthetic/synaesthetic intelligence and a passionate heart from early on. Art, as well as science and religion would have a great fascination on him from early on as well. To him, art had to rely to a considerable degree on (quasi-) scientific investigation of reality, of perception and of the means and methods of art; like religion it would refer to the divine, the otherworldly, the good and it would create a spiritual bond between men. Despite his ever-present interest, Vincent had decided to become a painter relatively late in life – since all other attempts to find accommodation in life had failed for him. It was a stunning quest, as it did not seem very promising as Vincent usually combined talents as well as considerable deficiencies in any domain he would approach, with the latters ultimately leading into tragic failure of his endeavours. Finally, when Vincent reached perfection, it was a triumphant victory of subjectivism that would define new objective standards. Vincent´s art is so idiosyncratic and, eventually, ungraspable that it cannot truly be explained or that it could have been foreseen. It is true that technically Vincent was not a master painter in many respects; he could not paint freehand, his line was nervous and imprecise and, above all, he could not achieve much similarity between the portrait and the portrayed. People and things are depicted roughly as well as bluntly, but they carry both more idiosyncracy as well as universality (not only as the person or the thing portrayed, but also more idiosyncracy and universality as you have it most other paintings) and, above all, they carry a pressing immediacy. In his greatest paintings and his most mature vision you would recognise that „everything“, and everything that can ever be said, simply and bluntly is there (a not very intellecutal sentence, but therein signifying that intellectualism comes to an end when approaching visions of the Absolute). While the most protean painter of the 20th century, Picasso, would invent a new style every once in a few years, Vincent van Gogh would (apparently) come up with a new style with any new painting he would do; respectively, Vincent would both transgress style as well as „anti-style“, as what he would do could be described as a permanent quest, a processive both searching and finding of expression as something both more primary as well as transcendent to style. Vincent´s „style“ (nevertheless) has a childish innocence, nativeness and immediateness as well as the intellectual sophistication of traditional Japanese art (which had a huge influence on Vincent) with its focus on purity and simplicity, respectively it combines both approaches; it is very virgin and very eternal, very young and very old, adequate therefore to depict a world that is both in bloom and in decay. Of course, this can be quite irritating and (like Franz Kafka) Vincent was dismissive of most of his works, considering them as „etudes“, and his true art and his true form and message as something still to come. Yet, when intelligence/creativity reaches its most upper extreme, it will likely not present itself via a „classicist“ form: instead, it will become inherently experimental and establish multiple points of view, it will become a sort of phase space of the intellect and of the soul (which may, of course, easily be confusing for the bearer of that soul and it will take some time to become familiar with it). Vincent van Gogh´s vision refer to a shifting, dynamic and also a bit elusive reality: and therefore has a firm grasp on reality as how it actually is. His style of painting makes the painting process visible, therefore reassuring that one is confronted both with reality, a vision of reality, a perception of reality and an artwork/a construction of reality; therein Vincent was a forerunner of process art and, more profoundly, of the self-referentiality of art and its metaphysical quest for its exploring own „epistemological“ possibilities and potentials. Avant-garde artists after van Gogh (and at his time) became very self-confident about the possibilities of art, also because of this self-referential quest for art within art; more recently of course art would lose such self-confidence and the self-referentiality become increasingly pointless. Obviously, it lacks the spiritual strengh of a Vincent van Gogh. Vincent´s quest within art (and within any endeavour he would approach) would be for „the true“.  According to Vincent, „the true“ is the force „that brings light into darkness“, that transforms suffering into solace, that consoles, that has the power to heal. It is „what encourages you and inspires you and is good nurture for the true life“. It refers to a kind of epiphany, and when Vincent would become aware of anything of that kind, he would say: Dat is het! „The true“ „can be found everywhere“ and in great numbers; „the world is filled with it“. In contrast to the pessimists and existentialists (and, seemingly, most people, notably intellectuals or art critics) I perfectly agree with Vincent on that; and for instance when people would ask me why, for instance, I often post harmlessly lascivious images of females with big tetas (or try to mock me whether I do it out of sexual frustration (or, as feminists would suspect, in order to exercise power over women via the „male gaze“, while it is actually them exercising power and impression over me)), I may simply respond: Because dat is het! Those are images/epiphanies that show that the world is good and life is worth living. „The true“ is the essence of things. Dat is het. „The true“ Vincent would also find in the portrayal of humble or everyday people, hitherto rather neglected by „high“ artists: peasants, craftsmen, maidens, more generally: in (the portrayal and investigation of) the idiosyncratic and the subjective (and he was especially fond of sentimental artworks, depicting children, melodramatic situations, girls in love, families living in harmony, Biedermeier-like art, like I am as well). Due to the evaporation of traditional and a stable metaphysical structure in which man would find himself embedded in modernity, the modern artist could not create a closed, consistent and total portrayal of (man within) the world any longer. Traditional iconography, allegories or metaphers had become obsolete by Vincent´s time. What is more, in the later 19th century moral foundations had become fundamentally shaken and modern man became confronted with the possibility of nihilism; most dramatically illustrated in the vision of Dostojevski, it would become the task of the individual to enliven morality and establish universal moral standards. The subjective had become prevalent. But how can you create a universal grammar out of something that is subjective, i.e. that is opaque and cannot (and should not) be generalised? Van Gogh however would note that it is precisely the subjective experiences and the individual idiosyncracies that are experienced by everyone all alike and may therefore become a basis for collective experience. An enlightened individual with a profound and empathetic vision of reality and of high personal integrity could serve as an exemplar of humanity and create universal grammars, a subjective vision that embodies/enlivens objective truths. Therein, the artist would become comparable to a saint. By the end of his life, Vincent van Gogh would consider himself to be an otherworldly, transcendent being (which is a correct perception), and art and religion he had always seen as intertwined (which, as both is based on worship, is also a correct notion). He would become godfather of modern art as a quest for subjective expression of objective truth, and a kind of guardian angel of what would become the difficult and demanding task for true artists for decades to come: finding new modes of expression anew – „We all started with van Gogh“, Picasso would say, in that respect. In the later 20th century such endeavours still were/are there but somehow have lost intellectual substance and rigor. Vincent van Gogh at his time was dismissive of the Impressionists, he found them to be „merely clever“ and resting on the foundation of a merely tricky idea, whereas true art would demand „extreme seriousness“ (nowadays, the tide has moved against the notion of Vincent once more, probably to an extend that would surprise him even more (although humor and irony usually are good, it is probably also good that Vincent to a considerable degree lacked humor and irony, i.e. basic principles of postmodernity)). Vincent van Gogh would notice Aurier´s essay of exited praise for him, but he reacted somehow indifferent and dismissive. He had a low self opinion as he had had to experience himself as a failure throughout his life, he saw that he could not reach the mastery of other, technically more profound painters, and he did not consider it possible that he was „a rare genius“. Also, while Aurier could see the polished surface of Vincent´s art, Vincent the artist himself knew about the (unelegant) difficulties and coincidences within the process of creating his art, therefore he was less ready to see it as results of a divine inspiration. While the article by Aurier and also a subsequent exhibition of some of Vincent´s works would attract attention, he still could not sell anything while at the same time Theo´s financial situation had become more problematic, terrifying the ashamed Vincent that he could not escape the situation of putting financial stress on his brother ever more. Irritated, Vincent fled to the countryside again, fully in bloom of his mastery he would create some of his greatest paintings; yet soon thereafter he would succumb to a fatal injury inflicted by a gunshot.

They say there is a thin line or a similarity between genius and madness. That is not actually true. Genius refers to an abnormal intensity of perception and of experiencing the world by getting immersed into it, as well as to great fluency in making unusual associations between (often remote) perceptions and concepts. Due to the unusualness of his ideas, the genius may become mistaken for crazy by others (and therefore become prone to identity crisis and feelings of estrangement himself), but he is, to an abnormal degree, rational in all his endeavours – whereas the madman is, profoundly, not. What makes Vincent van Gogh´s story so attractive/tragic is that he was both a genius and a madman. Rejected by his contemporaries, he is now considered pure and a saint, born to suffer in a world hostile or injudicious to purity, illustrating the tragedy of the genius; yet, apart from that, Vincent actually was a misfit on his own accounts and a challenge to most people he met, including those who were sympathetic of him. About the origins of Vincent´s irrationality there have been debates and scholars have tried to identify it as a bipolar disorder or some kind of schizophrenia. Epilepsy has also been suggested. Likely Vincent had a schizotypal personality disorder, maybe combined with other abnormalities. Schizotypy is a condition that involves unusual emotional and perceptual intensity, capacity to ruminate, associative and network-like thinking, anhedonia, introversion and impulsive nonconformity. Therein, it may be a condition that enables genuine creativity, personal autonomy or genius: Einstein, for example, appears as a perfect illustration of healthy schizotypy. A schizotypal personality disorder involves all those features but gives them a turn towards the unhealthy and the irrational. You may have odd perceptions and personal ideologies within the schizotypically disordered individual, magical thinking, irrational impulsiveness, getting overwhelmed by emotions and social isolation and withdrawal due to reduced capability of getting along with others and to intellectually empathise with them. In contrast to the schizoid individual, the schizotypal individual, who specifically knows both emotional intensity and may have a strong sense for „connectedness“ between people and things, may experience his social isolation as very painful, and that may generate considerable mental health problems and depressions that, in addition to the odd ways of thinking of the schizotypal in the first place, may degenerate into states that are near to psychosis, or into actual psychosis and schizophrenia. Theo van Gogh has experienced „two personalities“ within his brother, respectively a „Jackyll and Hyde“ personality within Vincent. Very strangely, Vincent was capable of extreme rationality and understanding as well as compassion and love for others, transgressing into self-sacrifice, as well as he easily was very subborn, argumentative, self-righteous, impossible to get along with different opinions and, therefore, with most people in general. He was both very fluent and considerably limited and inflexible. Clearly, there are problems for sensitive and intelligent or unusual individuals to get along within society, especially within childhood and youth, and that may lead to problems of adaption, but Vincent´s irrationality, in its stubbornness, cannot, however, actually get traced back to traumatic origins, but appears as something genuine, and in such a case a personality disorder or mental illness is very likely at play. Mental illness came to affect also other members of Vincent´s family; his brother Cor later commited suicide and his sister Wil went insane and spent nearly four decades of her life, until her death, in a nursing home. Theo´s tragic decline came from syphillis nevertheless; it is however possible that Vincent´s aggravated mental health problems later in life had the same origin, and one of the possible motives for his (apparent) suicide was the fear of plunging ever more into insanity. While failure to adapt to institutional logics (or get accepted by institutions in the first place) and an irregular, „trial and error“ biography may not be uncommon for uncommon people and for geniuses, Vincent van Gogh had failed in every aspect of life, be it professional or interpersonal or as a student (and the feelings of guilt and shame aggravated his depressions). In some ways, his failures actually had glorious and triumphant aspects, aspects of failure due to being „too high to function“, but, at the other end of the tail, they carried morbidity. The most heartbreaking story in his biography before he decided to become an artist was him wanting to become a preacher among mineworkers in Zundert who had to live in extremely miserable conditions, notorious not only in the whole country but even beyond its borders. The suffering of the proletarians in Zundert affected Vincent greatly and he went to measures of extreme self-sacrifice in order to help them personally: he spent his time with them, gave away practically all his money and things and, after a huge explosion had happened that left many dead and even more wounded, medically cared for the wounded to the extend of exhaustion. Unfortunately, his grotesque self-humiliation finally began to bear less resemblance to that of a strong-minded and highly rational saint, but more to religious mania and the behaviour of a fanatic and it became uncanny not only to his superiors but also to many of the mineworkers of Zundert. That, and his inability to take into consideration any advice from others finally led to his expulsion and another tragic failure in his life (the official reason for his dismissial however had been that, despite the eloquence that would become apparent in his letters, he could not actually preach and talk in front of crowds). Vincent was a man who lived in extremes, both in divine ways as well as in clearly unhealthy fashions. Self-sacrificial and saint-like to an extreme degree during his time as a preacher, he would ask his brother for more money with some sense of entitlement a while later (while, later again, feelings of guilt about stressing his brother´s financial resources ever further may have been, then, a motive for the (apparent) suicide). Despite his permanent condition of dire straits, he never learned how to live economically. During his lifetime, his appearance would range from dandy to bum, alienating the people around him. As a truly transcendent and saint-like individual, Vincent had high hopes concerning other people and he easily developed enormous passion and compassion for them, which, however, often were out of touch with reality, and he was specifically prone to idealise the misfortunate among human creatures (like the people of Zundert). Sien, a moody prostitute with whom he tried to establish a family for a while, he considered to be „an angel“, and in the eye of newborn children he would see „the infinite“ (one of the infants in whose eyes he had seen the infinite would later become associated with the fascists). With Gaugin at least he wanted to live his ideal of establishing an (everlasting) fraternic community of artists, of intellectual and emotional bonds unable to get broken, while alienating him with his argumentativeness. When Gaugin wanted to leave him to move to new territories, Vincent became so afraid that, in a dissociative state aggravated by alcohol abuse, he cut off his ear, in an apparent attempt to make a „sacrifice“ to Gaugin to make him stay (and, likely, as a mutilation due to self-loathing; like in the final hours of his life, deadly wounded, Vincent did not elaborate much about the natures of the incidents). Whether his death was the result of a sucide attempt or whether Vincent was (unintentionally) shot by rascals that used to follow and harrass the eccentric painter is something we do not know though: There are good reasons to take the former as well as the latter possibility into account. The dominant narrative of the suicide – that may, however, erode because of the reasoning about his death in the more recent monumental biography about Vincent van Gogh by Steven Naifeh and Gregory White Smith as well as in the film about van Gogh by Julian Schnabel – is at least the more meaningfully tragic one and carries more gravitas. A tragic tale of his life may „benefit“ a genius as it increases his personal sex appeal after his death and make his biography appear more meaningful. Vincent´s ascent to the heavens may be that, in its comprehensive, genuine as well as elusive and mysterious tragedy it is very well-rounded. After his death he became an archetype, an icon, a symbolic figure, seemingly a good spirit/angelic creature, watching over us.

Indeed, not long after his death, Vincent van Gogh became to be seen as archetypical modern painter and as a saint of art. He bears maximum charisma as he is actually a metaphysical figure. The multiple threads that concern art, and all human endeavour and all human quest seem to meet in his art and in his biography. He is a superknot of threads. It has been noted that van Gogh had ruminated more about art and also about the relation between art and world, also as concerns the practical aspects, than any other modern painter (and, for instance, his idea about the artist communities was not only an emotionally motivated utopia, but, first and foremost, a practical idea about how the socially brutally excluded painters of his time could create means and a practical way of living and become more independent from the cynical art market). There is a lot of confusion about what art could actually be or what it would mean to be nowadays (and, due to this confusion that goes over people´s heads, unfortunately also a profound indifference towards answers to such questions); conservative philosopher Roger Scruton fortunately says that the truth of art is spiritual truth. Spiritual truth means a deep connectedness to the world and usually has to be gained via suffering. Van Gogh is the epitome of  „suffering for art“. Vincent´s quest was one of extreme integrity and for authenticity, and humanity needs such stories in order to ensure the authenticity of itself, of the human condition and of the human experience. The genius in someone deeply introspective into the subjects of his investigative quests and therefore is able to unveil „hidden secrets“ of matter. Art is a quest for metaphysical localisation of man and finding modes of expression for that. Vincent van Gogh was extremely introspective into art, in a way that he fell through the metaphysical abyss of art. Because of this, you finally have the totality within his art, the plethora and overabundance of the things portrayed and that extreme degree of presence death to false metal (reminder: could Derrida´s notion about the impossibility of presence be countered via van Gogh? To be investigated!); as you have the ultimate explosiveness within a White Hole due to matter that is falling through a Black Hole and is channeled through a Wormhole – that´s how such a system works.  Gilles Deleuze and Felix Guattari say that a true work of art stands (erect) for itself. Even more than that, in the art of van Gogh you have the Absolute. The art of van Gogh (as well as the tragic conciseness of his biography) cannot be transgressed. The Absolute is an instance that is indifferent to all human relativity and therefore indifferent to all human opinion and to all human thinking. You may say, it is the sphere of absolute values. Van Gogh´s Starry Night or his Church of Auvers, or Beethoven´s Ninth or the General Theory of Relativity exercise a power over me that is infinitely higher than mine. They´re the Absolute. Talent´s quest may be for, respectively reaches its fulfillment in perfection. The genius finds its full realisation in reaching the Absolute. The strangeness of the Absolute is that it is the most universal of statements and that it is very immediate and intelligible as well as it is very different from anything else and not very intelligible, and the establishment of the Absolute is very different from any other endeavour, it´s (naturally) very different realms of being; in the terminology of Wittgenstein (another monad that was working on the Absolute), the language of the Absolute is a different language game from the language games that happen in time and in space. The people of the Absolute are radically different and distinguished from anyone else; they not only belong to groups radically different from the general run of people (the groups of artists, philosophers, druids et al), but are also radically different monads within those groups. And so, apparently, the circle closes. Vincent van Gogh had a passionate desire for brothership and community. He wanted to establish not only a true community of artists but, via art, a brotherly community within mankind. Therein, one may remember Gilles Deleuze´s essay on American literature and Herman Melville, Bartleby, Or, The Formula, in which he outlines that American literature is a call for brotherly unity and America is a utopia of brotherly unity, with this ideal of brotherly unity and authentic community nevertheless being contaminated and corrupted in and by reality. With reference to Melville, Deleuze touches on the problem of the „true originals“, truly original people, who, in a heroic, in a funny and/or in a tragic way stand outside of society and, due to their autonomy and originality, cannot be influenced or consumed (and also not corrupted) by society. They are outsiders of humanity as well as they are an embodiment of humanity and of the human individual in a metaphysical sense. They embody the struggle between the individual and society in a search for meaning and mutual pacification. The reconciliation between the original and society/humanity is the problem for establishing fraternity and authentic community within men, so Deleuze/Melville. Often, the reconciliation between the original and humanity will happen only after the original´s death, when the biographical original individual and the ouevre of the original has entered the autonomous sphere of true ideals (or, above that, of the Absolute) that help to give meaning to humanity. With the reconciliation between the original and humanity, fraternity and authenticity is, then, truly achieved – in an ideal and metaphysical but therein highly tangible sense. And so, the circle and the cycle closes, the dead original can truly rest in peace, as the circle and the cycle opens up for another original again, later in history.

P.S.: Goethe (?) says, only a genius is able to truly recognise a(nother) genius. A tragedy associated with van Gogh is that Albert Aurier, who recognised van Gogh so profoundly and wrote so flamboyantly about him (therein likely mirroring his own flamboyant, explosive mind) at a young age, at the beginning of his twenties, died soon thereafter. I guess Aurier´s early demise is a tragic loss for humanity.

Leonardo da Vinci, Apex Predator

Today, 500 years ago, Leonardo da Vinci died. After a rather bumpy ride through the ages as concerns his fame and reputation, he is, in our age, considered as probably the highest ranking genius and uomo universale in the history of mankind, as concerns creativity, intelligence, versatility, authenticity and clairvoyance. Bumpy as is the ride of history, future generations may think otherwise (yet unlikely very much otherwise); at any rate Leonardo´s mind and personality and ouevre may serve as an illustration of what may be expected to happen at the most upper extreme, if not the definitive apex of human intelligence, creativity and spirituality, and also what may be the ultimate vantage point, and vanishing point, of art and what art could ever be. Beyond the scope of an era-defining genius (like Goethe or Voltaire), Leonardo is a superstar of humanity. Hardly matched in his artistic ingeniousity, he is probably unmatched in the scope of his interests, mastery over various domains and probably also as concerns the complexity an artistic vision and a worldview ever can reach – despite being, in their complexity, very harmoniously balanced and, to some considerable degree, at peace with itself (indicating what is commonly referred to as „transcendence“ and a Satori-like vision). Such appears not only his intellect, but also, even more miracously, the man.

Apart from his intellectual and artistic abilities and his miraculous craftsmanship, Leonardo was described as a very attractive and elegant man, jovial, cheerful and eloquent; his reputation as a „dandy“ obviously drew upon the fact that he liked to dress well and in an individual manner. An Adonis in his younger days, he „successfully“ embodied the bearded, long haired sage and druid in his later days (and that he seemed to have aged prematurely is also a good fit into the whole story). „All man and all nature“ was said to be attracted to Leonardo, not only due to his natural goodness, but also because of his distinctive entertaining qualities which ranged from telling instant jokes and spreading words of wisdom to staging extravagant theater-like performances with which he baffled his audiences not only with his intelligence and imagination but also his craftsmanship. He was also said to be an extraordinary musician and that he could sing in a beautiful voice. Neither ascetic nor an distinctive hedonist, and in contrast to Michelangelo´s rather neurotic endeavours in that respect, money and fame mattered to Leonardo just as much as it enabled him to maintain his rather modest and self-sufficient way of living. What mattered most to him, is that he was able and free to sustain his permanent investigations into nature, art and technology. His homosexuality (or homophiliac bisexuality) may have helped him to grasp feminity in the stunning way he did – the Renaissance was not an overly patriarchic age and Renaissance women were relatively free, respected and liberated; in many of his paintings, Leonardo gave women an accentuated physiognomy and portrayed them with great sensibility (though his ultimate quest was for expressing the universal; also you have some scepticism in those portrayals; like the relatively blank physiognomy of the, nevertheless distinctive and intense, Lady with an Ermine, Cecilia Gallerani, in contrast to the very carefully painted ermine). Despite him being the intellectual apex predator, Leonardo had become a vegetarian early in his life. Friendly and gentle, usually in good humor, Leonardo was decent and generous towards humans and he was a nature and animal lover; especially attracted he was to horses and to birds – it would happen that at a mart, he would purchase birds just to release them from their cages and let them fly away. Despite that, he prided himself with being able to construct war machines and war technology of great destructive capacity, and despite being a republican by heart, he became affiliated with various noblemen and „war lords“ of his time, including Cesare Borgia (who, as a somehow transcendent phenomenon, however attracted also the curiosity not only of Machiavelli and, later, Nietzsche but also of many others ever since). As a general feature, Leonardo remained aloof over politics and contemporary affairs; one might even perceive an „icy“ disinterest in politics and the political struggles of his time and age. What distinguishes him from the opportunist and nihilist (not to speak of the careerist) is that politics (i.e., at least at that time, the management of the fragmentary and temporary) truly was below him and the (fatalistic) insight that, due to the nature of man and the multitude of human temperaments, politics and political engagement remains a bit of a fruitless passion and a dismal science, at least for someone that is able to touch, instead, the eternal and the heavens. Political affiliations within shifting balances of power made not only Dante´s life miserable – and that of many others ever since – and despite his indifferent attitude towards the powerful may have hindered him to become a huge success during his lifetime, Leonardo obviously managed to sail and navigate relatively well over the turbulent political waters of his time. That he was also a child of his time can be seen that he believed in stuff like astrology, the medical theories of Galen or accepted Aristotle as highest-ranking authority like the medieval scholasts did, notions that soon thereafter became more outdated among the educated. Despite being very insightful about geometry, Leonardo did not manage to calculate properly, neither he learned (or was able to learn) Latin, the lingua franca of the educated and the humanists at that time, which probably has aggravated to hostility between Leonardo and the humanists. Leonardo was fond of silly jokes and anecdotes and of the grotesque, and some of his drawings of grotesque characters became inspirational for the initial drawings to Alice in Wonderland. That does come as a surprise as the genius usually is childish, funny, off-the-wall and drawn to paradoxes, and the grotesque are transgressive epiphanies of what lies beyond the frontiers of human imagination. Leonardo´s grotesque drawings are both funny and sad, harmless and brutal, etc. referring to cosmic indifference towards what we, in general, perceive as the wonders of creation. Leonardo was, more or less, fully realised human potential. Concerning gender, he had distinct masculine as well as feminine characteristics; concerning age, he combined the playfulness of a child with the wisdom of an old sage. He was determined and knew what he want (though apparently erratic in his endeavours), but he seemed to have a soft ego. He experienced melancholy and joy. He knew about the abyss as well as about the celestial spheres. He was more human than man. Very rarely it appears that a man achieves true harmony within himself (among the 20th century painters probably only Mondrian and Duchamp). Leonardo likely was of that kind.

The Renaissance was the dawn of a new era, and of a great transformation concerning the ways man saw himself and interacted with the world. In all preceding periods you have man embedded (and occassionally crushed) within a cosmic whole (and a relatively static social order). If it had not been explicitly conceptualised or reflected (or, apparently, conceptualised loosely and somehow ironically like in the case of ancient Greece), man had implicitely lived and behaved in such a fasion. The loss of such an (embracive, but also terrifying) totality has been mourned ever since, since man obviously is unhappy when he has to live under conditions of scepticism, relativity, multiple viewpoints and temporary truths, i.e. conditions that you have in modernity (and if you are unhappy about that as well, just think about whether you would prefer to go back to the middle ages). In the Renaissance, the foundations of man as a competent individual that is able to emerge from a background had been laid (though they would again become oppressed in the Counterreformation). The genius is the most pronounced form of man doing away with established modes of thinking, epistemologies and ideologies when he is thinking and when he does create (despite being very knowledgeable about them and therefore able to transcend them). The Renaissance, therefore, apparently, was an era of genius, and Leonardo the climax of his era. Leonardo did not make an ideology (because, likely, he was too intelligent for that), but the foundation of his whole attitude and approach towards the world was relying on primary observation and experience and rationalising it to deduce knowledge as well as to test established knowledge by the same means – and sorting out established knowledge if it fails short of such a test. His most beloved sensory organ was the eye as it was – so he thought at that time – the organ with which the world could be most primarily, innocently and correctly experienced. Likewise, painting was the highest-ranking art to him, as via painting you are able to catch, view and express the world most directly and immediately; as a philosopher-painter he would become immersed in questions about how perception actually works and how the world can be most properly portrayed. He expressed distrust not only in scholastic knowledge, but, more fundamentally, in language, which he deemed dubious, amiguous and obscure and, moreover, man-made and probably „culture dominating over nature“ and not vice versa as you supposedly have it in the sensory perception of vision. Correspondigly, literature and poetry was an art inferior to painting to him („coincidentally“, Leonardo himself was not a writer or a poet; while his writing style was clear and precise, it considerably lacked the imaginative depth that was so characteristic for him as a painter and in many other respects). Leonardo´s curiosity stemmed to a considerable degree from painting and from his interest to excel in painting, like his interest in anatomy, in nature, in proportions and in how perception works; yet of course he would have also many other interests as interests per se (eventually, everything would become an interest per se for Leonardo). His interest in flying may have gone hand in hand with his passion for birds and ornithology, his interest in medicine and how the body works from his interest in anatomy; at any rate, however, his interest in technology and many other things was a matter in itself and stemmed from a curiosity in itself and a passion for gaining intellectual insight and mastery over things in itself. Because of this, you may even have difficulties in thinking of Leonardo as a man – as he rather appears as a fog or the Blob, an entity with open contours, that feeds and grows – or withdraws when it loses interest.

At the beginning of the 21st century we like to think of our time as one of rapid acceleration. Consider however, that such was also the time of Leonardo: From 1450 to 1550, Europe underwent a rapid transformation of a backward continent that, by the end of that timespan, had laid the foundations upon which it would leave the rest of the world behind for the centuries to come. Leonardo was, somehow, moving with the same – maybe too pronounced – speed. Leonardo´s famous „inability“ to complete many things and projects he started appears as a manifestation of a mind wandering at ultra-high speed and versatility, but also seems to borderline to an attention deficit disorder. – I find it sad that he never did a final portrait of Isabella d´Este, a magnificent and highly interesting female regent of the Renaissance (though it is also somehow „funny“ that the strong-willed and, likely, autocratic Isabella did not come very far when it came to impose her will on the eccentric Leonardo), yet however Leonardo´s (obvious) drawing of her is probably more articulate and charismatic than anything else could had ever been. Sometimes sketches, drawings, experiments and etudes can be more articulate and telling and grasping more of a (turbulent) reality than something that is finalised and „classic“. Likewise, some things are more pronouced when they are finally left unsaid, and some things are better left unsaid anyway. Likely, Leonardo also knew that many of his technological constructions and scientific ruminations were preliminary and tentative and therefore he may have refrained from wasting his time by finally and systematically elaborating on them apart from the, at any rate often staunchly elaborate, sketches in his notebooks. That being said, Leonardo´s frequent failure to finalise things may not be failures at all, but due to a deeper insight into stuff and bravery and independence of mind. To the things that mattered to him and to projects he began to really find something out or to move to new territories in science or in the arts, Leonardo could be stubbornly devoted. That, not least, applies to the Mona Lisa on which he had obviously been working for years with the obvious determination to create out of it what it had finally become: a perfect human portrait (he finally had kept to himself) – that probably does not show Lisa del Giocondo, as is the dominant narrative, but – Isabella d`Este. Again in contrast, Leonardo´s most notorious failure – the feeble material construction of The Last Supper (that began to fade only decades after its creation and had to be restored multiple times ever since, with probably only 20 percent of the original artwork remaining nowadays) – may have been an indication that Leonardo actually and paradoxically lacked insight and care for the preservation of the things he had put so much obsession into to create them (though also likely the execution of The Last Supper was a – correct – compromise between means and ends; by using other means he may have not been able to execute the painting in the same way at all). Leonardo also seemed to have had reduced insight in circumstance that scientific discovery is a cumulative and collaborative process and has to rely on publication and discussion of findings and theories (which he did not really foster for himself), despite the, somehow legitimate but also distorted, perception that the „scientific community“ of his time would not be intelligent enough to understand him anyway. Among the „mysteries“ about Leonardo questions remain whether his apparent shortcomings derive from his „super sanity“ and from the plethora of his inner life, or also from actual deficits or „insanities“ and frenzies. Leonardo, likely, would have found such ruminations about him, that involve modern medicine and psychology, quite amusing – and, of course, highly interesting.

The lasting effect of the Renaissance was the discovery of individuality. Art is about examinating and illustrating the essence of things; and whereas in medieval art you had portrayals of man as a stereotypical member in a hierarchical, feudalistic collective, idealised via attribution of ephemeral aspects of beauty in the contemporary period, you have individualised portrayals of man (and of the entire creation, including the divine creator) in the Renaissance era. Leonardo pioneered and transgressed that motive and attitude into psychological and narrative portrayal of man and nature: The conquest for capturing the (indivdual) „soul“ of a person in and via the means of an artwork has a distinct predecessor in Leonardo. Leonardo, however, was not actually interested in capturing the individuality of a person and a thing, but to express universality – via the expression of idiosyncratic and expressive individuality (an understanding that brought him into some conflict with Michelangelo, who rather relied on expressing idealised beauty and muscular men as an epitome of that). The Renaissance era also paved the way for a modern and rational understanding of man and of nature, thus enabling man´s mastery over nature via technology. While Galileo Galilei is considered the founding father of modern science that relies on unideological observation, deduction and induction and on the scientific experiment, Leonardo had followed the same approach a century before – and many of his observations and conclusions as well as his constructions proved to be (at least in principle) correct only most recently. Despite that, Leonardo nevertheless lived in a pre-scientific age and was operating in a no man´s land. Not least likely due to envy and being confronted with something they likely sensed to be meaningful but which they could not properly master and understand, the educated elite and the humanists of his time were dismissive of Leonardo´s ideas and his entire attitude, respectively hostile towards them, relying instead on the academic scholarship of ancient stars like Aristotle as the ne plus ultra (therein forgetting that Aristotle did not rely on sterile scholarship himself, but accumulated his wisdom – naturally – by the same means like Leonardo). That Leonardo did not speak Latin and, due to his rather modest beginnings, was not prestiguously educated furthered the aliention between Leonardo and the humanists. As a true avant-gardist, Leonardo was, to a considerable degree, an alien within his time. From the later period in his life one would find a (stunning) portrait of a bearded old man in his sketchbooks, seemingly introspective but also apparently desillusioned and melancholic: obviously a self-portrait or self-caricature. A reccurent motive in his sketchbooks, maybe (also) of self-caricature, is a toothless old man that obviously gets harrassed by youth or by grotesque figures: Powerful and nearly divine in his abilities as he was, Leonardo was also relatively powerless. The shadow appearane of his high-ranking and clairvoyant intellect was that he could exercise relatively little influence and persuasion among his contemporaries because he was too distinguished from them. Throughout his lifetime, Leonardo would achieve fame and be considered a wizard and a sage as well as he fundamentally also always remained an outsider and a misfit, deemed an eccentric and heretic, if not some kind of divine fool (note that how much weight is put on portraying Leonardo as an insider or an outsider considerably lies in the eye of the beholder, respectively in how much the respective biographer seems to be an insider or an outsider within academia herself (Stendhal, who did not achieve much fame in his life, would remark that the true message of The Last Supper is the expression of resignation in the face of Christ, i.e. of the high-standing individual within a base and treacherous humanity and his death less of a sacrifice than a „suicide by cop“ to escape from earth as his mission is bound to failure anyway)).

The genius is obsessed with creating order as he has both a distinct and pronounced insight into both order and chaos, the Apollonian and the Dionysian, the abstract and the idiosyncracy etc. Leonardo´s most famous epitome of his quest for unveiling the glorious and harmonious laws and proportions of and within nature is the Vitruvian Man. Yet, he was also able to portray grotesque creatures with great dedication. In general, Leonardo was attracted to and could get immersed into forms and patterns and especially the transformation of forms and patterns; maybe (also) because of that, he had an affinity for water. I also have an affinity for water, though rather for its peaceful and tranquil and steady appearances; one of Leonardo´s last famous works, in contrast, were the deluge drawings, of raging waters, of a raging – and seemingly mindlessly raging – nature, driven by blind forces, within which – unique and singular – patterns and wave formations emerge, but, after two or three moments, dissolve in order to, in their specifity, never to appear again but to get, at best, transformed into other (pseudo) entities that are all to temporal as well. I reiterate once again (and it goes a bit on my nerves not to come up with greater news, but that is, I guess, the price to be paid when one has reached final conclusions and gained insight into final truths), that the final vision of art is the vision into the Chaosmos, i.e. the interplay between movement and order, static and dynamic, stability and chance (and recently it has been proven by mathematics, that all dynamic systems are actually and interplay between order and chaos); and in Leonardo´s deluge drawings you have carefully executed vortexes, apparently hellish, but then also peaceful and mantra- and mandala-like: metaphysical peace you will find in an hypnotic image and perception of the mindless circle of natural creation and destruction, and that is the final word that can rationally be said about it. As a high genius and creator and a great empath towards the entirety of existence, Leonardo understood the divine, but, unlike the Americans, he did not trust in it. He is not known for having been a devout Christ (like Michelangelo). In the Adoration of the Magi (an early painting left unfinished), you seem to have an unbridgeable gap between the divine and a rather creature-like humanity that seems to be in reverence as well as in anguish and, in some similarity to the isolated figure of Mary, rather occupied with itself and its passions; a humanity that, on the whole, rather behaves as if it were under an epileptic shock rather than in religious enchantment, giving an impression that both the earthly and the heavenly may be powerless to some degree and, next to that, have a fundamental problem of establishing mutual communication and exchange. The orginal of his painting of Leda and the Swan is lost (and probably has never truly existed, only via sketches), but it refers to an antique mythology as an illustration of life and existence as a circle of violence and conflict within, also, a conquest for morality, truth, righteousness, love and (more egoistic) desire, within which not only humanity is revolving, rather helplessly, but also the gods. In Leonardo´s „metaphysics“, the cycles of „difference and repetition“ within which nature reproduces itself are the supreme instance; sometimes nature may be protective and a legitimate instance for glorious appraisal, sometimes a destructive force and just the opposite, as, in itself, it is blind and amoral. Leonardo´s most fundamental „metaphysical“ insight seemed to have been that man, life, maybe also gods, are finite, relatively powerless and engaged in a merciless struggle for individual survival. Only nature is infite and infinitely powerful.  And only via a better understanding of nature via observation and science and mastery over nature via technology based on science and rationality, man is able to improve his living conditions (also in his sketches for technological innovations and his notorious weapons and gigantic war machines man, nevertheless, seems little, irrelevant and rather carrying a resemblance to ants).

Art is about portraying the complexity of the world, the totality of the world, and the standing of the subjective individual in its relation to an objective world (therein, art is „the true metaphysical activity“). In Leonardo you have the complexity of the world, but you do not seem to have fascinating and immersive depths that make the visions of other geniuses usually so sexy and attractive. His art is complex, but somehow „flat“. Despite, or because of, his extreme devotion to the examination of nature and existence, you do not really have some „cosmic religiousness“ as you have it with Einstein (i.e. a quasi-religious devotion and feeling struck by the great mysteries of nature as a superior instance). Likely to his supreme command over any human endeavour, Leonardo´s vision and attitude rather appears as one of a dry wit, and that the world has ever since attributed endless abysmalness, depth and fascination to  Leonardo over a banality (Mona Lisa´s smile) may have brought the same smile to his face (that, from another perspective, isn´t any) ever since (the mysterious smile, as a recurrent motive, seems to refer to what Kierkegaard calls the „humoristic self-content“ of the genius). In contrast to his reputation as a mysterious druid and a mystic (which he liked to initiate himself as a means of self-promotion), he was actually a very rational person, his endeavours entirely logical and his personality transparent. Despite being (obviously) used to portray Plato in the School of Athens by Raphael, Leonardo had been a disciple of the more sober Aristotle (with Plato, nevertheless, being the more primary and comprehensive thinker and therein the attribution by Raphael more correct). The final mystery of the world, however, is also not likely to be so mysterious but, rather, logical, and not of unfathomable depth but transparent.

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In the Codex Madrid, manuscripts that have been recovered and published only half a century ago, Leonardo advises anyone who takes pleasure in reading him to study him carefully, „because in this world he will reincarnate only very rarely“. He is now regarded as a man that has foreseen the 21st century (probably also due to some narcissism and self-referentiality of the 21st century). What would ever happen if Leonardo reincarnated today? That is, of course, beyond imagination. It´s a transcendent phenomenon.

(Written April 22-28, 2019; unfortunately I mistook Leonardo´s death day for May 5, 1519, while it has been May 2, 1529. Obviously, I am not that kind of perfect expert.)