Gewidmet … den wenigen Männern, die sich nicht dressieren lassen, den wenigen Frauen, die nicht käuflich sind – und den Glücklichen, die keinen Marktwert haben, weil sie zu alt, zu hässlich oder zu krank sind.
Widmung zu Der dressierte Mann
In meiner argentinischen Familie gibt es viele Frauen aus diversen Generationen. Nicht alle lehnen Chilenen, Chinesen, Brasilianer, Homosexuelle, Kapitalisten, Polizisten oder gegnerische Fußballvereine ab. Aber keine von ihnen mag Feministinnen. Esther Vilar ist Deutschargentinierin. Sie hat 1971 das Buch Der dressierte Mann veröffentlicht. Aus einer Wut auf die Frauen und auf die Frauenbewegung heraus. Oder vielleicht auch aus einer Wut, aus irgendwelchen Gründen, auf sich selbst. 1975 hat sie im Zusammenhang mit ihren provokaten Thesen ein legendäres TV-Duell mit Alice Schwarzer ausgetragen, das Alice Schwarzer berühmt gemacht hat (Esther Vilar war schon vorher berühmt). Während Alice Schwarzer fünfstellige Eurobeträge an Steuern hinterzogen und ins Ausland geschafft hat, mit der (für Dikatatoren üblichen) Begründung, dort einen Finanzpolster zu haben, falls sie außer Landes fliehen muss, hat Esther Vilar Deutschland tatsächlich im jenem Jahr verlassen, da sie über Jahre hinweg Drohungen und Morddrohungen erhalten hat, Lesungen von ihr nur unter Polizeischutz stattfinden konnten, und sie dauernd von Feministinnen auf Damentoiletten zusammengeschlagen wurde (die von der Schwarzer aktuell in der Transdebatte wieder mit der üblichen Wut und medienwirksamen Vehemenz als Rückzugs- und Schutzräume für Frauen verteidigt werden). Eine mutige Frau; eine integre Frau! Die sich nicht davor gescheut hat, erfolgreich ihren Weg zu gehen und unbequeme Wahrheiten auszusprechen. An und für sich die Vorlage für einen Idolstatus unter der Frauenbewegung. Mit ihrer Wut auf die Frauen und auf die Frauenbewegung hat Esther aber eben auch einen Haufen Wut auf sich gezogen, vor allem von Seiten der Frauenbewegung.
Kernthese vom dressierten Mann ist dabei, dass es nicht der Mann sei, der die Frau unterdrückt, sondern umgekehrt die Frau, die den Mann unterdrückt und ihn, zu ihrem eigenen Vorteil, dressiert – um von ihm versorgt, gefüttert und beschützt zu werden: Die Frau lässt den Mann – nur aufgrund der Tatsache, dass er ein Mann ist und sie etwas anderes, nämlich eine Frau – bedenkenlos für sich arbeiten, wann immer es eine Gelegenheit dazu gibt. Selber tut die Frau dabei fast nichts, und besteht daher also auch aus fast nichts. Sie muss sich ja nichts aneignen, außer eben einen Mann, der sie heiratet und der alles für sie tut. Wir haben gesagt, die Frau sei, im Gegensatz zum Mann, ein Mensch, der nicht arbeitet. Man könnte hier die Definition der Frau schon abschließen – viel mehr lässt sich wirklich nicht über sie sagen –, wäre nicht der Begriff Mensch ein zu umfassender, zu ungenauer Begriff, um Mann und Frau damit gleichzeitig zu definieren. … Das menschliche Dasein bietet die Wahl zwischen einer mehr animalischen – also tierähnlichen, niederen – Existenz und einer geistigen. Die Frau wählt fraglos die animalische. Körperliches Wohlbefinden, ein Nest und die Möglichkeit, darin ungehindert ihren Brutregeln nachzugehen, sind ihr das höchste. Na Potzblitz! Wir Männer fragen uns ja immer und rätseln: was wollen die Frauen?? (und eine witzige Antwort unter uns Männern darauf lautet: mehr!). Aber da scheinen wir die Antwort endlich zu haben – wird sie doch noch dazu von einer dieser rätselhaften, allgemein in Nebel und in Schweigen – oder aber in belangloses, Nebelgranaten werfendes Sprechen – sich hüllenden Frauen ausgesprochen! Denn Esther Vilar ist eine Frau und kennt sich daher. Also muss das dann ja stimmen! Und wir denken immer, die Frauen hätten schwere Kämpfe auszufechten! Aber: Die Frau kennt keinen Kampf. Wenn sie ihr Studium abbricht und einen Universitätsdozenten heiratet, hat sie ohne Anstrengung das gleiche erreicht wie er … als Frau hat sie immer den Lebensstandard und das Sozialprestige ihres Mannes und muss nichts tun, um diesen Standard und dieses Prestige zu erhalten – das tut er. Der kürzeste Weg zum Erfolg ist deshalb für sie immer noch die Heirat mit einem erfolgreichen Mann.
Wenn ich mich recht erinnere, hatte meine Mutter den Dressierten Mann in ihrem Bücherregal stehen – während mein Vater tausende von Büchern in seinen Regalen hatte, die sich fast ausschließlich auf die Möglichkeiten der Befreiung der Arbeiter und allgemein der Entrechteten und Unterdrücken bezogen haben. Männer sind, nach meiner Erfahrung, geradezu besessen davon, die Entrechteten und Unterdrückten zu befreien – und also auch die Frauen zu befreien, die sie ebenfalls für entrechtet und unterdrückt halten. Als was sie erscheinen, wenn sie denn nach den Maßstäben der Männer gemessen werden: Es ist ganz logisch, dass der Mann, der die Frau für seinesgleichen hält und dabei mitansehen muss, was für ein stupides Leben sie neben ihm führt, glaubt er unterdrücke sie. Doch solange man sich erinnert, ist die Frau nicht mehr zu irgendeiner Unterwerfung unter den Willen des Mannes gezwungen worden, im Gegenteil: Es sind ihr alle Möglichkeiten zur Verfügung gestanden, sich unabhängig zu machen. Wenn sich also die Frau in dieser langen Zeit nicht von ihrem „Joch“ befreit hat, dann gibt es dafür nur eine Erklärung: Sie hat keins. Also so was, also so was! Als Mann muss ich an dieser Stelle sagen: das hätten wir nie für möglich gehalten. Die Frau ist also nicht unterdrückt und steht unter keinem Joch! Aber Esther Vilar ist eine Frau. Die muss es ja wissen!
Da der Mann – im Gegensatz zur Frau – technikbegeistert ist und begeistert von den Möglichkeiten, eine bessere Welt zu schaffen, lässt er sich jedoch nicht beirren in seinem optimistischen, fröhlichen Drang, auch für Frauen eine bessere Welt zu schaffen. Er konstruiert – neben Autos, Hubschraubern oder Raumschiffen – Staubsauger, Waschmaschinen, Fernseher oder Geschirrspüler, um der Frau das Leben zuhause einfacher zu machen und ihr viel mehr freie Zeit und Muße zu verschaffen. Aber: Statt dass die Frau jetzt anfängt, ein Leben des Geistes zu führen, sich um Politik, Geschichte oder die Erforschung des Weltraums zu kümmern, verwendet sie die gewonnene Zeit darauf, Kuchen zu backen, Unterwäsche zu bügeln, Rüschchen zu nähen oder, wenn sie ganz unternehmungslustig ist, die sanitären Einrichtungen des Badezimmers mit Blumengirlanden zu bekleiden. Ja, also wenn ich das jetzt versuche, mir zu überlegen und meine Eindrücke und Erfahrungen zu ordnen: dann ist das immer genau so gewesen; wenngleich es in ganz allerjüngster Zeit ein paar hauchzarte Veränderungen zu geben scheint, die allerdings, wie es ja in erster Linie die Feministinnen selbst sind, die das sagen, zu unbedeutend sind, um ernst genommen werden zu können und um von einer bloßen emphemeren statistischen Schwankung, wie sie sich dauernd ereignen, tatsächlich unterschieden werden zu können. (Berufstätigkeit und Studium der Frau verfälschen also nur die Statistik und dienen außerdem dazu, den Mann noch hoffnungsloser zu versklaven – denn sowohl Beruf als auch Ausbildung sind für Mann und Frau etwas völlig verschiedenes.)
Für Technik interessieren sich Frauen auf jeden Fall nicht, weder in Ausbildung, noch im Beruf. Man muss nur einmal an einer Baustelle vorbekommen, an der irgendein neues Arbeitsgerät eingesetzt wird, zum Beispiel eine neue Art Bagger. Es gibt kaum einen Mann – ganz gleich, welcher sozialen Schicht –, der daran vorbeigeht, ohne zumindest einen längeren Blick darauf geworfen zu haben. Viele aber bleiben stehen, sehen zu und unterhalten sich darüber, welche Eigenschaften die neue Maschine besitzt, wie viel sie leistet, warum sie es leistet und inwiefern sie sich von herkömmlichen Modellen unterscheidet. Einer Frau würde es nicht einfallen, an einer Baustelle stehenzubleiben, es sei denn, die Menschenansammlung wäre so groß, dass sie glauben müsste, eine prickelnde Sensation („Arbeiter von Planierraupe zermalmt“) zu versäumen. In einem solchen Fall würde sie sich erkundigen und sich dann sofort wieder abwenden. Das wurde im Dressierten Mann 1971 gesagt. Heute, 50 Jahre und das bedeutendste halbe Jahrhundert der politischen, ideologischen und lebenspraktischen Frauenemanzipation der Weltgeschichte später verfolge ich auf Facebook die Seite Awesome Earthmovers, gemeinsam mit einer knappen Million anderen Menschen aus aller Welt, obwohl mich Bagger nur ganz, ganz peripher interessieren und sie mit meinem Leben und meinem Beruf nichts zu tun haben. Frauen sind dort allerdings so selten, dass sich ihre Anwesenheit fast noch kurioser und sensationeller ausmacht als die außerirdischen, weltraumrechnologieähnlichen Riesenmaschinen, die dort präsentiert werden. Kurios, aber was der Mann nicht weiß, ist, dass die Frauen diese Neugier, diesen Ehrgeiz, diesen Tatendrang, die ihm so selbstverständlich erscheinen, nicht kennen. Wenn sie nicht an der Welt der Männer teilnehmen, dann deshalb, weil sie nicht wollen: Sie haben kein Bedürfnis nach dieser Welt. Die Art Unabhängigkeit der Männer wäre für sie vollkommen wertlos, sie fühlen sich nicht abhängig. Die geistige Überlegenheit des Mannes schüchtert sie nicht ein, Ehrgeiz in geistigen Dingen kennen sie ja nicht. Eine sehr gescheite Frau, Esther Vilar! Sie lässt sich von niemandem einschüchtern: außer von der Intelligenz des Mannes! Und eine sehr gebildete, ungwöhnlich interessierte und informierte Frau! Einmal erwähnt sie im Dressierten Mann sogar Samuel Beckett (mit der doppelbödigen Bemerkung, dass er vielleicht einmal eine Komödie schreiben sollte, in der eine Frau bis zur Taille in einem Erdhügel steckt und nach ihrer Zahnbürste sucht, wie in „Glückliche Tage“. Vielleicht hätte er damit sogar Erfolg beim Publikum.) Sie hat sicher einen IQ von 142, und ist damit eine der intelligentesten und wissendsten Frauen der Erde, denn recht viel höher werden die Intelligenzquotienten (bei Männern hin und wieder, aber) bei Frauen nur mehr ganz, ganz, ganz, ganz selten. Esther Vilar muss es also wissen. Sie blickt praktisch vom Gipfel auf alles herab.
Wenn die Frau aber schon nicht arbeiten will und auch nicht sich bilden – wollen die Männer doch wenigstens erreichen, dass sich die Frauen zumindest vergnügen können. Wieder können sie intellektuell nicht verarbeiten, was sie mit ihren ungläubigen Augen doch ganz klar sehen müssten: Frauen vergnügen sich die ganze Zeit, Frauen sind vergnügungssüchtig und interessieren sich für überhaupt nichts anderes als für ihr Vergnügen. Diese Vergnügungen aber sind: Kuchenbacken, Wäschebügeln, Kleidernähen, Fensterputzen, Löckchendrehen, Fußnägel lackieren und zuweilen – bei hochentwickelten Frauen, wir werden später noch auf sie zu sprechen kommen – auch Maschineschreiben und Stenographieren. Haha, gut gebrüllt, Löwin! Eine kluge Frau, wie die das durchschaut! Und wie die unbequeme Wahrheiten ausspricht! Noch klüger, und vor allem stringenter, als diese Lisa Eckhart. Was täten wir Männer ohne solche vereinzelten, isoliert auftretenden Frauen, die den Vorhang wegziehen vom Mysterium ihrer Geschlechtsgenossinen, vom Mysterium Frau?? Als geistiges, verantwortungsbewusstes Wesen wird es der Mann nämlich kaum fassen können, dass jemand in so etwas Vergnügen finden könnte – aber die Frau eben tut es, permanent. Sie ist damit nicht unterdrückt, sondern glücklich: Auf diese Weise schwelgt sie mit ihrer Clique in einem großen, permanenten Fest, lebt in einer Welt der Freiheit, Verantwortungslosigkeit und des rationalen Glücks, von der ein Mann für sich nicht einmal zu träumen wagt und die er allenfalls bei Hippies oder Südseeinsulanern vermuten würde, aber nie in seiner eigenen Umgebung.
Das liegt daran, dass die Welten der Männer und die der Frauen so verschieden sind, dass sie, trotz geographischer Nähe bzw. Identität, keine gegenseitigen Umgebungen bilden: Tatsache ist, dass die Männer sich wirklich dafür interessieren, ob es auf dem Mars primitive Lebensformen gibt oder nicht oder ob die Argumente der Chinesen im russisch-chinesischen Grenzkonflikt stichhaltiger sind als die der Russen, und dass solche Probleme die Frauen absolut kalt lassen. Sie interessieren sich dafür, wie man braune Häschen stickt, Kleider häkelt oder ob sich eine bestimmte Filmschauspielerin scheiden lässt oder nicht. So leben beide schön voneinander getrennt, jeder mit seinem eigenen Horizont und ohne jemals mit dem anderen in wirkliche Berührung zu kommen. Das einzige Thema, das sie beide interessiert, ist die Frau. Weil sich Männer für Frauen interessieren (bzw. wie man mit Esther Vilar wohl sagen könnte: weil Männer sich überhaupt für was interessieren – oder, Frau Vilar?) glauben sie auch, dass umgekehrt Frauen sich für Männer interessieren. Außerdem glauben Männer, dass Frauen ihnen berechtigterweise die kalte Schulter zeigen würden, wenn sie das denn tun, weil sie, in ihrer Tollpatschigkeit und ihrem plumpen Fokus auf die Technik, immer wieder so unsensibel wären, den Frauen gegenüber. Wie sie sich irren: Die Frau fühlt sich durch den Mann alles andere als bevormundet. Eine der vielen deprimierenden Wahrheiten im Verhältnis zwischen den Geschlechtern ist einfach die, dass in der Welt der Frauen der Mann praktisch nicht existiert. Der Mann ist der Frau nicht wichtig genug, dass sie sich gegen ihn auflehnt. Ihre Abhängigkeit von ihm ist ja nur materieller, gewissermaßen „physikalischer“ Art. Es ist die Abhängigkeit eines Touristen von seiner Fluggesellschaft, eines Wirtes von seiner Kaffemaschine, eines Autos von Benzin, eines Fernsehgeräts von Strom. Solche Abhängigkeiten bereiten keine Seelenqualen. Frauen interessieren sich nicht für Männer; sie interessieren sich für andere Frauen, mit denen sie wetteifern, bei denen sie sich was abgucken wollen, bei denen sie schauen, dass keine ihr überlegen ist bzw., wenn sie überlegen ist, dann zu dem Zweck, dass sie sie imitieren können, im Hinblick auf Schminken, Mode und Schönheit der Erscheinung.
(Worauf Der dressierte Mann auch hinweist: während Frauen darauf achten, sich gegenseitig im äußeren Erscheinungsbild zu übertreffen, scheinen Männer fast eher darauf bedacht, sich gegenseitig zu unterbieten, oder aber in Gleichförmigkeit zu erstarren: auf jeden Fall sich nichts anzuziehen und nichts zu kultivieren, was sie selber schön oder gar individuell machen würde. Abgesehen davon, dass Männer kaum Bedürfnisse haben und genügsam sind, würde ein modischer Look sie beim harten Arbeiten stören – und ihren Erfolg bei Frauen in keinster Weise erhöhen. Und selbst wenn er sie trüge und sie ihm gut stünden, würden sie seinen Erfolg bei den Frauen gewiss nicht vergrößern, denn Frauen beurteilen Männer – ganz anders als Männer Frauen – niemals nach ästhetischen Gesichtspunkten. Männer, die vorübergehend individualistischen Haarschnitt tragen, merken das meist nach einiger Zeit von selbst und kehren zu einer der zwei bis drei Varianten der männlichen Kurz- oder Langhaar-Standardfrisuren zurück. Ja, das kenne ich gut. Aber ich behalte diese Dinge halt mal bei, da ich gut gewählt aus der Art fallende, vor allem schöne Dinge mag. Oder halt, weil ich Künstler bin – und damit eigentlich zähle zu einer Amüsiertruppe für Frauen (da ich aber ein echter Künstler und ein tiefsinniger Humorist bin und kein bloß farbenprächtiger Clown, wissen sie nicht, wie sie daran amüsant oder interessant finden sollten). Hin und wieder bekomme ich für meinen roten Anzug, meinen Joop-Anzug, meinen Yukata, mein farbenprächtiges afrikanisches Hemd, mein philippinisches Barong-Hemd oder meine Unikat-Hose, die eine Kostümbildnerin angefertigt hat, auch Anerkennung. In Wirklichkeit sehr selten natürlich, denn praktisch alle laufen in ihrem Zombiewalk trotzdem auch an so was unbeteiligt vorbei. Aber hin und wieder bekomme ich auch Zuspruch und es erregt Begeisterung, Wärme und Interesse – hauptsächlich allerdings von Seiten von Männern. Da ich aber gut gewählt aus der Art fallende Dinge mag, bewundere immer wieder einmal ich es spontan, wenn eine Frau besonders gut und individuell angezogen und gestyled ist (was allerdings ebenfalls selten passiert). Dann lacht sie auf und bedankt sich, in ihrer typischen weiblichen Mischung aus einem knallharten, mit sich selbst identischen Narzissmus und einer idiotischen Verlegenheit und Verschämtheit, bevor sie wieder mit ihrem eiskalten Blick und ihrem leblosen Gesichtsausdruck weiterzieht.)
Aber Frauen interessieren sich eben nur für andere Frauen. Das ist für Frauenmagazine einerseits gut, andererseits schlecht, da sich der mögliche Stoff, über den berichtet werden kann, sich an und für sich schnell erschöpft. Andererseits aber auch auf ein ungeheuer breites Reservoir zurückgegriffen kann, wenn es in einer bestimmten Weise geschieht: Jeder Artikel muss den Eindruck erwecken, als handle es sich um einen Bericht über Frauen. Nur unter einer Überschrift wie „Frauen waren mein Ruin“ könnte über einen gealterten Boxer berichtet werden, ein Komponist muss während des Interviews zumindest einmal sagen, dass ihn Frauen inspiriert haben und dass ja auch ein schönes Mädchen wie eine Melodie sei – nur noch schöner. Wenn diese Tarnung gut gelingt, ist es durchaus möglich, die entferntesten Themen an die Frauen heranzutragen. Hey, was für ein intelligentes Machwerk! Oh Mann, sind diese Frauen blöd! Nicht einmal für gealterte Boxer interessieren sie sich! Es haut einen einfach um. Die Dummheit der Frauen ist so überwältigend, dass alles, womit sie in Berührung kommen, gleichsam wie von ihr durchtränkt wird. Sie fällt nur deshalb nicht auf, weil ihr jeder von der ersten Sekunde seines Lebens an ausgeliefert war und sich so unmerklich an sie gewöhnen konnte. Gut, dass es Esther Vilar gibt. Der dressierte Mann ist wohl das auklärendste Buch, das ich – unter zehntausenden von anderen – je gelesen habe. Unter anderem Bücher von Feministinnen und Emanzen. Denen habe ich immer geglaubt. Nur in letzter Zeit ist das ein ganz klein wenig brüchig geworden, sind da der eine und andere Zweifel aufgetreten; den Esther Vilar im dressierten Mann eigentlich schon 1971 ausgeräumt hätte: Die emanzipierte Frau ist genauso dumm wie die anderen, aber sie möchte nicht für so dumm gehalten werden: Von Hausfrauen spricht sie nur auf die abfälligste Art. Ja, das stimmt. Das ist eigentlich alles, was in The Psychic Life of Power oder Revolt, She Said drinnensteht.
Wie sollte die Emanzipation je gelingen – wenn das überhaupt eine Kategorie für eineN ist – wenn — naja, wie Esther Vilar es ausdrückt: Bei den Frauen selbst übrigens haben sich die Emanzipationsbestrebungen wie üblich in einer modischen Variante erschöpft: Eine Zeitlang gefielen sie sich in der oft belächelten Maskerade der Suffragetten. Einen ähnlich tiefen Eindruck hat später die Philosophie Sartres auf die Frauen gemacht. Zum Beweis, dass sie alles verstanden hatten, ließen sie sich die Haare bis zur Taille wachsen und trugen dazu Hosen und schwarze Pullover. Das gleiche wiederfuhr kürzlich den Lehren des Kommunistenführers Mao Tse-tung; für die Dauer einer Saison war der „Mao-Look“ in Mode. Haha, sehr gut! Studiert die Werke des Vorsitzenden Mao Tse-tung, hört auf seine Worte und handelt nach seinen Weisungen!, hat da damals noch Lin Biao (ein Mann) gefordert. Lasst hundert Blumen blühen, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern, hat der Große Steuermann selbst ausgerufen (bevor ihm die Konsequenzen davon aber schnell zu anstrengend geworden sind) (wobei Mao Tse-tung (etwas einseitig) als rücksichtsloser Machtmensch in Erinnerung geblieben ist: aber erinnert sich noch wer an Madame Mao, von der Viererbande?? Lmao) (im Hinblick auf den Kommunismus übrigens ist Esther Vilar seinerzeit auch als Karl Marx der Männer angepriesen worden). Wie sollte auf einer so versengten Erde aber jemals etwas aufblühen? Eben gar nicht!, wie Esther Vilar den Dressierten Mann beschließt, da eine solche Revolution ein Subjekt benötigt, das aber im emanzipatorischen Sinn gar nicht da ist: Nur Frauen könnten den Teufelskreis von Dressur und Ausbeutung brechen. Sie werden es nicht tun, es gibt dafür keinen rationalen Grund. Auf ihre Gefühle darf man schon gar nicht hoffen –, Frauen sind gefühlskalt und ohne jedes Mitleid. Die Welt wird also immer weiter in diesem Kitsch, in dieser Barbarei, in diesem Schwachsinn Weiblichkeit versinken, und die Männer, diese wunderbaren Träumer, werden niemals aus ihren Träumen erwachen. Na, haha, das endet ja fast so pessimistisch und nihilistisch wie das Down Girl Buch von Kate Manne (einer Feminazi)! Eines aber ist die Träumerei und die Verschwommenheit und ein Zweites ist Wachheit und Klarheit; ein Drittes und ein Viertes ist diese gleichermaßen kolossal luzide wie kolossal seltsame Frau: Esther Vilar.
Ich will daher noch mehr Bücher lesen von Esther Vilar. Sie hat auch noch andere Sachen geschrieben, unter anderem eine umgedrehte Version von Ibsens Nora – Ein Puppenheim. Jetzt muss ich aber mal nach Argentinien. Ich werde mir unter anderem ein Buch über die Geschichte des Feminismus mitnehmen, das ich mir besorgt habe, und werde meinen Frauen dann dort daraus vorlesen um sie aufzuklären. Anzunehmenderweise wird das auf genauso fruchtbaren Boden fallen, wie von Esther Vilar beschrieben. Mittelfristig will ich auch Sachen von radikalen Feministinnen wie Andrea Dworkin oder Catherine MacKinnon studieren. Da werde ich dann wohl auch oft reagieren von wegen: Gut gebrüllt, Löwin! oder: Eine kluge Frau! Fast so klug wie Lisa Eckhart! Mein Ziel ist es, mich so sehr zu vergeistigen und so viele Ebenen aufzumachen, dass ich dem Rest der Menschheit als geistloses Chaos erscheinen muss. Das wird mir im Leben sehr weiterhelfen, besonders bei den Wei –
Machen wir aus dem einen Frauentag im Jahr 365 Tage für Menschen – und für die Tiere und die Natur gleich dazu.
Alice Schwarzer, 2010
Wenn man die EMMA eine Weile mitverfolgt, bemerkt manfrau, dass das gesamte Denken und Empfinden (und ausgedrückt dann eben in ihrer beklemmend eindimensionalen und hauptsächlich aus Drohgebärden bestehenden Sprache) von Alice Schwarzer um Macht, (sexuelle) Gewalt, Erhöhung und Erniedrigung, (realen, zwischenmenschlichen) Sadomasochismus, Vergewaltigung, Missbrauch und Kastration kreist. Und um vorgetäuschte Persönlichkeiten. Von wegen: Männer würden vorgeben, für Frauen nur das Beste zu wollen; aber alles, was sie in Wirklichkeit wollen würden: sei sie zu beherrschen. Männer seien permanent damit beschäftigt, das andere Geschlecht beherrschen zu wollen, und voller Nervosität, dass ihnen das, aufgrund von dessen Spontaneität und Eigenmächtigkeit, nicht gelingen könnte. Wie sie auf dieses Männerbild und diese Fixierung auf Vorgetäuschtheit wohl kommt? Eigentlich sind Männer ja nicht so. Aber manfrau tendiert halt dazu, andere so einzuschätzen, wie manfrau selbst ist. Kein Wunder, dass sie sich mit Putin solidarisiert. Dessen Psychologie ist ja ähnlich.
Wenn man die EMMA eine Weile mitverfolgt, bemerkt manfrau: In der Seele der EMMA kommt manfrau schnell von A nach B, und wieder zurück. Recht viel mehr Stationen gibt es da nicht. Man hat da nur ein obsessives, neurotisches Ohnmachtsgefühl und einen paranoiden Opferkult auf der einen Seite und einen Größenwahn und Allmachtsansprüche auf der anderen. Dazwischen gibt es nichts. Keine Harmonie, keinen Ausgleich; also das, wo sich das eigentliche Leben, die Normalität abspielt. Dazu sagen sie dann Feminismus. Ein krankhaft schwaches, instabiles, störungsanfälliges Ego hat man da – das als unglaublich stark, glorreich, grandios und als so unantastbar dastehen will, dass keineR auch nur auf die Idee kommen könnte, daran zu rütteln oder auch nur anzustreifen. Das ist auch notwendig: Denn wenn man auch nur ein bisschen daran anstreift, bricht alles wieder zusammen und es tut so, als ob es einem höchst aggressiven Brandbombenanschlag ausgesetzt sei, von einer Bomberstaffel von oben, im Zuge eines erbarmungslosen Krieges, den das Patriarchat gegen eine führt. Kein Wunder, dass sich die EMMA mit Putin solidarisiert. Dessen Psychologie ist ja ähnlich.
Im Zusammenhang mit diesem krankhaft schwachen Ego ist EMMA darauf fixiert, dass es das Männliche und das Weibliche gleichsam als Essenzen gibt. Zumindest wird sie hochgradig nervös, wenn irgendwas diese Essenzhaftigkeit – und die Stabilität, die diese Essenzhaftigkeit verleiht – subvertieren könnte. So zum Beispiel der Genderdekonstruktivismus Butlerscher Prägung oder die Heuristik der Genderfluidität der neuzeitlichen Tunten. In denen wittert die EMMA eine letale Bedrohung der Frauen und des Feminismus. Nicht, dass die EMMA mit der Ablehnung davon ganz oder wesentlich unrecht hätte. Aber wenn Alice Schwarzer als zweitwichtigste weibliche Intellektuelle Deutschlands gilt, müsste ihr doch ein geschmeidigerer, raffinierterer Umgang mit anderen intellektuellen Positionen möglich sein, anstelle von einer panisch-apodiktischen Abwehrhaltung, die sie dann stets hegt und pflegt. Ob die Essenz FRAU die bessere Essenz ist als MANN lässt die EMMA immer offen, in einem gleichsam beredten (scheinbar brütenden) Schweigen (vielleicht ist sie nicht darauf aus, dass das so wäre; vielleicht will sie das schon, kann aber nicht daran glauben: daher die Intransigenz, mit der sie ihren Feminismus formuliert, als innere (und äußere) Abwehr dagegen).
Die EMMA lebt davon, sich dauernd bedroht zu fühlen. Und zieht ihren höchsten Genuss daraus, anderen zu drohen und auf andere bedrohlich zu wirken. Dabei geht es dauernd um Macht. Und wenn man die EMMA eine Weile mitverfolgt, merkt manfrau: um absolute Macht, die man entweder hat oder nicht. Wenn man (bzw. in dem Fall: frau) keine absolute Macht hat, hat frau keine und lebt absolut bedroht durch die absolute oder auch nur relative Macht anderer. Und wenn frau keine absolute Macht hat, sei das nicht nur relativ, sondern absolut ungerecht. Die EMMA hasst alles, oder findet es zumindest bedenklich, wenn irgendwer anderer Macht oder Einfluss hat als sie. Junge Influencerinnen zum Beispiel, vor allem wenn sie Werbung für Damenunterwäsche machen o. dergl. Das vermittle ein falsches Frauenbild, auch wenn Frauen gerade ein solches Frauenbild lieben (unter anderem, da es ihnen maßlose Macht verleiht über Männer: allerdings in einer Weise, über die die EMMA keine Macht hat und an der sie nicht beteiligt ist). Frauen haben sich aber einzureihen als keusche Soldatinnen hinter Frau Generalissimus Alice Schwarzer, damit die ihren ewigen, letztendlich persönlich motivierten Krieg, ihr ewiges Machtspiel gegen das Patriarchat und gegen die Männer führen kann. Weil sie so beleidigt ist, dass sie selbst kein Mann ist. Bzw. die dem Mann angeblich zuteilwerdenden Privilegien nicht hat, wie vorgeblich die totale Macht über die ganze Welt u. dergl. mehr. Kein Wunder, dass sich die EMMA mit Putin solidarisiert. Dessen Psychologie ist ja ähnlich. Und der lebt auch dauernd im Krieg.
Im Zuge des Erfolges der durch den Feminismus vorbereiteten #MeToo-Bewegung segelt manfrau derzeit mit dem Wind, wenn manXfrau sich als Opfer deklariert, das jetzt einzufordern berechtigt sei. Und im Zuge dessen scheinen einige transaktivistische Tunten recht aggressiv zu sein und recht weitreichende Forderungen zu stellen. Diese TransaktivistXn scheinen sich auch eher mit heterosexuellen Männern zu solidarisieren, hingegen auf Homosexuelle und auf Frauen vorwiegend herabzublicken. Das wirkt kontraintuitiv, ist aber doch naheliegend: denn heterosexuelle Männer haben mehr Macht. Und das, was die aggressiven Tunten wollen, ist auch Macht. Aus scheinbar (bzw. nach außen hin vorgegebenen) defensiven Motiven, in Wahrheit wohl aber eher aus offensiven. Denn es gibt Menschen, die lieben die Macht, und die Selbsterhöhung; und die Möglichkeit, auf andere herabblicken zu können. Vor allem wenn es sich um narzisstisch und histrionisch gestörte Tunten handelt, die sich für eine Art supersexy genderfluide Übermenschen halten. Da ist ein Kollisionskurs unvermeidlich zu gewissen Femistinnen – Feminazis, female supremacists oder eben den EMMA-Frauen – hinter deren eigenen Anliegen sich genau dieselbe Motivation verbirgt. Radikale Transaktivistxn und TERFs lieben sich oder ziehen einander zumindest magisch an, da (zumindest einige unter ihnen) einen Außenfeind brauchen und auch gar nichts anderes als das wollen. Sie sind daran interessiert, dass ihre Feindbilder bestehen bleiben. Würden ihre Feindbilder umfallen, würde sich herausstellen, dass sie selbst der Feind sind.
Alice Schwarzer hat auch was gegen den Frauentag jedes Jahr am 8. März. Denn woher kommt der? Von der Frauenbewegung auf jeden Fall nicht. Dieser skurrile 8. März komme von den Sozialisten – genau gesagt: er kommt also nicht von ihr selbst – und ist somit ein Witz; der reinste Hohn; eine galante Geste – und wie jede Galanterie gönnerhaft, ja eigentlich verächtlich. Denn gerade die Frauenbewegung entstand bekanntermaßen Anfang der 1970er Jahre im Westen nicht zuletzt aus Protest gegen die patriarchale Linke. Frauenbewegungen gibt es bekanntermaßen seit Jahrhunderten, und die Frauenfrage wurde schon im Mittelalter gestellt (z.B. zur Zeit von Christine de Pizan). So gönnerhaft, das zuzugeben, und auch, dass die Idee zum internationalen Frauentag von den Frauen der Sozialistischen Partei Amerikas aus dem Jahr 1908 gekommen ist, ist sie aber nicht. Da sie zu eigentlich verächtlich ist gegen Eine Linke, die zwar noch die letzten bolivianischen Bauern befreien wollte, die eigenen Frauen und Freundinnen aber weiter Kaffee kochen, Flugblätter tippen und Kinder versorgen ließ. Wo die Frauen also täglich ein, zwei Stunden Hausarbeit machen und den Rest des Tages vor dem Fernseher verschimmeln, zwischendurch halt vielleicht ein paar Flugblätter tippen, bevor sie sich – nachdem es sich um Linksextreme handelt – wieder den nächsten Ofen zusammenpicken: während die bolivianischen Bauern im Schweiße ihres Angesichts, bemüht, beladen, entrechtet – etc. Wenn die Freundinnen der Sozialisten was anderes gewollt hätten, hätten sie es ja nur sagen brauchen, oder eben revoltieren. Schaffen wir ihn also endlich ab, diesen gönnerhaften 8. März!, spricht also Alice. Und fordert (denn ohne (großangelegtes) Einfordern kann sie ja auch nicht sein): Und machen wir aus dem einen Frauentag im Jahr 365 Tage für Menschen – und für die Tiere und die Natur gleich dazu. Freilich begibt sie sich mit dieser idiotischen Forderung doch ganz in die Nähe der Sozialisten! Deren schmutzige Fantasien lauten ja auch: machen wir die antikapitalistische Revolution, führen wir den Sozialismus ein – und dann kommt jeden Tag der Weihnachtsmann! Dann leben wir im Schlaraffenland! Und alle wilden Tiere werden friedlich etc. Kein Menschenfreund, der tatsächlich eine_x_R ist, würde daherkommen mit: Und machen wir aus dem einen Frauentag im Jahr 365 Tage für Menschen – und für die Tiere und die Natur gleich dazu; eher ist das was für getarnte Misanthropen. Das kann nur jemand, der sich für andere Menschen bestenfalls nicht interessiert.
Wenn eine Frau aus eigener Kraft Erfolg hat, begeistert sich die EMMA dafür und berichtet dann darüber (und man sieht: sie identifiziert sich gerne damit). Das ist einer Frauenzeitschrift auch angemessen. Aber sie tut das immer mit unglaublich gerührten, beinahe tränenerfüllten Kinderaugen, mit der sie diese erfolgreichen Frauen dann anblickt (oder hat das zumindest bei den erfolgreichen deutschen Fußballerinnen und ihrer Trainerin bei der letzten EM getan). Das ist einerseits gut, denn das scheint die einzige Gelegenheit, bei der die EMMA zärtlich ist. Andererseits ist es verwirrend. Abgesehen davon, dass es ja nicht in einem Fall unter einer Million einmal passiert, ist es eine so große Sache auch wieder nicht, wenn eine Frau (oder ein Mann) erfolgreich ist, und gegen alle Widerstände einen eigenen Weg gegangen ist, der sich als der richtige erwiesen hat. Es sind diese gerührten Kinderaugen, mit denen die EMMA erfolgreiche Frauen anstaunt, die „gegen alle Widerstände ihren eigenen Weg gehen“, die letztendlich was Beklemmendes haben. Die Gesellschaft ist ja seit Jahrzehnten zumindest nicht mehr so; nur die EMMA ist seit Jahrzehnten so. So als ob die EMMA letztendlich in einer frühen menschlichen Entwicklungsphase arretiert ist. Sich von einem übermächtigen und irrationalen Erwachsenen unterdrückt fühlt – dabei aber kurz vor dem großen Durchbruch steht, kurz davor ist, aus dem Gefängnis auszubrechen und es dem Erwachsenen dann endlich zu zeigen, dass sie auch was kann, oder noch mehr kann. Wenn die dreijährige, ansonsten todherzige Ana immer zum Schreien und Quengeln anfängt, weil sie vom Papa nicht alles bekommt, was sie will, fragen wir sie dann immer im Scherz, ob sie später einmal Feministin werden wird.
Wenn in irgendeinem Winkel der Welt Frauen schlecht behandelt werden, schreibt die EMMA darüber, und vergisst dann nie die Frage hinzustellen Und wo bleibt der deutsche Aufschrei?? oder Und warum unternimmt die Regierung nichts dagegen?? Das ist gut, und zu so was ist der Feminismus ja da. Trotzdem provoziert sie damit dann immer auch Fragen bei ihren eigenen Leserinnen, was die deutsche Regierung denn dagegen tun sollte oder was sie diesbezüglich für ein Mandat hätte? Die EMMA setzt aber eben gerne die eigene Gesellschaft ins Unrecht – denn sie liebt es, die Gesellschaft vor sich herzutreiben. Oder, im Speziellen, die deutsche Außenministerin Baerbock, die eine „feministische Außenpolitik“ (lmao) machen will, die der EMMA aber nicht feministisch genug ist. Um die Gesellschaft vor sich hertreiben zu können, stellt die EMMA und stellt Alice Schwarzer immer wieder politische Forderungen, die im Hinblick auf ihre Vernünftigkeit und Angemessenheit oder dem Gegenteil davon über die Zeit hinweg wie ein random walk erscheinen. Manfrau fragt sich bekanntlich immer wieder, ob Alice mit ihrem Feminismus in den 1970er Jahren steckengeblieben ist. Aber ihr Feminismus ist ja nicht auf Entwicklung angelegt, sondern ist eher eine fortwährende statische Berechnung, damit das eigene instabile Gebäude nicht zusammenkracht. Im Hinblick auf das dauernde Einfordern hat man da also einen polternden Machtmenschen, der immer wieder in Fettnäpfchen der Unvernunft und der Inadäquanz tritt; der sich wie eine Elefantenkuh durch den gesellschaftlichen Porzellanladen bewegt. Eine die Nähe der Boulevardmedien suchende attention whore, die Prostitution und Pornographie verbieten will, weil da nicht Frau nicht eindeutig oben ist (der Mann freilich auch nicht) und vor allem, weil sie damit Männer bestrafen und kastrieren kann – und Frauen, die „mit dem Feind“ kollaborieren, gleich dazu.
Es gibt da Frauen und Feministinnen, die nicht finden, dass Alice Schwarzer für den Feminismus stünde. Alice Schwarzer stehe in erster Linie für sich selbst. Das ist wohl so. Aber: der Feminismus ist Teil ihres Selbst. Das muss man ihr schon lassen. Und der Feminismus ist ja, im Großen und Ganzen, gut und notwendig. Daher ist es gut, dass es Feministinnen gibt, und es ist gut, dass es Alice Schwarzer gibt, die Frauenanliegen ihre nicht unterzukriegende Stimme leiht. Sollte sie einmal gestorben sein, müsste man ihr feministisches Mundwerk sicher extra erschlagen. Ob sie überhaupt stirbt, ist fragwürdig: denn Alice Schwarzer strotzt nur so vor Vitalität. Für einige Frauen – im erweiterten Sinne sogar für alle Frauen – machen die Narrative und die Kampfanleitungen der EMMA sicher Sinn. Wie ein Bollwerk richtet sich die Schwarzer auf gegen die woken Wahnsinnigen aus Berlin-Kreuzberg und ihre artifizielle Lebensweise, die diese allen aufdrängen und mit der sie alles verseuchen wollen. Ein „Halt!“ der tapferen, ehern und aufrecht stehenden Polizistin und Hüterin des Gesetzes, die gewisse Biotope vor anderen schützt, hat man da. Die Schwarzer benennt unangenehme Aspekte am Islam. Zwar tut sie das nicht in einer Weise, die einer Völkerverständigung zuträglich wäre; aber Völkerverständigung oder Verständigung zwischen den Geschlechtern ist ja auch nichts was die Schwarzer will. Was sie will, ist Ärger machen; überall und permanent. Wo Alice Schwarzer ist, da gibt es Ärger. Und Ärger finde ich selber ja gut. Ärger ist mir was durchaus Willkommenes. Ich bin zwar harmonieorientiert und hänge am Ideal einer harmonischen Gesellschaft, aber ich mag (zu diesem Zweck) auch das Disruptive. Ich haue mich gern mit diversen Arschlöchern auf ein Packl und dann freuen wir uns, wenn es eine Menge Ärger gibt. Und, aus diversen Perspektiven betrachtet, ist Alice Schwarzer ein ganz gutes, ganz brauchbares Arschloch. Damit will auch ich ihr alles Gute wünschen und gratulieren zu ihrem 80. Geburtstag!
I feel there was a time when I experienced loftier minds, relatively unloaded with politics, fashion and chic. They encouraged the endurance of a great tradition and protected important development in the arts. I recall spirited, productive discussions and arguments (…) Raise the level. We need more connoisseurs of culture.
Helen Frankenthaler, 1989
Helen Frankenthaler (1928-2011) was a very good-looking woman. She also was the leading female figure in Abstract Expressionism. Frankenthaler was a pioneer of colorfield painting. In contrast to the strict, formal or energetic painting of fellow Abstract Expressionists her signature style (as the specific innovation she brought into the domain), was light, lyrical and seemingly lacking „finish“. Fellow female artist Elaine de Kooning referred to her specific style actually as „Abstract Impressionism“, and Frankenthaler´s art also bridged Abstract Expressionism with Art Informel. Other Abstract Expressionists – like Joan Mitchell – were more critical and rejected Frankenthaler´s art as unserious and incoherent. Helen Frankenthaler had studied under the auspice of Hans Hoffman and had produced substantial paintings, yet her initial ignition she would receive from the explosive innovations by (the then little known) Jackson Pollock (whom she had met in private). She wanted to do something similar. At the same time, in the early 1950s, she dated Clement Greenberg, the art critic that provided an intellectual framework for the (self-) understanding of Abstract Expressionism. Greenberg, Hofmann, Pollock and many other men (including her father) had been fond of Helen Frankenthaler as an artistic spirit. In 1952 she achieved her own artistic breakthrough with Mountains and Sea. Her specific soak stain technique would then be adapted and further developed specifically by Morris Louis. In contrast to the often complicated and/or short lives and tortured personalities the Abstract Expressionists often had, Helen Frankenthaler´s career spanned decades and seemingly was more in line with the light touch and the lyricism of her paintings.
Abstract Expressionism had been a good and a heroic undertaking. It was deeply introspective and an investigation into the deep structure, the deep possibilities and virtualities of paining, and of art in general. It was meant to produce something significant – and it finally did. There is great room for romanticism in the history of Abstract Expressionism. The artists that would develop Abstract Expressionism gathered in New York in the 1940s and 1950s. They were a small scene, and they formed informal relationships to each other and inspired each other (as at least it would later turn out, they also competed with each other a lot and despised each other a lot). It was a quiet scene, as Lee Krasner noted in retrospect. Many of them came from humble backgrounds or from places completely unappreciative, if not antithetical, to modern art like Wyoming (in the case of Jackson Pollock). Many of them lived and worked in extreme poverty for many years (an exception being Helen Frankenthaler who came from a well-to-do family). Yet the spirit of avant-gardism was in the air and would electrify them. They longed for a breakthrough innovation, which finally came with the drip paintings by Jackson Pollock around 1950. Pollock´s work expressed exuberant, vivid creative energy, a radical and relentless approach and a grand and precise intelligence that provided an intellectual framework for the art. Within that framework the Abstract Expressionists found room to operate and to develop their own specific, and quite diverse, solutions, some of higher significance, some more derivative. The relentless intellectual propaganda efforts by Clement Greenberg had made at least Pollock moderately popular (tough not rich) with time, yet it was the tragic death of Pollock in 1954 that suddenly elevated Abstract Expressionism to mythic proportions and created a sense of the extreme importance and gravity of the movement in a wider audience. With Abstract Expressionism, America seemed to have managed to also become a leader in the arts; the center of the Avant-Garde seemed to have shifted from Europe to America, from Paris to New York. Abstract Expressionism became the next big thing, on a world scale. Yet many of the Abstract Expressionists remained tortured souls. In a way, their radical gesture and quest for the divine, even if it is culturally approved, does not match with society. The Abstract Expressionists had been concerned with the seemingly decreasing room for maneuver to come up with genuine stylistic innovations and to produce something meaningful in modern painting. With Abstract Expressionism, they then thought, they had laid a foundation for genuine ways of painting „for the next thousand years“. They seemed to have been in error. Pop art, that followed after Abstract Expressionism, was the last movement within modern art that was unquestionably significant and intellectually superior. From the 1970s on things have become more blurry.
The most significant figures within Abstract Expressionism were Jackson Pollock, Barnett Newman, Willem de Kooning, Robert Motherwell (to whom Helen Frankenthaler was married from 1958 to 1971), Mark Rothko and (as a more shadowy figure) Clyfford Still. Yet there was also a significant number of female Abstract Expressionists, apart from Helen Frankenthaler they were Elaine de Kooning, Joan Mitchell, Lee Krasner, Grace Hartigan or Hedda Stone. The (male) Abstract Expressionists are said to have cultivated a macho-attitude, including an attitude to look down on women. However, no clear picture emerges concerning a clear racism or sexism within the scene. The (male) Abstract Expressionists longed for a viewpoint of the most elevated order, and so they consciously strived for a „white male“ intellectuality – as the supposedly clearest intellectuality and the least entangeled one in mundanity – and they rejected particularities and the voices from the „others“ (so it has been said about them). That is actually not stupid or evil, especially if you can, after all, keep your shit together nevertheless. At least inside the scene the woman of Abstract Expressionism obviously did not find themselves truly belittled by the male Abstract Expressionists, who often were their husbands or their friends. Some years ago I read a book, Abstract Expressionism: Other Politics, by Ann Eden Gibson (from the 1990s) that tries to shed light on artists of that era excluded or forgotten because of their race, gender or sexuality. It introduced me to an actually practically forgotten artist who made some astonishing work (and achieved success at her time with it), the afroamerican Rose Piper (aunt of the more prominent performace artist Adrian Piper). At the recent exhibitions on Helen Frankenthaler (Kunsthalle Krems) and Abstract Expressionism and Art Informel (Albertina Modern) I got me biographies about Jackson Pollock, Lee Krasner and Helen Frankenthaler. Especially delighted I am about a 700 page biography about the Ninth Street Women, the leading women of Abstract Expressionism (written by Mary Gabriel). I am very interested in that exciting, artistically relevant period and how especially women thrived in it. I also need to study the modern jazz scene that thrived in New York as well, more or less at the same time.
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Women in the arts. In 1971 the ARTnews magazine came to publish a special edition on women artists. It also contained an essay written by art historian Linda Nochlin, Why Have There Been No Great Women Artists?, that tries to explore the reasons for the absence of women in the canons of great art. It is said to have had a great impact on feminist art criticism, and it has been republished, as a 50th anniversary edition, by Thames & Hudson last year. The question about the (relative, actually absolute) absence of women in the canons of (great) art is indeed a striking one. Have there been fewer female artists than male ones throughout history (i.e. a smaller pool of female artists of whom only a tiny fraction would rise to greatness at any rate in relation to male ones)? Apparently yes. But how much does it matter? Have women artists been neglected and underappreciated within („male dominated“) art history? Likely yes; yet also likely not in a way that art history would need to revolutionised and profoundly reconsidered if women artists finally got their fair share when significance is attributed. Is it „the institution“ or „gender stereotypes“ that pose insurmountable obstacles to women if they want to become (great) artists? Likely yes, yet likely they are not insurmountable. Or have there been great women artists that have remained completely unknown? If there had been more than just some very isolated few, then likely not. At the end of the day, it seems, there have been no great women artists in art history because there have been no great women artists. As Linda Nochlin admits: The fact, dear sisters, is that there are no women equivalents to Michelangelo or Rembrandt, Delacroix or Cézanne, Picasso or Matisse, or even, in very recent times, for de Kooning or Warhol, any more than there are Black American equivalents for the same.
If there actually were large numbers of „hidden“ great women artists, or if there really should be different standards for women´s art as opposed to men´s – and one can´t have it both ways – then what are the feminists fighting for?, she then asks.Well, feminists fight for the empowerment of women; plain and simple. They fight for balance between the sexes. The first line of Linda Nochlin´s argumentation about why have there been no great women artists is that is has been made institutionally impossible for women to achieve artistic excellence. For instance, nude models were unavailable to women artists. Yet much more examples – or any examples – for why it should have been institutionally impossible for women to achieve artistic excellence she does not offer. While institutions may discriminate against people they do not make an individual success impossible (notably greatness and genius are not institutionally tought and they are, intrinsically, anti-institutional and iconoclastic and develop, for the greatest part, autodidactically). She rather goes on in suggesting that women are generally oppressed by patriarchy and therefore hindered to achieve equal successes like men. Yet how generally oppressed women are in patriarchy seems not that clear either. Patriarchy needs not be that oppressive, monolithic, determined, malicious and identical to itself that it flat out denies women the possibility to engage as artists (or in other domains). Feminism though, or at least feminists, tend to see patriarchy in that fashion more often than not. In a way, they tend to accumulate assets of oppressedness on women´s behalf, if they don´t try to monopolise the privilege of being oppressed quite exclusively for women. Also Linda Nochlin identifies the „victim“ as patriarchy´s favorite position for women. Although, after you have observed it for a while, it rather appears as the favorite position for women in the feminist discourse. But if the artist in question happens to be a woman, 1,000 years of guilt, self-doubt and objecthood have been added to the undeniable difficulties to being an artist in the modern world. I understand what she wants to say. But first and foremost I would like to see a thousand year old woman artist that has never experienced anything else but guilt, self-doubt and objecthood. (Repeatedly Linda Nochlin talks about women being plagued specifically with guilt. Why?)
There is also a second line of argumentation in the essay: „deconstructing“ greatness. As Linda Nochlin cannot find „hidden champions“ of great art who are women she can uplift, she decides for another strategy to balance the sexes: to subvert and downplay, if not to demolish what is behind that disturbing „Greatness“. For instance, she considers „genius“ and „greatness“ as fuzzy categories. While „great“ may be a shorthand way of talking about high importance in art, it seems to me always to run the risk of obscurantism and mystification. How does the same term „great“ – or „genius“, for that matter – account for the particular qualities or virtues of an artist like Michelangelo and one like Duchamp, or, for that matter, within a narrower perimeter, Manet and Cézanne? (she writes in the 2006 reappraisal to her initial essay). To be honest, the shorthandedness and the intention to obscure and mystify „greatness“ rather lies in her own (weak, pathetic) argument. It is your task to sort that „mystery“ out. Genius and greatness she considers overly as qualities attributed by others, by the outside world (for instance the man´s world attributing genius and greatness mostly to other men), and that one is mostly able to develop in oneself due to privileges (for instance being born into an artist family, a rich family, or being born a boy, not a girl). Stories about the prodigousness of great artists at an early age (or thereafter) she suggests as being fairy tales of the Boy Wonder or as such stories, which probably have some truth in them. She derides „common“ notions of genius that consider it as something „innate“ or a „golden nugget“ inside someone, that is immutable and impossible to supress (i.e., in the case of women, also not by „patriarchy“). Instead, she insists, genius and achievement are much rather dynamic activities, something that needs to be developed – and some environments are more supportive and provide more development opportunities than others.
Yet that genius still needs to be developed is something no serious voice would truly deny (and actually genius and greatness are not something that is shorthandedly conceived and obfuscated as something „divine“ and little else; they are subjects that have been extensively studied and written about. And as a professor for art history at Yale, Linda Nochlin should actually know about that.) And granted: there is a role of the environment – but it is still the individual that develops to higher or lower levels. If greatness or genius is something that, primarily, has to be developed (as opposed to being a static essence or „gold nugget“) why did not more painters reach the height of Picasso or Caravaggio (since this is what they usually strive for (at least in former times))? Why did not other artists – of any sex – who were not that super good at painting come up with other strategies to make profound artistic statements, as did Marcel Duchamp? (S)cholars will have to abandon the notion, consciously articulated or not, of individual genius as innate, and as primary to the creation of art, hopes Linda Nochlin. Yet, for that matter, genius is, primarily, eventually, innate, a static essence, and (for that matter) a „golden nugget“. In order to be developed, or for the development process to reach it, it needs to be there in the first place. Maybe, after all, genius is a quality that appears more often in men than in women. (In the enlightened discourse it is easily considered antediluvian to attribute actual differences between the sexes to anything else than to („socially constructed“) „gender roles“ and „stereotypes“ (that need to be, or can be, overcome). But there is no reason to rule out the possibility that differences between the sexes are not innate, eventually invariant and firmly rooted (in „biology“)). Creative individuals, though, as they say, are „genderfluid“, and usually radiate both masculine and feminine qualities: Creative women are more assertive, rational and determined than average women; creative males are more intuitive, gentle and empathetic than their male peers. I actually don´t know how much patriarchy can „fuck“ with a truly creative woman – and how much the rest of society actually wants to have her subjugated; and not, much rather, elevated.
It is irritating how much (a certain branch of) feminists likes to see little else in genius and greatness than arrogant masculinity. Maybe to attribute (neutral) qualities like greatness and genius to the „phallic“ and to the masculine is less a problem within the „official“ („male-dominated/centered“) discourse, but rather a problem within the feminist discourse. A genius and a great person is also not someone concerned with masculine erectness or with being a powerful, godlike creator that creates ex nihilo. A genius usually is someone who – highly independently from what´s going on or is indicated around him – gets immersed into something, develops a need to explore that domain and to know everything about it, who will identify deep problems within the domain that sHe wants to adress and to solve. This sHe will also see as a moral duty. With the extremely playful intellect of the genius, sHe will maybe rather try to arrange and rearrange things within the domain (rather than to „create“ – and what is „creation“ anyway?). From this comes the selflessness, the extreme independence and the determinedness of the genius (as a genius: as a person sHe might be driven by more mundane motives like money, fame or ego-gratification all the same). I happen to like these qualities, since they simply are greater than the indifference, the opportunism, careerism and the neglect that prevails in the human realm. In some others, these qualities might cause jealousy and disdain, and they might even like the genius (and its beneficial nature) not to unfold. They might mask it under the guise of feminism, for example.
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Life is a mystery. Genius, as they say, too. Why there have been no great woman artists seems a mystery as well. Light may be casted on this mystery though if we think of the male:female ratio in the audiences of extreme metal, noise, or free jazz concerts. Extreme metal, noise or free jazz concerts usually enjoy an audience with a male:female ratio of 13:1 (and concerning the artists who play such types of music the imbalance is distinctly more pronounced). That may seem insignificant, but maybe is not. Stuff that truly happens outside society, attracts outcasts and introverts, is highly experimental and performs beauty in (an abrasive) disguise – i.e. true, complex beauty – marks territory that, for some reasons, is not a sucker for females. The abyss of very abrasive, non-conformist creativity is a place where few females dwell. Why is this so (and still remains so)?
We may consider: extreme metal is fearsome. And women are frightened and intimitated. Women like to be frightened and intimitated all day long. They make a cult out of it (a twisted branch of that is feminism). Heavy metal, noise, free jazz are abrasive, and women loathe the abrasive. This may be because women likely score particularly higher (or are more pronounced) than men on the (Big Five) personality trait of agreeableness. Women are more dedicated to fit into a society, respectively to create environments that are friendly, non-confrontational and non-violent. There is perfect reason to that because if archaic violence breaks out women are more likely to become overpowered by it than men. Women are more „sociable“ because they more strongly rely on others (males and females) for their self defense, and more „empathetic“ since they want to reduce the potential for aggression and violence that could turn against them. Most importantly, they are more sociable and empathetic because they need to raise (and protect) children and establish stronger bonds to them. Women are also mothers, whereas fathers are („technically“) more distant figures in the reproduction process. Women are actually a dualistic, a dyadic sex, they psychologically and mentally live in a duality, in a dyade with their (prospective) children. An artist, Georg Baselitz, once suggested that women actually may not be that interested in men. They are interested in their (prospective) children.
In their dedication to create non-violent environments women develop and incorporate their well-known gimmicks like hugging, kissing and complimenting everyone, chit-chating about trivial, inoffensive (above all: interpersonal) subjects, giggling and laughing and seductively touching others (notably males). It is true that the empathy of women is empowering, but first and foremost, in their survial instinct, they try to weaken everyone. In trying to signal they are deserving of protection they weaken themselves and make themselves smaller than they are: in order to vice versa weaken others (men and women) and to weaken the entire collective. Especially loving and sympathetic they are when a fellow woman has qualities to receive (a status enhancing) protection by the collective (e.g. women being much more obsessed and willing to kiss ass of a distinctly beautiful and shiny girl than actually may be men); especially fiece (and, often, fiercer than men) they become when a fellow woman tries to break out of the collective or challenge its (hallucinated) integrity. They are so obsessed with the upkeep and maintainance of „patriarchy“ that, upon reflection, one does not know whether they are only the accomplices of patriarchy, or its true creators.
Whereas men´s methods and weapons of self defense lie in tool-making and strategy, women´s methods and weapons of self defense lie in psychological manipulation. Tool-making and strategic thinking require a sense for abstraction and a dedication to (inanimate) stuff that truly is different from oneself (therein, it requires intellectual transcendence). Psychological manipulation lies in the manipulator trying to convince a fellow human being that they are (in an intimate way) „the same“. And it practically needs to stay away from intellectualism and abstraction, since introducing intellectualism and abstraction basically ruins psychological manipulation (psychological manipulation needs to appear/be distinctly identical to itself; intellectuality/rationality introduce additional layers within a process that confuse, reveal, or cast doubt). Psychological manipulation requires that those intented to fall prey to it remain unreflected and abstain from rationally analysing what is inflicted upon them. Therefore, women abhorr abstract and analytical thinking, intellectual reflection and trying to establish a meta perspective on something. When they encounter such qualities, they feel pulverised and they´ve got to get away from the situation. Yet all these qualities are necessary if you want to do great art.
Among heavy metal fans, there are females too. It is just that the more extreme or the more progressive or experimental a metal act gets, the less it usually attracts (also male, yet in relation to them) female metal fans. Whereas differences in approach seem to reveal themselves already on the general level. Metal is a music to get immersed into and to become very dedicated to. I remember how we, the metal dudes, were analysing with great passion certain guitar soli, song structures or the specific innovations in style drummers like Dave Lombardo or Vinnie Paul brought into Thrash Metal. We learned the lyrics by heart (and many of them I still know, although I may not have heard the specific record for over 20 years). We wanted to know everything about our favorite bands (just like, granted, girls want to know everything about Nick Cave or Adam Lambert et al.). Yet the metal girls, in general, used to remain (what would appear as:) more superficial. They did not dive that deep into the matter, and they did not form bonds to it by graving for a more abstract as well as a more concrete, a theoretical as well as a practical understanding of it. So, it is not surprising that they hardly became musicians (artists!) themselves.
(Also, women do not form bands. Because women do not form groups. Although they seemingly have less osmotic personalities, men are more casual at becoming buddies and at collaborating in a friendly, casual way. They have a greater group instinct. Women have (girl)friends or they may form cliques. But they do not, exactly, form groups. This is maybe so because women are a dualistic/dyadic sex, and so they form dualistic/dyadic bonds (i.e. projecting themselves and their (prospective) children in others). They have less tolerance, or appreciation, less instinct for (unity in) diversity, e pluribus unum: and that is the essence of groups. They have a greater (egocentric) power instinct and they can become frighteningly more competetive against each other than men. (Likely since they are less inclined to see stuff at a more abstract level) they take everything more personal and therefore are more easy to fall out, in intransigence. It has been said (not least in Linda Nochlin´s Why Have There Been No Great Women Artists?) that women are hindered in their careers because they confront powerful networks of men. But women do not form networks.)
Why Have There Been No Great Women Artists? has inspired publications on the absence of women in diverse professional areas. There is also a publication about Why Have There Been No Great Women Chefs? I could not read it, but it has also always bewildered me, why – although traditional patriarchy identifies a woman´s status as being a mother whose place is the domestic kitchen at least – the great chefs, as well as the intellectuals on pedagogy, overly are still males. I recall, in my childhood, in the 1980s, the great chef had been Paul Bocuse. Today it seems to be a guy named Jamie Olivier. Although women cook „with love“, they still do not seem to cook „with profession“. They may cook with the heart, but still not with the intellect (and therefore only with a semi-passion that does not open new perspectives on the subject in question). (Paul Bocuse I remember because it was my dad who regularly liked to watch Bocuse à la carte on TV, not my ma.)
In their dedication to tool-making and developing strategy, men need to think in abstract terms. In abstraction (and in tool-making and strategy) there is proximity to the inanimate. Therefore one might be inclined to think that males are necrophiliacs who love the dead. Whereas females are biophiliacs who are drawn to humans, animals, nature, harmony, the divine, genesis and birth. According to Helen Frankenthaler, the greatest thing art can do is to convey a sense for being alive at a certain time. Yet if there is no sense for abstraction and a need to theorise on something and to view things from a meta perspective, it is doubtful how robust and reliable, how comprehensive your interest and your attractedness to something actually can be. In order to establish „object stability“ I guess it is required that there is not only an emotional bond to it but also an intellectual bond, that you develop a mental representation of something – that actually confirms the others´ proximity to oneself, but also its seperateness and containedness in itself. Such mental representations are necessary for intellectual pursuit and for the creation of (true) art (in fact, (great) art is about delivering mental representations about stuff). If you do not experience the world on such a level, (great) art, and, more profoundly, interpersonal/object stability becomes a more difficult exercise. On that account, women actually may not be truly drawn to other humans, animals, or nature. They only experience it as an extension of themselves. Women are not interested in art; or anything. Women are, through their empathetic and sociable disguise, only interested in themselves (and their (prospective) children).
Because women are only interested in themselves (and their (prospective) children), they are not truly rescued in the object world; and neither in themselves. That women live in a state of fear due to the violence of men is only part of the issue. Since they are deceptive and manipulative in nature, women do not even trust themselves. They are frickle and the reason for what, on the outside, frequently appears as a pure random walk through life they call and mystify as „female intuition“. The „now you see me, now you don´t“ behaviour of women is part of their manipulation toolbox, creating a backlash against themselves, imprisoning them in a permanent state of emotional confusion and an insecurity of their inner selves. As an apparent consequence, … the voice of the feminine mystique with its potpurri of ambivalent narcissism and guilt, internalized, subtly dilutes and subverts that total inner confidence, that absolute certitude and self-determination, moral and esthetic, demanded by the highest and most innovative work in art. Such is the deep answer Linda Nochlin eventually provides on the question for Why Have There Been No Great Women Artists?
(It is, by the way, striking how (certain) feminists are drawn, if not addicted, to the notion of masculinity as something frighteningly monolithic, shielded by total inner confidence, absolute certitude and the like (although total inner confidence, absolute certitude and self-determination probably has never existed in any person, man or woman, alive or dead). They are fond of this, and they are intimitated, feel crushed by this. The next moment, they feel compelled to ridicule and undermine, if not destroy that idea, envisioning the male sex as colossaly frail, and men´s total inner confidence as a fake identity, an actual blunt arrogance that just masks a deep inner insecurity. Their views on their own sex are, then, a mirror image to that; envisioning women as strong, powerful, intimitating etc. on the one hand, and weak(ened), intimitated and dependent on the other. An in-between, balance, there is none. There just is this oscillation between ambivalent narcissism and guilt. Yet between such extremes, in balance, this is where life actually dwells, and where there is normality. (Granted, true balance is an abnormality again. Normality is actually: „so, so“. Yet life in itself means and brings about: „win some, lose some“. The more balanced („wise“) an individual is, the more sHe will adapt to that.) (A certain branch of) feminists, by contrast, seems very much in love with the idea and the emotions of total inner confidence, absolute certitude and self-determination that they want to establish/maintain in themselves; notably by weakening the total inner confidence, absolute certitude and self-determination in others (notably in their „adversaries“: males). It is yet the archaic female strategy to „establish balance“ by weakening everyone, and so – and although they strive for masculinity (or at least for the „privileges“ that masculinity brings) – feminists appear, in a way, as the most effeminate women of all.)
The point she is obviously missing is that genius – or any accomplishment – is not a matter „inner confidence“. As an illustrative example, the greatest writer of the 20th century, Kafka, had pathologically low self confidence (he obviously suffered from an avoidant personality disorder). Which is why he wanted to have his ouvre destroyed before his death. Yet he had created it in the first place; like Emily Dickinson or Emily Bronte had. He had been aware of, and haunted/plagued by the enormous significance of his thoughts and visions even before he had written his major works, which he then created in a considerably hostile or neglectful environment. Yet he also had friends like Max Brod, and in a circle of established writers and cultural figures he was, despite having published little and being practically unknown, treated like some kind of god. Most, practically all, people have other people who are (highly) supportive. At least in private environments (in which we end up living all the same) individuals, and also „lonely“ geniuses, usually find protection; fuck the world. The loneliness of geniuses and Great individuals yet is something inherent to them. Great artists, so it says, radiate an aura of profound solitude.
(Total) inner confidence or (absolute) certitude are not required to do something great or genius (maybe they are rather a hindrance to it). Confidence is matter of the personality. Genius is a matter of the mind. The genius mind is a very good mind, and so geniuses do have very good personalities. Yet, empirically, only partially. Apart from their incandescence, they may be as neurotic, frail, unloving, competetive, disordered or even psychopathic as anyone else may be. Developing genius and greatness in oneself, developing (new ways in doing) great art, is painful, is born with pain, for anyone. The path of the loner is full of horrors, Agnes Martin, a fellow female poineer of Abstract Expressionism and Minimal Art and a contemporary to Helen Frankenthaler, noted. It is, likely, not so much a matter of how „confident“ and „determined“ you are while you are walking this path, but whether how much it is your path that you walk, driven by a consequence that lies inside you (and that may haunt you). (Total) inner confidence or (absolute) certitude is something that you obtain with time – when you have created something great, genius, or of substance. Then you live in the realm of ideals – respectively your mind does. The world does not look the same anymore, and the struggles in this world become more distant to you. The realm of ideals is pacified and timeless. Yet, living and succeding in the material world may just become more alienating and a greater struggle.
Geniuses and artistic souls are isolated and alienated from their environments, yet they are also distinctly more connected to it and sympathetic to it (i.e. there are factors of great instability in their lives, but also of great stability). The characteristic of genius is probably not extreme creativity, but that it is an extremely penetrating mind, being able to come to unique insights, or establish unique connections (and their confidence, certitude and self-determination actually is their stubbornly penetrating, restless mind). The genius and the artistic soul lives in a distinctly more connected, more meaningful world, that sHe tries to translate to his fellow humans. From this comes the usual sweetness, tenderness and friendliness, the tolerance and the mellowness of the genius (as a genius: as a person sHe may be quite different). Since they are so much more receptive to (inner and outer) stimuli, and a need to create, geniuses are restless and they live, if we may say so, under permanent stress. They often are „tortured“ and have complicated, uncomfortable lives. People suffer. Yet „genius suffers the most“ (says Schopenhauer). Often, it is other people that make them suffer („hell is other people“ one of them once said lol).
Geniuses may encounter praise and approval in their lives and times, yet they may also, and easily, encounter an enormous amount of ignorance and neglect. Just like women! True artistic creation of any kind is a very lonely process, a totally selfish act, Helen Frankenthaler put it, yet that is also a totally necessary one that can become a gift to others. The true artistic genius, first and foremost, (and therein probably not wanting to make a top-down „gift“ to others, or seeing her work and motivation as „selfish“ but rather as selfless), wants to bring joy and enlightenment to others and wants others to participate in his richer and more meaningful world. Often, this gift is not wanted. In the contemporary era, an annoying disrespect and disapproval for genius comes from the feminist rhetoric, that does not see the sweetness, the importance and the enrichment of the world due to the gifts of the genius and the great artist, but that primarily (if not singularly) views the „white male genius“ as a principle for the erection and maintainance of an ideal of a loveless, self-congratulatory masculinity, which it therefore wants to overthrow (to erect an ideal of their own loveless, self-congratulatory feminity, as it occasionally seems). Because of their uncanny, mixed-at-best experiences through history, I think geniuses should start a #MeToo movement too. Unfortunately, they are too isolated and dispersed over space and time. They cannot even truly found a collective.
The feminist notion of the greatness of women being squandered or made more difficult to achieve for them due to patriarchy at least does not completely take into account that great people/women are distinctly more competent than society. Why should a great woman succumb to a weak shit like patriarchy, or a completely weak shit like „sexist“ jokes or mansplaining? Greatness, more or less by definition, means that one is bigger than the environment. Geniuses, like psychopaths, are not even actually humans. Like psychopaths, geniuses cannot effectively be intimitated nor controlled by anyone, for their inner lives and motivations are distinctly different from those of ordinary people. Whereas the psychopath follows the drive that comes from his abnormal ego, the genius follows the drive that comes from her abnormal mind; therein, both cannot even effectively control themselves or adapt themselves to social norms and expectations (hence the occasional „tragedy“ of such people). The (occasional) feminist notion on genius also partially fails to take into account that geniuses and Great people, inherently, are addicted to difficulties. And the greater the difficulties they encounter get and the more they get driven into themselves, the more powerful and productive geniuses usually become. (Great) Genius, also more or less by definition, is a mind that wrestles with difficulties no one has been able to overcome so far. Geniuses see a problem, or witness an uncanny atmosphere – others usually also do: but they become immersed in finding a solution to the problem, or coming up with solid stuff that creates other atmospheres. They want to clean and rejuvenate the atmosphere. Geniuses and Great individuals thrive on difficulties.
(Granted, it seems situational whether or how much genius or Greatness may unfold. For instance, a high proportion of geniuses has been Jewish – at least since the 19th century: when Jews did become „liberated“. Yet if I try to figure out Jewish geniuses before that time solely Spinoza would spring to my (partially educated) mind. Geniuses and Greatness seem to appear clustered in space and time, in tandem with unusual historical eras. You may think of ancient Athens around the time of Periclean democracy, the Renaissance, the Age of German Idealism/the Goethezeit, the Golden Age of Islam a thousand years ago or Vienna a century ago; the golden period of Spanish painting or of the Dutch masters (when Spain or Holland had been on the height of their power). Great art and innovation in general is something that does not happen. Art in Latin America/Argentina, for instance, has steadily produced stunning and worthwhile things; yet stubbornly it so far has never managed to transgress the threshold to true innovativeness and high intellectual significance: it has remained epigonic. Not least in our time, and obviously on a worldwide scale, great art there isn´t either. Maybe the postmodern subjectivity actually (on a deep level) isn´t ingenious, or is lost and confused by its own complexities and patchwork character.)
Is genius a quality that is rarer among women than among men? According to research a minimum IQ of 125 is needed in order to exhibit genius. And maybe the threshold is even lower, or does not exist at all. With a more moderate IQ you can be a genius as a comedian, an actor, a pop musician, a sportsperson, a politician, a criminal – or a scientist, artist, philosopher all the like. There are, in absolute numbers, plenty of geniuses around – with plenty of them being female. Maybe one person out of ten thousand truly is a genius (which makes a lot of geniuses in this world). Greatness at intellectual pursuit, i.e. to create something of high intellecual significance, yet requires great intelligence, being very erudite, being able to keep a lot of things together and put them in a perspective, operating at a high level of abstraction and differentiatedness, and genuinely thinking at the level of theorising. Greatness necessitates an intellect that relates to an IQ of, say, 160 or higher (your score at IQ tests may however vastly be different, especially if you are an artist). Greatness can also happen without genius; without genius greatness may then be „eminence“. Greatness, in general, is more associated with a distinct breakthrough and establishing a new level of human understanding (geniuses just may – primarily – remain singularly creative and distinctive). Yet the higher the IQ gets, the smaller is the percentage of females in the respective cohort. Very high IQ societies like Prometheus (IQ 160+) or Mega Society (IQ 175+) have few (if any) female members. In a way, like the historical canons of Greatness. (A common experience among people of this intelligence is, by the way, that they frequently are „not wanted“ and rejected by society. Society is as racist and sexist against them as can be; and in relation to them, society´s oppressive force is not patriarchy or capitalism, but its mob rule.)
Today, many established artists are female. And as far as I can see their outputs are on par with those of male artists. Women thrive in the art world of today. Ok, great. The downside, however, is just that art and the art world today is not Great anymore. There isn´t a IQ 160 level of Greatness that is dominant anymore, but an IQ 140 level of Smartness. Great minds are, for mysterious reasons, absent from today´s art word; it´s „smart“, intelligently adaptive people who run the place. Hence, it is also more easy for women to thrive in the domain. Art is not Great anymore. The disturbing „Greatness“ has been demolished and dethroned. Greatness is a dethroned emperor. And, inside the wire, they even seem to delight on that! Today I believe that it is safe to say that most members of the art world are far less ready to worry about what is great and what is not, nor do they assert as often the necessary connection of important art with virility of the phallus … There has been a change in what counts – from phallic „greatness“ to being innovative, making interesting, provocative work, making an impact, and making one´s voice heard. There is less and less emphasis on the masterpiece, more on the piece, Linda Nochlin writes in her postsrcipt and reappraisal to her essay 30 Years After, in 2006. Greatness has been effectively subverted by the feminists, and the lobbyists of diversity; and with her essay Why Have There Been No Great Women Artists? Sister Linda has laid a foundation for that. That´s where we stand today. We´re liberated. We don´t have to be Great anymore.
Upon reflection, I actually have to admit: Women, you are cool. Nice, how you played that lol. And actually, you did the greatest job of all. By weakening everything and everyone you, once again, elevated us to a higher level of societal progress. Qualities like beauty, harmony, intellect, stimulation etc. are good when they appear in art. Yet is even better when they appear as characteristics of society! Today we may not live in a peak period of art, but we live in a peak period of society (notably as concerns the position of women and children, non-western cultures, and minorities). The Renaissance produced better art than is produced today. Yet society today is better than in the Renaissance era. Heck, by weakening everything and everyone women, once again, elevated us to a higher level of societal progress! In the labor division between the sexes women´s call may be not to create culture. Women´s call may even be the more noble, the more sublime one: it is women who build civilisation.
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There has been a solo exhibition on Helen Frankenthaler at the Kunsthalle Krems recently which presented artworks from all periods of her career in a chronological order. I have been especially delighted yet by her ultimate works from the 2000s. Now there is another exhibition on Abstract Expressionism and Art Informel at the Alberina Modern which also more extensively presents art by Helen Frankenthaler (and Joan Mitchell and, notably, Lee Krasner). I have to say that I like Helen´s reduced, pacified large canvas color field paintings from the 1960s and 1970s presented in the Albertina better that most of her (signature) paintings (from the 1950s) presented in her solo exhibition. Her latest works from the 2000s still strike me most. They are very reduced, almost monochromous. An art that you may find stupid, but these works display great taste and an exactitude that you feel that it cannot be transgressed. She has reached the gound and became identical with the mysterious abyss of imagination, it appears. There seems nothing „behind“ it anymore. It is like the colour field finally coming to itself. With Rothko, as it has been indicated and as would spring to mind, this has nothing, or only little, to do. It does not have the mannerism and not the intellectual framework (therein the high intellectual significance) of Rothko´s paintings. Yet while it does not have the intellectual gravity and cultural significance, the icon character and the symbolic character, the objective weight and the highly distinctive signature style of Rothko´s art, it does also not have its repetetive mannerism. It shines as subjective and private. Yet it is subjectivity and privateness of the highest order and of the highest (true) self-containedness. It has reached the ground of imagnation and mastery the artistic process is aimed at gaining access to; it has amalgamated with the ground, as it throws up simple, pacified and contained images and visions, aesthetic clarifications of the (frameless) ground; in privacy, in silence, in self-containedness (via having reached the ultimate objectivity), in solitude. It cannot be disturbed by anyone or anything from the outside anymore. Maybe it is beyond the good heroic quest for the absolute that characterised Abstract Expressionism. Maybe it is a more „feminine“ amalgamation with the ultimate principles. Maybe a trajectory leading to such a final result has lied within the calmer, more unagitated style of that artist all along. Eventually, Helen Frankenthaler seemed to have reached the Nirvana. Virgo Heroica Sublima.
Today I believe that it is safe to say that most members of the art world are far less ready to worry about what is great and what is not, nor do they assert as often the necessary connection of important art with virility of the phallus – haha, fuck you. Get a life, (wo)man. Actually Helen Frankenthaler worried about what is great and what is not a lot during her artistic career. She was melancholic (and underwent, like many creative people (and notably the Abstract Expressionists), frequent bouts of depression) as she felt that hers was not a time where art was great, or can be great. The greatness of the Old Masters seemed out of reach, intangible. Rubens was her favorite painter. To her, Rubens was the principal painter of vitality and of the flesh, exuberant, positively and in the most cultivated way indecent and obscene. Helen Frankenthaler´s notion of greatness in art was that great art delivers a charge that strikes the viewer. And, to her, Rubens was supercharged: the greatest painter, and the wettest painter, who had ever lived. Helen Frankenthaler came to the conclusion that art´s greatest purpose is to convey the sense of being alive at a certain time. Yet times are a-changing. While great artists like Rubens or Shakespeare had managed to convey that sense of being alive in their time, the 1950s in New York were a different time, that required the artist to come up with different solutions. Shakespeare and Rubens were probably greater than any other artists, but the 1950s were not their time, in which their specific art could be convincing. Jackson Pollock and Arshile Gorky, in their combination of exuberant creativity and creative virility and a sharp, precise intellect, she though considered great masters of her time – though maybe not as great as the masters of the older times. Alas, men again.
Raise the level. We need more connoisseurs of culture, at any rate. And get a life, (wo)man.
Disclaimer: There is some irony, some bluntness, some exaggerations in this text. They should primarily be understood as reactions to the questions that the essay by Linda Nochlin (unintentionally) leaves open or provokes. I am usually sympathetic with the underdog, but the then-underdog attitude and heuristic expressed in the 1971 article has become quite more powerful today, and the powerful need to be questioned. Also, feminists usually like to „challenge“ patriarchy and the status of men and to become „uncomfortable“ to them. Well, challenge accepted. It´s a heyoka empathy thing.
Disclaimer on disclaimer: The deep irony of the piece however is that the provided explanations for gender differences actually seem quite plausible. Not that I actually want it to be this way. I am rather indifferent on whether one sex is superior, inferior or equal to another. Concerning this human realm, I am mostly a neutral observer.
Was haben wir gestern im Seminar von Manfred und mit den Studentinnen uns erarbeitet über die Neunte Sinfonie von Mahler (die mir im Übrigen immer am besten gefallen hat, und dem Kurt Holzinger auch)? Sie ist die Abschiedssinfonie und ist, laut Adorno, „das erste Werk der neuen Musik“. Aber bei Mahler hat man von Anfang an eine Musik, die inhärent schräg ist. Bei Mahler hat man das Gefühl einer Musik und eines künstlerischen Ausdrucks, der scheinbar dauernd neben sich selbst steht. So gesehen hat man bei Mahler über die Zeit hinweg eigentlich keine künstlerische Entwicklung, eher eine Vertiefung und ein Ausloten dessen, was innerhalb einer solcherart begrenzten Arena möglich ist. Damit läuft Mahler dem Antisemitismus geradezu in die Arme, der behauptet: die Juden hätten keine echten Gefühle und keinen höheren, edlen Sinn; deswegen gelinge ihnen der echte künstlerische Ausdruck nicht, höchstes ein Imitat vom echten künstlerischen Ausdruck. Umgekehrt gilt klarerweise: Gustav Mahler, der lange vielfach (antisemitisch) Geschmähte und Unverstandene, macht die Musik und die Sinfonik der Moderne, d.h.: der Ausdifferenzierung der Lebenssphären, die nicht mehr einheitlich abgerundet werden können. In den Sinfonien von Beethoven hat man da eine große Ausdifferenzierung und ein ständiges Arbeiten und Vorwärtsschreiten; bei Mahler, vor allem im ersten Satz der Neunten Sinfonie, wird das Arbeiten und Fortschreiten manisch und multidimensional; da greifen die Zahnräder ineinander und schnaufen die Kolben: eine ganze Fabrik arbeitet da (in ihrer teilweisen Kakophonie). Man scheint da mit einer Technik und einem Arbeiten konfrontiert zu sein, das das menschliche Maß bereits überschreitet und sich ein eigenes Territorium errichtet, vom Menschen nicht mehr ganz beherrschbar ist. Moderne eben. Was hätte der titanische Abrunder Beethoven zur Zeit Mahlers gemacht? Was würde er heute machen, in unserer zynischen Zeit? Aber bei Mahler hat man ja grundsätzlich das Gefühl einer Musik und eines künstlerischen Ausdrucks, der scheinbar dauernd neben sich selbst steht. Während man das bei Beethoven genau nicht hat. Unabhängig vom biographischen Hintergrund (die Todesahnung Mahlers und der Wunsch nach der Vereinigung mit seiner verstorbenen Tochter im Jenseits) erscheint der letzte Satz der Neunten (Abschieds)Sinfonie als eine schräge Elegie. So vielleicht als wie wenn es letztendlich eine Elegie über die mangelnde Gravität und die Bedeutungslosigkeit von Elegie, den subjektiven Charakter von Elegie ist. So als ob Gefühle etwas höchst Bedeutsames für uns seien, das aber kosmisch bedeutungslos ist, vom Kosmos verhöhnt werden würde; genau gesagt, auch das nicht: denn eine Abwesenheit kann ja nicht verhöhnen. Auf einer Metaebene ist da Hohn: dass man in ein solches Verhältnis eingelassen ist und es begreift. Das eröffnet Raum für Trennung, Spaltung, Ironie, oder eben auch Hohn. Und bei Mahler hat man diese Trennung und die Abarbeitung entlang des Spektrums von Ironie bis Hohn grundsätzlich. Wie es einem letztlich vorkommt, hat man bei Mahler ein reichhaltiges und differenziertes Gefühlsleben, das aber auf einen nihilistischen und depressiven Intellekt trifft, einen beinahe zynischen und sarkastischen, obwohl er das durchaus nicht ist. Einen skeptischen Intellekt, der die Gefühle subvertiert. Das ist, zeitenunabhängig, vielleicht der Schlüssel zu Mahler. Beethoven, der Einzigartigste, hatte ebenso ein reichhaltiges, differenziertes Gefühlsleben, aber (so gesehen vielleicht) einen Intellekt, der mehr – genau gesagt: alle – Register ziehen konnte. In der obersten Instanz war es ein strenger und herrischer Intellekt; aber das ist wahrscheinlich notwendig, wenn er integrativ und alles zusammenfassend sein soll und hohe Formen aufrichtend, die mit sich selbst identisch sind. Wenn sich das Charisma von Beethoven auf einen Punkt und einen einzigen Begriff bringen ließe, dann liegt es wahrscheinlich in seiner übernatürlichen Folgerichtigkeit (deswegen scheint seine Achte Sinfonie so zu stören, wenngleich sie sich, zumindest als intellektuelle Raffinesse, ja großartig einreiht zwischen die Siebte und die Neunte). Die heutige Zeit ist kulturell die einer negativen gekrümmten Raumzeit, bei der alles ins Unendliche, Offene und Indefinite schießt und nicht mehr zu sich selbst zurückgeführt werden kann, und bei der gewisse romantische Naivitäten, wie zu Lebzeiten Beethovens, nicht mehr möglich scheinen. Wie soll man eine negativ gekrümmte Raumzeit titanisch bezwingen und zu einer Einheit zusammenführen? Allerdings ist auch eine negativ gekrümmte Raumzeit einheitlich und logisch, nur die Anschauung davon ist schwieriger. Ich nehme an, Beethoven hätte auch die negativ gekrümmte Kultur beherrscht, denn in einer solchen negativ gekrümmten kreativen Raumzeit hat er ja immer schon wesentlich gelebt. Beethoven hat auch vom Menschen nicht beherrschbare Kräfte wie das Schicksal (Fünfte Sinfonie), die Natur (Sechste) und die Freundschaft/die Diversität der Millionen (Neunte) gebändigt. Er hat Napoleon verworfen (Dritte Sinfonie). Dieser Taube hat die Unendlichkeit gehört, hat Victor Hugo über Beethoven gesagt.
Die performativ vollzogene Erhellung – zwar vielleicht weniger für sie selbst, dafür aber für andere – bzw. der unfreiwillig ironische Selbstvollzug des Vernunftmodells der ursprünglichen Kritischen Theorie der Frankfurter Schule liegt darin, dass es das einer subjektiven Vernunft ist: und damit auch anfällig ist für subjektivistische Perversionen. Indem sie die moderne Vernunft und die Aufklärung als die Entfaltung einer „instrumentellen“ Vernunft, einer einseitigen Herrschaftstechnik, die schließlich die Herrschaft und das Verständnis über sich selbst und den Bezug zu ihrem eigentlichen („guten“ und „authentischen“) Ursprung verliert und die somit zu einem „Mythos“ degeneriert setzt, verkürzt sie die reale Vernunft und die Aufklärung erheblich und schafft somit selber ein Vernunftmodell, das von einem Mythos nur mehr schwer zu unterscheiden ist. Horkheimer, Adorno et al. beklagen, dass die moderne Vernunft das „Nicht-Identische“ exkludiere, tun das aber selber in erheblichem Maße mit allem, was nicht identisch ist zur Harmonie und zum Narzissmus ihrer beklemmenden, unbequemen Gefühlswelt. Die Dialektik der Aufklärung und die Negative Dialektik sind (als Werke wie als Methoden) einerseits stark, gleißend und öffnen die Perspektive auf ein sensationelles (allerdings auch sensationalistisches) befreiendes Imaginäres, andererseits sind sie konfus, zirkulär und schwach, wenig richtungsweisend. Das liegt daran, dass die Vernunft der frühen Kritischen Theorie subjektiv (und sich subjektiv so ein bisschen magisch bzw. über die Listen des Odysseus selbst konstituierend) und außerdem ziemlich autoritär und unkommunikativ war und daher nicht vor einem subjektivistischen Exzess gefeit. Die philosophische Intervention von Jürgen Habermas besteht darin, dass er Vernunft als grundlegend intersubjektiv begreift: Sie realisiert sich mittels einer anderen Vernunft, indem sie ihre eigenen Standpunkte über die rationale Kommunikation mit einer anderen Vernunft, mit einem anderen Standpunkt (wechselseitig) evaluiert. Vernunft beruht auf (besteht eventuell aus) rationaler Kommunikation bzw. einer kommunikativen Rationalität. Vernunft ist, wenn man so will, öffentlich bzw. was, was sich in einer (abstrakten) Öffentlichkeit vollzieht. Seit seinem Strukturwandel der Öffentlichkeit von 1962 ist Habermas Theoretiker und Propagator der Öffentlichkeit und der Idee, dass die Schaffung einer den Prinzipien der rationalen Kommunikation gehorchenden Öffentlichkeit wesentliches Element der Demokratie sei. Er hat damit die Intention der ursprünglichen Kritischen Theorie der Frankfurter Schule und seines Lehrers Adorno in eine vielleicht weniger charismatische aber funktionalere Form gebracht. Seine Philosophie ist staatstragend. Jetzt hat der 93jährige Jürgen Habermas eine kleine Schrift(ensammlung) vorgelegt, in der er auf den jüngsten Strukturwandel der Öffentlichkeit (über die sozialen Medien) Bezug nimmt; und sie ist nicht optimistisch. Zwar sei „Öffentlichkeit“ immer durchaus agonal und zerfalle in kleine Welten, die sich wenig angehen, oftmals feindselig gegenüberstünden. Wer argumentiert, widerspricht. Das sei nichts Neues. Die sozialen Medien brächten nun aber einen tatsächlichen, erneuten Strukturwandel in der Öffentlichkeit mit sich: indem sie das tradiert Öffentliche und tradiert Private miteinander vermischen – in einem degenerativen Sinn, wie Habermas meint: Nach bisherigen Maßstäben können sie weder als öffentlich noch als privat, sondern am ehesten als eine zur Öffentlichkeit aufgeblähte Sphäre einer bis dahin dem brieflichen Privatverkehr vorbehaltenen Kommunikation begriffen werden (S.62). Damit erhöhe sich die Gefahr, dass diese private, eigene Welt, die Briefverkehrssphäre, mehr und mehr als Öffentlichkeit schlechthin wahrgenommen werde. Vor allem aber nehme der Konsum der traditionellen (Qualitäts)medien ab, die (selbst in ihrer Boulevardausgabe) eine rationale und rationalisierende Gatekeeper-Funktion darüber haben, was berechtigterweise öffentlich rational verhandelt werden sollte und was nicht. Die tradierte Öffentlichkeit zerfalle immer mehr in subjektivistisch-narzisstische, sich voneinander abgrenzende Echokammern und Silos. Das schwäche den Zusammenhalt in der Gesellschaft, das Wir-Gefühl – möglicherweise in ihrem Fundament: der Rationalisierbarkeit des gesellschaftlichen Diskurses und des Gesellschaftsentwurfs. Die Architekten des Internet glaubten, ihre Erfindung sei ein geniales Medium, die Menschen weltweit miteinander zu verbinden; in Wirklichkeit hat es jedoch einen neuen Weg freigemacht, die Menschheit in verfeindete Stämme zu spalten, ist auch ein anderer deutscher Intellektueller, der 99jährige Henry Kissinger, in seinem ebenfalls jüngst erschienen Buch Staatskunst geneigt zu diagnostizieren (S.534). Indem das Internet/die sozialen Medien die Selbstbestätigungsmöglichkeiten des Ich und der eigenen Kultur zu stärken imstande seien, befördern sie den Verlust an Vertrauen in das andere und in andere Kulturen. Eine funktionierende Gesellschaft basiert, wie ein anderer deutscher Denker – der 77jährige Thilo Sarrazin – konstatiert, aber auf Vertrauen. Gesellschaft ist nicht Gemeinschaft; ihre Mitglieder sind atomisiert und anonym: eine Gesellschaft funktioniere aber dann, wenn man das Gefühl hat, Fremden (die der eigenen Gesellschaft angehören) vertrauen zu können. Wenn das Vertrauen zerbrösle, zerbrösle die Funktionalität der Gesellschaft (Gesellschaften, in denen ein solches Vertrauen fehle, sind wahrscheinlich mehrheitlich auf diesem Planeten, und sie sind eben mehr oder weniger dysfunktionale Gesellschaften). Ich selber bin vielleicht zu jung, vor allem aber aus der Gesellschaft ausgeschlossen, um das eventuell angemessen beurteilen zu können; ob sich das Positive oder das Negative am Internet/den sozialen Medien durchsetzen wird. Ich bin lauteren und arglosen Wesens und ich sehe sehr deutlich die Kraft und die Herrlichkeit, die in der Vernunft liegt und in der gesellschaftlichen Solidarität. Allerdings weiß ich auch, dass auf kulturelle Hochblüten Perioden des Verfalls und des langen, vielleicht sogar ewigen Niederganges folgen können. Also kann das auch jetzt der Fall sein. Außerdem ist unsere gesamte Existenz in Wahrheit sowieso ein ständiger Tanz auf dem Vulkan (wenngleich Vulkane die meiste Zeit nicht ausbrechen und wir das mit der Vorhersage mittlerweile gut im Griff haben). Mehr fällt mir gerade eben dazu auch nicht ein. Facebook aber ist, wenn du mich fragst, aber eine der großartigsten Innovationen der Geschichte. Es ist ein globales Gehirn, eine globale Intelligenz, die man anzapfen, in die man sich einloggen kann. Man kann mit Menschen und Kulturen, die wo völlig anders beheimatet sind, in intime Beziehung treten. Allerdings nutzt diese Möglichkeiten fast niemand, und wenn, dann hauptsächlich Leute mit einem sehr hohen Intelligenzquotienten. Schau, wie sich die meisten darüber auslassen, dass Facebook „blöd“ und „voll mit Katzenvideos“ sei – dann aber selber kaum einmal „Freunde“ außerhalb ihrer eigenen Landesgrenzen haben. Diese gegenseitige Perspektivenübernahme, die notwendig ist, um einen Konflikt unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu betrachten, hat zwar eine rein kognitive Funktion, aber die Bereitschaft, sich über große kulturelle Abstände hinweg auf diese anstrengende Operation überhaupt einzulassen, ist der eigentliche Engpass (S.85). Woher diese göttliche Passivität im Menschen kommt, weiß ich auch nicht. Aber es geht mich eigentlich auch gar nichts an. Ferguson, ein Mensch mit einem sehr hohen Intelligenzquotienten, konstatiert, dass es auch für sehr aufgeschlossene und intelligente Menschen Grenzen gebe, über die hinaus sie sich nicht mehr mit dem „Anderen“ zu beschäftigen bereit seien, oder aber überfordert davon seien. (In seinem tendenziell machohaften Habitus, aus dem heraus er gerne „die Linken“ (und andere) ärgert, meint er auch, dass der Zerfall der allgemeinen Öffentlichkeit in Teilöffentlichkeiten zu normal sei, um eigentlich als „schlecht“ gewertet werden zu können: Nachdem es keine „harten“ Probleme (?) in der (westlichen) Gesellschaft mehr gäbe, über die sich eine breite Öffentlichkeit einig sein könnte, kehre die Öffentlichkeit eben in ihren ursprünglicheren Zustand der Segregation und des Nebeneinanderbestehens von Echokammern und Silos zurück – was auch in Ordnung sei, sofern sie nicht gegenseitig versuchen würden, ihre jeweilige Kultur einer anderen aufzuoktroyieren. Vor einiger Zeit habe ich Ferguson aus meiner Freundesliste rausgeschmissen, weil er trotz seiner hohen Intelligenz und der angenehmen Ausformuliertheit von allem, was er vorbringt, bemerkenswert oft im Irrtum ist, was den Kern einer Sache anlangt (aufgrund seines neurotischen Distinktionsbedürfnis gegenüber „Linken“ und Experten heraus) (und außerdem plötzlich nicht mehr sehr „sapiosexuell“ ist, wenn ein anderer gescheiter ist als er). Ausschlaggebend für den Rausschmiss war dann, dass er sich in den Verschwörungsmythos vom angeblichen Wahlbetrug gegen Trump eingeklinkt und den dann mit der ihm eigenen Verve propagiert hat – obwohl auch einem durchschnittlich intelligenten Menschen klar sein sollte, dass eine solche Verschwörung wenig plausibel und unlogisch ist und sich selbst vor kaum zu bewältigende Logistikprobleme stellt. Trotzdem schaue ich immer wieder noch auf seine Seite, da sie vieles Wissenswerte enthält und Denkarbeit leistet. Und mich eben auch andere Kulturen interessieren, auch wenn sie mir deswegen nicht unbedingt sympathisch sind.) Das einzige, das die Öffentlichkeit begreift und sie umfassend integriert, ist der Große Geist! Der Große Geist errichtet sich über die Große Kommunikation und der Öffnung des Eigenen und der eigenen Vernunftmomente hin in Anderes, die subjektiven, die menschlichen Begrenzungen hinter sich lassend. Wo Mensch war, soll Geist werden. Der Geist ist transpersonal und objektiv. Genau gesagt ergreift er das Objektive mit einer subjektiven Leidenschaft. Der Geist ist die Brücke von einem zum anderen. Der Geist ist selber eine Öffentlichkeit, ein Versammlungsort. Und der Große Geist ist die große (kosmische) Öffentlichkeit, der transzendentale Versammlungsort. Schau, wie die Verbindung hergestellt wird, eine Eisenbahntrasse geschlagen über den halben Erdrund, zwischen zwei Vernunftmomenten, zwischen zwei Positionen! Der Große Geist überzieht die Welt mit solchen kommunikativen Eisenbahntrassen. Er ist eine kommunikative Cloud. Die Bedingung dafür, dass das geschieht, ist freilich nicht nur Vernunft allein, sondern auch Sympathie und Liebe (zum Anderen). Der Große Geist ist nur, wenn er auch Liebe ist. In einem Interview zu seinem neunzigsten Geburtstag in El Pais von vor ein paar Jahren konstatiert Jürgen Habermas allerdings, dass große Geister heute nicht mehr sichtbar seien, keine Konjunktur mehr hätten. Wer höre den großen Geistern noch zu? Die Philosophie zerfalle mehr und mehr in Subdisziplinen, die von keinem großen Geist mehr zusammengehalten werden würden. Eigentlich ist es ja der Wunsch der Philosophie, dass großer Geist erscheine, dass Philosophie großer Geist sei, der die Subdisziplinen überschaue. Aber vielleicht ist die Degeneration schon so weit fortgeschritten, dass der Philosophiebetrieb diesen großen Geist (im Namen des „Fortschritts“) gar nicht mehr will! Das sei freilich sehr gut, denn je mehr sich die (Sub)Disziplinen vereinzeln, desto weniger können sie eine Phalanx bilden gegen den Großen Geist, der letztendlich doch kommt, sie zu holen (analog zur gesellschaftlichen Situation, wo ein Mangel an Wir-Gefühl eine gemähte Wiese für (Rechts)Populisten umso mehr darstellen mag). Habermas wird seit Langem vorgehalten, dass er ein wenig antiquiert sei. Trotzdem er sich des agonalen Charakters der Vernunft und der demokratischen Öffentlichkeit bewusst ist, ist der zugrunde liegende Habitus seines Philosophierens doch ein Glauben an die Einheit, die in der Vernunft liegt, und daran, dass die Vernunft das stärkere Prinzip sei als die Unvernunft. Darin erscheint Habermas „modern“ – während die Postmoderne die „Differenz“ als eigentlichen Grund der Welt anzusehen geneigt ist, sowie die Differenz nicht als Epiphänomen, sondern als Grundlage zu begreifen, und Vernunft als Herrschaftsphänomen, das in Konkurrenz mit anderen Herrschaftsphänomenen/versuchen stünde (wenngleich der grundlegende Gedanke zumindest bei dem freundlichen Spinozisten Deleuze (der von seinem kantigeren Freund Foucault übrigens als der „einzige wahre Philosoph in Frankreich“ bezeichnet wurde) ja weniger der von Differenz und Wiederholung ist als der von der Univozität des Seins (was ironischerweise ich in Frage zu stellen geneigt bin – allerdings als zu ungenau/undifferenziert und nicht im Sinn einer Abrede)). Ich weiß nicht genau, was ich von all dem halten soll. Trotzdem aber Vernunft und Rationalität agonal sind bzw. dazu provozieren, trotzdem es moralische Dilemmata gibt, zukünftige Dinge nicht gewusst werden können, logische Unentscheidbarkeiten existieren, weiß ich nicht ob … genau gesagt scheint es mir nicht so, als ob Vernunft auch (grundlegend) konfliktuell ist. Gegenüber der Differenz gibt es eine solche ontologisch begründete Absicherung gegen das grundlegend Konfliktuelle nicht. Was bedeutet (?), dass da, wo Vernunft ist, auch (metaphysische) Einheit ist. Diese metaphysische Einheit kann man vielleicht nicht ganz auf die (Lebens)Welt projizieren, da in der eben auch Nichtvernunft ist (oder zu viele Abstufungen von sich zueinander (leidenschaftlich) agonal verhaltenen Vernünftigkeiten). Wie kann man die Öffentlichkeit, und alles, was damit zusammenhängt, letztendlich als was Gutes und Einheitliches begreifen? Ziehen wir dazu vielleicht einen verstorbenen Denker, der nicht nur ein (sehr starker) diesseitiger Analytiker und Logiker sondern auch ein Metaphysiker war – Alfred North Whitehead – heran. Vielleicht ist es am besten, man begreift die Öffentlichkeit, die Menschheit, die Weltgeschichte nicht als was Harmonisches, Moralisches oder Schönes: sondern – mit Whitehead – eher als ein Gemälde Gottes, das interessant sein will: und vollständig, indem es auch so vieles Unangenehmes enthält. In dem sich die Dinge entlang der Erstarrtheiten und der Freiheitsgrade, entlang der Koordinaten also, die die Welt ausmachen, entfalten und wieder vergehen. Unhintergänglich, denn das Gute, die Versöhnung, die Harmonie gehören zu den letzten Dingen und zur Struktur der Welt, der Verfall, die Trennung und die Perversion aber auch. Gott ist, laut Whitehead, die Instanz, die all dieses Geschehen, und die all diese Einzelereignisse bewahrt, in den Grund, in die Erinnerung, in die sie schließlich fallen. Das ist der einheitliche Grund der Welt. Das ist die Einheit der Welt. Und das ist die Einheit der Öffentlichkeit. Ich gehe jetzt mal in die heiligen Serverhallen von Meta, wo die Informationen der durch die Welt gefallenen Ereignisse bewahrt werden und versuche dort, mich in eine mystische Stimmung reinzukriegen. Menschen wollen Stolz und Würde und Identität und Einheit. Ihr Stolz und ihre Würde und ihre Identität bestehen darin, dass sie schließlich – jede_x_R einzelne – nach ethischen Maßstäben gemessen und gerichtet werden, und ihnen gemäß mehr oder weniger bestehen können oder nicht; in der Gegenwart und in der Erinnerung. Tiefer unten im Grund werden sie trotzdem alle bewahrt. Der Maßstab des Ethischen gehört auch zu den letzten Dingen in der Welt und selbst die Menschenwelt ist tief davon durchzogen, dass fortwährend (bis teilweise hektisch) ethische Maßstäbe angelegt werden. Auch die sozialen Medien sind voll davon. In den Inhalten, die auf Facebook generiert werden, drückt sich vielleicht viel weniger, als man gemeinhin bekanntlich glaubt, Selbstdarstellung aus als vielmehr ein dauerndes Diskutieren darüber was richtig ist und was falsch. Das hat manchmal einen höheren Ewigkeitswert, und oftmals nicht. Sie finden trotzdem in einem Rahmen statt. Das Internet bewahrt. Das Internet wiederum ist ein Ereignis in der Welt, und es wird bewahrt im Grund der Welt. Es wird bewahrt, so wie alles andere, im Gemälde Gottes. Wer aber schaut das Gemälde Gottes an? Eben der Große Geist.
„Das Unbehagen der modernen Zeit ist das Unbehagen jeder Zeit. Den Menschen fehlt der Zugang zu ihrem Geist … Neunundneunzig Prozent der Menschen haben keinen Zugang zu ihrem Geist … Ich kann das nicht historisch sehen. Die Geschichte ist für mich ein schwarzes Loch. Was zählt, ist der GEIST. Der Rest ist Schnickschnack.”
Samuel Beckett im Gespräch mit Patrick Bowles, Nov. 1955
Gemeinsam mit Genossen M. habe ich in grauer Vergangenheit festgestellt: Wo Baudrillard entfesselt und selbstzweckhaft vom Simulakrum spricht, da offeriert Debord die stärkere Theorie, indem er diese spezifische Form von gesellschaftlicher Entfremdung (der scheinbaren „Losgelöstheit“ ihrer Zeichen) an die Warenwirtschaft bindet, sie als Epiphänomen des Kapitalismus begreift. Was aber bedeutet eigentlich das? Guy Debords Schlüsselwerk Die Gesellschaft des Spektakels erschien 1967, einer Zeit, wo der westliche Kapitalismus scheinbar seinen größten, entscheidendsten, endgültigen Triumph feiern durfte. Armut und Knappheit schienen überwunden, ebenso wie unversöhnliche Klassengegensätze, die Zukunft leuchtete noch verheißungsvoller als die glückliche Gegenwart in diese herein. Ambivalenz und Ambiguität gab es auch; ein Gefühl dafür, dass anonyme Logiken wie die Technik und die Massenproduktion/konsumtion die Herrschaft über den Menschen übernommen hätten und den Menschen nicht nur von sich selbst, sondern auch von seinem Nebenmenschen entfremden würden; ein Gefühl der Irrealität inmitten penetrant schimmernder Oberflächen – bei einer gleichzeitigen Tristesse der wenig spektakulären und entwickelten urbanen Lebenswelten; einerseits ein Verharren in einer sehr konservativen Mentalität, was vor allem für die Jugend einengend war; andererseits ein Verlust von Tradition und tradiertem Sinn sowie tradierten Hierarchien, was vor allem für Konservative alarmierend schien. Die Filmkunst erreichte dafür einen Höhepunkt, indem Meisterregisseure wie Antonioni, Godard, Tati oder Ozu diese Ambivalenzen zu ihren Themen machten. Die moderne (das heißt offenbar bedeutungs- und geistvolle) Kunst schien sich in der Pop Art zum letzten Mal triumphal aufzubäumen – wobei die gesichtslos-ausdrucksvolle Über- und Unterbestimmtheit, die geheimnislose Geheimnishaftigkeit der Warenwelt von Warhol am symptomatischsten registriert und im Übrigen auch in dieser schweigenden Ambiguität belassen wurde. Ökonomiekritiker und Marxisten wollten sich das nicht leisten und riefen angesichts des Siegeszuges des Kapitalismus kritisch eine Ära des „Spätkapitalismus“ aus. Debord sucht die Gesellschaft in seiner als eine Art Aphorismensammlung gehaltenen Schrift als eine „des Spektakels“ festzustellen: Das ganze Leben der Gesellschaften, in welchen die modernen Produktionsbedingungen herrschen, erscheint als eine ungeheure Sammlung von Spektakeln. Alles, was unmittelbar erlebt wurde, ist in die Vorstellung entwichen, setzt sie, an Das Kapital anspielend, ein(Aphorismus 1). Wo es im Kapital allerdings daraufhin heißt: Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware, bleibt bei Debord eine solche tatsächlich aus: Trotzdem er dauernd davon redet, definiert Debord nie, was ein Spektakel eigentlich sei; und seine Untersuchung ist weniger eine solche als eine fortwährende Aneinanderreihung von Proklamationen. Damit könnte man die Auseinandersetzung mit Debord und seiner Gesellschaft des Spektakels gleich wieder als erledigt betrachten.
Solcherart theoretische Unschärfen könnten allerdings genauso gut ein angemessenes Erkenntnisinstrument sein für Feinheiten oder für Gegebenheiten, die sich der Eindeutigkeit entziehen. Am besten, man fasst das Debordsche Spektakel als eine Art Allegorie. Symbole, Allegorien, Mentalitäten, mentale Repräsentationen oder ein Zeitgeist sind allerdings was, was in der Menschenwelt vorhanden und wirkungsmächtig ist. Und Debord (sowie Baudrillard) sind mit ihren (analytischen) theoretischen Proklamationen immerhin dem Zeitgeist gut entgegengekommen. So erscheint das Spektakel als ein Sinnbild für eine Epoche, in der die Wirtschaft sich verselbstständigt hat; als ein Sinnbild dafür, dass Welt in eine Welt der Oberflächen entschwunden ist, in der kein Terror und keine echte Unterdrückung mehr herrschen, sondern die Macht der Werbung, des Kommerzes und des Fernsehens, die bei aller Freundlichkeit gespensterhaft und unecht wirkt, und ein Unbehagen in der Kultur provoziert. Auf einer so trivialen und offensichtlichen Ebene operiert die Debordsche Diagnostik allerdings nicht – zum Preis aber eben, dass weniger offensichtlich ist, was mit Spektakel eigentlich gemeint ist. Debord erläutert das meistens beispielhaft oder anhand von Aspekten, die mit dem Spektakel einhergehen. Selten wird er konkret und versucht, das Phänomen von der Wurzel her zu bestimmen – und wenn, dann in einer Art und Weise, dass sich die Bestimmung schon wieder schnell verflüchtigt, wie z.B. wenn er sagt: Das Spektakel ist das Kapital in einem solchen Grad der Akkumulation, dass es zum Bild wird. (34) Allgemein versteht er unter dem Spektakel eine Form der irrealen Einheitsstiftung, eine halluzinatorische, implizit propagandistische, ich-syntone Anschauungsdoktrin über eine vermeintlich einheitliche, pazifizierte, mit sich selbst identische Gesellschaft, die in Wirklichkeit aber in sich getrennt ist und in der die bestimmenden Kräfte daran interessiert sind, diese Trennungen aufrecht zu erhalten: die also, genau gesagt, eine kapitalistische Klassengesellschaft ist. Die durch das Spektakel ausposaunte irreale Einheit ist die Maske der Klassenteilung, auf der die reale Einheit der kapitalistischen Produktionsweise beruht. (72) Damit ist das Konzept vom Spektakel so was ähnliches wie der Marxsche Warenfetisch oder eben eine Form des „falschen Bewusstseins“. Debords spezifischer Marxismus legt den Fokus der Kritik weniger auf Ausbeutung sondern vielmehr auf Entfremdung innerhalb kapitalistischer Gesellschaften. Das Spektakel fungiere als Hinwegtäuschung über und gleichzeitig Bekräftigung und Vertiefung der zunehmenden Unfähigkeit der Menschen, einander „authentisch zu begegnen“. Das Spektakel ist materiell „der Ausdruck der Trennung und der Entfremdung zwischen Mensch und Mensch“. (215) Es ist … das Spektakel, das als eine systematische Organisation des „Versagens der Begegnungsfunktion“ und als deren Ersatz durch ein halluzinatorisches gesellschaftliches Faktum zu begreifen ist: das falsche Bewusstsein der Begegnung, die „Illusion der Begegnung“. (217) Die Möglichkeiten der Menschen, einander zu begegnen, liegen letztendlich im Menschen selbst. Die Möglichkeiten der Menschen, einander zu begegnen sind einerseits erstaunlich, andererseits enttäuschend. Das weiß jeder, und das weiß auch Debord. Das macht allerdings Kulturkritik und Untersuchung spezifischer sozioökonomischer Konstellationen und wie sich Menschen darunter verhalten nicht nutzlos. Und Debord steht eben dem Marxismus nahe und will den Gesellschaftszustand im Jahre 1967, einem Jahr des größten Triumphes des Kapitalismus feststellen bzw. möglichst vernichtend kritisieren.
Der Marxismus ist ein groß angelegter – und großartiger – Versuch, den Kapitalismus als Ganzes – und das bedeutet auch: in seiner Eingelassenheit in die Gesellschaft und die Geschichte, in die Menschenwelt insgesamt – zu fassen. Allerdings im Wesentlichen bzw. meistens ausschließlich daraufhin reflektiert, dass er was Falsches und Heteronomes, und (daher) auch etwas zum Scheitern und zum Untergang Verurteiltes sei. Für junge Menschen kann der Marxismus mit seinem scheinbar rational fundierten Welterklärungsanspruch was Faszinierendes sein. Das seltsame Charisma des Marxismus (das ihn auch gleichzeitig an seiner Oberfläche charismatisch leicht und in seinem Kern (der Mehrwerttheorie) charismatisch schwer verständlich macht) liegt darin, dass er vermittelt, zu einer Art traumatischen Kern des Weltprozesses, einem Ding an sich hinter den Erscheinungen, einer unabwendbaren Gesetzmäßigkeit vorzustoßen und zu einer (als „Dialektik“ getarnten) Mechanik, gemäß derer der Kapitalismus (und alles gängige Weltverständnis) aus inhärenten Gründen scheitern und durch etwas anderes (furchtbar Aufregendes und Charismatisches) abgelöst werden müsse. Als derartige Gesetzmäßigkeiten, Entwicklungen, Ursünden, Konsequenzen, Entfaltungen von Widersprüchen werden im Rahmen des Marxismus aufgeführt: das Wertgesetz, die Mehrwerttheorie, der Gegensatz zwischen Gebrauchswert und Tauschwert, der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktivkräfte und ihrer privatwirtschaftlichen Aneignung, die Trennung des Arbeiters von seinem Produkt, die sogenannte ursprüngliche Akkumulation, die Verelendungsthese, der Warenfetisch, der Kapitalfetisch, der Klassenkampf, der Umschlag von Quantität in Qualität und die Negation der Negation innerhalb des Klassenkampfes, die Überakkumulationsthese, die Unterkonsumtionsthese, das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate, die Sprengung der Produktionsverhältnisse durch die Entwicklung der Produktivkräfte, die Determiniertheit des geschichtlichen Verlaufs durch die Ökonomie (in letzter Instanz), die Dialektik zwischen Basis und Überbau, die Konzentration des Kapitals, das Finanzkapital, der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, der Spätkapitalismus, der Neoliberalismus, das Empire. Aus all dem lässt sich aber – weder praktisch noch theoretisch – eine Gesetzmäßigkeit begründen, warum „der Kapitalismus“ „scheitern“ müsse. So gesehen ist der charismatisch vermittelte „Kern“ des Marxismus leer, bzw. ist er vielmehr ein traumatischer Kern, der sich als solcher der Selbstaussage entzieht. Dieser traumatische Kern wäre im Fall des Marxismus ein (hilfloser) Hass auf den Kapitalismus oder auf die bestehende Gesellschaft (oder auf irgendwas wie z.B. Autoritäten – oder auch auf real existierende Ungerechtigkeit – der dann auf die Gesellschaft oder den Kapitalismus projiziert wird). – Natürlich kann sein Kern auch Liebe und Interesse sein; der Wunsch, eine bessere Welt zu schaffen. Ob er dem Hass- oder dem Liebe-Pol näher steht, hängt vom individuellen Fall ab.
Wir befinden uns im Jahr 1967 (Gilles Deleuze). Marxisten ist es immer wieder zu eigen, dass wenn ihre spezifischen Vorhersagen und Prognosen in der Wirklichkeit nicht eintreten, sie dann ganz einfach die Wirklichkeit als etwas Falsches abtun. Die Wirklichkeit als etwas Falsches (und daher auch scheinbar beliebig Veränderbares) abzutun, ist, symptomatischer gefasst, eine Art Grundlage des Marxismus. Debord befindet sich im Jahr 1967 und tut die triumphierende kapitalistische Wirklichkeit als Wirklichkeit insgesamt ab. Das Spektakel, das die Verwischung der Grenzen von Ich und Welt durch die Erdrückung des Ichs ist, das von der gleichzeitigen An- und Abwesenheit der Welt belagert wird, ist ebenso die Verwischung der Grenzen zwischen dem Wahren und dem Falschen durch die Verdrängung jeder erlebten Wahrheit unter der von der Organisation des Scheins gewährleisteten reellen Präsenz der Falschheit. (219) Bei der Lektüre von der Gesellschaft des Spektakels fällt auf, dass all das – die Verwischung der Grenzen von Ich und Welt durch die Erdrückung des Ichs, die gleichzeitige An- und Abwesenheit der Welt, die Verwischung der Grenzen zwischen dem Wahren und dem Falschen durch die Verdrängung jeder erlebten Wahrheit und die Gewährleistung der reellen Präsenz der Falschheit unter der Organisation eines Scheins – von Debord und seinem Spektakel(un)begriff selbst gewährleistet und organisiert wird. Die gesamte moderne westliche Kultur fasst Debord als etwas Spektakelhaftes auf: als etwas, das den Schein einer Einheit und Versöhntheit über eine Wirklichkeit organisieren will, die unversöhnt ist und bleibt. Abermals kommt er mit überraschenden, intelligenten Analysen daher, innerhalb eines Verständnisses allerdings, das willkürlich und selektiv ist (und bleibt). Als libertärer Kommunist ist Debord negativ gegen den Sowjetkommunismus eingestellt, in dem er keinen Kommunismus erblicken will, sondern die Herrschaft einer Bürokratie – die sich aber gleichermaßen des Spektakels bediene. Der Inhalt des sowjetischen Spektakels sei es, die Herrschaft der Bürokratie nach außen hin abzustreiten und die des Kommunismus vorzugaukeln. Ein solches Spektakel ist dann aber was anderes als das „kapitalistische“ Spektakel, das Debord meistens im Blick hat, und ein solcher erweiterter Spektakelbegriff relativiert die Bedeutung und die Skandalträchtigkeit des Spektakels letztendlich: indem es zu etwas den menschlichen Gesellschaften scheinbar mehr oder weniger innewohnendem und zu etwas Natürlichem wird. Als eben libertärer Kommunist strebt Debord deshalb eine ungefilterte Welt an, die sich in Arbeiterräte und Selbstverwaltung organisiert – ohne dass er sich darüber nennenswert auslässt. Das ist nicht verwunderlich, denn die Idealisierung einer solchen Welt als etwas Paradiesisches erscheint naiv. (In seinen zwei Jahrzehnte später erschienenen Kommentaren zur Gesellschaft des Spektakels bezeichnet Debord den „ersten Apologeten des Spektakels“, Marshall McLuhan, mit dessen Vision vom „globalen Dorf“ als den überzeugtesten Dummkopf des Jahrhunderts, denn: Im Gegensatz zu den Städten sind die Dörfer stets von Konformismus, Isolierung, kleinlicher Bespitzelung, Langeweile und dem stets wiedergekäuten Tratsch über einige wenige und immer dieselben Familien beherrscht worden … (XII) Warum sollte das in den Arbeiterräten anders sein? Seine eigene Schrift, Die Gesellschaft des Spektakels, bezeichnet Debord übrigens, schon wieder irgendwie spiegelbildlich dazu, als das wichtigste Buch des Jahrhunderts.) So bleibt Debord dann, in seiner Unfähigkeit irgendwo Wahrheit und Authentizität zu finden, allerdings nichts als die Negation, das Negative als das einzig Wahre anzuerkennen: Die Wahrheit dieser Gesellschaft ist nichts anderes als die Negation dieser Gesellschaft. (199) Sie (die Kritik, Anm.) ist keine Negation des Stils, sondern der Stil der Negation. (204) In der Sprache des Widerspruchs stellt sich die Kritik der Kultur als vereinheitlicht dar: insofern sie das Ganze der Kultur – ihre Erkenntnis wie ihre Poesie – beherrscht und insofern sie sich nicht mehr von der Kritik der gesellschaftlichen Totalität trennt. Diese vereinheitlichte theoretische Kritik allein geht der vereinheitlichten gesellschaftlichen Praxis entgegen. (211) Diese vereinheitlichte gesellschaftliche Praxis führe dann zur „Revolution“. Die Revolution wird jedoch nur triumphieren, wenn sie sich weltweit durchsetzt, ohne irgendeiner noch bestehenden Form der entfremdeten Gesellschaft auch nur den kleinsten Raum zu überlassen. So haben das auch die Roten Khmer verstanden. Der Geist, der stets verneint, ist ja auch bekannt als Mephisto.
Die Gesellschaft des Spektakels ist eine eigentümliche Mischung aus hochintelligenter Diagnostik und Analyse und einem großartigen Sinn, Zusammenhänge herzustellen und Sinn zu stiften und einer brutalen Gleichgültigkeit, anzuerkennen, was objektiv richtig ist und was falsch, was angemessen ist und was nicht, was gut ist und was schlecht. Letzteres ist keine Dummheit, sondern ein obstinater Egoismus und eine dementsprechende emotionale Eingeschränktheit – die dann eben auch auf „den Feind“ übertragen wird bzw. das obstinate Feindbild (als etwas radikal und obstinat Egoistisches) konstituiert und aufrechterhält. Das Spektakel in seiner ganzen Ausdehnung ist sein eigenes „Spiegelzeichen“. (218) Der Egoist sieht im Wesentlichen sich selbst in der Welt bzw. projiziert sein Innenleben in die Welt. Auch wenn es ganz groß angekündigt wird, bleibt das eigentlich Positive, das eigentlich Substanzielle eigentümlich vakant und leer. Es ist ihm schwer anzugeben, wovon er eigentlich redet. Also ist sein Reden ein ständiges Kreisen. Das Spektakel ist absolut dogmatisch, und zugleich ist es ihm unmöglich, zu irgendeinem festen Dogma zu kommen. Für das Spektakel hört nichts auf; dies ist sein natürlicher und dennoch seiner Neigung widrigster Zustand. (71) Debord ist ein eigentümlich offener Geist, der diese Offenheit mit einer radikal geschlossenen Festungsmentalität kombiniert. Sein Hauptthema war, wie authentische Begegnung zwischen Menschen bewerkstelligbar sei – doch wie soll das eben gehen: wenn man in einer Festung haust? In einer Gesellschaft, in der niemand mehr von den anderen anerkannt werden kann, wird jedes Individuum unfähig, seine eigene Realität zu erkennen. Die Ideologie ist zu Hause, die Trennung hat ihre Welt gebaut. (217) Fühlte sich Debord zu wenig anerkannt? Man hat den Eindruck, dass hinter der Entscheidung für eine kommunistische, feministische, antikolonialistische, transaktivistische etc., insgesamt also eine dezidiert herrschaftskritische politische Orientierung ein pathologisches Anerkennungsbedürfnis stecken kann; ein unbedingtes Bedürfnis danach, von „den Mächtigen“ als gleich mächtig oder als noch mächtiger (bzw. als der „eigentlich“ Mächtige) anerkannt zu werden. Da es sich um ein pathologisches Bedürfnis handelt, muss es nicht durch reale (gesellschaftlich vermittelte) Deprivationen provoziert sein (nicht einmal durch reale zwischenmenschlich vermittelte), es mag in diesen aber seine Projektionsfläche finden. In der Regel geht solchen Individuen auch die Empathie für andere ab, so dass sie tatsächlich nicht gut in der Lage sind, andere Menschen und die Gesellschaft insgesamt in ihrer Diversität wahrzunehmen und zu verstehen und ihre eigene Realität zu erkennen. Die Ideologie ist zu Hause, die Trennung hat ihre Welt gebaut. Aufgrund ihrer mangelnden Empathie haben sie auch Schwierigkeiten, anderen Menschen authentisch zu begegnen, und vielleicht weil sie keine Klarheit über sich haben, vermuten sie dieses Unwissen auch bei anderen. Bei den einen und anderen Linken, die frenetisch gegen etablierte Autoritäten anrennen, ist der Wunsch unübersehbar, selbst als Autoritäten anerkannt zu werden. Trotz des Erfolges von Die Gesellschaft des Spektakels hat Guy Debord es abgelehnt, die Rolle einer Autorität einzunehmen. Vielleicht ist das nur eine raffiniertere Eitelkeit, wahrscheinlich aber auch nicht. Das Werk von Guy Debord trägt die Züge eines solitären Denkertums und solitäre Denker lehnen Führungs- oder überhaupt soziale Rollen meistens ab, da sie, sich selbst in andere projizierend, emotional davon ausgehen, dass auch die anderen Menschen selbst denken. Sie merken dann freilich, dass die das (so, in der Form) nicht tun und neigen dann wieder umso mehr dazu, alle anderen deswegen als gehirnamputiert und fremdgesteuert zu verkennen (was sie so, in der Form, nicht sind). Vorher war Guy Debord innerhalb der S.I. eine dominante Figur und ist auch als solche kritisiert worden. Vielleicht hat er sich das zu Herzen genommen. Es ist eventuell schwierig, den Spagat zwischen einem solitären und einem politischen Denkertum zu verwirklichen. Es gibt eine Menge Länder auf der Welt, so Rumsfeld, und eine Menge Menschen. Und jeder ist irgendwie anders und irgendwie für sich. Guy Debord habe ich ja nicht gekannt. Mein Nachbar, W., erinnert sich an die Situationisten als bei bzw. verbunden mit all ihrer Brillanz und historischen Notwendigkeit vielfach einfordernde, größenwahnsinnige und unverschämte Leute. Bei uns in Wien gebe es eine Gruppe von Typen, die nach wie vor auf die Situationisten schwören. Intellektuelle Althippies, die durch ihre Inflexibilität und einen moralischen Rigorismus auffallen – wobei ihre Moralvorstellungen ja insgesamt gut seien. Es ist wahrscheinlich traurig, dass die Welt in einem nur losen Zusammenhang mit diesen Moralvorstellungen steht. Vielleicht war Guy Debord ein trauriger Mensch, und seine Philosophie und Gesellschaftsdiagnose Ausdruck einer elementaren Traurigkeit.
Hassen tut ihn niemand, ausser Löwenthal, aber er wird wegen seiner ungeheuren Unaufrichtigkeit, Eitelkeit und Wichtigmacherei verachtet. Das beweist an sich wenig. Aber leider muss ich mich auch zu denen zählen, die ihn in den letzten zwei Monaten gründlicher kennen und verabscheuen gelernt haben.
Friedrich Pollock an Horkheimer über Theodor W. Adorno
Aus irgendwelchen Gründen lieben es viele Leute, sich für unterdrückt zu halten: von den Eltern, von der Familie, von der Schule, vom Bildungswesen, von Sitten, von Traditionen, von den Medien, vom Kapitalismus, vom Patriarchat, von Männern, von Frauen, vom Staat, von der verstaatlichten Industrie, von der Privatwirtschaft, von der Börse, von der Schulmedizin, von Juden, von Arabern, von Einheimischen, von der NATO, von Transsexuellen, von transexkludierenden radikalen FeministInnen (so genannten TERFs) oder von Chilenen. Diese verschiedenen Gründe wären zu untersuchen, wenn sie auch meistens – sowohl auf der Subjekt- wie auf der Objektseite – klar auf der Hand liegen. Ich für meinen Teil kann nicht sagen, dass ich in meinem Leben großartige Unterdrückung erfahren hätte und auch nicht, dass ich da draußen allzu viel unerbittliche, monolithische Mächte wahrnehmen könnte, die die Gesellschaft beherrschten; bei genauerer Betrachtung verlieren sich der Kapitalismus, das Patriarchat oder die Kultur doch eher in etwas Uneindeutiges und Flüchtiges, von unklar begrenztem Wirkungskreis. Die Gesellschaft ist eigentlich ein ziemliches Nebelreich, in dem alles Mögliche auftaucht und wieder verschwindet. Vielleicht ist es so, dass sich die Leute ihre mentalen Gefängnisse schon auch selbst machen, und das außerdem mit Lust und Verve. Oder sie sind geil darauf triumphieren zu können; von wegen, sie hätten mit diesen klaren Abgrenzungen und Identifizierungen etwas so Tiefes und Unendliches, sich dem erschöpfenden Verständnis ständig Entziehendes wie die Gesellschaft festgestellt und in die Tasche gesteckt. Warum sich z.B. Adorno, obwohl der eigentlich ein Genie war, dauernd unterdrückt gefühlt hat und sich so mehr oder weniger in eine Situation der philosophischen Ausweglosigkeit hineinmanövriert hat, weiß ich nicht. Vielleicht weil er selber von unterdrückendem Temperament war und das dann in die Außenwelt projiziert hat, weil er ja von seiner Innenwelt her nichts anderes kannte. So ist Adorno auch skeptisch gegenüber der Dialektik und überhaupt aller Philosophie und Wissenschaft, die mit Begriffen operiert: denn der Begriff stülpt sich (als etwas gewollt Eindeutiges) einer Sache über und beraubt sie so ihrer Vieldeutigkeit und Autonomie. Der Begriff sei ein Herrschaftsinstrument. Auch wenn z.B. Hegel den Begriff als etwas explizit Dynamisches und dialektisch sich Entwickelndes formuliert, kann Adorno trotzdem in der Hegelschen Philosophie eine Wut zur Einheit bis hin zu einem Größenwahn, den gesamten geschichtlichen Verlauf nach einem Bilde gemäß sehen zu wollen ausmachen (natürlich aber nicht nur das: seine Kritik an Hegel ist keine Totalkritik – meistens ist Adornos Kritik aber eben Totalkritik). Indem Adorno den Begriff quasi als Herrschaftsinstrument identifiziert, stößt er das ausgeglichene Gemüt aber vor den Kopf: denn das ausgeglichene Gemüt wird im Begriff wohl eher ein Erkenntnisinstrument erblicken wollen, das nur irgendwann nachrangig auch ein Herrschaftsinstrument sei. Außerdem wird ihm auffallen, dass Adorno mit seiner Identifizierung und Feststellung des Begriffs als Herrschaftsinstrument ja vielmehr selbst einen autoritativen Akt begeht – der in erster Linie autoritativ und nur nachrangig erkenntnismotiviert erscheint. Worauf Adorno – im rationalen, nachvollziehbaren Teil seines Unternehmens – aber hinauswill, ist eine Negative Dialektik zu formulieren, in der das Amalgam zwischen Bezeichnung (dem Begriff) und Bezeichnetem (der „Sache selbst“) gelockert wird, und dass sowohl die Offenheit und die Autonomie von Begriff und von der „Sache selbst“ gewährleistet bleibt. Freilich ist allein das ganz gewöhnliche philosophische und wissenschaftliche Erkenntnisideal. Adorno geht aber darüber hinaus, indem er in diesem Verhältnis ein grundlegendes „Nicht-Identisches“ verankert: also einen durch den Begriff nie einfangbaren „Rest“, der in der „Sache selbst“ liege (oder umgekehrt). Diese Annahme eines ewigen Nicht-Identischen ist aber eben eine Annahme: die wahrscheinlich davon abhängt, ob man von integrativem Gemüt ist oder von einem exkludierenden. Adorno scheint in seiner mannigfachen Kulturkritik immer wieder beim Durchschnittsmenschen ein intellektuelles und emotionales Sensorium voraussetzen zu wollen, das so raffiniert ist wie sein eigenes. Adornos spezifisches Sensorium ist dabei aber eine vorwiegend zersetzende, zerlegende Intelligenz, zu der es als massives, aber plumpes Gegengewicht dann eben einen vagen Utopismus gibt, der sich zwar will, der aber nicht an sich glaubt und der daher kraftvoll ist und kraftlos zugleich. Immer wieder wird bei Adorno das Nicht-Identische beschworen, ohne genau erklärt zu werden. Meistens findet es sich konnotiert mit dem Spontanen, dem Irrationalen, Ursprünglichen, Koboldhaften – das aber dunkel bleibt (und vielleicht von seiner Qualität her gar nicht so gut ist). Es erscheint so vielmehr als etwas Verdrängtes, oder eine gestörte, traumatische, sich der Versprachlichung und Vergegenwärtigung entziehende Urmacht innerhalb von Adorno selbst, die sich nicht durchschaut und dunkel bleiben will (vielleicht daher auch der Hass auf/die Angst vor der Erkenntnis und der Versuch, sie zu delegitimieren als bedrohliche Macht, als Herrschaftsversuch, der von außen kommt, und der invasiv ins Innerste eindringen will). Als „Trauma seines Lebens“ bezeichnet es Adorno, dass er sich als Komponist nicht verwirklichen konnte, weil seine radikalen Kompositionen in seinen jungen Jahren auf Unverständnis innerhalb der damaligen Gesellschaft gestoßen sind (deren Wesen er deswegen fortan diesbezüglich zu analysieren gedachte – und an der sich scheinbar revanchierte, indem er alles, was die Gesellschaft machte, bei ihm selbst auf Unverständnis stoßen ließ). Vielleicht liegt das Trauma ja auch darin, wonach Adorno kein wirklicher Komponist war. – Ein kleiner, unmusikalischer Mensch wie ich kann das nicht beurteilen. Aber wenn er ein wirklicher Komponist gewesen wäre, hätte er das doch durchgehalten. – Adorno spricht immer wieder von der „Verstümmelung“ des modernen Menschen (durch die Herrschaftsverhältnisse, die Aufklärung, die Kultur etc.), aber so umfangreich und immer wieder deplatziert, dass man meint, eine Projektion eines Verstümmelungserlebnisses Adornos in die ganze Welt hinein vor sich zu haben. Wenn Adorno eine eigene Verstümmelung in die Welt hinein projiziert, scheint das schon ein starkes Stück, eine intellektuelle Fahrlässigkeit, ein Narzissmus. Der Teddie ist der ungeheuerlichste Narziss, den die alte und neue Welt aufzuweisen hat, urteilten über Adorno Menschen, die ihn kannten. In der Tat ist der Narziss, auch bei aller Gebildetheit und Aufmerksamkeit, die er eventuell hat, letztendlich weltlos; die Welt rotiert um ihn, und er hat, mangels Empathie, Schwierigkeiten, die Welt (und „das Andere“) angemessen zu verstehen: er wird ihm seine Herrschaft überstülpen wollen. Wo Adornos Philosophie negativ ist, also in der Herrschaftsanalyse und –kritik, da ist sie stark, nicht eliminierbar und positiv. Wo aber seine Philosophie positiv zu sein versucht, also in der Aufzeigung der Überwindung von Herrschaft und von Befreiung, da ist sie negativ, da herrscht ein Mangel. Befreiung kommt von Subversion von Herrschaft und liegt in einem positiven Imaginären. Mit seiner unerbittlichen Kritik öffnet Adorno einen gigantischen Raum des befreiten Imaginären, das jedoch gleichzeitig vage und dünn bleibt, während dessen sich die Subversion im Selbstzweckhaften zu verirren droht. Bei Adorno hat man das ständige Beschwören eines befreienden Imaginären, ohne dass er dieses Imaginäre selbst denn endlich beschreiben könnte. Freilich stand sein Denken und Schreiben unter dem Eindruck ungeheurer Zivilisationsschocks. Davon abgesehen, wie damit zusammenhängend, war es die Wahrnehmung eines ungeheuren gesamtseelischen Mangels, der als Impetus für das kritische Denken von Adorno und seinen Mitstreitern fungiert hat. Der Legende nach soll es die Wahrnehmung eines Mangels an Eros in der modernen Gesellschaft gewesen sein: eine Unfähigkeit der Menschen, sich auf authentische Weise und liebevoll zu begegnen und Beziehungen zueinander einzugehen jenseits von oberflächlichen; sowie ein Mangel an ästhetischem Sinn. Eventuell also ein Mangel an (so genanntem) <<weiblichem Prinzip>>. Frauen vermochten auf den privaten Adorno großen Eindruck zu machen, und sein Talent zum Beschwärmen weiblicher Schönheit war, der Legende nach, unerschöpflich. Ich zeige mich hocherfreut, das zu hören! In diesem Punkt seien wir uns ja ganz gleich! Denn auch mich begeistert die Schönheit der Frauen. Die mystische Schönheit der Frauen, in ihrer Autonomie, in ihrer wohltuenden Herrschaft – ist sie nicht letztendlich das Imaginäre selbst? Die Schönheit der Frauen ist unendlich; keine sanftere, samtenere Macht findet sich in der Welt. Dass Adorno aber als Denker die Schönheit der Frauen beschreibt – das wäre mir noch nicht aufgefallen. Noch kurioser, finde ich inmitten seiner penetranten Beschreibungen von Herrschaft und Unterdrückung keine über die Unterdrückung der Frauen! Gerade stelle ich mir vor, wie ab einem gewissen Punkt der Lektüre die geeichten Jungfeministinnen Linda, Olga und Pampa doch unwillkürlich, unbeherrscht mit intensivstem Knall explodieren müssten, in kleinste Teile zersprengend, die mit einer Geschwindigkeit von mindestens fünfhundert Kilometern in der Sekunde Richtung Weltraum schießen. Ja, die Frauen; in ihrer Unergründlichkeit. Und Adorno, in seiner rätselhaften Gründlichkeit der Kritik, deren Grund aber wo liegt? Vielleicht kann man es anlehnen an ein Bonmot meiner hochgeschätzten Kollegin aus dem intellektuellen Cabaret, Lisa Eckhart: Man habe immer geglaubt, dem (jüdischen) Adorno ginge es immer nur ums Geld (den Kapitalismus). Aber es ging bei ihm ja gar nie ums Geld/den Kapitalismus – es ging bei ihm immer nur um die Weiber.
Sie sind uninformiert, was empirische Forschung anlangt, aber schreiben darüber in einer autoritären Sprache, so dass der Leser gezwungen ist, an Ihrer Autorität auf Ihrem ureigensten Gebiet, der Musik zu zweifeln. Sie attackieren andere Leute als Fetischisten, als neurotisch und schlampig, zeigen aber sehr deutlich Ihrerseits solche Züge.
Paul Lazarsfeld an Theodor W. Adorno
Weiber sind zwar schön anzuschauen und sie versinnbildlichen heilige Werte; aber sie sind nicht der Endzweck des Philosophierens und der Dialektik. Wahrlich, ich sage dir, Schwester: der Endzweck der Philosophie ist das Erreichen einer kritisch-analytischen synthetisierenden Beschaulichkeit. Der Endzweck der Philosophie wird über Dialektik und dergleichen erreicht, liegt aber jenseits der Dialektik; in keinem Entweder – Oder, sondern eher in einem Sowohl als Auch. Der Endzweck der Philosophie ist es, zu einem tiefen See zu werden, besser zu einem tiefen Ozean. Adornos Negative Dialektik wirkt irgendwie unbefriedigend, irgendwie artifiziell. Wieso daher nicht besser zum Ozean werden, in dem sich keine harten Sachen stoßen, sondern wenig verbunden, lose, vorbei treiben – dabei aber doch integriert sind gleichermaßen und ein Zusammenhang: gestiftet durch den Ozean. Ozean, du bist eine harmonische Sphäre, ein Symbol der Identität: immer gleich zu dir selbst. Du änderst dich nie, und wenn deine Wellen sich türmen im Zorn, sind sie anderswo ruhig und in tiefstem Frieden. Du bist nicht wie Menschen, die in den Straßen herumlungern um zuzusehen, wie sich zwei Hunde gegenseitig die Gurgel zerbeißen, aber die sich beeilen, nicht zu spät zu kommen wenn eine Beerdigung stattfindet; die am Morgen vernünftig sein mögen und am Abend böse; die heute lachen und morgen weinen. Der Ozean hat kein Nicht-Identisches und ist transzendent gegenüber der Dialektik; der positiven wie der negativen. Die Negative Dialektik, damit sie aufgeht, kann vielleicht weniger als ein rationales Verfahren angegeben werden als durch eine Kunst, also durch ein zweckfreies, aber adäquates Assoziieren. Und der Ozean assoziiert. Der Ozean versammelt, doch zwanglos. Die verschiedenen Fischarten im Ozean haben sich keine Bruderschaft geschworen. Ihrer Art gemäß leben sie in ihren eigenen Habitaten. Die Menschen faseln immer von Bruderschaft, leben aber wie Wilde in ihren Höhlen und kommen kaum von dort heraus, um ihren Nachbarn zu besuchen, der in einer ähnlichen Hütte lebt. Die große, umfassende Familie der Menschen ist eine Utopie, die aus der schlechtesten Logik stammt. Es ist angezeigt, ein See, besser noch ein Ozean zu werden, denn Menschen fühlen sich dauernd gekränkt, wenn nicht zerquetscht, wenn sie selbst nicht an der Macht sind und wenn jemand anderer als sie selbst (auch noch) Macht hat. Das zerstört dann ihren Geist und dann reagieren sie mit ihrem Vernichtungswillen. Von einer Macht, von Herrschaft kann man sich psychologisch nur gekränkt fühlen, wenn man ein Ego hat. Der Ozean hat aber kein Ego und keine kompakte Mitte; er verteilt sich gleichmäßig in sich selbst und nach überall hin. Ozean, du hast dem Menschen vieles gegeben. Du hast dem Menschen bereits dem Wal gegeben. Dennoch gibst du nicht willentlich die tausend Geheimnisse deines traulichen Organismus den hungrigen Augen der Menschen preis: du bist bescheiden. Es lobt der Mensch sich unaufhörlich und um nichtiger Gründe willen. Der Ozean hat keinen Kern und keine Hierarchie, also kein Ich: eher gleicht er einem Selbst; und ein Selbst ist unzerstörbar. Einen Schlag verpassen kann man dem Ozean nicht, denn das ist ein Schlag ins Wasser. Der Mensch sagt: „Ich bin intelligenter als der Ozean!“. Das ist möglich. Aber der Ozean löst stärkere Furcht aus beim Menschen, als der Mensch beim Ozean. Der See und auch der Ozean können versaut, eventuell zerstört werden. Damit er nicht durch äußere Einwirkung zum Kippen gebracht werden kann, ist es notwendig, dass der Ozean riesig und allesverdauend ist. Ebenso bleibt es wohl auch notwendig, dass der Ozean trotzdem seine Ufer hat; es was anderes gibt als ihn: die anderen Kreaturen und Ozeane, die Welt. Eine Lemsche Solaris als tatsächlich planetarische Intelligenz ist offensichtlich solipsistisch und irrational und kann sich nicht durchdringen und so ist auch keine eigentliche Kommunikation mit ihr möglich. Je mehr man aber zum Ozean wird, desto weiter rücken die Ufer auseinander und rücken gegeneinander in eine hilflose Ferne, in eine bestenfalls zappelnde und piepsend sich artikulierende Exzentrik. Was aber geht diese Exzentrik den Ozean an? Der Ozean gehört sich erheblich selbst. In seinem Träumen verloren prozessiert sich ewiglich der Ozean. In seinen endlosen Weiten spiegelt sich das Firmament. Und im Firmament drücken sich die kosmischen Gesetze aus. Was ist der Ozean gegen den Äther?, fragt Hölderlin: doch der Ozean spiegelt und imitiert den Äther. Stumm träumt der Ozean und stumm spricht das Firmament zu uns, von den ewigen Gesetzen. Die Kämpfe der Welt, die Kämpfe zwischen Gut und Böse, sie gehen den Ozean weniger an, denn der Ozean ist alt. Die Kämpfe zwischen Gut und Böse, zwischen Ordnung und Unordnung, sie spielen sich im Ozean anders ab, denn der Ozean ist eine andere Ordnung. Lautréamont wollte mit seiner ozeanischen Intelligenz früh durch das Böse hindurch und er wollte durch das Gute hindurch. Leider starb er jung, und seine Legende strebt verflüssigt ins Indefinite, wie der Ozean. Ich grüße dich, alter Ozean! Vielleicht hätte Adorno Lautréamont lesen sollen: aber ob er ihn verstanden hätte? Es gibt hunderte von Leviathanen, erzeugt durch den Menschen. Die harschen Kommandos der Offiziere, das Geschrei der Verwundeten, die Kanonenschüsse: all das ist Getöse, um gerade ein paar Sekunden in der Zeit abzutöten. Schon hat der Ozean es verdaut, denn sein Schlund ist enorm. China wird große Schwierigkeiten haben, Taiwan einzunehmen, denn der Ozean ist fast immer zu rau für eine große Invasionsflotte um ihn so einfach zu überqueren. Ansonsten ist er insgesamt der Stille Ozean. Wellen kräuseln sich an seiner Oberfläche, dort allerdings und da, vielmehr ist der Ozean aber Ruhe. In einer einsamen Region, verloren auf dem Ozean, kommt eine Monsterwelle daher und bringt ein Schiff spurlos zum Verschwinden. Wie Monsterwellen entstehen, hat der Mensch noch nicht ganz geklärt. Und weil er sie sich nicht erklären konnte, hat er lange nicht geglaubt, dass es sie gibt. Die Menschen haben, trotz der Exzellenz ihrer Methoden und unterstützt durch ihre Wissenschaft es nicht geschafft, die Tiefen des Ozeans zu erforschen. Ozean, du hast Tiefen, die die umfangreichsten Sondierungen als unbegehbar anerkennen. Sie bleiben den Fischen vorbehalten, nicht den Menschen. Vielleich, wahrscheinlich, gibt es im Ozean auch ein Bermuda-Dreieck oder ein Kap Hoorn, wo Strömungen in einer raffinierten Weise zusammenkommen und alles mit sich reißen und hinein in ihre Rätselhaftigkeit und Undurchschaubarkeit – oder die vielleicht sogar Tore zu einer außerirdischen Welt sind. Auch mit diesen Tricks konfrontiert uns der Ozean. Über den Ozean passiert vieles, er ist riesiger Raum, eine plane Homogenität auf der sich umso heterogenere Dinge ereignen können. Eine Homogenität, die Begegnungsraum für Heterogenes ist. Riesiger, endloser Ozean! Tausend Seemeilen vor Neuseeland treiben da zum Beispiel braune, scheinbar körnige Schlieren im Wasser, die zunehmend größer und häufiger werden und in denen felsenartige Dinge auftauchen. Ein Bimssteinfloß! Bimssteinflöße im Meer entstehen aus submariner vulkanischer Aktivität, durch Unterwasser-Vulkanausbrüche. Der verlorene Bimssteinfloß vor Neuseeland hat eine Ausdehnung von sechsundzwanzigtausend Quadratkilometern und damit fast die Größe von Belgien. Somit fällt er im Ozean trotzdem kaum auf. Weiter in seinem Zentrum ballt sich der Bimsstein gar zu einem schwimmenden Felsteppich, einer schwimmenden Felslandschaft, die sich zuweilen wellenartig auftürmt. Wenn ein Bimssteinfloß schließlich auf einen Hafen trifft, verstopft er dort alles. Schiffe, die durch Bimssteinflöße manövrieren, fahren durch diesen wie durch Sandpapier, und sollten daher möglichst schnell von dort weg. Die Bimssteine selber fungieren als Biotope. Im Laufe ihrer Reise können Bimssteine zu einem Zuhause für mehr als achtzig verschiedene Arten von Meereslebewesen werden, allen voran Muscheln und Schalentieren und Krebsen; sie können auch ganze Mikromilieus beherbergen. Wenn die Bimssteine an Land gespült werden, bringen sie diese Lebewesen mit sich. Damit spielen Bimssteinflöße eine wichtige Rolle in der Ausbreitung von Lebensformen über die Weltmeere hinweg. Solche Dinge können passieren und können einem begegnen, in den Weiten und Tiefen des Ozeans. Der Ozean enthält auch Steinwüsten. Ich grüße dich, alter Ozean! :: In einer verlassenen Region, die von Seeleuten aufgrund der dortigen trägen Strömungen und der häufigen Flaute gemieden wird, trifft die einsame Seefahrerin Britta unerwartet auf einen Müllwirbel, der in keiner Karte verzeichnet ist. So segelt sie durch ein riesiges Meer von Dreck, Ablagerungen aus alten Fischernetzen, Plastikflaschen, Plastikenten, Legosteinen, Mobiltelefonen, Kondomen, Kugelschreibern, Microbeads, Schwimmreifen oder Computern; über Seemeilen hinweg. Jedes Mal, wenn Britta an Deck geht, treibt eine neue Müllinsel an ihr vorbei, einmal bestehen sie aus Zahnbürsten und Feuerzeugen, dann aus Fußbällen, dann aus Sexpuppen, dann aus Kajaks. Teilweise ist dieser Müll bis zu fünfzig Jahre alt. Wie Müllwirbel entstehen und wie sie sich bewegen ist der Forschung noch weitgehend unbekannt. Da Meere aber Strömungswirbel aufweisen, ist es zu erwarten, dass der Zivilisationsmüll, der in den Meeren landet, von diesen Wirbeln angezogen und angesaugt wird. Der größte marine Müllwirbel, der Great Pacific Garbage Patch, treibt tief im Stillen Ozean zwischen Hawaii und Kalifornien und hat die dreifache Größe von Frankreich. Er ist, genau genommen, eine Müllgalaxie. Auch insofern er von geringer Dichte ist und weniger aus schwimmenden Müllinseln, sondern hauptsächlich aus einer erhöhten Anhäufung von Mikroplastik besteht. Da der Great Pacific Garbage Patch zu weit draußen im Ozean schwimmt, will keine Nation die Verantwortung und die Kosten auf sich nehmen, ihn abzutragen. Umweltschützerinnen wollen deshalb, dass dem Great Pacific Garbage Patch der Status einer eigenen Nation zuerkannt wird, auf dass andere Nationen gemäß der UN-Charta sich in die Pflicht genommen finden, dieser bei ihren Umweltproblemen zu helfen. Als Nation heißt der Great Pacific Garbage Patch Trash Isles. Trash Isles hat einen eigenen Pass und eine eigene Währung, den Debris. :: Trotzig zieht anderswo The World ihre Schneise durch das Weltmeer. The World ist ein spezielles Wohnkreuzfahrtschiff für sehr Reiche, die sich dort für einige Millionen eigene Apartments erwerben können; eine schwimmende Gated Community für Geldadelige, die so der Welt entfliehen wollen. Oder eben ganz in ihrer eigenen und ganz in der übrigen anderen Welt gleichzeitig leben wollen: die namensgebende und identitätsstiftende Idee von The World ist es, dass man „die Welt bereisen kann, ohne wegzufahren“. The World ist immer irgendwo und folgt mit ihren Millionärinnen und Milliardären keiner festgelegten Route; das jeweils nächste Reiseziel wird „gemeinschaftlich“ ad hoc festgelegt. So zieht sie solitär ihre Bahnen. Es scheint, The World segelt immer am Horizont, ist ihr eigener Horizont, ein wandelnder, segelnder Horizont des Gesellschaftlichen, an dem die Zeichen und die Sinnhorizonte in ihrer Bedeutung verschwimmen und gleichzeitig erstarrt, erstarrend einem entgegentreten. Sie hat etwas Endzeitliches. Beobachter wollen dort einerseits eine gelöste Atmosphäre feststellen, in der sie „privilegierte Menschen zum ersten Mal erkennbar glücklich“ erleben; anderen fällt eine „tiefe Finsternis“ auf, von der das ganze Schiff durchzogen sei. The World, so bewirbt sie sich selbst,sei Vollendung und Destillat der Kunst, reich zu sein. :: In den Tiefen der polaren Grenzregionen schwimmen, in surrealer Langsamkeit, die Eishaie. Eishaie gehören zur Gattung der Schlafhaie; sediert wirkend bewegen sie sich träge mit höchstens einem Kilometer pro Stunde durch ihren extremen, energiearmen Lebensraum. Ächzend archaische Kreaturen, sind sie eine ungewöhnliche Begegnung, und wenig ist der Forschung bislang über die Lebensweise dieser unzugänglichen Tiere bekannt. Eishaie können offenbar bis zu acht Meter lang und vierhundert Jahre alt werden oder noch mehr; wohl aufgrund ihres stark verlangsamten Stoffwechsels. Damit sind sie die langlebigsten Wirbeltiere der Erde. Sie wachsen im Laufe ihres Lebens in sehr verzögertem Tempo und gelangen erst in einem Alter von mindestens hundertdreißig Jahren zur Geschlechtsreife. In der extremen, extrem exzentrischen Lebenswelt der Eishaie gehen die Uhren anders; und ist der Raum anders, ganz zu schweigen von den Licht-, ganz zu schweigen von den Druckverhältnissen, und den Temperaturen sowie der umgebenden Fauna. Man nimmt an, die schwunglosen Eishaie ernähren sich von Robben, die sie im Schlaf überraschen. Man hat aber auch schon Knochen von Eisbären in den Mägen von Eishaien gefunden. Mühsam ernährt der Eisbär andere, am kalten Polar. – All diese Möglichkeiten liegen innerhalb des Ozeans – und all diese Möglichkeiten liegen innerhalb des Geistes! Warum hat Adorno solche Schwierigkeiten, das zu erkennen – und die Welt damit geistig zu vereinigen? Wir wissen es nicht: es liegt auf dem Grunde seines Ozeans. Vielleicht war Adorno zu gesellschaftsorientiert. Nichts wirklich Authentisches mag dabei vielleicht rauskommen. Einzig solitäre Denkerinnen wie Montaigne, Kierkegaard oder Nietzsche sind für Adorno in der Lage, sich jenseits von Dialektik und Negativer Dialektik zu bewegen, und ein Wissen zu begründen, das kein Herrschaftswissen sei. Dabei sind solche Denkerinnen, genau genommen, keine echten Philosophen und, noch genauer genommen, gar keine Wesen der Gesellschaft; sie nehmen an den Ritualen der Gesellschaft gar nicht teil. Daher können (und wollen) sie in der Gesellschaft keine Herrschaft ausüben, und wenn doch, dann (wie im Fall von Montaigne (allerdings eventuell nicht im Fall von Kierkegaard oder Nietzsche!)) eine gute. Ich habe keine Herrschaftsansprüche gegen Kierkegaard, Hegel oder Nietzsche. Aber mein rastloses Erkenntnisinteresse beunruhigen sie. Alle geistigen Erscheinungen beunruhigen mein Erkenntnisinteresse. Ich muss durch diese Erscheinungen jeweils hindurch um sie, in ihrer Widerspiegelung durch mich, in meiner Vergegenwärtigung ihrer, zu pazifizieren. So studiere ich diese geistigen Erscheinungen möglichst genau und schreibe möglichst endgültige Texte über sie. Damit verschnüre ich diese beunruhigenden geistigen Erscheinungen zu Paketen und versenke sie auf den Grund meines Ozeans. Dort sollten sie mich, zumindest für eine ganze Weile, nicht mehr beunruhigen und nicht mehr stören. Irgendwann werden sie womöglich vereinzelt wieder hochkommen – dann verschnüre und versenke ich sie erneut. Alter Ozean, diese Ausführungen zu Adorno und seiner Negativen Dialektik sind dagegen einstweilen eher nur beiläufig, nur ein intelligentes Experiment. Überhaupt werden in den Tiefen des Ozeans nur Experimente durchgeführt; nichts was Anspruch auf endgültige Wahrheit erhebt. Adorno hat kaum angegeben, was endgültige Wahrheit eigentlich ist. So etwas wie endgültige philosophische Wahrheit kann man sich aber als etwas vorstellen, was über mehrere Dimensionen erscheint. Die endgültige philosophische Wahrheit ist etwas klar Abgegrenztes, das dabei von einem Saum des Experimentellen, des Traumhaften und Unbestimmten umgeben ist; einerseits ein klar begrenztes Territorium ihm gegenüber errichtet, andererseits in diesen abfällt, sich eventuell sogar in diesen flüchtet. Die Dialektik der Aufklärung war, in ihrer Paradoxie, ein Wahrheitsereignis. In ihr hat man dieses Kompakte und Bestimmende, die Komplexität Reduzierende auch; genauso wie das Irreale, das Fliehende, das Glimmende aus dem höheren Raum, das durch die allgegenwärtigen morschen Ritzen der neuzeitlichen Industriewelt ebenso unsicher und verklärt und sich mit sich selbst nicht identisch fühlend wie wütend und protestierend zu uns Gegenwärtigen und Zukünftigen hinein scheint. Das Reale und das Imaginäre bei der Dialektik der Aufklärung hat man auch in ihrer Sprache. Die Sprache der Wahrheit streng bestimmend und lockernd zugleich. Die Sprache der Wahrheit ist fest und robust. In der Sprache der Wahrheit werden die Schrauben angezogen. In einer anderen Dimension der Konstruktion werden sie gelockert. Die Sprache der Wahrheit errichtet strenge und undurchdringliche Verstrebungen aus Graphen. Nach hinten galoppiert sie auf einer experimentellen Fluchtlinie davon. Die Negative Dialektik ist ein ähnliches Unterfangen, aber man muss sie in höheren Dimensionen betrachten, dann realisiert sich ihr eigentlicher Sinn. Ich grüße dich, alter Ozean!
Veröffentlicht am 11. September 2022, Adornos hundertneunzehntem Geburtstag
In der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, die aus neun Sätzen/Thesen und deren Begründung besteht, konstatiert Kant: Das größte Problem für die Menschengattung, zu dessen Auflösung die Natur ihn zwingt, ist die Erreichung einer allgemeinen das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft…. d.i. eine vollkommen gerechte bürgerliche Verfassung… (Fünfter Satz, S.39) Und fügt sogleich hinzu: Dieses Problem ist zugleich das schwerste, und das, welches von der Menschengattung am spätesten aufgelöset wird. (Sechster Satz, S.40) Dass er das konstatiert, passiert in ideeller, in geschichtsphilosophischer Absicht. In der empirischen Welt scheint in erster Linie das Chaos zu regieren, und die Geschichte scheint keinem vernünftigen Plan zu folgen. Aufgabe der Philosophin kann es aber nicht sein, davor zu kapitulieren. Die Voraussetzungen in jenem Jahr 1784 sind so schlecht für ein solches Unterfangen nicht. Die menschliche Vernunft war als bedeutende Macht erkannt, welche Wissenschaft generiert, neue Rechtsauffassungen, neue Politik, welche in die Welt eingreift und sie zu verbessern imstande ist. Der Mensch wurde autonom, die Geschichte veränderbar. Das Leitziel des menschlichen Geschlechts konnte dadurch ein anderes werden: Nicht mehr, dass es sich, im Rahmen einer göttlichen, festgefügten Ordnung, bloß reproduziere, sondern, dass es sich auf einer höheren Ebene, einem höheren Qualitätsniveau der geschaffenen und zu schaffenden Lebenswelt fortpflanze. Die Anlagen dafür lägen im Menschen – qua seiner Vernunft – selbst, und: Die Natur hat gewollt: daß der Mensch alles, was über die mechanische Anordnung seines Daseins geht, gänzlich aus sich selbst herausbringe, und keiner anderen Glückseligkeit, oder Vollkommenheit, teilhaftig werde, als die er sich selbst, frei von Instinkt, durch eigene Vernunft verschafft hat. (Dritter Satz, S. 36) Jetzt aber kommt`s: Das Mittel, dessen sich die Natur bedient, die Entwicklung aller ihrer Anlagen zu Stande zu bringen, ist der Antagonism derselben der Gesellschaft, so fern dieser doch am Ende die Ursache einer gesetzmäßigen Ordnung bringen wird. (Vierter Satz, S.37) Nicht die Harmonie, sondern der Antagonismus, der Krieg ist der Vater aller Dinge und der Entwicklung aller inneren Anlagen. Ich verstehe hier unter dem Antagonism die ungesellige Geselligkeit des Menschen… (ebenda): Dass der Mensch also ein Wesen der Gesellschaft ist und ihrer bedarf, wie gleichzeitig ein Einzelwesen, das seine Vernunft und Kreativität, seine Waghalsigkeit und sein Abenteurertum nur dann richtig entfalten kann, wenn es sich vereinzelt und aus der Gesellschaft ausbricht. Diese Ungeselligkeit sei, was Erfindungen, Kunst, Technologie etc. ermögliche, mithilfe derer sich die Gesellschaft weiterzuentwickeln imstande ist. Die zwischenmenschliche Konkurrenz und die Rivalitäten, das hartnäckige Ringen mit der Natur und um Kultur – und (eventuell) weniger die Beschaulichkeit – seien dafür die eigentlichen Triebfedern. Der Konflikt sei der Motor der Geschichte. Der Mensch will Eintracht, aber die Natur weiß besser, was für seine Gattung gut ist: sie will Zwietracht. (S.38f.) …. Die natürlichen Triebfedern dazu, die Quellen der Ungeselligkeit und des durchgängigen Widerstandes, woraus so viele Übel entspringen, die aber doch auch wieder zur neuen Anspannung der Kräfte, mithin zu mehrerer Entwicklung der Naturanlange antreiben, verraten also wohl die Anordnung eines weisen Schöpfers; und nicht etwa die Hand eines bösartigen Geistes, der in seine herrliche Anstalt gepfuscht oder sie neidischer Weise verderbt habe. (S.39) Die Natur selbst sei, wenn man so will, vernünftig, beziehungsweise schaffe eine Basis für einen vernünftigen menschheitsgeschichtlichen Verlauf, eine allgemeine Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. Entwickeln könne der vernunftbegabte Mensch seine guten, vernünftigen Anlagen am Besten dann, wenn er ausreichend „ungesellig“ und frei sein kann, d.h. keiner niederdrückenden Autorität unterworfen. Damit die Gesellschaft keiner niederdrückenden Autorität eines Leviathans unterworfen sei, sei eben die Erreichung einer allgemeinen das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft…. d.i. eine vollkommen gerechte bürgerliche Verfassung notwendig. Eine vernünftige Ausformulierung und Begrenzung der Rechte und Pflichten des einzelnen Menschen seitens der Gesellschaft, eine vernünftige sittliche Verinnerlichung der gesellschaftlichen Prinzipien seitens des Individuums. Eine vernünftige und ethisch nachvollziehbare Mediation von Konflikten zwischen und für vor dem Gesetz gleichen Rechtssubjekten; eine produktive Instrumentalisierung des „Antagonisms“ zum Zwecke der allgemeinen Glückseligkeit und des Fortschrittes. Die Schaffung eines solchen Menschentypus und die Schaffung eines solchen Gesellschaftstypus sei Sinn und Verwirklichung der allgemeinen (universalen) Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. Gleichsam folge dieses nur dem Plan der Natur und sei die Verwirklichung der durch die Natur gegebenen Anlagen. Kants Schrift ist kurz und skizzenhaft und mit: Wir wollen sehen, ob es uns gelingen werde, einen Leitfaden zu einer solchen Geschichte zu finden, und wollen es dann der Natur überlassen, den Mann hervorzubringen, der im Stande ist, sie danach abzufassen, beendet Kant bescheiden seine Einleitung zu seiner Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. Offensichtlich war dieser Mann aber dann Hegel. – Zwei Jahrhunderte später (1970) wird Michel Foucault in seiner berühmten Inauguralvorlesung am Collège de France (veröffentlicht als Die Ordnung des Diskurses) dann konstatieren: Aber um Hegel wirklich zu entrinnen, muss man ermessen, was es kostet, sich von ihm loszusagen; muss man wissen, wie weit uns Hegel insgeheim vielleicht nachgeschlichen ist; und was in unserem Denken gegen Hegel vielleicht noch von Hegel stammt; man muss ermessen, inwieweit auch noch unser Anrennen gegen ihn seine List ist, hinter der er uns auflauert: unbeweglich und anderswo (Foucault S.45) – und es ist bemerkenswert, dass Foucault hier Hegel so prominent, gar gleichsam zentral erwähnt: da sich Foucault in seiner eigenen Philosophie mit Hegel kaum explizit beschäftigt (er erwähnt Hegel in Bezug auf seinen geschätzten Lehrer Hyppolite, der Hegel-Exeget war: aber das, was er meint, ist von viel größerem Umfang und betrifft die moderne Philosophie selbst). In einer anderen Hinsicht allerdings scheint sein gesamtes geistiges Ringen als eines mit Hegel: dem Wahnsinn/der Unvernunft als Gegenstück zur Vernunft eine Stimme zu verschaffen; gegen „Einschließungssysteme“ zu rebellieren; Aufklärung nicht nur als Entwicklung zur Freiheit hin zu fassen sondern zu neuen Formen der Unterdrückung, die tief ins Subjekt hineinreichen; die Wissenschaft vom Menschen und den Humanismus selbst fragwürdig erscheinen zu lassen (und am Ende dann doch erst wieder „das Subjekt“ und die Notwendigkeit zu seiner Selbstpflege zu entdecken). Und dieses Ringen mit Hegel – direkt oder indirekt – ist vielleicht eines (wenn eben nicht sogar das), das die neuere Philosophie – und noch viel mehr als das: die menschlichen Hoffnungen auf eine Befreiung des Individuums und einer zur Vernunft und zur Harmonie bestimmten Wirklichkeit – an sich kennzeichnet. Das, was man in der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht hat, und das, was man bei Hegel hat, ist im Wesentlichen das Programm der Moderne. Die Epoche eines vernunftbegabten, vernunftfähigen, durch Bildung zur Vernunft geführten Subjekts, das in einen vernünftigen, progressiven geschichtlichen Verlauf eingelassen ist, bzw. fähig ist, diesen zu als solchen zu gestalten – oder zu verunstalten —: und das aus viel komplexeren Motiven als aus bloßer „Unvernunft“ oder „menschlicher Triebnatur“: sondern aus der womöglich zweifelhaften Natur der „Vernunft“ selbst… – ist nicht vielleicht sogar die ewige Verunstaltung das eigentliche Thema der Menschheitsgeschichte? Kant selbst hat mit Skeptizismus gegenüber dem empirischen geschichtlichen Verlauf als realen Kontrast zu seiner Idee von einem nicht gespart: Da die Menschen in ihren Bestrebungen nicht bloß instinctmäßig wie Thiere und doch auch nicht wie vernünftige Weltbürger nach einem verabredeten Plane im Ganzen verfahren: so scheint auch keine planmäßige Geschichte (wie etwa von den Bienen oder den Bibern) von ihnen möglich zu sein. Man kann sich eines gewissen Unwillens nicht erwehren, wenn man ihr Thun und Lassen auf der großen Weltbühne aufgestellt sieht und bei hin und wieder anscheinender Weisheit im Einzelnen doch endlich alles im Großen aus Thorheit, kindischer Eitelkeit, oft auch aus kindischer Bosheit und Zerstörungssucht zusammengewebt findet: wobei man am Ende nicht weiß, was man sich von unserer auf ihre Vorzüge so eingebildeten Gattung für einen Begriff machen soll, steht da am Anfang, und: Denn was hilft´s, die Herrlichkeit und Weisheit der Schöpfung im vernunftlosen Naturreiche zu preisen und der Betrachtung zu empfehlen: wenn der Teil des großen Schauplatzes der obersten Weisheit, der von allem diesen den Zweck enthält. – die Geschichte des menschlichen Geschlechts – ein unaufhörlicher Entwurf dagegen bleiben soll, dessen Anblick uns nötigt, unsere Augen von ihm mit Unwillen wegzuwenden, und, indem wir verzweifeln, jemals darin eine vollendete vernünftige Absicht anzutreffen, uns dahin bringt, sie nur in einer anderen Welt zu hoffen? steht da am Ende(S.49) (nur solche Gesellschaften aber würden noch Jahrhunderte später bewundert, studiert und zu Rate gezogen werden, die sich in weltbürgerlicher Absicht zu verwirklichen vermochten, lautet dann das finale Verdikt). Und auch Hegel selbst war ein Luftikus und bloßer Optimist nicht: Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks. Die Perioden des Glücks sind leere Blätter in ihr, denn sie sind Perioden der Zusammenstimmung, des fehlenden Gegensatzes. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.42) – Noch im selben Jahrhundert Hegels wurden wirkungsmächtige philosophische Zweifel an der Vernünftigkeit der Welt formuliert, oder aber Individualitäten und Partikularitäten artikuliert, die sich schwer unter ein Allgemeines oder eben eine allgemeine Idee subsumieren lassen (am Bekanntesten durch Schopenhauer, Kierkegaard, Nietzsche). Marx stellt – noch wirkungsmächtiger, wie sich erweisen sollte – Hegel „vom Kopf auf die Füße“ und formuliert den dialektischen Materialismus. In der Hochmoderne treten – als Schatten zum Fortschrittsglauben – Pessimismen auf, angesichts eines scheinbaren Übermächtigwerdens des technischen und gesellschaftlichen Fortschritts und einer scheinbar daraus folgenden „Entfremdung“ des Menschen: einer Aufklärung, einer Vernunft und eines allgemeinen geschichtlichen Verlaufs, die heteronome Logiken und Geister produzieren, die man nicht mehr los wird. Heidegger ruft inmitten dessen zu einem „besinnlichen Denken“ auf; Adorno und die Frankfurter Schule zu einer „Negativen Dialektik“ (der Aufklärung). Foucault selbst gilt, mit seiner Liebe für von der Geschichte und von „der Macht“ unterdrückten „Diskursen“, die er sichtbar machen will, und anhand derer er Gegenentwürfe zur „Macht“ entwickeln zu gedenkt, als exemplarischer Vertreter der Postmoderne. Der scheinbar totalitäre Systemdenker Hegel fungiert der „Postmoderne“ als Feindbild; die „Postmoderne“ selbst sieht sich als Versuch, solch totalisierendem und systematisierendem Denken zu entkommen – wobei Foucault zumindest intelligent (oder „dialektisch“) genug ist, zu erkennen, welche Schwierigkeiten da lauern: Kann man noch philosophieren, wo Hegel nicht mehr möglich ist? Kann es noch eine Philosophie geben, die nicht mehr hegelianisch ist? Ist das, was in unserem Denken nicht hegelianisch ist, notwendigerweise auch nicht philosophisch etc. bohrt er weiter (Foucault S.46) Oh ja! – ist Hegel denn nicht die Achse, entlang nicht nur die neuere Philosophie verläuft, sondern das (zumindest westliche) Denken und Hoffen insgesamt? Hegel: der archetypische Philosoph – mit der archetypischen Philosophie – der jüngeren (industrialisierungszeitalterlichen) Moderne. Ist also unser industrialisierungszeitalterliches Denken – und unsere Politik – etwas, das bei Hegel vorgezeichnet wird? Foucault suggeriert in seiner Inauguralvorlesung: Hegel sei ein Erfahrungsschema der Modernität. Sogar ich selbst habe damals (daran anknüpfend) meine Diplomarbeit Der Bildungsbegriff als Erfahrungsschema der Modernität genannt. Es ging darin eben um das Konzept eines vernunftfähigen, durch Bildung zu Vernunft und Humanität gebrachten Subjekts, das in einen als progressiv vernünftig angenommenen bzw. erhofften modernen geschichtlichen Verlauf eingelassen sei, als eine Art Leitbild, über die sich die Geschichte der modernen Philosophie eventuell nachzeichnen ließe. Nichts, von dem was in meiner Diplomarbeit drinnen steht, ist dabei wichtig. Es ist eine akademische Arbeit, und das Thema akademisch zu verstehen und dessen letzte Ausläufer in der postmodernen Philosophie zu verstehen, ist ja auch gleichsam eine Kinderjause. – Die Mysterien der Philosophie Hegels zu verstehen, die tiefsinnigen, hochgradig ahnungsvollen Mysterien des absoluten Geistes: das ist etwas – wenn er sehr viel Glück hat – für den reifen Mann. Es ist sehr viel schwieriger und benötigt Jahrhunderte. Die postmoderne Philosophie z.B. erscheint knallig, ein wenig schwer verständlich in ihrer Paradoxie, und sie ist anziehend und sehr charismatisch. Und sie ist relatives und relativierendes Wissen; ein Wissen eben für junge, unvollständige und relative Leute. Hegel ist überhaupt nicht charismatisch; er ist ein Opa und einer der furchtbarsten Schriftsteller der Philosophiegeschichte. Aber seine Weisheit ist eben tatsächlich gleichzeitig uralt – und älteste Weisheit – wie sie zukünftig ist. Es ist eine Sache, in das Zeitalter einzudringen und eine neue Lösung, eine neue Darstellung, Heuristik, Handlungsempfehlung etc. für es zu finden (so eben z.B. bei der Postmoderne). Eine andere ist, durch sein Zeitalter hindurch alle Zeitalter zu durchdringen und seinen Geist dagegen in Stellung zu bringen – wie man diese Bewegung eben bei Hegel hat. Versuchen wir also diese Bewegung Hegels nachzuvollziehen, versuchen wir ihn einzuholen und ihn – ein verwegenes Unterfangen! – eventuell zu überholen.
Die Vernunft hat immer existiert, nur nicht immer in der vernünftigen Form, schreibt Marx 1843 an Ruge; damals zutiefst verstrickt in kritische Auseinandersetzung mit Hegel. Tatsächlich ist ziemlich viel von dem, was der Mensch je gemacht hat, vernünftig, auch wenn es nicht so scheint. Irrationale Rituale, Etiketten, Vorschriften, Ahnenkulte, Traumdeutungen, Versuche, die Natur zu beherrschen oder die Zukunft vorherzusagen sind Ausflüsse von Vernunft in traditionellen, geschlossenen Gesellschaften, in denen der Mensch wenig Macht über die Natur hat und auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und hierarchische Arbeits/Geschlechterteilung angewiesen ist, um überleben zu können. Eine Furcht vor Innovation und Veränderung, die das fragile, stets an der Kippe stehende Gleichgewicht stören und als scheiternde Versuche womöglich ganz zusammenbrechen lassen. Das ist freilich recht idealtypisch. Je besser eine Gesellschaft aber darin wird, die Natur zu beherrschen – durch neuzeitliche Technologie – desto eher bestehen Chancen, dass sie von einer geschlossenen zu einer offenen (vernunftorientierten) Gesellschaft übergeht. Inwieweit diese Möglichkeiten ergriffen werden, scheint nicht zuletzt aber auch vom Denken abzuhängen. China war bekanntlich mit etlichen Innovationen früher dran als Europa, hat diese Innovationen aber nicht in Technologie umgesetzt. Bis dass sich China an der westlichen (technologischen) Vernunft ein Beispiel nahm, vergingen Jahrhunderte einer eigentümlichen, resistenten nationalen Lethargie. Abgesehen von anderen Faktoren für diese Lethargie und mangelnde Innovationsfähigkeit scheint die chinesische Form der Vernunft zwar eindrucksvoll, aber nicht als das, was wir heute im Westen als Vernunft, im Sinne von rationalem, logischem, wissenschaftlich orientiertem Denken verstehen, und daher auch nicht unmittelbar anschlussfähig an eine solche. Eine (traditionelle) chinesische Vernunft denkt (wenn ich mich nicht allzu stark irre) vorwiegend in Analogien, Vergleichen, Nuancen, macht Schlussfolgerungen von Zusammenhängen abhängig und hat einen Fimmel mit der Ritualistik. Die Moral ist undurchsichtig und zweideutig. (Eben vielleicht auch wegen dieser Opazität des Denkens und des moralischen Empfindens wird seit jeher von der Regierung auf striktes Obrigkeitsprinzip und Überwachungsstaatlichkeit gesetzt.) Es ist kein Reich des logischen Schlussfolgerns und auch keines des innovativen Denkens. China ist ein riesiges Reich, das auf (kollektivistischen) Reisbau setzt und das eine ganz andere Gesellschaftsstruktur hat, als z.B. Europa es jemals hatte. Es war – aufgrund der Bedrohung durch innere und äußere Unruhen, und eben aufgrund seiner unübersichtlichen Größe – stets bemüht, sich eine hochgradig statische Form zu geben. Es ist, insgesamt, etwas, was ziemlich anders ist als das, was wir im Westen gewohnt sind. Hegel übrigens hat China als die älteste und auch weit in der Vergangenheit bereits ausformulierte und nicht mehr entwicklungsfähige Zivilisation betrachtet. In jenen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte sagt er dann, eben ähnlich wie Marx: Die Vernunft, von der gesagt worden, daß sie die Welt regiere, ist ein ebenso unbestimmtes Wort als die Vorsehung – man spricht immer von der Vernunft, ohne eben angeben zu können, was denn ihre Bestimmung, ihr Inhalt ist, wonach wir beurteilen können, ob etwas vernünftig ist, ob unvernünftig. (S.28) Dies angeben zu können: darum dreht sich nun die gesamte Philosophie Hegels. – Dass die Vernunft, dass der Geist die Welt regiere, ist tatsächlich die philosophische Erzählung Hegels. Die Welt (zumindest, soweit sie uns was angeht: also als unsere Lebenswelt) sei identisch mit dem Fortschreiten und dem sich Ausdifferenzieren des Geistes, also der geistigen Durchdringung der Natur/der Objektivität durch den Menschen und der spiegelbildlichen geistigen Selbstdurchdringung des Menschen selbst. Am Ende des Prozesses stehe eine große Herrlichkeit der Selbstrealisation des absoluten Geistes und des absoluten Wissens: in Form einer guten und gerechten und kompetenten Gesellschaft und Staatlichkeit, die von guten und gerechten und kompetenten Individuen getragen werden. Denn die Weltgeschichte ist die Darstellung des göttlichen, absoluten Prozesses des Geistes in seinen höchsten Gestalten, dieses Stufenganges, wodurch er seine Wahrheit, das Selbstbewußtsein über sich erlangt. (ebenda S.73) In den Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte beschreibt Hegel die Weltgeschichte über die Kulturräume hinweg als einen solchen Stufengang einer Menschheit, die sich durch ihr Eingreifen in die Natur und ihre Entwicklung von Kultur fortwährend geistig ausdifferenziert. Ursprünglich (in Afrika) habe der Mensch durch seine mangelnden Manipulationsmöglichkeiten hinsichtlich der Natur auch wenig Wissen über sich selbst, daher wenig Subjektivität und wenig Sittlichkeit. Die ersten Hochkulturen und Zivilisationen bestehen darin, dass sich ein objektiver Geist (also ein gewisses Wissen über die Manipulation der Natur und eben eine Kultur) innerhalb ihrer realisiert hat, der jedoch noch primitiv ist. Dieser nimmt dabei die Form einer starren Ritualistik an (in der chinesischen Zivilisation) oder aber einer von Magie verzauberten Verträumtheit und eines Halluzinierens (in der indischen Zivilisation). Die Subjektivität bleibt dadurch inexistent bzw. inkompetent. In der antiken persischen Zivilisation erscheint mit dem Zoroastrismus zum ersten Mal eine Unterscheidung zwischen Gut und Böse und damit für eine rationale Sittlichkeit (und damit auch für eine Rationalität des Denkens), jedoch fehlt noch die subjektive Innerlichkeit (an die später im Christentum appelliert wird). Im antiken Griechenland treten zum ersten Mal eine echte Subjektivität beim Menschen hervor und eine wissenschaftliche Herangehensweise an die Welt. Es ist eine Kultur des Logos, die jedoch gleichsam noch von einer elementaren Unreife auf der Subjekt- und auf der Objektseite bestimmt ist und von einer mangelnden Durchsichtigkeit gegenüber sich selbst (der innere Daimon und das Orakel sind nach wie vor die bestimmenden Mächte). Das antike Griechenland gleiche einer Jugendzeit der Menschheit. Im antiken Rom dann gleichsam der Eintritt in das Erwachsenenalter: indem der subjektive Mensch wieder einer objektiven gesellschaftlichen Maschinerie unterworfen wird – dieses Mal allerdings als autonomes Rechtssubjekt. Was Rom an die Zukunft weitergibt, ist das Römische Recht. Im germanischen Volk der Neuzeit – seit alters her ein vergleichsweise freies Volk – schließlich realisiert sich eine freie, vernünftige und sittlich autonome Subjektivität, die einer vernünftigen und ausdifferenzierten Objektivität und Sittlichkeit gegenübersteht bzw. mit ihr gleichsam verschmilzt: Die Weltgeschichte stellt nun den Stufengang der Entwicklung des Prinzips, dessen Gehalt das Bewußtsein der Freiheit ist, dar. (ebenda S.77) Jetzt wirft man Hegel gerne vor: dass seine Philosophie und Geschichtsauslegung nichts anderes sei als eine des (zu seiner Zeit) triumphierenden Bürgertums und eine Legitimation seiner Herrschaft. Zum einen ist das freilich ein Vorgang, eine Transformation von größter Tragweite und das Aufstoßen eines Tors zu einer völlig anderen, von der Vergangenheit verschiedenen Zukunft. Es ist übrigens nicht schwer zu sehen, daß unsere Zeit eine Zeit der Geburt und des Übergangs zu einer neuen Periode ist. Der Geist hat mit der bisherigen Welt seines Daseins und Vorstellens gebrochen und steht im Begriffe, es in die Vergangenheit hinab zu versenken, und in die Arbeit seiner Umgestaltung. (Phänomenologie des Geistes S.18) Indem die Zukunft anders wird, ergibt die Vergangenheit und ergibt die Geschichte einen neuen Sinn, bzw. – so die Hoffnung – enthüllt sich endlich deren Sinn: Die Anatomie des Menschen ist ein Schlüssel zur Anatomie des Affen (Marx) bzw. die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug. (Grundlagen der Philosophie des Rechts S.28) Zum anderen könnte man geneigt sein, Hegel nichtsdestotrotz, oder eben gerade deswegen, die Relativität seines eigenen Standpunktes und Blickwinkels vorzuwerfen. Dessen ist er sich im Übrigen auch selbst im Klaren: Das was ist zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie, denn das was ist, ist die Vernunft. Was das Individuum betrifft, so ist ohnehin jedes ein Sohn seiner Zeit; so ist auch die Philosophie ihre Zeit in Gedanken erfaßt. Es ist ebenso töricht zu wähnen, irgendeine Philosophie gehe über ihre gegenwärtige Welt hinaus, als, ein Individuum überspringe seine Zeit, springe über Rhodus hinaus. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.26) (Woran man wieder sieht, dass Philosophien und philosophische Systeme bzw. die Artikulationen der Philosophinnen dann doch immer wieder komplexer sind reflektierter sind, als die Ideologien, die sich eventuell daraus ableiten lassen.) Allerdings gibt es nichts, was für sich genommen verhindern würde, dass Hegel nicht bloß aus einer relativen historischen Situation heraus philosophieren würde, sondern eben aus einer privilegierten, ja vielleicht sogar aus einer absoluten historischen Situation heraus. Einige historische Situationen haben wohl mehr Wahrheit als andere (mit Kant gesprochen wären das eben historische Situationen, in denen sich die allgemeine Geschichte in weltbürgerlicher Absicht manifestiere). In einigen historischen Situationen komme die Idee, also die Übereinstimmung des vernünftigen Begriffs mit der Wirklichkeit zum Vorschein: und das sind die einzigen historischen Situationen, die geschichtsphilosophisch Sinn machen, und die Epiphanien der (geschichtlichen) Wahrheit sind. Und die Wahrheit habe eine höhere Qualität und sei von einer höheren Ordnung als die Unwahrheit, oder die Abweichung von der Wahrheit: Aber die Philosophie soll keine Erzählung dessen sein, was geschieht, sondern eine Erkenntnis dessen, was wahr darin ist, und aus dem Wahren soll sie ferner das begreifen, was in der Erzählung als bloßes Geschehen erscheint. (Wissenschaft der Logik II S.260) – Die Idee ist der adäquate Begriff, das objektiv Wahre oder das Wahre als solches. (ebenda S.462) – Sein hat die Bedeutung der Wahrheit erreicht, indem die Idee die Einheit des Begriffes und der Realität ist; es ist also nunmehr nur das, was Idee ist. (ebenda S.465) – Alles Übrige ist Irrtum, Trübheit, Meinung, Streben, Willkür und Vergänglichkeit; die absolute Idee allein ist Sein, unvergängliches Leben, sich wissende Wahrheit, und ist alle Wahrheit. Sie ist der einzige Gegenstand und Inhalt der Philosophie. (ebenda S.549) Die Geschichte sei ein Prozess, in dem sich einzeln aufblitzende Wahrheitsmomente ins Verhältnis setzen – der Rest ist das übliche Chaos und daher (geschichtsphilosophisches) Schweigen. Ein langwieriger, allerdings geradezu notwendig langwieriger Vorgang: Dies Werden stellt eine träge Bewegung und Aufeinanderfolge von Geistern dar, eine Galerie von Bildern, deren jedes, mit dem vollständigen Reichtume des Geistes ausgestattet, eben darum sich so träge bewegt, weil das Selbst diesen ganzen Reichtum seiner Substanz zu durchdringen und zu verdauen hat. Indem seine Vollendung darin besteht, das, was er ist, seine Substanz, vollkommen zu wissen, so ist dies Wissen sein Insichgehen, in welchem er sein Dasein verläßt und seine Gestalt der Erinnerung übergibt. In seinem Insichgehen ist er in der Nacht seines Selbstbewußtseins versunken, sein verschwundenes Dasein aber ist in ihr aufbewahrt; und dies aufgehobene Dasein – das vorige, aber aus dem Wissen neugeborene – ist das neue Dasein, eine neue Welt und Geistesgestalt. (Phänomenologie des Geistes S.591) Hegel-Exeget Alexandre Kojève sah in der bürgerlichen Gesellschaft und der liberalen Demokratie die endgültige neue Welt und Geistesgestalt; Francis Fukuyama hat nach dem Ende des Kalten Krieges dasselbe getan – unter Berufung auf Hegel, den (Quasi-)Propheten. Einstweilen steht das auf dem Prüfstand. Aber so wie es aussieht, sind die Chancen dafür nach wie vor gut. – Eine unkritische Haltung gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft kann man Hegel freilich vorwerfen; eine Ausblendung dessen, dass sie eine Klassengesellschaft ist/war. Hegel geißelte zwar die Exzesse der bürgerlichen Gesellschaft (dass sie übermäßigen Reichtum und übermäßige Armut produziere und die Menschen dadurch gleichermaßen verrohe), weiter ging er aber nicht. Er propagierte die Freiheit innerhalb einer bürgerlichen Gesellschaft, philosophierte aber weniger darüber, inwieweit die Freiheit der einen sich nicht auf der Unfreiheit der anderen erhebe (Kein Mensch bekämpft die Freiheit; er bekämpft höchstens die Freiheit der anderen – so Marx) Und dann eben Hegel als „preußischer Staatsphilosoph“ von der Obrigkeit Gnaden – was man ihm immer wieder vorgeworfen hat. Eine Staatsgläubigkeit, ein unterwürfiges Duckmäusertum gegenüber der Obrigkeit hat man Hegel immer wieder unterstellt, dessen Philosophie in nichts anderem bestehe, als dieses Duckmäusertum gegenüber der staatlichen Obrigkeit zu rationalisieren und zu spiritualisieren. Dann wiederum gilt Hegel als Philosoph der Aufklärung, des (Neu)Humanismus und der Freiheit. Der Staat ist die Wirklichkeit der sittlichen Idee – sagt er(Grundlinien der Philosophie des Rechts S.398) Der Staat an und für sich ist das sittliche Ganze, die Verwirklichung der Freiheit, und es ist absoluter Zweck der Vernunft, daß die Freiheit wirklich sei – sagt er aber eben – und vor allem – auch(ebenda S.403) Das Zentrum dieser (scheinbaren) Dichotomie findet sich bei Hegel selbst, der sowohl konservativ und bewahrend (genauer gesagt – denn das ist dann wieder was anderes –: auf Harmonie bedacht) war, als auch eben dezidiert progressiv, liberal und eben auch revolutionär. Und so sollte sich der Hegelianismus schnell in einen (progressiven) Links- und einen (konservativ-reaktionären) Rechtshegelianismus verzweigen. Vielleicht ist das auch ein Indiz dafür, wie universal Hegel war, und wie sehr darauf bedacht, alles und jeden zu seinem Recht kommen zu lassen, und eben auf eine ganzheitliche Perspektive. Und sicherlich hatte er Recht! Denn, wahrlich ich sage euch: Die beste gesellschaftliche Ordnung ist die einer liberalen demokratischen, vernünftigen und rechtsstaatlichen Gesellschaft, in der die freien Individuen hinreichend Gemeinsinn und Disziplin verinnerlicht haben um sich als Teil eines gesellschaftlichen Ganzen zu begreifen und dessen Wohlergehen und Fortschritt von sich aus zu befördern gedenken (am idealtypischsten hat man das in Westeuropa, und vor allem in der Schweiz). Ich glaube nicht, dass es innerhalb des Bekannten und des Vorstellbaren eine bessere Lösung geben kann dafür, wie Menschen und Gesellschaften ihre Probleme lösen. – Hegel ist letztendlich Verkünder einer vernünftigen offenen Gesellschaft (in der das Subjekt das Gesetz in sich trägt: den Spirit der Vernunft und der Rechtsstaatlichkeit verinnerlicht hat). Bemerkenswerterweise ist es gerade Popper – und eben gerade in seiner Schrift von der Offenen Gesellschaft und ihrer Feinde, der Hegel delegitimiert und der gegen ihn polemisiert, wie es in der Philosophiegeschichte – bei aller anderen Kritik an Hegel – nur Schopenhauer getan hat (dessen irrationale und paranoide Injurien gegen Hegel er im Übrigen auch breit und genüsslich zitiert und gegen Hegel in Stellung bringt). Bestenfalls einen Vordenker des Faschismus kann Popper in Hegel erblicken – eher aber noch, und in erster Linie, einen Scharlatan, der als Philosoph „völlig unbegabt“ gewesen sei. Viel Feind, viel Ehr´. (Der rationale Kern der Popperschen Polemik bezieht sich allerdings auf Hegels Historizismus und Geschichtsdeterminismus. Philosophien und Ideologien, die geschichtsdeterministisch sind, sind tatsächlich, zumindest implizit, anmaßend, irrational, fremdenfeindlich und totalitär: Weil sie behaupten, den zukünftigen geschichtlichen Verlauf zu kennen und was in der Geschichte siegen werde und was auf deren Misthaufen lande (im Zusammenhang womit sie dann wohl ungute Präferenzen ausprägen werden gegenüber diesem und ungute und vorurteilsmäßige Ablehnung gegenüber jenem). Irrational ist das deswegen, weil zukünftige Entwicklungen nicht gewusst werden können. Das scheint jedoch eher Marx auf den Kopf zu fallen als Hegel.)
Das ontologische Problem … welches Hegel aufwirft: Wie ist Metaphysik möglich? Wie kann die zeitliche Realität an der ewigen Ordnung teilhaben? Wie kann diese Ordnung in ihr erscheinen beziehungsweise sich ereignen? (Zizek, S.57) Hegel ist ein tiefsinniger Philosoph und das bedeutet, dass er ein Metaphysiker ist. „Metaphysik“ ist ein ein wenig seltsamer Begriff. Eine Verlegenheitslösung für unser Unwissen und unsere mangelnde Orientiertheit – was sinnigerweise schon darin seinen Ursprung hat, als er auf ein einfaches Editionsproblem zurückgeht: Insofern sie nicht wussten, unter welchem Titel sie die entsprechenden Schriften von Aristoteles herausgeben sollten, die „nach“ seinen physikalischen Schriften kamen, editierten seine Schüler sie also als „Metaphysik“ („nach/hinter der Physik“). Eine sinnige Lösung, in all ihrer Vieldeutigkeit (inklusive derer, dass sich „dahinter“ vielleicht nichts als eine bloße Trivialität verberge). „Metaphysik“ bezeichnet aber ein grundlegendes Streben des Menschen, „hinter“ die Dinge blicken zu wollen, zu den „letzten Dingen“ gelangen zu wollen, den Vorhang zurückziehen zu wollen, der die Welt der Erscheinungen vermuteterweise bloß ist, um die „wahre“ Realität freizulegen u. dergl. Sie ist, oder verweist auf, durchaus nichts Banales, und ist, hoffentlich, ein Streben in edler Absicht. Metaphysik – wollen wir das also so fassen – ist dabei zunächst Ontologie: Sie befasst sich mit der Frage nach dem „wahren“ Charakter des Seins. Im Zuge der gewaltigen Fortschritte in der Philosophie im Laufe der Jahrhunderte, Jahrtausende stellt sich spätestens seit Kant außerdem die Frage, inwieweit unser Erkenntnisapparat überhaupt hinreichend sein kann dafür, dass wir dieses „wahre“ Sein überhaupt erkennen können, beziehungsweise inwieweit unsere Erkenntnisse über das Sein nicht immer, zumindest irgendwie, durch unseren Erkenntnisapparat präformiert und deformiert bleiben. Metaphysik ist somit also auch Epistemologie: die Durchleuchtung und Überprüfung unseres Erkenntnisapparates. Eine Komponente der Deontologie hat die Metaphysik noch dazu. Insofern sie die Frage stellt: Was ist der richtige Umgang, den ich als Erkennender (oder Unwissender) mit dem Sein herzustellen habe? Inwieweit verpflichtet mich das Sein (und mein Mensch-sein) zu diesem und jenem Verhalten gegenüber dem Sein (und dem Menschen)? Schließlich noch die Eschatologie: Welchen „letzten“ „Sinn“ machen die Dinge, macht das Sein (in Bezug auf uns)? Mithilfe der Naturwissenschaften – mithilfe der „Physik“ – konnte man im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende tolle Fortschritte erzielen im Hinblick auf die „ontologische“ Fragestellung (weswegen dann hier und da postuliert wird, Metaphysik sei nunmehr überflüssig oder ein Relikt). Aber Metaphysik involviert eben mehr als die bloße Erhellung der objektiven Existenz, sondern fächert sich eben in mehrere Problemstellungen auf. Sie ist – wenn man sie vom Organisationsprinzip der Wissenschaften betrachtet – „multidisziplinär“. Sie befasst sich weniger mit der Feststellung der letzten objektiven Existenz sondern – vor allem – mit der subjektiven Eingelassenheit des Menschen in die objektive Realität und wird daher, in ihrem Drang „objektiv“ haltbare und definitive Erkenntnis über das „wahre Wesen“ des Seins zu produzieren auch immer wieder auf das subjektive Element zurückgeworfen. Somit hat die Metaphysik immer auch ein wenig einen Schleifencharakter, und entzieht sich dem Ideal einer naturwissenschaftlichen Erkenntnis – obwohl sie dieses eben auch und vor allem verfolgt: Sie will zu einer definitiven Feststellung der „tiefsten“ (Lebens)Wirklichkeit kommen. – Metaphysik ist spekulativ. So wie Hegels Philosophie. Sie hat was Reflexives. So wie Hegels Philosophie. Sie versucht ihre (Selbst)Referenzialitäten und inneren Abhängigkeiten irgendwie zu überkommen und aus dem Relativen zu Absolutem zu gelangen bzw. die absolute Struktur dieser Referenzialitäten und Abhängigkeiten freizulegen. Sie ist ein transzendentes Bestreben … das letztendlich im Transzendentalen, Unhintergehbaren, nicht mehr Transzendierbaren ankommen will, dieses bestimmen will. Entzweiung ist der Quell des Bedürfnisses der Philosophie … in den Teilen verloren treibt es den Verstand zu seiner unendlichen Entwicklung von Mannigfaltigkeit, der, indem er sich zum Absoluten zu erweitern strebt, aber endlos nur sich selbst produziert, seiner selbst spottet. Die Vernunft erreicht das Absolute nur, indem sie aus diesem mannigfaltigen Teilwesen heraustritt. (Jenaer Schriften S.13) In der Philosophie (und darüber hinaus) geht es darum, vernünftige Unterscheidungen zu treffen zwischen den unterschiedenen, unterscheidbaren Charakteristika in der Welt. Ein Paradigma der allumfassenden Verbundenheit von allem hat man bestenfalls in einer atavistischen, animistischen (Geistes)Welt, in der es keine Philosophie gibt. Genauso ist es aber Intention der Philosophie, verborgene Zusammenhänge zwischen dem (scheinbar oder tatsächlich) Getrennten zu entdecken, verbunden mit der (ebenfalls gleichsam atavistischen) Hoffnung, zu einer Art „Absolutem“ vorzustoßen, das (voraussetzungsloser) Ursprung jener Getrenntheiten ist, oder aber entelechische/teleologische Zusammenführung und Überwindung ihrer, oder eben etwas von den Getrenntheiten und Relativitäten Abgelöstes und Eigenständiges. Letztendlich ist „das Absolute“ ein weiterer Verlegenheitsbegriff für etwas, wo unser Denken etc. nicht mehr tatsächlich hingelangen kann, eine Projektion – allerdings keine, die ein Irrlicht wäre, sondern ein tatsächlicher Fluchtpunkt unseres Denkens und unseres Empfindens. Wenn man so will, ist es ja genau die analytische „Entzweiung“, der Widerspruch, der Gegensatz, die Negation, der Antagonismus – also eben das, was in der Hegelschen Philosophie das zentrale Movens ist – der das Bedürfnis nach (vernünftiger) Versöhnung – wenn möglich im „Absoluten“ – erst recht mit sich bringt —- will man nicht in eine agonale oder irrationale Weltsicht und Geschichtsauffassung (wie Schopenhauer oder Nietzsche) verfallen. Das war aber Hegels Absicht eben nicht. Hegels Philosophie ist eine gleichsam metaphysisch grundierte (also ins tiefste Sein eingeschriebene bzw. aus ihr heraus wirksame) Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. Über den real existierenden (oder als solchen empfundenen) Gegensatz strebt er dessen Vereinigung in einer – dann eben – höheren Ordnung des Seins an: die sich – bei Hegel – mit ebenjener Vereinigung aber eben erst errichtet. In der Philosophie wird gezeigt, daß die Idee zum unendlichen Gegensatze fortgeht … Den absoluten Zusammenhang dieses Gegensatzes zu fassen, ist die tiefe Aufgabe der Metaphysik. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.41) Metaphysik ist, wie erwähnt, eine (letztendlich) subjektive Feststellung der (letztgültigen) objektiven Wirklichkeit. Sie hat daher den Charakter einer subjektiven Interpretation der objektiven Wirklichkeit (ist, genau gesagt, darin eben auch gefangen) – was sie aber möglichst aufheben und unter sich lassen will: Sie will von einer (wackeligen) Interpretation zu einer (robusten, unumstößlichen) Feststellung gelangen. Hegel versucht in seiner ersten ernsthaften philosophischen Arbeit, der so genannten „Differenzschrift“ (Die Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie von 1801), die Trennung von Subjekt und Objekt hinter sich zu lassen. Die verbindende Instanz sei der Geist, in dem „Subjekt und Objekt eins“ sind. Dazu ist es notwendig, dass das Subjekt eine korrekte Anschauung bzw. einen korrekten Begriff vom Objekt entwickelt. Zur Inangriffnahme dieser Tätigkeit wird es durch die herausfordernde Präsenz des (von ihm getrennten) Objekts motiviert, welches es verstehen und beherrschen will. So arbeiten Subjekt und Objekt gleichermaßen zusammen, um sich im „Geist“ zu treffen und sich kollegial zu vereinigen. Über das Verstehen und Beherrschen des Objektes wird der subjektive Geist des Subjektes auf eine höhere Ebene gehoben und manifestiert sich nicht zuletzt als „objektiver Geist“ (der Wissenschaft, Rechtsvorschriften, Kultur etc.), der wiederum dem Subjekt mit einer gewissen Übermacht, als etwas historisch ihm Vorgelagertes gegenübertritt und es präformiert. Der „objektive Geist“ ist ein Hybrid zwischen Subjekt und Objekt und begründet Eigenlogiken und eine relativ autonome Sphäre. Über den selbstreflexiven „absoluten Geist“ durchdingt das kompetente Subjekt dann auch den objektiven Geist und stellt – über Philosophie, Kunst und Religion – neue Inhalte des objektiven Geistes her. Bei Hegel ist die Weltgeschichte (genauer gesagt die Welt an sich) eine Dynamik der Entfaltung von Geist, absolutem Wissen und Weltgeist. Das ist ihre letztendliche – und damit auch „metaphysische“ – Struktur. Die Metaphysik wird zur Logik (im Hegelschen Sinne: als Selbstentfaltung eines Logos über seine innere Dialektik), Logik wird zur „spekulativen Metaphysik“: für Hegel fallen Logik und Metaphysik zusammen, und so wird gleichsam das „dunkle“ und rätselhafte Wesen der Metaphysik ins Helle geborgen, und zu etwas, was nicht allein ein lösbares Rätsel ist, sondern sich gleichsam selbst löst. Das Geistige allein ist das Wirkliche; es ist das Wesen oder Ansichseiende,.. (Phänomenologie des Geistes S.28) Der subjektive und der objektive Pol lösen sich so in eine allumfassende „Geistigkeit“ auf; und Geist und Vernunft begründen (im Hinblick auf die deontologische Dimension der Metaphysik, und wie wir noch sehen werden) die Sittlichkeit und die Moral. Die Eschatologie liegt darin, dass der Geist sich selbst begreift und sich selbst durchdringt und sich in seinem totalen Wissen und seiner totalen Ausleuchtung von sowohl der Subjektivität als auch der Objektivität selbst realisiert und zur Geltung bringt. Das Ziel ist die Einsicht des Geistes in das, was das Wissen ist. (ebenda S.33) Und das ist dann eben: das absolute Wissen, und die Realisierung der Welt als Weltgeist. Bei Hegel bleibt nichts dunkel. Die Kantsche Idee vom „Ding an sich“ (also eines „realen“ „Kerns der Dinge“, der sich – oder von dem man zumindest nicht angeben kann inwieweit er sich – unseren Erkenntnismöglichkeiten entziehe) lehnt er ab: Stattdessen werde durch die Arbeit des Geistes das Wirkliche und das Wahre der Objekte (wie der Subjekte) progressiv enthüllt und zur Erscheinung gebracht. Ein altertümliches, überholtes Wissen – fern davon, das „Ding an sich“ im Gegenstande zu treffen – verweist auf einen altertümlichen, überholten Weltzustand: in dem dieses Wissen allerdings Sinn gemacht hat, und in dem Wissen eben nicht über ein solches Wissen hinausgelangen könne. – Hegel lehnt dann auch die Vorstellung ab, dass man durch „bloßes Nachdenken“ zu (metaphysischen) Erkenntnissen gelangen könne. Das sei nur über die Dialektik bzw. über die Abarbeitung am Gegensatz möglich. Weiters lehnt er die Kategorien der traditionellen Metaphysik ab (wie Seele, Welt, Gott…) im Sinne von etwas tatsächlich bereits Gegebenem: tatsächlich müssten sie dialektisch entwickelt werden. Weder „Geist“/“Wissen“ noch „die Welt“ sind für ihn das „Wahre“: die Idee sei nur vermittelst des Seins, das Sein nur vermittelst der Idee „das Wahre“: Und dieses Wahre entwickle sich eben ständig, dialektisch und logisch – und mit scheinbar eiserner Konsequenz. Nicht der Mensch erzeuge die Philosophie und das Wahre, die Philosophie und das Wahre erzeuge sich via des Menschen. Nicht der Mensch entwickle, in der Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt, den Geist, sondern der Geist entwickle sich via des Menschen. Jetzt kann man Hegel also vorwerfen – und tut es gemeinhin –, dass er den „Geist“ über alle Maßen substantialisiert, der dadurch gleichsam zu einem Lebewesen, etwas Organischem wird: wenn nicht sogar zum „eigentlichen“ Lebewesen und Organismus (von dem Mensch und Welt also gleichsam nur dessen Organe sind). Der Geist wird so zu einer Garantiemacht des weltgeschichtlichen Verlaufs bzw. der Seinsentfaltung bzw. zu einer Garantiemacht seiner selbst. (Man hat also scheinbar einen Zirkelschluss: indem der Geist zugestandenermaßen Qualtäten schafft und entwickeln muss, die aber gleichsam die Voraussetzung eben dafür sind, dass er das tut – und zu solchen (scheinbaren) Zirkelschlüssen führt die Philosophie Hegels dauernd.) Der Geist regiert und entwickelt sich bei Hegel mit unbezwingbarer Logik: Allerdings nutzen die unbezwingbarsten und intelligentesten logischen Schlussfolgerungen nichts und gehen ins Leere, wenn denn die Annahmen, auf denen sie basieren, nicht korrekt sind. Inwieweit stimmt z.B. die Annahme, dass sich Wahrheit „dialektisch“ (und nicht (auch) über andere Modi) entfalte? Gerade der Geist scheint irgendwie mehr zu sein und mehr zu können als „Dialektik“ zu machen. Indem der Geist zu etwas wird, was sowohl Subjekt und auch Objekt übergeordnet ist, verlieren beide scheinbar an Eigenmächtigkeit und es wird unterschlagen, dass der Geist sich nur über einen „Überschuss“ von sowohl Subjekt als auch Objekt gegenüber ihm überhaupt entfalten kann. Der Geist kann sich nur über das Subjekt entwickeln. Er hat dort seinen eigentlichen Sitz. Das Objekt, das Sein, verliert sich bei Hegel gleichsam in etwas rein vom Geist Angeschautes: wobei gleichsam unterschlagen werde, welche Chaos-Einwirkung das Sein auf die Ruhe des Geistes immer wieder ausübt und in dessen Kristallpalast einbricht. Außerdem sind Subjekt und Objekt im Geist nicht „identisch“: Sie stehen in einem bestenfalls kollaborativen Verhältnis – oder eben auch das nicht. Denken kann keine Position erobern, in der jene Trennung von Subjekt und Objekt unmittelbar verschwände, die in jeglichem Gedanken, in Denken selbst liegt. (Adorno, Negative Dialektik S.92) Mit seiner Betonung, dass Geist und Sittlichkeit eins seien, scheint Hegel zu unterschlagen, dass Sitte immer wieder irrational, störend, bis eben auch sittlich empörend und tatsächlich unmoralisch ist/sein kann. Hegel selbst verlässt sich dann praktisch eben nicht auf „die Vernunft“, sondern auf den Staat – und genau gesagt den monarchischen Souverän – als Garantiemacht von Vernunft und Sitte: was vom Blickwinkel des heutigen (und auch damaligen) Weltgeistes als furchtbar reaktionär erscheinen will. Solcherlei Widersprüche oder zumindest Widrigkeiten hat man, wenn man Hegels Verabsolutierung des Geistes ganz ernst nimmt. Wie wir sehen werden, sind all diese Widrigkeiten entweder viel weniger bedeutend, als man meinen würde – oder aber noch viel schlimmer. Man kann Hegels Philosophie als eine erstaunlich gute Annäherung an die Wirklichkeit betrachten – oder das genaue Gegenteil tun. Ein bisschen zu sehr scheint Hegel halt von seiner eigenen Philosophie und der Anziehungskraft seiner Systematik fasziniert zu sein; in seinem Bestreben, sie umso universaler und verbindlicher und ausformulierter zu machen, versteigt er sich in Generalisierungen, die sie in Wirklichkeit auf den Status eines waghalsigeren Unterfangens zurückwerfen. Mit seiner Substantialisierung des Geistes und der Logik, die die Metaphysik ablöst, greift Hegel auf Voraussetzungen zurück, die selbst nicht notwendigerweise logisch sind, und die metaphysisch sind im Sinne einer subjektiven Interpretation der objektiven Wirklichkeit. Damit reduziert sich Hegels Logik dann eben wieder auf Metaphysik und auf eine Logik, die logische Argumente bietet, aber keine unumstößlichen logischen Notwendigkeiten. Hegel will die (dunkle) Metaphysik zu einer (klaren) Logik erheben, schafft dadurch aber neues Dunkel und neues Rätsel (in Verbindung noch dazu mit einem, für metaphysische Unternehmungen charakteristischem „Ahnen“). Dadurch hat Hegels Philosophie dann aber eben auch wieder das Charisma des Metaphysischen: Sie hat etwas Flimmerndes, Irreal-Reales; in der Welt, die gegeben ist, scheint noch eine andere Welt durchzuscheinen, und beide scheinen sich gegenseitig zu durchdringen; die höhere Welt/Sphäre gibt es da, die der erdgebundenen Welt gegenübersteht (und die im Rahmen dieser Metaphysik dann über sie triumphiert) — Metaphysik ist meistens ein wenig seltsam und unentscheidbar. Hegels Philosophie ist das auch. Hegel gehört zu den wahrhaft tiefsinnigen Philosophen. Und so ist Hegel notwendigerweise Metaphysiker. Mit all der darin liegenden Konsequenz dann eben.
Bartolomè Esteban Murillo war ein von Hegel geschätzter Maler – der heute nicht mehr so bekannt ist, der aber mit einem guten Geist ausgestattet war. Das Genie spiritualisiert alles, so Salvador Dali, und so mischt sich bei Murillo die Anschauung von irdischer und himmlischer Realität immer wieder mit einem mystischen Erleben: Es ist eine spiritualisierte Wirklichkeit, die er anschaut und empfindet. Diesem Menschen ist Alles zugänglich: sowohl die tiefste, verborgenste Mystik der Seele als auch das einfache, alltägliche Leben…; alles stellt er in erstaunlicher Wahrheit und Realität dar … urteilte Wassili Botkin im 19. Jahrhundert über Murillo.
Entzweiung ist der Quell des Bedürfnisses der Philosophie … in den Teilen verloren treibt es den Verstand zu seiner unendlichen Entwicklung von Mannigfaltigkeit, der, indem er sich zum Absoluten zu erweitern strebt, aber endlos nur sich selbst produziert, seiner selbst spottet. Die Vernunft erreicht das Absolute nur, indem sie aus diesem mannigfaltigen Teilwesen heraustritt. (Jenaer Schriften S.13)…. Für den jungen Hegel ist – wie für seinen Studienfreund Hölderlin – Harmonie und wie Harmonie möglich sei das zentrale Thema seines Denkens und Empfindens. Vielleicht ist ihm deswegen – so wie eben Hölderlin – die Disharmonie, das Entzweitsein, in der realen Welt wie in der Philosophie, nur umso bewusster, und rückt daher nicht weniger ins Zentrum. Hegel wie Hölderlin waren beide „Schwärmer“, gleichzeitig aber eben analytisch und realistisch genug um zu sehen, dass die Wirklichkeit nur teilweise zum Schwärmen provoziert, und das gleichsam ganz strukturell … denn dem Sehnen steht in seiner höchsten Schwärmerei … immer das Individuum, ein Objektives, Persönliches gegenüber, nach der Vereinigung mit welchem alle Tiefen ihrer schönen Gefühle schmachteten, welche Vereinigung aber, weil es ein Individuum ist, ewig unmöglich (ist), da es ihnen immer gegenüber, ewig in ihrem Bewußtsein bleibt, und die Religion nie zum vollständigen Leben werden läßt. (Frühe Schriften S.417) In der Tat sind die (einheitsstiftende, ideale) Religion und das (einheitsstiftende, ideale) religiöse Empfinden wesentlichster Ausgangspunkt für alle Überlegungen Hegels zu jener Zeit; dass Religion und religiöses Empfinden gleichzeitig ein umso deutlicheres von Disharmonie sind, ist ihm dabei ebenso umso klarer: In allen Formen der christlichen Religion … ruht dieser Grundcharakter der Entgegensetzung in dem Göttlichen, das allein im Bewußtsein, nie im Leben vorhanden sein soll … es ist gegen ihren wesentlichen Charakter, in einer unpersönlichen lebendigen Schönheit Ruhe zu finden; und es ist ihr Schicksal, daß Kirche und Staat, Gottesdienst und Leben, Frömmigkeit und Tugend, geistliches und weltliches Tun nie in Eins zusammenschmelzen können. (ebenda S.418) Indem der Mensch Vernunft und Verstand hat, indem er Bewusstsein hat – ohne eben göttlich und allmächtig zu sein – , ist er in der Lage, seine Entzweitheit und Getrenntheit, seine disharmonische Situation zu erkennen. Denn das Tier ist mit Gott eins, aber nur an sich. Nur der Mensch ist Geist, d.h. für sich selbst. Dieses Fürsichsein, dieses Bewußtsein ist aber zugleich die Trennung von dem allgemeinen göttlichen Geist. Halte ich mich in meiner abstrakten Freiheit gegen das Gute, so ist dies eben der Standpunkt des Bösen. Der Sündenfall ist daher der ewige Mythus des Menschen, wodurch er eben Mensch wird. Das Bleiben auf diesem Standpunkte ist jedoch das Böse…. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.389) Gleichzeitig stellt sich, indem der Mensch – im Gegensatz zum Tier – fähig ist, seine Umwelt bewusst zu manipulieren und Kultur und „objektiven Geist“ zu schaffen, eben das Problem der Moral und der moralischen Ausgestaltung der Lebenswelt. Moral und Sittlichkeit, wie Kultur und objektiver Geist überhaupt, sind Versuche, Entzweiung zu überwinden. Religion ist ein Versuch, mit der (spiritualisierten) Natur bzw. mit dem Göttlichen in ein Vertrauensverhältnis zu treten – oder sich, im Falle entwickelterer Religion – selbst zum Göttlichen zu erheben. Das Tier ist in Wirklichkeit kaum mit Gott eins; es lebt ein stumpfsinniges Leben, wird gejagt, ist dauernd auf Nahrungssuche, und der Gefahr schrecklicher Krankheiten ausgesetzt. Man kann als Mensch die Tiere beneiden – wird es aber dann meistens doch nicht tun. Der Mensch kann in einem unglücklichen Bewusstsein leben, aber auch in der Vorstellung, dass das Unglück, und die Grundlagen für das Unglück, dereinst überwunden sein werden; und das aufgrund der Entwicklung der menschlichen Fähigkeiten, und des menschlichen Geistes, der sich in und über die Getrenntheit, über die Entzweitheit, entwickelt. In der Entzweitheit und der Disharmonie liegt daher, begriffen und empfunden durch den menschlichen Geist, eine Vorwärtsdynamik; ein Sog, den die Zukunft auf das Jetzt ausübt. Die Aufgabe der Philosophie besteht aber darin, diese Voraussetzungen zu vereinen, das Sein in das Nichtsein als Werden; die Entzweiung in das Absolute als dessen Erscheinung; das Endliche in das Unendliche als Leben zu setzen. (Jenaer Schriften S.17) – Jetzt kann ich mich mit dieser Aufgabe der Philosophie gut identifizieren. Aber muss schon sagen, dass akzentuierter Widerspruch, Gegensatz, Streit, Getrenntheit (und auch (primitive) Dialektik) u. dergl. gar keine Kategorien meines eigenen Philosophierens sind. Auch die postmoderne Differenz ist das nicht. Ich empfinde dergleichen nicht wirklich, bzw. empfinde nicht wirklich, dass es draußen in der Welt allzu viel von alldem gibt. Was ich sehe und innerlich wahrnehme ist ein Sympathiefeld, das in den Kosmos hineinreicht, und in dem alles, zumindest virtuell, miteinander verbunden ist. Natürlich sind innerhalb dieses Sympathiefeldes Unterscheidungen möglich; von wegen: dieses da verdient, nach reiflicher Prüfung, weniger Sympathie und ist weniger sympathisch als jenes. Es kann auch sein, dass zwischen Entitäten nicht das Gemeinsame, sondern das Trennende überwiegt. Beides muss qualitativ dann so oder so behandelt werden. Aber trotzdem ist alles in meinem Geist und alles im Sympathiefeld. Es ist ein so großes Sympathiefeld, dass mein Geist gerade gleichzeitig in Neufundland ist, in Transsylvanien und auf Hügel 364. Hegel kommt mit einem Paradigma daher, mit dem man die Welt begreifen und vereinigen kann – aber ich tue das auch: und meine Hoffnung ist dabei, dass man mit meinem Paradigma Vielfalt (in Einheit) begreifen kann; dass es eine zeitgenössische angemessene Fassung einer solchen Heuristik ist, der eine Menschheitshoffnung zugrunde liegt. Auch mit der Entzweiung und der Negation kann ich nicht so viel anfangen, denn sonderlich entzweit fühle ich mich von alldem, was mich umgibt, nicht. Ja, ich denke, es ist sogar das allgemeine menschliche Empfinden, sich nicht schrecklich entzweit von seiner Umgebung zu fühlen! Ich sehe also: das bin ich, und das da ist wer anderer oder was anderes (oder auch das nicht, denn meine Ichgrenzen sind, wie angedeutet, unklar und eher osmotisch). Weil ich mit Verstand und gewissen Emotionen begabt bin, schaffe ich als Mensch mentale Repräsentationen von den Gegenständen meines Denkens, von den Gegenständen in der Welt. Diese sind mit „mir“ nicht eins, sondern eben mentale Repräsentationen. Sie sind eher Erweiterungen meines Ich. Der Mensch lebt allgemein in diversen, unterschiedlichen Sphären, und er ist von Erweiterungen seiner selbst umgeben, und von vom ihm Getrennten. Einige Dinge sind uns eben näher, andere ferner. Dass Ich und Nicht-Ich aber grundsätzlich voneinander getrennt und entzweit seien, scheint einer Verarmtheit der Perspektive Hegels geschuldet. – Worauf Hegel aber grundsätzlich hinaus will, ist dass Ich (bzw. jeglicher Gegenstand) nur in seinen Grenzen und Qualitäten bestimmt werden kann, wenn man versucht festzustellen, was eben nicht Ich ist. Was außerhalb des Ich liegt (was also das Ich „negiert“). Das Nicht-Ich fungiert also als negativer Spiegel für das Ich – mithilfe dessen aber eben Ich und Nicht-Ich gegenüber und gegeneinander erkannt werden können. Ich und Nicht-Ich sind in einen Zusammenhang eingelassen, in dem sie sich so negativ gegeneinander spiegeln, bzw. stellt sich durch dieses Gegeneinanderspiegeln von Ich und Nicht-Ich ein solcher Zusammenhang her: der Geist (hier hat man wieder einen gleichsamen Widerspruch bei Hegel: indem er das, was er als Resultat begreift, wiederum als Voraussetzung begreift, dafür dass sich dieses Resultat einstellt). (Dieser schöne Zusammenhang, wo sich alles in allem (allerdings eben negativ) spiegelt, kommt herkömmlichen Erlebnissen der Erleuchtung schon recht nahe: oder geht eben über sie hinaus. Da es in herkömmlichen Perspektiven der Erleuchtung keinen Wiederspruch und keine Dialektik (sondern nur einen herrlichen, synthetischen All-Zusammenhang) gibt – und daher auch keine Bewegung und Fortentwicklung, keine Wissenschaft und keine Philosophie. Ich fände es bekanntlich gut, wenn man diesen synthetischen Zustand der Erleuchtung mit dem analytischen Prozess der Logik zusammenbringen könnte – und Hegel kann man, so wie Heidegger, da, wie ich sehe, gut einbringen.) Jedes Sein ist bei Hegel ein Sein an sich und ein Sein für Anderes —- genau gesagt ist bei ihm jedes Sein ein Sein an sich und ein Sein für sich: zum Sein für sich wird jedes Sein an sich aber eben, indem es sich über sein Sein für Anderes selbst tatsächlich begreift und letztendlich selbst ergreifen kann. Nur durch den negativen Spiegel, den es sich vermittels des Nicht-Ich vorhält, kann es seine eigenen Konturen schließlich erkennen. Ich habe die Gewißheit durch ein Anderes, nämlich die Sache; und diese ist ebenso in der Gewißheit durch ein Anderes, nämlich durch Ich. (Phänomenologie des Geistes S.83) Das Ding ist hiernach für sich und auch ein Anderes, ein gedoppeltes verschiedenes Sein, aber es ist auch Eins …. Das Ding ist also wohl an und für sich, sich selbst gleich, aber diese Einheit mit sich selbst wird durch andere Dinge gestört; so ist die Einheit des Dings erhalten und zugleich das Anderssein außer ihm sowie außer dem Bewußtsein. (ebenda S.102) – Ja, das mit dem Anderen! Auch das kenne ich sehr gut! Meine eigene Philosophie kommt bekanntlich aus dem Heavy Metal – der gegenüber der Normalität ein Anderes darstellt, etwas Seltsames, eine surrealistische Übertreibung; eine Musik, die scheinbar von einem anderen Planeten kommt. Ich setzte mich zeitlebens gerne mit „dem Anderen“ auseinander. Und darum bin ich jetzt, so scheint es, so vielfältig, so groß und so dick; gewaltig im Umfang: der jedoch eben gar nicht feststellbar ist, aufgrund meiner diffusen, genau gesagt, immer erweiterbaren Begrenzungen. Die eben wiederum deswegen so sind, weil sie für das Andere offen sind und ihm gegenüber einladend. Ich kann gar nicht genug Anderes, gar nicht genug Nicht-Ich in mich aufnehmen, in meinen Kreis ziehen, der gleichzeitig ein Kreis um die Welt ist, ein Kreis ist, in dem ich mich in die Welt hinein auflöse und als Ego zu existieren aufhöre. Hegel scheint was Ähnliches zu sagen bzw. zum Prinzip zu erheben: Das Begreifen eines Gegenstandes besteht in der Tat in nichts anderem, als daß Ich denselben sich zu eigen macht, ihn durchdringt und ihn in seine eigene Form, d.i. in die Allgemeinheit, welche unmittelbar Bestimmtheit, oder Bestimmtheit, welche unmittelbar Allgemeinheit ist, bringt. Der Gegenstand in der Anschauung oder auch in der Vorstellung ist noch ein Äußerliches, Fremdes. Durch das Begreifen wird das Anundfürsichsein, das er im Anschauen und Vorstellen hat, in ein Gesetztsein verwandelt; das Ich durchdringt ihn denkend. (Wissenschaft der Logik II S.255) Wenn ich mir das recht überlege, scheine den Gegenstand dabei ganzheitlicher durchdringen zu wollen, empfindender, empathisch-sympathetischer … aber eben auch, und vor allen Dingen: denkend. Es geht mir ja darum, dass ich das Andere begreife – und vor allem, dass die anderen es begreifen. Ich will richtige Verständnisse herstellen, bzw. durch meine Art des Denkens und Empfindens helfen, wie man zu richtigen Verständnissen hoffentlich selbst gelangen kann. Das ist meine Innerlichkeit, und das ist meine Äußerlichkeit. Also: die letzte Spitze der Innerlichkeit ist das Denken. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.521) Hegel hingegen wird immer wieder für das, was hier z.B. durchscheint, angegriffen: Das Begreifen eines Gegenstandes besteht in der Tat in nichts anderem, als daß Ich denselben sich zu eigen macht … (wobei da freilich weiter steht: und ihn durchdringt und ihn in seine eigene Form, d.i. in die Allgemeinheit, welche unmittelbar Bestimmtheit, oder Bestimmtheit, welche unmittelbar Allgemeinheit ist, bringt.) Aufgrund des possessiven Charakters der meisten Menschen besteht die Gefahr, dass sie sich das Andere zu eigen machen, indem sie dies tatsächlich genau so tun: also sich das Andere unterordnen; das andere unter sich subsumieren; dem Anderen die eigene Form überstülpen etc. (und es auch in seiner allgemeinen Bestimmheit dann eben in einer solchen Weise allgemein bestimmen). Hegels System selbst wird immer wieder gern der Vorwurf gemacht, dass es so verfährt: dass es – undialektisch – etwas als Allgemeines bestimmt, und das andere mehr oder weniger nur als Aberration auffasst; dass es das Subjektive/Andere zugunsten einer allumfassenden „Logik“ negiere; dass es totalitär sei… das ist vielleicht nicht ganz gerecht – hat aber gleichermaßen Interessantes in der Philosophie hervorgebracht. Allgemein wäre es wahrscheinlich gut, wenn man sich als Mensch bei der Betrachtung einer Sache nicht fragen würde: was bringt das mir bzw. wie lässt sich hier eine Kontinuität zu meinem bisherigen Denken herstellen, sondern: was ist der allgemeine Schaden und Nutzen von einer Sache? Wie gut ist die Sache empirisch und logisch begründet? Es gibt da Menschen, die alles vorwiegend aus einem objektiven Gesichtspunkt heraus betrachten, sich selbst in diese Objektivität hinein auflösen. Ich selber will – wie Duchamp – von mir selbst weg: daher vielleicht mein natürliches Verhältnis zum „Anderen“. Meine Identität ist, hegelsch gesprochen, eine Identität von Identität und Nicht-Identität. Mein „Ich ist ein Anderer“. In meiner Entwicklung werde ich aber gerade deswegen immer mehr zu mir selbst (was auch das Ziel der Hegelschen Entwicklung ist); es ist weniger eine Entwicklung als eine Vertiefung und eine innere Auffächerung und Ausdifferenzierung. Paradoxerweise genau deswegen, weil es mich immer schon zum Anderen zieht, und zur Objektivität, bleibe ich gleichermaßen, in meiner Entwicklung, vergleichsweise statisch und unbewegt. – Bei Hegel ist aber eben nichts statisch und unbewegt. Überall sieht er den Widerspruch, den er gleichsam zu einer transzendentalen Kategorie erhebt. Etwas ist also lebendig, nur insofern es den Widerspruch in sich enthält, und zwar diese Kraft ist, den Widerspruch in sich zu fassen und auszuhalten. Was aber ein Existierendes nicht in seiner positiven Bestimmung zugleich über seine negative überzugreifen und eine in der anderen festzuhalten, den Widerspruch nicht in ihm selbst zu haben vermag, so ist es nicht die lebendige Einheit selbst, nicht Grund, sondern geht in dem Widerspruche zugrunde. – Das spekulative Denken besteht nur darin, daß das Denken den Widerspruch und in ihm sich selbst festhält, nicht aber, daß es sich, wie es dem Vorstellen geht, von ihm beherrschen und durch ihn sich seine Bestimmungen nur in andere oder in nichts auflösen läßt. (Wissenschaft der Logik II S.76) Den Widerspruch hier überall sehen zu wollen, ist aber weniger etwas, was sich zwingenderweise und notwendig aus empirischen und/oder logischen Gründen ergibt, sondern eher eine Annahme, eine Vorentscheidung, eine willkürliche Setzung seitens Hegel: über die er dann all seine Pracht entfaltet – und über die allein es ihm gelingt, all seine Pracht zu entfalten. Empirisch z.B. stellt es sich eher so da, dass nur weniges, von dem, was lebendig ist, sich großartig für den Widerspruch interessiert. Es will vielmehr bleiben, wie es ist, und sich darin wohlfühlen. In seinen Beobachtungen und Kommentaren zu den Verhandlungen in der Versammlung der Landstände des Königreichs Württemberg im Jahre 1815 und 1816 bemerkt Hegel, dass es Menschen politisch vorwiegend um sie selbst und ihr eigenes Wohl geht, und um nichts Objektives, und dass sie zur Arbeit am Widerspruch hauptsächlich über die Adressierung an ihre eigene Gestaltungsmacht und an ihre Eitelkeit gebracht werden können: … denn es liegt tief in der menschlichen Natur, sich nur für das zu interessieren, wofür man handeln, wofür man mitbeschließen und mitwirken, wobei der Wille sein kann. Es müßte den Ländern eine Art der Mitwirkung fürs Allgemeine verschafft werden. (Politische Schriften S.135) Natürlich kann man sagen, dass das nicht die lebendige Einheit selbst, nicht Grund darstellt, sondern in dem Widerspruche zugrunde geht, in der (unbequemen und widersprüchlichen) Nische zugrunde geht, in dem es immer lebt: anstatt dass es die Welt erobert und befreit hat. Es ist dann ein gleichsam vegetatives Leben. – Logisch hat das mit dem Widerspruch allerdings schon mehr für sich. Die Entwicklung von Einheit, Schlussfolgerung aus Gegensätzlichem heraus, verlangt, dass das Gegensätzliche auch als solches erkannt und ernst genommen werden muss. Und es gibt Gegensätze und Antithesen in der Welt, die sich nicht im Rahmen einer postmodernen Buntheit organisieren (lassen). Bei Schelling entwickelt sich alles aus einer „Potenz“ heraus (also aus einem singulären Agens heraus). Das scheint nicht schlecht. Aber es gibt Bereiche, da eignet sich die dialektische Logik von Hegel einfach besser, um was fortzutreiben, um was zu begreifen.
Die Gemälde von Murillo werden für ihre Authentizität und Wahrhaftigkeit und für die (innere und äußere) Schönheit der Figuren gelobt. Schönheit, kann man mit Hegel sagen, ist die Idee, in der sich das Wahre, Gute, Echte etc. ausdrückt; in der das Gute, Wahre, Echte mit der Wirklichkeit zusammenfallen. Sie ist das Wirklichwerden und Zum Ausdruck Kommen von innerer Schönheit und Harmonie. Mit seiner spezifischen Darstellung von Schönheit nahm Murillo damit gleichsam den Rokoko vorweg – ohne allerdings in dessen Formalismen zu verfallen.
Eine der großen Innovationen der Hegelschen Philosophie ist der dynamische, sich in der Zeit entwickelnde Begriff. Von alters her werden Begriffe eher als etwas Statisches gedacht, bzw. versucht eben die Philosophie zu allgemeinen, vom Zeitlichen und Zufälligen gereinigten und entschlackten (idealen) Begriffen zu kommen. Bei Hegel entwickelt sich der Begriff aber in und mit der Zeit. Es heißt bei Hegel sogar: Die Zeit ist der da-seiende Begriff und Geist ist Zeit (vgl. Kojève S.96ff.) Der Begriff ist etwas ganz Wesentliches in der Philosophie Hegels. Leider ist aber gar nicht einmal erschöpfend klar, was mit dem Begriff bei Hegel eigentlich gemeint ist. Mit Kojéve könnte man vermuten: Begriff (oder „das Wahre“) stehen für nichts endgültig Wahres und Begriffenes, sondern für eine einstweilen begriffene Wirklichkeit (ebenda S.113). Deswegen entfaltet sich der Begriff (und das Wahre) dann eben auch in und über die Zeit. Mithilfe von Begriffen, die einen gewissen Wahrheitsgehalt haben, prägt der Geist differenziertere Verständnisse vom Begriff aus bzw. entwickelt neue Begriffe. Man könnte hier also die Frage, warum wir nicht mit dem Höchsten, das heißt mit dem konkret Wahren beginnen. Die Antwort wird sein, weil wir eben das Wahre in Form eines Resultates sehen wollen und dazu wesentlich gehört, zuerst den abstrakten Begriff selbst zu begreifen. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.86/87)Der Begriff ist deswegen eine so zentrale (bzw. emphatisch betonte) Kategorie bei Hegel, weil er damit ausdrücken will, dass sich unsere Verständnisse von der Welt gemäß seiner Philosophie nicht – wie bei seinem damaligen Freund/Kollegen/Rivalen Schelling – über Anschauungen herstellen, sondern eben über Begriffe. Anschauungen bleiben letztendlich obskur und können sich selbst nicht analytisch durchdringen und begreifen; sie sind zwar immersiv und scheinen auf tiefere, eindringlichere Verständnisse bzw. Verständnismöglichkeiten hinzuweisen, aber sie sind eher und vorwiegend Erkenntnismodi von Künstlerinnen bzw. stehen in einem Zusammenhang mit einem mystischem Verständnis. Sie verweisen auf was Genialisches: Und so bleibt als höchste Form von Erkenntnis bei Schelling dann, zu einer Anschauung vom Absoluten zu kommen – was dann aber mehr oder weniger Privileg des künstlerischen Genies sei (das dabei aber über seine Kunst seine Anschauungen vom Absoluten für die Allgemeinheit übersetzt). Hegel ist da demokratischer: bei ihm vollzieht sich Erkenntnis über die (dialektische, rationale, logische) Entwicklung eines (analytischen) Begriffs, die für „jeden“/“jede“ möglich sei. (Schopenhauer betont dann wieder, dass das anschauende Denken und Vorstellen das Charakteristikum des Genies sei, das (bloß) begriffliche hingegen das der Alltagsköpfe.) Die Anschauung kann sich selbst nicht analytisch durchdringen und Klarheit über sich gewinnen, der Begriff aber schon. Bei Hegel hat die Welt selbst (anders als bei eben dann auch Schopenhauer und Schelling) eine rationale, logische Struktur, in die der Mensch über die (dialektische) Entwicklung von (rationalen, analytischen, logischen) Begriffen Einsicht gewinnt, und mithilfe derer er dann in der Lage ist, die Welt umso rationaler und logischer auszugestalten: das ist dann eben die Essenz des (philosophischen) Idealismus. Diese Substanz aber, die der Geist ist, ist das Werden seiner zu dem, was er an sich ist; und erst als dies sich in sich reflektierende Werden ist er an sich in Wahrheit der Geist. Er ist an sich die Bewegung, die das Erkennen ist, – die Verwandlung jenes Ansich in das Fürsich, der Substanz in das Subjekt, des Gegenstandes des Bewußtseins in Gegenstand des Selbstbewußtseins, d.h in ebensosehr augehobenen Gegenstand oder in den Begriff. Sie ist der in sich zurückgehende Kreis, der seinen Anfang voraussetzt und ihn nur am Ende erreicht. (Phänomenologie des Geistes S.585) Wiederum wird der Begriff zu etwas dem Menschen und der Welt Enthobenen, zu einer eigenständigen – und zur eigentlichen – Macht. So wie gleichsam nicht der Mensch die Philosophie und den Geist entwickelt, sondern sich der Geist und die Philosophie via des Menschen entwickeln, entfaltet nicht der Mensch den Begriff, sondern entfaltet sich der Begriff via des Menschen (weswegen bei Hegel auch der Begriff dann wiederum dazu tendiert, von etwas Nüchternem und Greifbarem zu etwas Entrückt-Metaphysischem zu werden). Dabei ist der Begriff aber bei Hegel nicht die höchste Kategorie: der (im und über den Geist) entwickelte Begriff will auf die Wirklichkeit wirken, mit der Wirklichkeit zur Deckung kommen, die Wirklichkeit umgestalten. Das Kongruentwerden des Begriffs mit der Wirklichkeit ist bei Hegel dann die Idee: Es muß nun allerdings zugegeben werden, daß der Begriff als solcher noch nicht vollständig ist, sondern in die Idee sich erheben muß, welche erst die Einheit des Begriffs und der Realität ist… (Wissenschaft der Logik II S.258) All diese Entwicklung – die vollständige Durchdringung der Welt durch den Geist – kommt schließlich im „Wahren“ und „Ganzen“, im Absoluten an. Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen. Es ist von dem Absoluten zu sagen, daß es wesentlich Resultat, daß es erst am Ende das ist, was es in Wahrheit ist; und hierin eben besteht seine Natur, Wirkliches, Subjekt oder Sichselbstwerden zu sein. So widersprechend es scheinen mag, daß das Absolute wesentlich als Resultat zu begreifen sei, so stellt doch eine geringe Überlegung diesen Schein von Widerspruch zurecht. (Phänomenologie des Geistes S.24) Bei Schelling bleibt das Absolute etwas Ur-Anfängliches und Undifferenziertes, vom Menschen Getrenntes, das vom Menschen letztendlich nicht begriffen werden kann und das ihm fremd, ihm gegenüber eine andere Ordnung bleibt; von dem er sich höchstens eine Anschauung bilden kann. Bei Hegel hingegen kann es ein Undifferenziertes gar nicht geben, da sich aus ihm nichts entwickeln kann. Das Absolute ist bei ihm etwas, das sich über fortwährende Ausdifferenzierung erst entwickelt – und das vom Menschen dann eben auch begriffen und nachvollzogen werden kann, an dem Teilhabe möglich ist, bzw. das als letzte Möglichkeit und Finalität in der Entwicklung des Geistes (über den Begriff) selbst liegt – und nicht in einem Außerhalb. Aber das Absolute kann nicht ein Erstes, Unmittelbares sein, sondern das Absolute ist wesentlich sein Resultat. (Wissenschaft der Logik II S.196) – Hegels spezifische Logik (von der Entfaltung des Begriffs als einer dynamischen Kategorie) wollte ein neues Verständnis von Logik eröffnen: Seit Aristoteles habe es keine neue philosophische Logik gegeben. Die aristotelische Logik operiert aber in starren Begriffen und sei deswegen der modernen Entwicklungsstufe, auf der der Weltgeist sich befindet, nicht mehr angemessen. Diese verlange vielmehr ein dynamisches Verständnis vom Begriff. (Ironischerweise fungiert Aristoteles aber nicht nur als Gegenpol zu Hegel, sondern auch als Vorläufer: Gegenüber dem von seinem Zeitalter irritierten und abgestoßenen Ordnungsfanatiker Platon, dem es zum Ursprünglichen und Ewigen und zu den (ursprünglichen und ewigen) „Ideen“ zieht, ist Aristoteles, aus seinem naturwissenschaftlichen Interesse am Organischen, Biologischen und Lebendigen, vielmehr an Entelechie und Teleologie, an Entwicklung und Entfaltung und am Dynamischen – also an Ähnlichem wie Hegel – interessiert.) Großen Einfluss auf die philosophische Logik hatte die Hegelsche dann aber nicht. Die philosophische Logik wurde um die Wende zum 20. Jahrhundert von Frege und Russell entscheidend entwickelt – und operierte wiederum mit „starren“ Begriffen und Eindeutigkeiten (weswegen, kann man vielleicht auch sagen, sie dann auch gegen die Wand des Russellschen Paradoxons gefahren ist; unter anderem). Sie fuhr dann auch gegen die Wand, die Wittgenstein im Tractatus angedeutet hat: dass Logik nur beschränkt und selbstreferenziell/tautologisch Aussagen über die Welt machen kann; nicht aber über die „eigentlichen“ Daseinsqualitäten, das „Mystische“ der menschlichen Lebenswelt; dass sich logische Sätze nicht in ethische Sätze überführen lassen etc. Schweigend hat Wittgenstein dabei noch sein Unbehagen allein zu formulieren gewusst, da er damals noch keine Einsicht in dessen Grund hatte. In seiner Spätphilosophie verabschiedet sich Wittgenstein dann von der Idee einer Idealsprache, mit der die Logik operiere, zugunsten von einer Alltagssprache, die sich sozial, in Abstimmung der Sprechenden untereinander und über den Gebrauch entwickle – und der es einer definitiven Eindeutigkeit und Folgerichtigkeit vielfach ermangle. „Begriffe“ werden so wieder zu was Dynamischen. Sellars und Findlay kritisieren an der Russellschen Logik, dass sie in einer „Objektsprache“ spreche, die aber einer „Metasprache“ bedarf, um sich selbst zu begreifen. Der metasprachliche Diskurs diskutiere, kommentiere, analysiere, konkretisiere und entwickle, was die Begriffe innerhalb der logischen Sprache überhaupt bedeuten würden, die aus sich selbst heraus letztendlich nicht (widerspruchsfrei) entwickelt und begründet werden können. Hier hat man wieder eine Anlehnung an die „dynamische“ Logik Hegels, wenn man so will. Der analytische Philosoph Robert Brandom hat jetzt auch ein 800-Seiten-Buch zu Hegel veröffentlicht. Ich hoffe, ich kann es mal lesen; und auch verstehen: denn zeitlebens waren mir Brandoms Schriften und Gedankengänge mindestens ebenso unverständlich wie die Hegels.
In neueren Zeiten ist das Bewußtsein entstanden, daß es eine Schwierigkeit sei, einen Anfang in der Philosophie zu finden, und der Grund dieser Schwierigkeit sowie die Möglichkeit, sie zu lösen, ist vielfältig besprochen worden. Der Anfang der Philosophie muß entweder ein Vermitteltes oder Unmittelbares sein, und es ist leicht zu zeigen, daß er weder das eine noch das andere sein könne; somit findet die eine oder die andere Weise des Anfangens ihre Widerlegung. (Wissenschaft der Logik I S.65) Wenn ein Anfang (durch was anderes) vermittelt ist: wie kann er dann echter Anfang sein? Und wenn er unmittelbar ist: wer oder was hat ihn dann trotzdem hervorgebracht? All das führt die Logik dabei aber nicht an ihre Grenzen: denn ein Anfang muss kein echter, primordialer Anfang sein; vielmehr wird er das Erscheinen einer Qualität sein, die durch etwas anderes, eventuell einer Vielzahl von Faktoren, die diese Qualität noch nicht besitzen, angestoßen wird. Das Universum entstammt eventuell einer Transformation eines Energiefeldes; höherwertiges eukaryotisches Leben hat sich offenbar aus einer (extrem unwahrscheinlichen und daher wohl extrem selten stattfindenden) Kreuzung eines prokaryotischen Bakteriums und eines Archaeons entwickelt etc. Ein Anfang ist das Erscheinen einer Qualität, der andere Qualitäten vorgelagert sind, die für uns nicht mehr unmittelbar ersichtlich und für uns möglicherweise auch nicht mehr analysierbar sind. Was tatsächlich, empirisch der Anfang ist, ist nur auf empirischem, wissenschaftlichem Wege feststellbar. Die Logik hilft uns da weniger weit, als man vielleicht glaubt. Mithilfe der Logik lassen sich alle möglichen Schlussfolgerungen und auch Rückschlüsse ziehen, die aber empirisch verifiziert werden müssen. Hegel standen solche wissenschaftlichen Erkenntnisse größtenteils noch nicht zur Verfügung; und Aufgabe der Philosophie ist es ohnehin, ideale, abstrakte Vorstellungen von konkreten Prozessen in der Welt zu geben. Auch Hegel wollte gerne wissen, von welchem Anfange die dialektische Entwicklung des Weltprozesses ausgehe. Es scheint (irrtümlicherweise?) auf der Hand zu liegen, dass man, um zum Anfang zu gelangen, die Qualitäten, die sich im dialektischen Prozess ergeben (als etwas Gemachtes) wegrechnen und man reinen Tisch machen müsse, bis dass man an nichts mehr gelange, was nicht doch noch auf einen weiteren Ursprung zurückgeführt werden könne: Was den Anfang macht, der Anfang selbst, ist daher als ein Nichtanalysierbares, in seiner einfachen unerfüllten Unmittelbarkeit, also als Sein, als das ganz Leere zu nehmen. (ebenda S.75) Das ganz Leere kann aber nicht Anfang sein, da es kein dialektisches Potenzial enthält: aus der reinen Leere kann nichts entstehen. Daher setzt Hegel also das reine Sein an den Anfang: Der Anfang ist also das reine Sein. (ebenda S.69) Hegel wäre aber nicht Hegel, wenn bei ihm nicht das „reine Sein“ selbst etwas Unreines, von Dialektik Durchzogenes wäre: in diesem Fall von der Dialektik zwischen Sein und Nichts. Es ist noch Nichts, und es soll Etwas werden. Der Anfang ist nicht das reine Nichts, sondern ein Nichts, von dem Etwas ausgehen soll: das Sein ist also auch schon im Anfang enthalten. Der Anfang enthält also beides, Sein und Nichts; ist die Einheit von Sein und Nichts, – oder ist Nichtsein, das zugleich Sein, und Sein, das zugleich Nichtsein ist. (ebenda S.73) Damit scheint sich Hegel mit fernöstlicher Weisheit zu treffen, denn auch z.B. das Tao wird als ein Sein gedacht, das auch ein Nichts ist bzw. ein Nichts, das auch ein Sein ist (genau gesagt: als ein Nichts, dem ein Potenzial zum Ontischen innewohnt). Hegel denkt dabei aber nicht aus dem Mystischen, sondern dem Dialektischen heraus: wonach jede dialektische Einheit aus einem Ding und dessen Negation besteht. Indem da Sein ist und Nichts ergebe sich die Möglichkeit zum Werden; Werden liege in der dialektischen Vermittlung zwischen Sein und Nichts. – Dabei erscheint, genau betrachtet, Werden aber nicht als Vermittlung zwischen Sein und Nichts, sondern höchstens zwischen einem Sein und einem Noch-Nicht; einem Zustand, den es noch nicht erreicht hat. Das ist dann eher die Vorstellung von Werden wie man sie bei Schelling hat: innerhalb derer sich das Sein nicht in eine bestimmte Richtung hin entwickelt (wie bei Hegel) und nicht in eine bestimmte (antithetische, dann synthetische) Richtung hin gezogen wird, sondern Freisetzung eines innewohnenden Potenzials ist. Alleine schon einmal indem man Werden als eine „Vermittlung“ zwischen was begreift, räumt man dem zukünftigen Zustand eine gleichwertige Macht wie dem gegenwärtigen und rückwirkende Gestaltungskraft diesem gegenüber ein, die er aber so nicht besitzt. In seiner Vorstellung vom Werden erscheint Hegel als zu zukunftsorientiert. – Hegel kommt darüber hinaus dann auch noch mit seinem berüchtigten Diktum, wonach reines Sein und reines Nichts dasselbe seien: Das Sein, das unbestimmte Unmittelbare ist in der Tat Nichts und nicht mehr noch weniger als Nichts … Das reine Sein und das reine Nichts ist also dasselbe. (ebenda S.83) Tatsächlich haben weder das reine Sein noch das reine Nichts irgendwelche Qualitäten (weswegen sie also ineinander fielen). Das aber erscheint als eine Verwirrung der Begriffe: da das Sein sich eben zumindest über die Qualität des Seins auszeichnet, und das Nichts über die Qualität des Nicht-seins; sie also zumindest darüber eindeutig voneinander geschieden sind. Warum ist Seiendes und nicht vielmehr Nichts? als Grundfrage der Philosophie würde dann wegfallen, wenn reines Sein und reines Nichts dasselbe wären – genau gesagt: unsere gesamte Existenz. Wenn das reine Sein und das reine Nichts überhaupt dasselbe seien, hat man ja keine dialektische Einheit von einem Ding und dessen Negation mehr, sondern eine reine Identität, aus der sich dialektisch nichts entwickeln kann. Und wenn Sein und Nicht-sein ineinander fielen, wäre jede Aussage und ihr Gegenteil war, die Struktur der Welt damit unlogisch und daher die Welt auch unmöglich. – Im Denken so radikal zu sein, dass man – alles sonstige hinterfragend – zum reinen Sein, zum nicht mehr hintergehbaren Grund vorstoßen will, um von dort aus dann erneut aufzusteigen, ist eine gute, eine ehrliche Sache. Eine Sache der wahren Philosophie. Auf so eine Idee kommen viele nicht, stattdessen nehmen sie irgendein Lieblingsobjekt als Ausgangspunkt ihres Räsonierens (zu dem das Denken dann eben in der Regel auch wieder zurückführt). Zum reinen Sein vorzustoßen gelingt auch kaum jemand. Von Zehntausenden, die sich da auf den Weg machen, gelangen vielleicht zwei oder drei tatsächlich durch das Tor. Und auch die wissen niemals genau, ob sie nicht vielleicht einem Schelmenstreich zum Opfer gefallen sind. Das reine Sein ist wissenschaftlich womöglich nicht erfassbar, und daher auch letztendlich auch keine handhabbare Kategorie. Das reine Sein und das reine Nichts wären so was wie reine Präsenzen. Mit Derrida kann man aber vielleicht sagen, dass es reine Präsenzen nicht gibt: es gibt nur Verweisungszusammenhänge und Spuren von Verweisungszusammenhängen (wobei diese Verweisungszusammenhänge aber eben auch für eine höhere Stabilität der Verflechtungen, in die die Dinge eingelassen sind, sorgen, als Derrida mit seiner vielleicht zu leichtfertig (und selbstzweckhaft) betriebenen Dekonstruktion uns das gemeinhin glauben machen will). Dialektisches Schließen, die Logik des Weltprozesses stoßen sich nicht vom „reinen Sein/Nichts“ ab, sondern von Gegebenheiten und Verweisungszusammenhängen, die bis zu einem gewissen Grad zufällig und kontingent sind. Daher bringen sie, in erheblichem Grad, weitere Zufälligkeiten und Kontingenzen hervor. Das ist dann aber nur bedingt eine Hervorbringung von „Geist“ oder einer Logik. Der Frage nach dem Ursprung und warum da ist Sein und nicht vielmehr Nichts versucht die Menschheit von alters her auf den Grund zu gehen: und entwickelte so die meiste Zeit über Schöpfungsmythen und Religionen – die in ihrer jeweiligen Form den Geist unterschiedlicher Kulturräume bis heute unterschiedlich prägen und ihn auch jeweils unterschiedlich gefangen halten. Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden (Marx) – und so scheint die große Frage von wegen woher wir kommen und wohin wir gehen nicht so einfach beantwortbar und der Versuch ihrer Beantwortung findet kaum in einem Reich der reinen Ideen und Begriffe statt, sondern inmitten von Verweisungszusammenhängen. Das Problem sind dabei nicht die vielen Absonderlichkeiten und Sackgassen, die der Weltprozess hervorgebracht hat (oder die wieder mehr oder weniger spurlos in ihm verschwunden sind), sondern ist dass wir nicht genau wissen, inwieweit unser derzeitiger Weltzustand und Zustand des Weltgeistes nicht auch hauptsächlich eine Kontingenz oder Zufälligkeit – oder Sackgasse – ist, und Hegels Geschichtsidealismus somit nicht eventuell bloß einen charmanter Irrtum darstellt. Aber vor dieser Schwierigkeit zu kapitulieren kann ja nicht Sache der Wissenschaft und der Philosophie sein! Wissenschaft und Philosophie sind dazu da, den Dingen auf den Grund zu gehen, und ihre Erklärungen im Lichte neuer Erkenntnisse gegebenenfalls zu revidieren. Die Philosophie soll ihre Erklärungen dabei so allgemein halten wie möglich und in idealen Begriffen und Anschauungen, die (hoffentlich korrekt) vom Empirischen abstrahieren. Wenn Hegel sein Programm formuliert als: Man muß zugeben, daß es eine wesentliche Betrachtung ist – die sich innerhalb der Logik selbst näher ergeben wird –, daß das Vorwärtsgehen ein Rückgang in den Grund, zu dem Ursprünglichen und Wahrhaften ist, von dem das, womit der Anfang gemacht wurde, abhängt und in der Tat hervorgebracht wird (…) Das Wesentliche für die Wissenschaft ist nicht so sehr, daß ein rein Unmittelbares der Anfang sei, sondern daß das Ganze derselben ein Kreislauf in sich selbst ist, worin das Erste auch das Letzte und das Letzte auch das Erste wird. (ebenda S.70) – so kann man darin heißestes Bemühen identifizieren, zum korrekten Urgrund der Welt vorzustoßen, deren Anfang und Ende festzustellen und das Unwandelbare, das unter dem Chaos des Weltprozesses verborgen liegt, dessen innere Wahrheit als solches freizulegen. Man kann aber ein weiteres Mal die Einladung zu einem Zirkelschluss, innerhalb dessen alles in Harmlosigkeit und Trivialität aufgeht darin erblicken. (Im Hinblick auf die Emanation des Geistes kann man vielleicht von einer Art kindlichem, unschuldigem, unbelastetem Urzustand des Geistes ausgehen, in dem der Geist einem reinen Perzeptionsvermögen und reiner Aufnahmefähigkeit zu gleichen scheint, und der Geist dann idealerweise, durch gewaltige Bildung, Introspektion und Ich-Kasteiung schließlich in einen erneuten, erleuchteten Zustand der reinen Perzeption gelangt – allerdings auf einem viel höheren Level der Kompetenz. Eine solche Introspektionsleistung des Geistes ist aber was anderes als der Gang der Weltgeschichte.) Louis Althusser zum Beispiel stößt sich in marxistischer Manier daran, dass Hegel innerhalb seiner Philosophie von einem einfachen Ausgangspunkt zu einem einfachen Endpunkt gelange, und alles in Harmonie und Einfachheit aufgehen lasse: aufgrund seiner immer schon harmonisierenden (herrschaftsunkritischen) Annahmen und den entsprechenden Folgerungen, die er dann daraus ziehe … und deshalb ist bei Hegel auch niemals ein bestimmter Widerspruch dominant. Das heißt, dass das Hegelsche Ganze eine Einheit „geistigen“ Typs besitzt, in der alle Differenzen nur gesetzt werden, um negiert zu werden, also indifferent bleiben. Und in der sie also niemals für sich selbst existieren, sondern nur den Anschein einer unabhängigen Existenz haben, und in der sie, da sie immer nur die Einheit des inneren, einfachen Prinzips manifestieren, das sich ihnen entfremdet, praktisch untereinander, als entfremdete Erscheinung dieses Prinzips, ganz gleich bleiben. Das heißt also auch zu behaupten, dass die Hegelsche Totalität 1. nicht wirklich, sondern nur dem Anschein nach in „Sphären“ gegliedert ist, 2. als Einheit nicht ihre Komplexität als solche besitzt, das heißt nicht die Struktur dieser Komplexität aufweist, und 3. also ganz ohne diese „Struktur mit Dominante“ bleibt, die die absolute Bedingung dafür bildet, dass es einer wirklichen Komplexität überhaupt erst möglich macht, Einheit zu sein und wirklich Gegenstand einer Praxis zu werden, die es sich vornimmt, diese Struktur zu verändern, nämlich als politische Praxis. Es ist daher auch kein Zufall, dass die Hegelsche Theorie der gesellschaftlichen Totalität niemals eine Politik begründet hat, dass es keine Hegelsche Politik gibt und es sie auch nicht geben kann. (Althusser S.258f.) Das könnte man, vor allem vom Standpunkt einer marxistischen Kritik, an Hegel durchaus monieren. Kritisch zurückschlagen kann man dagegen dann aber auch: Ein gewisses Unwohlsein löst Althussers Charakterisierung Hegels als „unpolitisch“ nämlich hoffentlich schon aus. Das scheint einem eminent politischen Denker wie Hegel Unrecht zu tun. Allerdings: was ist überhaupt Politik? Vielleicht haben ja der eine und die andere grundsätzlich andere Vorstellungen schon einmal davon. Politik bedeutet, ganz allgemein, die Regelung der Angelegenheiten des Gemeinwesens. Nach Hannah Arendt ist Politik das Management von menschlicher Diversität. Politik wird von Einzelnen, Gruppierungen, Institutionen und Parteien betrieben in dem Anliegen, Interessen durchzusetzen; entweder die eigenen oder Interessen, mit denen man sich identifiziert oder deren Durchsetzung man als wünschenswert erachtet; und dem Ziel, das Gemeinwesen auf die Garantie der damit verbundenen Ansprüche auszurichten. Parteien vertreten bestimmte, in der Gesellschaft bestehende Interessen oder bestimmte Interessensgruppen, und tun das hoffentlich auch im Hinblick auf den Ausgleich mit den Interessen anderer Gruppen. Wenn Parteien Interessenspolitik und Interessensausgleich betreiben, hat man ein gutes Gemeinwesen. Wenn Parteien ganz vorrangig ihre eigenen Interessen verfolgen und hauptsächlich darauf aus sind, in der Gesellschaft vorhandene Pfründe in ihrem Sinn (neu) zu verteilen, hat man ein schlechtes Gemeinwesen. Hegels gesamtes Denken kreist darum, wie es möglich sei, das Einzelne mit dem Allgemeinen zu versöhnen und beides ineinander aufgehen zu lassen. Er ist also Denker und Advokat eines, in dem Sinn, guten Gemeinwesens, das von einem guten, die Einzelinteressen austarierenden Staat (als nicht nur empirischer Realität sondern auch (bei Hegel gleichsam mystisch-philosophischer und leidenschaftlich erhöhter) höchster Idee des Gemeinwesens) in (seine endgültige) Form gebracht wird. – Jetzt kann man das als naiv und unkritisch betrachten, wenn nicht als schleimerisch und unterwürfig gegenüber real bestehender Macht, die man damit auch noch idealisiere; und Marxisten wie Althusser werden Hegel gegenüber geneigt sein, genau das zu tun. Im Allgemeinen ist es letztendlich eine Entscheidung, die man trifft, ob man die Politik, das Gemeinwesen, den Staat, das Wirtschaftssystem als eine rationale Einrichtung betrachtet, oder als eine irrationale; ob es sich dabei um funktionale und (pro)soziale Zusammenhänge handle, oder aber um antisoziale Zusammenhänge der Macht und der Herrschaft; ob die Gesellschaft durch Konflikt bestimmt sei oder durch Harmonie etc. All diese Zusammenhänge können tatsächlich mal eher das eine sein, und dann wieder vorwiegend das andere und damit durch die eine Heuristik besser erfasst und dann wieder durch die andere. Was speziell die Marxisten anlangt, so haben die eine deutlich agonalere Auffassung von Politik (genau gesagt: der derzeit bestehenden Politik) als Hegel. Für sie gibt es eine gesellschaftliche Dominante, und einen dominanten (Haupt)Widerspruch innerhalb von Gesellschaft und Politik: und das ist der Klassenkampf. Marxisten betrachten das Gemeinwesen an sich dabei als etwas durchaus (penetrant) Harmonisches, das in seiner Idylle aber durch ein Wirtschaftssystem nachhaltig gestört und pervertiert werde: was einen Klassenkampf provoziere, bei dem nur der revolutionäre Endsieg des Proletariats gesamtgesellschaftliche Harmonie (wieder) herstellen könne (und durch sonst nichts). Die Geschichte ist bei Marx eine Geschichte von Klassenkämpfen. So mag für einen geeichten Marxisten dann auch alles, was nicht Klassenkampf ist, tatsächlich nicht wirklich als Politik erscheinen, sondern als bloßer Wurmfortsatz von Politik, wenn nicht als Täuschungsmanöver, als Lulu-Angelegenheit oder als „was für Überbauwichteln“. Der Staat ist im marxistischen Verständnis keine „höchste Idee“ sondern ein Repressionsapparat im Dienste der herrschenden Klasse. Schreibt Lenin in Staat und Revolution: Der Staat ist das Produkt und die Äußerung der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze. Der Staat entsteht dort, dann und insofern, wo, wann und insofern die Klassengegensätze objektiv nicht versöhnt werden können. Und umgekehrt: Das Bestehen des Staates beweist, dass die Klassengegensätze unversöhnlich sind. (Lenin S.10) Der Kommunismus hingegen wird als geradezu/schlechthin unpolitische Utopie gefasst: Als Endziel setzen wir uns die Abschaffung des Staates, d.h. jeder organisierten und systematischen Gewalt, jeder Gewaltanwendung gegen Menschen überhaupt. (ebenda S.63) – Jetzt sind aber Klassenkämpfe wohl dann doch nicht die Dominante innerhalb der Geschichte, sondern eher ein Moment unter auch noch anderen; außerdem sind Klassenkämpfe dermaßen weitläufig und komplex und treten in zu vielen verschiedenen Kontexten auf als dass man irgendeinen empirischen geschichtlichen Verlauf daraus ableiten könnte. In der Geschichte gibt es möglicherweise keine Dominante (was dann natürlich eben auch Hegel auf den Kopf fällt, der in ihr ja die Entfaltung einer Logik erkennt). (Und die Menschen, und mit ihnen der geschichtliche Verlauf, sind ja auch nicht so politisch, wie die Marxisten immer wieder gerne glauben.) Die Ursprünge des Staates liegen möglicherweise darin, dass urzeitliche Ansiedelungen bzw. Urstädte sich gegen räuberische Nomaden sichern wollten, für die sie aufgrund ihres relativen Reichtums ein beliebtes Angriffsziel waren – eventuell indem sie den Nomaden, als Kriegerkaste, selbst die Regierungsgewalt (oder Teile davon) übertrugen, damit sie das Gemeinwesen vor anderen Nomaden schützten (die Konfliktlinie zwischen Sesshaften und Nomaden ist dabei eine sich weit durch die Geschichte ziehende und die Geschichte formende – und das, was die Verständnisse und mentalen Gefängnisse vieler Kulturräume anlangt – und ziemlich unmarxistisch –, bis heute). Den Schrecken, den der Staat bei Lenin hatte, hat er, im weiteren geschichtlichen Verlauf als liberale Demokratie – zumindest bei nüchterner Betrachtung – weitgehend verloren. Seine Entwicklung war (in unserem Teil der Welt) eher die, die Hegel vorgezeichnet hat, und nicht die, die Marx prophezeit hat. Hegel seinerseits war kein blinder Apologet des Kapitalismus, sondern erkannte an, dass das Wirtschaftssystem seiner Zeit zu Spitzen und Ausläufern von exzessiver Armut und exzessivem Reichtum führt. Beides sei gleichermaßen schädlich und beides führe gleichermaßen – beim „Lumpenproletatiat“ wie bei den Steinreichen – zu seelischer Verwahrlosung und einem Verlust an Gemeinsinn: zu Asozialität. Ein Sozial- und Transferstaat biete sich aber als Versuch einer Lösung an, Besteuerung und rechtliche Regulierung. Also eine Kompromisslösung innerhalb des staatlichen Rahmens. Das westliche Staatswesen hat sich seit der Zeit Hegels stark verändert; seine Entwicklung könnte man jedoch begreifen als innerhalb der Hegelschen Philosophie vorgezeichnet. Eine Abschaffung des Staates, d.h. jeder organisierten und systematischen Gewalt, jeder Gewaltanwendung gegen Menschen überhaupt hat es unter Lenin gerade nicht gegeben, und überhaupt utopisch auf eine solche zu hoffen dünkt bemerkenswert wenig durchdacht. Hinsichtlich des Kommunismus scheint es schwer vorstellbar, wie eine klassenlose Gesellschaft anders aufrechterhalten bzw. wie Individuen und Gruppen davon abgehalten werden können, Macht und Assets zu akkumulieren wenn da keine repressive Staatsgewalt sei. Überhaupt sind solche politischen Utopien gleichsam eminent unpolitisch – indem sie die Grundlage für Politik: die Verschiedenheit unter den Menschen, das menschliche Wollen und die Verschiedenheit des menschlichen Wollens verkennen. Die Idee des Platonischen Staates enthält das Unrecht, gegen die Person, des Privateigentums unfähig zu sein, als allgemeines Prinzip. Die Vorstellung von einer frommen oder freundschaftlichen und selbst erzwungenen Verbrüderung der Menschen mit Gemeinschaft der Güter und der Verbannung des privateigentümlichen Prinzips kann sich der Gesinnung leicht darbieten, welche die Natur der Freiheit des Geistes und des Rechts verkennt und sie nicht in ihren bestimmten Momenten erfaßt. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.108) Bei Hegel ist nicht die Abschaffung des Eigentums der Weg zum rechten (Individual- und) Gemeinwohl, sondern dessen Anerkennung und dessen Beschützung durch den Staat. Marx setzt dem dann (unter anderem) seine Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie entgegen; genauer gesagt, arbeiten sich seine Frühschriften an Hegel ziemlich durchgehend ab. Lenin hat gemeint, ohne ein Verständnis der Hegelschen Philosophie man könne Marx gar nicht begreifen. Und tatsächlich kann man Hegel nicht ohne Marx diskutieren, und Marx nicht ohne Hegel. Einer erscheint gleichsam als die Nemesis des anderen, oder aber der eine als These, der andere als Antithese, die beide einer glorreichen, triumphalen Synthese entgegenstreben. Wie viel Hegel steckt dabei allerdings tatsächlich in Marx? Gerade z.B. Althusser will in Hegel nur einen scheinbaren Verwandten von Marx erblicken: das Trennende zwischen Marx und Hegel überwiege in Wahrheit und bei genauerer Betrachtung. Und so machte Althusser sich seinerseits daran, einen strukturalistischen Marxismus, einen auf strukturalistischer Basis ruhenden Marxismus zu entwickeln. – Damit nähern wir uns dann schon wieder dem Poststrukturalismus und der Postmoderne – die dem Marxismus eher feindlich gegenüberstehen: und vor allem umgekehrt. Noch feindlicher gegenüber stehen sie freilich Hegel. Wobei sie dabei aber dann doch nach einem Hegel und der Geschlossenheit eines Hegel verlangen. Du siehst, Scheherezade, ein endlos geflochtenes Band, das alles. Wer ist der Held, der es weiter flechtet?
Ebensowenig, als von beständigen Verbesserungen, kann von „eigentümlichen Ansichten“ der Philosophie die Rede sein. Wie sollte das Vernünftige eigentümlich sein? … Wenn ein Eigentümliches wirklich das Wesen einer Philosophie ausmachte, so würde es keine Philosophie sein … Wer von einer Eigentümlichkeit befangen ist, sieht in anderen nichts als Eigentümlichkeiten. (Jenaer Schriften S.10) Hegel wird es gerne als Eigentümlichkeit vorgeworfen, dass er der Subjektivität und der Individualität zu wenig Raum gebe; vielmehr bestrebt sei, sie unter ein (heteronomes) Allgemeines zu subsumieren (und sie dadurch zum Staatsbürger zu degradieren, zu entmenschlichen etc.). Kierkegaard entwickelt seine (Art von) Philosophie aus sich einer daran abstoßenden Bewegung, Adorno setzt Hegel seine negative Dialektik (und mehr) entgegen. Popper, in einem Klimax von Eigentümlichkeit, die zwar eine rationale Grundlage hat, in ihrer Ausformung dann aber philosophisch nicht mehr tatsächlich nachvollziehbar ist, hält Hegel bestenfalls (sofern er, der vermeintliche Scharlatan, überhaupt was sei) für einen Faschisten. In einer Beleidigtheit darüber, dass bei Hegel die Subjektivität zu kurz komme und unter ein Allgemeines untergeordnet werde, wird so eine subjektive Einschätzung auf eine Spitze getrieben, die kaum mehr verallgemeinerbar ist: was nicht heißt, dass sie sich nicht, gerade deswegen, umso mehr selbst will – so tritt die ganze Zufälligkeit des Meinens, seine Unwissenheit und Verkehrung, falsche Kenntnis und Beurteilung ein. Indem es dabei um das Bewußtsein der Eigentümlichkeit der Ansicht und Kenntnis zu tun ist, so ist eine Meinung, je schlechter ihr Inhalt ist, desto eigentümlicher; denn das Schlechte ist das in seinem Inhalte ganz Besondere und Eigentümliche, das Vernünftige dagegen das an und für sich Allgemeine, und das Eigentümliche ist das, worauf das Meinen sich etwas einbildet. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.484) (Oder war Popper, der Propagandist der offenen, freien Gesellschaft, neidisch, weil Hegel das schon vor ihm – und philosophisch und geistesgeschichtlich noch viel gewaltiger – war? Der freie Mensch ist nicht neidisch, sondern anerkennt das gern, was groß und erhaben ist, und freut sich, daß es ist. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.47) Persönlich bekannt war Popper als schwieriger, autoritärer Mensch, der anderen (freilich auch berechtigterweise) nicht sonderlich viel Denkfreiheit gewährleistet hat.) Man hüte sich eventuell vor zu viel (querdenkerischer) Subjektivität, denn: Dies scheint zufälligen Meinungen Tür und Tor zu öffnen, wenn der Gedanke über das Recht kommen soll; aber der wahrhaftige Gedanke ist keine Meinung über eine Sache, sondern der Begriff der Sache selbst. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.17) Die recht prononcierten, mehr Subjektivität einfordernden Kritiker an Hegel, hatten, neben ihrer Brillanz, so dann auch recht deutliche Eigentümlichkeiten. Kierkegaard hat geradezu in einem (für seine Familie typischen) melancholischen religiösen Wahn gelebt; und war offensichtlich in erheblichem Maße selbstzentriert und unkollegial (was er (partiell) (über sich als vermeintlich hochkriminellen, diabolischen „Verführer“ von Regine Olsen) ebenso manisch schriftstellerisch aufgearbeitet hat wie das Thema der rechten Religiosität, und in einem grellen Mix aus übersteigerter fiktionaler Selbstbewunderung und Selbstbestrafung). Adorno (Im schroffen Gegensatz zum üblichen Wissenschaftsideal bedarf die Objektivität dialektischer Erkenntnis nicht eines Weniger sondern eines Mehr an Subjekt. Sonst verkümmert philosophische Erfahrung. Aber der positivistische Zeitgeist ist allergisch dagegen (Negative Dialektik S.50) … Subjektivität, die sich selbst verleugnet, schlägt um in Objektivismus (S.78) … Befreites Bewußtsein, das freilich im Unfreien keiner hat … (S.102) (und weiter: … eines, das seiner mächtig wäre, wirklich so autonom, wie es bisher immer nur sich aufspielte, müßte nicht immerzu fürchten, an ein Anderes – insgeheim, die Mächte, die es beherrschen – sich zu verlieren) … Identität ist eine Urform von Ideologie. Sie wird als Adäquanz an die darin unterdrückte Sache genossen …Identität wird zur Instanz einer Anpassungslehre, in welcher das Objekt, nach dem das Subjekt sich zu richten habe, diesem zurückzahlt, was das Subjekt ihm zugefügt hat (S.151) … Die Unmündigkeit, die das verursachte, ist nicht so, wie Kant dachte, von der Menschheit selbst verschuldet. Mittlerweile zumindest wird sie planvoll reproduziert von den Machthabern (S.204) … (Hegels) Philosophie hat kein Interesse daran, daß eigentlich Individualität sei (S.336) … Die einzelmenschlichen Spontaneitäten, mittlerweile auch weithin die vermeintlich oppositionellen, sind zur Pseudoaktivität, potentiell zum Schwachsinn verurteilt (S.341) hat den Fimmel, dauernd eine (gleichsam ziellose, eigentümliche) Spontaneität des Individuums zu beschwören, die er aber in allem nicht allein unterdrückt sondern geradezu zerquetscht und vernichtet vorfinden will (so dass es billig wäre, hinter diesem (Quasi-) Neurotikertum der frühen Kritischen Theorie sexuelle Verklemmtheit zu vermuten). In ihrer Mischung aus Rationalität und Neurose sind aber natürlich die Beiträge von Kierkegaard oder Adorno ihrerseits von größter Relevanz. Kierkegaard hat das Subjekt und hat seine Philosophie äußerst kraftvoll und für immer lebendig an das Absolute gespannt (anders als die tatsächlichen späteren Existenzialisten, die das, vergleichsweise schlaff und vorübergehend, an das „Nichts“ getan haben). Adorno et al. hat mit seiner Negativen Dialektik der Aufklärung, in all eben deren Hermetik, nebst aller wertvoller kritischen Einsichten, wie mit einer Saugglocke einen umso riesigeren Raum des befreiten gesellschaftlichen Imaginären geöffnet, was wichtig und notwendig ist/war. Von größter Relevanz also das, auch wenn es in seiner (allerdings eben nicht unberechtigten, sondern sich aus einen bestimmten Blickwinkel aus durchaus anbietenden) Kritik an Hegel eventuell am Kern der Sache vorbeigeht. Hegel will ja die Subjektivität gar nicht ins Zentrum stellen, sondern das Ganze betrachten, von dem die Subjektivität nur ein – wenngleich wesentliches – Element ist. Das Ganze(aber) ist die sich bewegende Durchdringung der Individualität und des Allgemeinen; … (Phänomenologie des Geistes S.308) Durch diese sich bewegende Durchdringung von Individualität und Allgemeinen stellt sich eben her der Geist. Das Ziel ist die Einsicht des Geistes in das, was das Wissen ist. (ebendaS.33) Wissen stellt sich aber nicht über bloße Subjektivität in ihrer Spontaneität her, sondern indem das Subjekt versucht, das Objekt zu begreifen, indem … der Geist aber nichts Einzelnes ist, sondern Einheit des Einzelnen und Allgemeinen. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.305) Dass das Subjekt nur dann Subjekt sein kann – und in seiner Subjektivität kompetent und autonom – wenn es Einsicht in das Objektive und Allgemeingültige hat; wenn es also ein vernünftiges Subjekt ist; ist wohl eine Binsenweisheit – die aber trotzdem gerne immer wieder unterschlagen wird. Bzw. tendieren besonders subjektzentrierte und (herrschafts)kritische DenkerInnen immer wieder dazu, im Objektiven und Allgemeinen ganz hauptsächlich eine Heteronomie zu erblicken; etwas, das der Subjektivität feindlich und unterdrückend – und eben angeblich übermächtig – gegenüberstehe. Man würde solchen KritikerInnen dann und wann mehr Einsicht wünschen, dass eine solche Gewichtung bis zu einem gewissen Grade tatsächlich offenbar zu subjektiv ist und wenig verallgemeinerbar – und dass sie den Terror, den sie der Objektivität zuschreiben, in Wirklichkeit selbst mit der Überbetonung und dem Verallgemeinerungsversuch ihrer subjektiven Idiosynkrasien implizit oder eben auch explizit (und beabsichtigterweise oder auch unbeabsichtigt) ausüben oder ausüben wollen. Vielleicht sollten sie Hegel und seine Versuche, das Ganze und das Allgemeine zu denken und zu berücksichtigen anstatt das Subjektive, Idiosynkratische etc. genauer untersuchen und verinnerlichen, anstatt ihn in erster Linie zu kritisieren, wenn nicht zu verabscheuen. Das Subjektive bewegt sich in einer objektiven Welt. Die menschliche Natur ist eine duale: indem der Mensch gleichermaßen ein Einzel- wie ein Kollektivwesen ist (das, mit Kant gesprochen, in ungeselliger Geselligkeit lebt und daher seine Lebenswelt dementsprechend auszugestalten hat). Genau das wirft dann eben das Problem der Moral auf und der moralischen Ausgestaltung der menschlichen Lebenswelt. Ob das Moralische bzw. dessen Impliziertheit/Implizierungen etwas vom Menschen gemachtes oder etwas tatsächlich in der Welt vorhandenes sind (also ob Moral etwas subjektiv oder objektiv Impliziertes ist), ist im Übrigen bis heute eine lebhaft diskutierte philosophische Streitfrage – da sie keineswegs leicht zu entscheiden ist. Womöglich auch gar nicht: da sich in ihr Subjektives und Objektives fast untrennbar miteinander vermengen (weswegen man vielleicht andere Verständnisse von beiden benötigt). Klar ist, dass moralische Systeme, sittliche Verständnisse u. dergl. innerhalb von jeweiligen (und insgesamt in allen) Zeiten und Kulturen dem Menschen als objektiver Geist gegenübertreten. Moral und Sitte nehmen auch klarerweise für sich in Anspruch, objektiv und allgemein gültig zu sein. Und ja: es ist schwierig bis unmöglich, sich das Moralische (die tiefer gehenden Inhalte und Implikationen seiner, nicht die einzelnen kulturrelativen sozialen Etiketten) als etwas anderes als etwas objektiv Verankertes, aus dem Objektiven kommendes und den Menschen dorthin wieder zurückführendes vorzustellen. Schon der junge Hegel hat sich, eben in seiner Harmoniesüchtigkeit, mit Fragen nach dem moralischen Charakter der Welt bzw. der moralischen Ausgestaltung der Welt beschäftigt. Wenngleich er stark aus einer religiösen Empfindung heraus denkt, und sich stark damit beschäftigt, wie sich der Einzelne in ein Allgemeines einordnen kann, sind ihm ein obstruktives Christentum bzw. eine übermächtig tradierte Sittlichkeit ein Gräuel: da sie dem Menschen die sittliche Autonomie, und überhaupt seine Individualität rauben. Ebenso wendet er sich gegen die (abstrakt bleibende) Pflichtethik Kants: Menschen seien keine Pflichtlinge oder ausführende Organe von abstrakten Prinzipien – sie seien in ihrer Ganzheit, und in der Ganzheit ihrer Bedürfnisse und in der Vielfalt ihrer Eigenschaften zu nehmen, der Mensch habe eine konkrete und leibliche Existenz. Indem die Moral sowohl objektiven wie subjektiven Ursprungs zu sein scheint, scheint sie, von Grund auf, als etwas Widersprüchliches: Die moralische Weltanschauung ist daher in der Tat nichts anderes als die Ausbildung dieses zum Grunde liegenden Widerspruchs nach seinen verschiedenen Seiten; sie ist, um einen kantischen Ausdruck hier, wo er am passendsten ist, zu gebrauchen, ein ganzes Nest gedankenloser Widersprüche. (Phänomenologie des Geistes S.453) Widersprüchlich zunächst indem das „Reich“ der Moral als jenseitig und allgemein erscheint; als etwas, das objektiv vorhanden ist (bei Gott, oder aber in einem Reich der „Ideen“), aber gleichzeitig IN der Welt ist und in ihr wirksam wird (oder kraftlos bleibt). Wenn die Moral als etwas rein Objektives überbestimmt wird, als eine Vorschrift, an die sich der Mensch zu halten habe, bleibt dadurch der Mensch moralisch unterbestimmt: er muss sich dann nur an Regeln halten, hat aber selber keine sittliche Substanz und Autonomie; eine Vakanz, aus welcher in ihm dann wieder umso mehr das Bedürfnis nach einer objektiven moralischen Instanz entstehen möge: … das abstrakte Gute verflüchtigt sich zu einem vollkommenen Kraftlosen, in das ich allen Inhalt bringen kann, und die Subjektivität des Geistes wird nicht minder gehaltlos, indem ihr die objektive Bedeutung abgeht. Es kann daher die Sehnsucht nach einer Objektivität entstehen, in welcher der Mensch sich lieber zum Knechte und zur vollendeten Abhängigkeit erniedrigt, nur um der Qual der Leerheit und der Negativität zu entgehen. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.290) Umgekehrt sind Tugendhaftigkeit und Herzlichkeit gewisse Formen der moralischen Innerlichkeit; allerdings keine an sich vollendeten: die Tugendhaftigkeit kann auch innerlich relativ leer und unbeteiligt bleiben, und ein tugendhaftes Individuum ist allein noch kein schöpferisches und autonomes moralisches Subjekt; die Herzlichkeit ist zunächst ein subjektives (oder kulturell angelerntes) Temperament, das aber nicht notwendigerweise mit abstrakter Einsicht und der Fähigkeit, vernünftige moralische Unterscheidungen zu treffen, einhergeht. Die abstrakte, abstrahierende Vernunft ist ebenso Komponente der moralischen Existenz wie das moralische Empfinden. Tatsächlich beschäftigt sich die Vernunft mit demselben wie die Moral: Mit der Frage, was ist richtig und was ist falsch, was ist angemessen und was nicht, was ist wünschenswert und was nicht; bzw. was sind die Gradabstufungen und Wahrheitsgehalte innerhalb von Gegebenheiten und Zusammenhängen. Die unbestechliche und folgerichtige Vernunft wird dann, in der Regel, auch moralisch folgerichtig und unbestechlich sein. Bei Hegel liegt die Lösung des Nests von Widersprüchen innerhalb des Moralischen dann darin, dass das Sittliche dann eben aus dem (autonom) Vernünftigen folgt: eine sittliche Ausgestaltung der Welt basiert auf vernünftigen Unterscheidungen und auf Implikationen, die aus der Vernunft kommen. Die Gesetze der Sittlichkeit sind nicht zufällig, sondern das Vernünftige selbst. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.56) Die Gesetze der Sittlichkeit sind also abermals nicht eigentümlich. Und das autonome sittliche Subjekt ist also auch nichts Eigentümliches und keine exzentrisch herausragende Subjektivität, sondern eine geistige Entität, die Einsicht in das Allgemeine (und daher auch in das Wahre und Ganze) hat. Indem das einzelne Subjekt Einsicht in das objektiv Allgemeine erlangt und diese verinnerlicht und dynamisch ausprägt, wird es abermals zum Geist, der dann eben auch: Wahrheit, Ganzheit, Vernunft und Sittlichkeit ist. Der Geist fügt zusammen, der Geist trennt: das liegt im Geist und gleicht dem Sittlichen, das auf denselben Prinzipien beruht. Sein geistiges Wesen ist schon als sittliche Substanz bezeichnet worden; der Geist aber ist die sittliche Wirklichkeit … Der Geist ist hiermit das sich selbst tragende, absolut reale Wesen. (Phänomenologie des Geistes S.325) Dieses absolut reale Wesen ist dann gleichsam der Koordinatenursprung der dualen Existenz des Menschen als Einzel- wie Kollektivwesen. In diesem Koordinatenursprung, in den der vollkommene Mensch dann zurückkehrt und zur Ruhe kommt, wird die Subjektivität und die Einzelheit so allgemein, umfassend und transparent, dass sie eben eine das Objektive ausdrückende und befördernde Subjektivität wird. In seiner sittlichen Autonomie ist ein solches Subjekt dann zwar hochgradig beweglich und exzentrisch/eigentümlich, in seiner Einsicht in das Allgemeine ist es aber vielmehr hyper-normal. Es erlebt dann die Moral als etwas zwar Objektives, aber eben als nicht heteronom Objektives, sondern als etwas objektiv Richtiges, dem es dann natürlicherweise folgt, und das (das objektiv Richtige) auch immer wieder Veränderungen unterworfen ist (da es sich bei ihm um Qualitäten handelt, die eben als solche immer nur annährungsweise bestimmbar sind). Seine Moralität wird zur Gewissenhaftigkeit. Das Gewissen erkennt keinen Inhalt für es als absolut, denn es ist absolute Negativität alles Bestimmten. Es bestimmt aus sich selbst … (ebenda S.473) Dieses Aus sich selbst passiert aber eben nicht aus etwas rein Subjektivem und Einzelnen heraus, sondern ist eines, das das Allgemeine und auch das Andere in sich zu tragen versucht; das aus einer Gemeinschaft nicht allein mit dem Allgemeinen sondern auch mit dem Anderen heraus passiert. Denn … es ist die moralische Genialität, welche die innere Stimme ihres unmittelbaren Wissens als göttliche Stimme weiß, und indem sie an diesem Wissen ebenso unmittelbar das Dasein weiß, ist sie die göttliche Schöpferkraft, die in ihrem Begriffe die Lebendigkeit hat. Sie ist ebenso der Gottesdienst in sich selbst; denn ihr Handeln ist das Anschauen dieser ihr eigenen Göttlichkeit. Dieser einsame Gottesdienst ist zugleich wesentlich der Gottesdienst einer Gemeinde … (ebenda S.481) Das autonome sittliche Subjekt trägt nicht allein die Einsicht in das Allgemeine (der vernünftigen Sittlichkeit) in sich: es trägt auch das Andere in sich. Das Andere, das sind dann aber die anderen Subjektivitäten – und die anderen Subjektivitäten (harmonisierend) zusammengefasst bilden dann: die Gemeinde. Das wahrhaft moralische Individuum, das im Koordinatenursprung der dualen Natur des Menschen als Einzel- wie als Kollektivwesen ruht, als das sich selbst tragende, absolut reale Wesen, ist ein Versammlungsort: in ihm versammelt sich die Menschheit – als Gemeinde. Das ist die Basis, auf der es operiert.
Bartolomé Esteban Murillo starb an den Folgen eines Sturzes von einem Gerüst während dem er in einer Kapuzinerkirche malte; in relativer Armut. Der Legende nach gab er viel für karitative Zwecke aus. Sein Biograph Palonimo beschrieb Murillo als einen Menschen, der … nicht nur vom Himmel begünstigt war durch die Erhabenheit seiner Kunst, sondern auch durch die Gaben seiner Natur, als ein guter Mensch, von liebenswürdigem Charakter, demütig und bescheiden.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel kommt am 27. August 1770 in Stuttgart als Spross einer Juristen- und Beamtenfamilie zur Welt. Er durchlebt eine relativ unbeschwerte Kindheit und Jugend und beginnt sich früh für die Wissenschaften, die Geschichte (insbesondere die Antike), die Mathematik und die Philosophie zu interessieren. Seiner Begabung gemäß studiert er am elitären Tübinger Stift und schließt dort mit einem Magister der Philosophie ab, es wurde ihm auch das theologische Lizenziat verliehen. Zwei seiner Kommilitonen und auch engsten Freunde dieser Zeit sind Hölderlin und Schelling, mit denen er ein geistiges Triumvirat bildet. Übertroffen sehen sich diese drei Geister höchsten Ranges dann im Übrigen trotzdem durch den Primus des Stifts: Carl Christoph Renz, einen Erzkantianer und oppositionellen Geist – aus dem später jedoch aus rätselhaften Gründen nichts weiter werden sollte als ein Landpfarrer. Hegel arbeitet zunächst als Hauslehrer, bevor er 1801 in Jena seine Universitätskarriere beginnt – die er dort mit der Veröffentlichung der Phänomenologie des Geistes 1807 beschließt, bevor er nach Bamberg übersiedelt. Darauf folgen Professuren in Nürnberg, Heidelberg und schließlich Berlin, wo er zum Star- (und Staats) Philosophen avanciert. 1811 heiratet Hegel Marie von Tucher, mit der er zwei Söhne zur Welt bringt (ein unehelicher Sohn, Ludwig, kam bereits 1807 zur Welt). Hegel ist von ausgeglichenem Charakter und gilt als lustig und umgänglich, nicht zuletzt gegenüber Kindern. Er liebt Brat- und Knackwürste und guten Wein, und wird in Gesellschaften als geistvoller Unterhalter gern gesehen. Er pflegt Freundschaften oder gute Beziehungen zu etlichen der hervorragendsten Geister seiner Zeit, nicht zuletzt zu Goethe. Trotz seiner mangelnden rhetorischen Begabung weiß er seine Zuhörerschaft über die Tiefe seiner ausgesprochenen Gedanken in seinen Bann zu ziehen. Zug seines nach außen hin täuschend einfachen Wesens, hinter dem sich große Tiefen verbergen, scheint auch eine gewisse „Bauernschläue“ zu sein, über die es ihm gelingt, vor den Mächtigen harmlos, wenn nicht kratzbuckelnd zu scheinen, obwohl er in Wirklichkeit subversiv gegenüber sie eingestellt ist (?) (vgl. Adorno, Drei Studien zu Hegel S.45f.) Ende 1831 stirbt Hegel nach kurzer (nicht einwandfrei geklärter) Krankheit, als in Berlin die Cholera wütet. Letzte Worte sind von ihm keine überliefert. Neben einem Bruder, Georg Ludwig, hat Hegel auch eine Schwester: die offenbar hochbegabte Christiane Luise Hegel hatte ein mittelprächtiges Leben. Vielleicht wäre es besser verlaufen, wenn sie ein Mann gewesen wäre. Allzu viel ist über diese (eventuell) interessante Frau nicht bekannt, unter anderem, weil Hegels Hinterbliebene aufgrund eines kompromittierenden Konflikts zwischen den beiden Geschwistern deren Briefwechsel vernichtet haben. Einige Informationen lassen sich über Christiane Luise Hegel finden. Ich werde sie aber nicht dienstleisterisch hier servieren. Nach denen kannst du schon selbst ein wenig recherchieren, du Arschloch.
Sie (Die zweite Bestimmung, die negative oder vermittelte, welche ferner zugleich die vermittelndeist, Anm.) ist also das Andere nicht als von einem, wogegen sie gleichgültig ist – so wäre sie kein Anderes, noch eine Beziehung oder Verhältnis … (Wissenschaft der Logik II S.562) Also, anders als offenbar Hegel und die meisten Dialektiker setze ich mich gerne in Verbindung zu Sachen, wogegen „ich“ gleichgültig sein könnte, und die den meisten Menschen gleichgültig sind. Ich habe, wie gesagt, Interesse am „Anderen“, und wenn man mit dem Anderen Kontakt herstellen will, muss man das – und vor allen Dingen auch – mit dem Gleichgültigen tun. Das ist gut, denn so ziehe ich meinen gewaltigen Kreis nicht allein um das Meinige und um das Andere, sondern auch um das Gleichgültige und beherrsche es geistig. Es ist ein loserer, aber totalerer Zusammenhang als der der Dialektik, der da gestiftet wird. Lose, aber demokratisch, ist mein Geist gerade überall: er ist gerade im hinteren Busch in Afrika, in der Ecke neben einem Herd in Bangladesch und entlang des dreißigsten Breitengrades am atlantischen Ozean. Das macht mir eventuell auch ein Hegel nicht so schnell nach. Sich mit dem Gleichgültigen auseinanderzusetzen, bedeutet auch, sich mit tatsächlich anderen Milieus, tatsächlich anderen Lebenswelten als der eigenen auseinanderzusetzen und versuchen, zu denen Kontakt herzustellen. Das passiert unter Menschen vielleicht eher selten. In dem Roman Nächtliche Wege von Gaito Gasdanow meint einer: Es komme kaum vor unter Menschen (vor allem auch nicht unter so genannten Gebildeten), dass sie sich tatsächlich mit anderen Milieus, anderen Lebenswelten als den eigenen auseinandersetzen würden – dass sie sich tatsächlich in sie hineinzuversetzen suchten (ohne welche eine Auseinandersetzung ja oberflächlich bleibt) – vielleicht tun das letztendlich nur die Schriftsteller. Und so sind die Schriftsteller vielleicht die einzigen, die die Gesellschaft tatsächlich verstehen. Die Poeten (womit ich alle Künstler meine) sind letztendlich die einzigen, die die Wahrheit über uns wissen. Soldaten wissen sie nicht. Staatsmänner wissen sie nicht. Priester wissen sie nicht. Gewerkschaftsführer wissen sie nicht. Nur die Poeten kennen sie. (James Baldwin) – Sterne war der ungewöhnlichste unter den Schriftstellern. Bei ihm hat man dauernd Auseinandersetzungen mit dem scheinbar Gleichgültigen und Abwegigen; dem, was eigentlich gar nicht entlang der Bahn liegt. Wie dürfte in einem Buche für freie Geister Lorenz Sterne ungenannt bleiben, er, den Goethe als den freiesten Geist seines Jahrhunderts geehrt hat, fragt Nietzsche in Menschliches, Allzumenschliches (Vermischte Meinungen und Sprüche 113: Der freieste Schriftsteller): Möge er hier mit der Ehre fürlieb nehmen, der freieste Schriftsteller aller Zeiten genannt zu werden … Sterne ist der große Meister der Zweideutigkeit … Der Leser ist verloren zu geben, der jederzeit genau wissen will, was Sterne eigentlich über eine Sache denkt, ob er bei ihr ein ernsthaftes oder ein lächelndes Gesicht macht: denn er versteht sich auf beides in einer Faltung seines Gesichts; er versteht es ebenfalls und will es sogar, zugleich recht und unrecht zu haben, den Tiefsinn und die Posse zu verknäueln. Seine Abschweifungen sind zugleich Forterzählungen und Weiterentwicklungen der Geschichte; seine Sentenzen enthalten zugleich eine Ironie auf alles Sentenziöse, sein Widerwille gegen das Ernsthafte ist einem Hange angeknüpft, keine Seite nur flach und äußerlich nehmen zu können. So bringt er bei dem rechten Leser ein Gefühl von Unsicherheit darüber hervor, ob man gehe, stehe oder liege: ein Gefühl, welches dem des Schwebens am verwandtesten ist. Das Wesen des Geistes ist, laut Hegel, Freiheit – und Sterne möge bei Nietzsche also gar mit der Ehre fürlieb nehmen, der freieste Schriftsteller aller Zeiten genannt zu werden. Hat man bei Sterne also den Geist der höchsten Stufe, das Ideal des Geistes? Und ist der Geist von Sterne überhaupt ein dialektischer Geist, oder halt einfach ein assoziationswütiger? Auch Hegel hat Sterne sehr geschätzt – wo aber Hegel dialektisch ist, da ist Sterne ultradialektisch. Der Kristallpalast seines Geistes ist ein beweglicher Kristallpalast, wo sich die lichten Räume, Keller oder Treppen ständig verschieben – in freilich harmloser Weise, ein Wunderland, das; während Sterne beziehungsweise der Träger des ultradialektischen Geistes knapp darunter sitzt und kindlich-lächelnd dieses eigene Spiel genießt. Der ultradialektische Geist von Sterne ist vielleicht nicht der göttliche Geist, aber eben wohl jener engelhafte Verstand, von dem Kojève spricht. Mit der Assoziationsfähigkeit, die den Künstler spezifisch ausmacht, ja: aber mit der Rationalität und dem dialektischen Vermögen des Philosophen ausgestattet gleichermaßen. Man könnte Sterne als einen radikalen Ausdruck dessen sehen, was Hegel als die „geniale göttliche Ironie“ bezeichnet und beschreibt als: Wer auf solchem Standpunkte göttlicher Genialität steht, blickt dann vornehm auf alle übrigen Menschen nieder, die für beschränkt und platt erklärt sind, insofern ihnen Recht, Sittlichkeit usf. noch als fest, verpflichtend und wesentlich gelten. So gibt sich denn das Individuum, das so als Künstler lebt, wohl Verhältnisse zu anderen, es lebt mit Freunden, Geliebten usf., aber als Genie ist ihm dies Verhältnis zu seiner bestimmten Wirklichkeit, seinen besonderen Handlungen wie zum an und für sich Allgemeinen zugleich ein Nichtiges, und es verhält sich ironisch dagegen. (Vorlesungen über Ästhetik 1 S.95) Tatsächlich ist ein solch, zumindest impliziter, Hochmut aber dann doch nicht das eigentliche Wesen des Sterneschen, des wahrhaft ultradialektischen Geistes (inwieweit Sterne tatsächlich ein wahrhaftiger Träger eines solchen Geistes war, sondern in der Praxis nicht einigermaßen unter dem Geist seines Werkes stand, bezweifelt zum Beispiel Lichtenberg (dem ich hierbei bekanntermaßen den wohl wichtigsten Anstoß in meinem Leben verdanke) – und auch Nietzsche scheint der Mann Sterne letztendlich eine komische Figur). Das Anrührende bei Sterne ist nämlich, wie sich die gleichsam chaotische Mannigfaltigkeit seines Charakters und Sensoriums aus einer starken, genuinen humanen und humanistischen Wurzel heraus entfaltet (was man z.B. bei seinem Epigonen Jean Paul – der auch viel unerträglicher zu lesen ist – so nicht empfindet), aufgrund derer er – in all seinem Sichverlieren – auch immer bei sich bleibt. Die Ironie bei Sterne ist auch eine sehr milde Ironie – und überhaupt eben ist sie Ironie; und nicht Sarkasmus oder Zynismus. Im Gegensatz zum Zynismus, der zwischen sich und dem Gegenstand, auf den er sich bezieht, die Verachtung schiebt, nimmt die Ironie ihren Gegenstand ernster, als sie vorgibt es zu tun. Der Ironiker kümmert sich um seinen Gegenstand und will ihn bilden – er will ihm sein eigenes Verfahren vorführen, ihm demonstrieren, wie man es anwendet, um ihm aus seiner Verstrickung zu helfen. Der Ironiker ist verbunden, die Ironikerin hat Kontakt. Und Verbundenheit ist gut und Kontakt ist gut. Es ist ein sinnvolles Verhältnis zur Welt. Ironie ist der vortrefflichste Zustand des Geistes und der Weisheit, wie auch Kierkegaard sagt – und Humor ist die letztendliche Weisheit der Lebensführung, wie Kierkegaard ebenfalls sagt. Bei Sterne hat man – so Nietzsche – einen Überhumor. Vielleicht keinen göttlichen Humor (denn dieser ist sowieso unbekannt), aber eben einen engelhaften Humor… Bei Sterne hat man ein ständiges Heben und Senken der Welt: denn das ist, wie der bewegliche und der ultradialektische – der gute Geist, der seinen Platz kennt – sich selbst und die Welt ansieht. Der gute Geist, der seinen Platz kennt, weiß, dass seine Subjektivität das Zentrum der Welt und was ungeheuer Wichtiges ist – als auch, dass er ein kleiner Punkt ist, der nur aufgrund von äußeren Kräften in der Welt haften bleiben darf und nicht ins ortlose Nirgendwo geschleudert wird, in seiner Masselosigkeit und ihrer Irrelevanz. Durch die Kunst wird das Gemüt also durch alle Gefühle hindurchgezogen, (dies ist) eine wesentliche Macht und Wirksamkeit der Kunst. Dieses wird im allgemeinen als Endzweck der Kunst angesehen. (Philosophie der Kunst S.56) Sterne wird nicht nur wegen seiner Gedankenexperimente gerühmt, sondern auch wegen seiner Empfindsamkeit. In seinen ultradialektischen Abschweifungen zieht er einen auch durch Gefühle hindurch. Was aber überhaupt sind eigentlich Gefühle? Unsublimierte Gedanken (bzw. spiegelbildlich dazu also Gedanken allein sublimierte Gefühle)? Oder sind Gedanken und Gefühle voneinander in erster Linie getrennt? Sind Gefühle etwas Eindeutiges und Beständiges – oder nicht etwa eher was Flatterhaftes und Unklares? Beim reifsten Menschen finden all diese Komplexitäten wohl ineinander verwoben und zu einem einzigen nicht-dichotomischen Innenleben integriert, wo man zwischen Eher-Gedanken und Eher-Gefühlen durch offene Räume herumwandern kann. So wie die höchsten Gedanken (ultra)dialektisch sind, sind auch die reifsten Gefühle fröhlich und traurig zugleich, und zeichnen sich durch die größte Komplexität aus. So zum Beispiel beschreibt han unter Koreanerinnen eine Akzeptanz des Schmerzes bei gleichzeitiger Hoffnung auf Besserung. Der Llongot Stamm auf den Philippinen versteht unter liget eine wütende Energie, die aber auch zu produktiver Arbeit motiviert. Awumbuk bezeichnet unter den Baining auf Papua-Neuguinea die gemischten/paradoxen Gefühle, die das Verlassen geliebter Gäste bei den Zurückgebliebenen hinterlässt. Bei Sterne hat man insgesamt: Empfindsamkeit. – Angesichts von einem solchen Bewusstsein/Denken etc. Wahrnehmung bleibt der Postmoderne da eventuell glatt die Spucke weg! Hier hat man in der Vielheit Einheit, im Relativen einen absoluten Zusammenhang. Das Absolute ist da der ultradialektische Geist, dem nichts fremd und gleichgültig bleibt – weil er eben aus einer genuinen humanen und humanistischen Wurzel heraus sich entfaltet. Das ist die Weltwährung, der Schlüssel, der Türen öffnet, der Schlüssel, der die Tür zum Gesetz öffnet. Ganz aktuell scheinen wir zu leben – an und für sich in einem Traumzeitalter für Marxisten: – in einem Zeitalter sich ständig zuspitzender Widersprüche. Wenngleich halt nur nicht ganz, wie die Marxisten das gemeint haben (also sich ständig zuspitzender objektiver ökonomischer Widersprüche): sondern eher im Sinne von Identitätspolitik und wie gut repräsentiert verschiedene gesellschaftliche Gruppen in Politik und Gesellschaft sind oder sich fühlen. Die fade Gleichgültigkeit und Gleichheit der Epoche des letzten Menschen (wie man den Eindruck hatte) scheint zu Ende. Widerstreit ist wieder angesagt. Die Gesellschaft scheint wieder in streitende Parteien zu zerfallen, die Kultur in lauter Einzelkulturen. Die Frage nach der Vermittlung zwischen diesen Parteien und zwischen diesen Kulturen stellt sich dadurch wieder. Gemäß Schiller ist es Aufgabe des Genies (und kann es allein sein), zwischen verschiedenen Kulturen, bzw. zwischen dem Klassischen und dem Profanen zu mediieren (dabei hatte er Goethe im Auge). Das kann schon sein, dass das Genie allein die entsprechende innere Flexibilität für so was hat. Aber dabei können wir es nicht bewenden lassen, denn wir wollen ja, dass ALLEN so eine Flexibilität und jubilierende innere Freiheit, die daraus folgt, zur Verfügung steht. Der Sternesche ultradialektische Geist erscheint somit in jeder Hinsicht als guter Geist für unser Zeitalter. Eines Tages werden diese Jahrhunderte vielleicht yorickianisch sein. Allerdings: … eine solche Freigeisterei … besaß vielleicht kein anderer Mensch, urteilt Nietzsche letztendlich über Sterne. Wenn aber eine solche Freigeisterei kein anderer Mensch besitzt, sondern diese singulär ist: wie kann es dann Modell werden? Naja, außer ständigen Erklärungen, Anleitungen und Anschauungen dazu kann ich auch nichts offerieren. Allerdings ist das schon eine ganze Menge. Dieser Hegeltext liefert schon wieder allerhand Erklärungen, Anleitungen und Anschauungen in diese Richtung.
Die kleine Obsthändlerin von Bartolomé Esteban Murillo war ein Lieblingsgemälde Hegels.
Die Kunst gehört in das Gebiet des Absoluten, Hohen; in diesem Gebiete des absoluten Geistes ist ein Wissen von absoluten Geiste … Das Bewußtsein seiner selbst, diese Subjektivität ist der endliche Geist, der absolute Geist ist eben absoluter Geist, indem er sich als solcher bewußt wird. Die Religion, Wissenschaft, Philosophie ist auch die Beschäftigung des endlichen Geistes mit der absoluten Wahrheit … Das Verhältnis ist also in allen diesen drei Weisen dasselbe, sie sind nur der Form nach unterschieden … Die Kunst aber ist das anschauende Bewußtsein der Natur, so daß es das Bewußtsein auf eine sinnliche Weise sinnlich unmittelbarer Gestaltungen überhaupt hat… (Philosophie der Kunst S.72) Der absolute Geist ist der Geist, der sich selbst, reflektierend, durchdringt und ergreift und so vermag, die Welt geistig, über den Geist zu formen. Er ist der Geist, der sich selbst mit seinem Begriff kongruent macht. Und er fächert sich (bei Hegel) auf in Kunst, Philosophie und Religion: diese sind Modi, über die der Geist gestaltend in die Welt eingreift (und sie „vergeistigt“) und sich gleichzeitig selbst ausgestaltet und innerlich differenziert. Kunst ist die Selbstanschauung des Geistes in Werken der freien Produktion; deshalb gehört sie als unmittelbarer Selbstvollzug zu den Momenten des absoluten Geistes, steht im Hegel-Lexikon (S.295). Ungleich der Philosophie, die sich am Begriff abarbeitet, realisiert sich die Kunst in der Anschauung. Sie geht von der Anschauung aus und wieder in die Offerierung einer Anschauung (im höchsten Fall: vom Absoluten) zurück: das ist dann das Kunstwerk. Im Kunstwerk drückt sich – anschauungsmäßig – eine Wahrheit aus; wird eine Wahrheit – zwar nicht (begrifflich) erklärt, aber (anschauungsmäßig) – dargestellt: Hiergegen steht zu behaupten, daß die Kunst die Wahrheit in Form der sinnlichen Kunstgestaltung zu enthüllen, jenen versöhnten Gegensatz darzustellen berufen sei und damit ihren Endzweck in sich, in dieser Darstellung und Enthüllung selber habe. Denn andere Zwecke, wie Belehrung, Reinigung, Besserung, Gelderwerb, Streben nach Ruhm und Ehre, gehen das Kunstwerk als solches nichts an und bestimmen nicht den Begriff desselben. (Vorlesungen über Ästhetik 1 S.82) Insofern die Kunst aus der Anschauung kommt und in der Offerierung einer Anschauung ihren Ausdruck findet, hat sie gleichsam ein „irrationales“ Element, eine irrationale, außerlogische und daher auch außerzeitliche, außergeschichtliche (und außerbegriffliche) Komponente (wenngleich die Schaffung eines substantiellen Kunstwerks vox dex (genderfluiden) Künstler:in/X+ freilich sehr viel begriffliche Arbeit und ein solches Verständnis, viel rationale Denkarbeit erfordert: keinen verschwommenen sondern einen luziden Geist – der jedoch seine eigenen Luzidität so auf die Spitze treibt, dass sie zu verschwimmen scheint; genauer gesagt, in einer pulsierenden Farbenprächtigkeit aufgeht. Deswegen kann man vielleicht auch sagen: die Kunst bringe den Begriff zur Anschauung). Trotzdem entwickelt sich die Kunst in und mit der Geschichte. In der Kunst kommt, gemäß Hegel, ein Volksgeist, eine Volksseele zum Ausdruck. Von alters her in Form von einer typischen Symbolistik: altägyptische Kunst sei beispielsweise in erster Linie symbolisch. In der griechischen Antike hat man eine gewisse Verselbstständigung der Kunst und (gemäß Hegel) eine Kunst-Religion. Im Mittelalter stehe die Kunst im Dienste der Religion; in der Neuzeit findet eine weitere Verselbstständigung der Kunst (analog zu der der Vernunft) statt. Die „klassische“ Kunst erhebt den Anspruch, das Allgemeine vernünftig darzustellen (inklusive der ethischen Aspekte und hinsichtlich des Wahren, Guten, Schönen), die Romantik verlagert den Schwerpunkt in die subjektive Seite (das Irrationale, das Fragment, das Obskur-Nächtliche etc.). Hegel selbst vertritt das Ideal einer „klassischen“ Kunst, die die „Wahrheit“ des „Ganzen“ ausdrückt; das Subjektive, wie es in einen objektiven Zusammenhang eingelassen ist und in ihm aufgeht; die „höchste Wahrheit“ des Allgemeinen gegenüber dem Partikularen usw. Aufgabe der Kunst, insbesondere der Literatur, sei es, den „Charakter“ darzustellen: dieser wiederum ist, idealerweise, eine (facettenreiche) Vielheit (von Persönlichkeitsaspekten), die vom kompetenten Charakter eben vereinheitlicht und in sich harmonisiert wird. Das ist dann der starke und folgerichtige, einheitliche und „klassische“ Charakter (dessen Ausbildung Ziel der Philosophie Hegels ist). Die Romantik stößt sich bekanntlich daran ab, und arbeitet sich an der „Zerrissenheit“ des Charakters ab. Die Romantik mit ihren unauflöslichen, undialektischen Irrungen und Wirrungen – oder die Literatur von Kleist – sind so das Ideal Hegels nicht. Der pflegt, bekanntlich, eine weniger verstörende Sicht auf die Dinge. – Die kleine Obsthändlerin von Bartolomé Esteban Murillo war, zum Beispiel, ein Lieblingsgemälde Hegels. Natürlich trifft es auch mein kindliches Herz wie mit einem Pfeil, mit all der Anmutigkeit und der inneren Reinheit und Güte, die in der spezifischen Anschauung und der Kunst von Murillo zum Ausdruck kommen: So dass ich diese herrliche Gelegenheit doch nutzen will, um ein kleines Denkmal für diesen heute nicht mehr sehr bekannten Mann aufzurichten. Bartolomé Esteban Murillo (1617 – 1682), ein Vertreter des Goldenen Zeitalters Spaniens, malte hauptsächlich religiöse Motive, aber auch Genrebilder. Gleichermaßen werden beide für ihre Authentizität und Wahrhaftigkeit und für die (innere und äußere) Schönheit der Figuren gelobt. Schönheit, kann man mit Hegel sagen, ist die Idee, in der sich das Wahre, Gute, Echte etc. ausdrückt; in der das Gute, Wahre, Echte mit der Wirklichkeit zusammenfallen. Sie ist das Wirklichwerden und Zum Ausdruck Kommen von innerer Schönheit und Harmonie. Mit seiner spezifischen Darstellung von Schönheit nahm Murillo damit gleichsam den Rokoko vorweg – ohne allerdings in dessen Formalismen zu verfallen: da die Feinfühligkeit und Geziertheit Murillos nichts ihm Äußerliches, sondern Kern seines Wesens waren. Aus dieser gesunden Wurzel heraus war er wendig genug, das Allgemeine (die Schönheit, Wahrheit, Authentizität etc.) immer wieder in höchst individueller Weise darzustellen. Das Genie spiritualisiert alles, so Salvador Dali, und so mischt sich bei Murillo die Anschauung von irdischer und himmlischer Realität immer wieder mit einem mystischen Erleben: Es ist eine spiritualisierte Wirklichkeit, die er anschaut und empfindet. Diesem Menschen ist Alles zugänglich: sowohl die tiefste, verborgenste Mystik der Seele als auch das einfache, alltägliche Leben…; alles stellt er in erstaunlicher Wahrheit und Realität dar … urteilte Wassili Botkin im 19. Jahrhundert über Murillo. Mit der Heraufkunft der modernen Kunst beginnt der Stern von Murillo zu verblassen – dafür steigt der seines bis dato vergessenen Landsmannes El Greco auf. Bei Velazquez und El Greco scheint die metaphysische Aufgabe der Kunst, das innere Wesen einer Sache zum Ausdruck zu bringen, in modernerer Weise – und mit mehr Bezugnahme auf die Schrecken der Moderne und der modernen Hermeneutik des Verdachts hinsichtlich der Monstrosität des Menschlichen – gelöst. Obwohl auch Murillo eine jener metaphysischen Künstlerinnen war, in deren Darstellung der Welt auch noch eine (rätselhafte, verklärte) andere Welt zum Vorschein zu kommen scheint. Aufgrund der inneren Versautheit und Vergesslichkeit des Menschen scheinen dem Menschen in der modernen Ausprägung die Gefühlswelten von Murillo aber weniger zugänglich. Bartolomé Esteban Murillo starb an den Folgen eines Sturzes von einem Gerüst während dem er in einer Kapuzinerkirche malte; in relativer Armut. Der Legende nach gab er viel für karitative Zwecke aus. Sein Biograph Palonimo beschrieb Murillo als einen Menschen, der … nicht nur vom Himmel begünstigt war durch die Erhabenheit seiner Kunst, sondern auch durch die Gaben seiner Natur, als ein guter Mensch, von liebenswürdigem Charakter, demütig und bescheiden. – Um den Faden wieder aufzunehmen, ist allerdings das, was in der Romantik zum Ausdruck kommt – die undialektische Zerrissenheit des Daseins – etwas, was es in der Welt tatsächlich gibt. Und der Dialektik zufolge ist das Romantische, das Subjektive, Abgetrennte, Verlassene etwas, was danach schreit, in einer Geborgenheit anzukommen, in einer neuen Klassik (von der sie sich dereinst wieder abspalten und verselbstständigen wird). Streng genommen ist alle Kunst eine Dialektik zwischen Klassik und Romantik, Vereinzelung und Synthese. Zu Hegels Lebzeiten – im Zeitalter des deutschen Idealismus – findet diese Dialektik ihre wohl höchsten Ausdrücke. In der Kunst von Haydn oder Mozart hat man das Schöne, Gute, Wahre (wenngleich kurz vor dem frühen Ende und dem daher unterbrochenen Leben, der unterbrochenen künstlerischen Karriere von Mozart sich dann bekanntlich das Abgründige – beim Requiem, beim Don Giovanni – recht weit gähnend öffnet). In der Kunst von Beethoven tritt das Klassisch-Schöne und Harmonische im Tandem mit dem Romantisch-Erhabenen, Disharmonischen und Unergründlichen auf. Das Erhabene entzieht sich der Dialektik. Es ist was Transzendentes – das allerdings auf ein letztendiges, letztgültiges Transzendentales hinweist. Und zu diesem Transzendentalen, zum Absoluten, zieht es die Dialektik (oder zumindest die Philosophie Hegels) hin. (Genau gesagt, ist diese Vereinheitlichung von Klassik und Romantik dann auch nur im Transzendentalen möglich – genauso wie die endgültige dialektische Vereinigung der Gegensätze: der dialektische Prozess, die Logik, sind bei Hegel und so wie Hegel sie letztendlich fasst, idealisierte Wahrheiten seiner/ihrer selbst; sind, so wie Hegel das fasst, die geistige Wahrheit seiner/ihrer selbst: und Hegel tendiert dann dazu, die Wirklichkeit und ihren Gang mit dieser geistigen Wahrheit zu verwechseln.) Auf jeden Fall scheint es der Kunst inhärent zu sein, das Klassische und das Romantische immer wieder neu zu verhandeln, zu vergleichen, das Klassische und das Romantische in Kunst und Leben immer wieder neu einander gegenüberzustellen (zumindest, sofern sie Ausdruck des absoluten Geistes sein will). – Die Gegenwartskunst scheint dann schließlich weder klassisch noch romantisch zu sein. Wenn man mit einem besonders zersetzenden Wesen begabt ist, könnte man sagen: Weil die Gegenwartskunst auch keine wirkliche Kunst ist, sondern eher eine Simulation von Kunst! Ein Parasit am Fell der echten Kunst! etc. Tatsächlich wohnt ein selbstzerstörerisches Potenzial der modernen Kunst aber bereits von selbst inne: in ihrem analytischen Bedürfnis nach neuen Ausdrucksformen und deren ständiger Befragung und Neuevaluierung; ihrer Intellektualität; ihrem rational-theoretisierenden Selbstverständnis; vor allem aber in Hinblick auf ihre extreme Ausdifferenzierung und Relativierung, die freilich eine der modernen Lebenswelt selbst ist: da scheinen die Sphären eingestürzt. Und auch die Subjektivität scheint mittlerweile zu ausdifferenziert, als dass sie sich in etwas so Vereinfachendem wie der großen Synthese innerhalb einer „klassischen“ Kunst ausdrücken könnte. (Oder sie ist halt nicht gescheit genug; der Anspruch ist etwas, was sie überfordert.) Ja, die heutige Subjektivität scheint so ausdifferenziert und voller Ironie, dass das Ideal des homo universalis als etwas – eben – Renaissancehaftes dazustehen scheint. Aber Renaissance bedeutet: Wiedergeburt. Wer kann die ausdifferenzierten Sphären wieder integrieren? (Die Antwort mit Hegel lautet natürlich: der Geist! Der Geist ist es, wo sich das Einzelne und das Allgemeine zu treffen und sich unauflöslich, in höchster Synthese, ineinander zu verschlingen, und sich gegenseitig zu bestimmen vermögen … die Originalität ist die wahrhafte Objektivität des Kunstwerks … Die wahrhafte Originalität zeigt sich darin, daß das Kunstwerk die Schöpfung eines Geistes ist. (Philosophie der Kunst S.109)) Freilich ist auch die Verwalterin des Geistes, die Philosophie, heute vielleicht in keiner so guten Verfassung mehr. Habermas meint unlängst angesichts seines neuzigsten Geburtstages, dass generalisierende Intellektuelle wie er eine vom Aussterben begriffene Spezies seien; sich auch die Philosophie in ihre eigenen Ausdifferenzierungen und Spezialisierungen hinein verliere. Und die analytische, unpoetische Philosophie hat die Philosophie, meint man, sowieso fest und im eisernen Griff. Ein alter weißer Mann wie Hegel dachte da (zumindest in seiner Jugend) noch anders und programmatisierte: Der Philosoph muß ebensoviel ästhetische Kraft besitzen als der Dichter. Die Menschen ohne ästhetischen Sinn sind unsere Buchstabenphilosophen. Die Philosophie des Geistes ist eine ästhetische Philosophie. Man kann in nichts geistreich sein, selbst über Geschichte kann man nicht geistreich raisonieren – ohne ästhetischen Sinn. Hier soll offenbar werden, woran es eigentlich Menschen fehlt, die keine Ideen verstehen – und treuherzig genug gestehen, daß ihnen alles dunkel ist, sobald es über Tabellen und Register hinausgeht (Frühe Schriften S.235) Das sagt man freilich so (und allem Zeitgeist trotzend dann auch wieder), und man sagt es leichtfertig und, vor allem, gerne. Es hat was Beruhigendes, so was zu sagen; wenn so was gesagt wird. Ist Hegel dabei übrigens selbst diese Aufgabe geglückt und konnte er diesem Anspruch beikommen? Hegel wird gemeinhin für einen der anti-ästhetischsten Stilisten der Philosophiegeschichte gehalten. Das, allerdings, ist er dann gar nicht. In Hegels Sprache durchdringt sich das Denken selbst, in ihr manifestiert sich eine genuine Introspektionsleistung (also etwas gleichsam „Künstlerisches“). Seine Sprache, sein Stil (der im Übrigen auch nicht allezeit hermetisch ist: hauptsächlich ist er das in der Phänomenologie des Geistes und der Wissenschaft der Logik, die Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte am anderen Ende des Spektrums hingegen sind leicht lesbar) sind hochgradig philosophisch und erheben sich ins Metaphysische. Wenn man sich so universale Geister – die auch in etwa dasselbe wollten wie Hegel – wie Auguste Comte oder John Stuart Mill ansieht, so drücken sich die viel prosaischer und deutlicher aus, als Hegel es tut. Eine gleichsam endlose Faszination geht von ihnen aber nicht aus, eine abgründige Sogwirkung, eine ständig aufrechterhalten bleibende metaphysische „Ahnung“. Ihre Schriften sind Niederlegungen von vernünftigen Gedanken. In Hegels Schriften kommt aber vielmehr das Denken selbst zum Ausdruck und zum Vorschein: in seiner ewigen Unabgeschlossenheit und Rätselhaftigkeit, im ständigen Werfen von Licht und Schatten, in seinem ständigen Kampf zwischen Licht und Schatten, in seinem Potenzial zum Metaphysischen also. Kunst ist die wahre metaphysische Tätigkeit, so Nietzsche (in Rekurs auf Schopenhauer): und die das Metaphysische ergreifende Sprache Hegels ist Kunst (allerdings – und ganz im Sinn davon, dass Hegel das dunkle Metaphysische ja auf das Niveau der hellen und rationalen Logik heben wollte – darin nicht rasend künstlerisch: denn das trocken Rationale überwiegt darin dann doch. Auch Hegels Kunstbetrachtungen und –vorträge sind weitläufiger und akademischer als die genialisch-intuitiv-plastischen von Schopenhauer.) – Oder nähern wir uns, nicht zuletzt über die vollständige Akademisierung der Philosophie, in Wahrheit schon dem Ende der Zeiten? Bricht dann vielleicht die eigentliche Epoche des Poetischen an? Die Poesie bekommt dadurch eine höhere Würde, sie wird am Ende wieder, was sie am Anfang war – Lehrerin der Menschheit; denn es gibt keine Philosophie, keine Geschichte mehr, die Dichtkunst allein wird alle übrigen Wissenschaften und Künste überleben, so eine verstörende Prophezeiung Hegels an derselben Stelle(ebenda) (freilich ist das eben nur eine, vielleicht launisch gemeinte Bemerkung in den allerfrühesten Schriften: so dass man sie für die überlegteste Sache von der Welt besser nicht hält). – Ich könnte nun nicht sagen, dass die Kunst so substantiell sei wie die Philosophie und diese übersteige. Ich habe drei Bücher gebraucht, um die Literatur in allen ihren Möglichkeiten zu durchleuchten und durchmessen. Und habe dadurch immerhin den Durchbruch – endlich – zur Kunst im Allgemeinen und zur Philosophie geschafft. Und jetzt studiere ich die Philosophie und den Geist: und es scheint mir eine größere Aufgabe und ein weiteres Feld. Maler und Schriftsteller hat man schneller durchstudiert als Philosophinnen wie Hegel. Zwar hoffe ich, dass ich auch mit der Philosophie in einigen Jahren fertig sein werde, um mich dann der Ökonomie, der Entomologie, der Mineralogie oder auch der Geophysik widmen zu können. Wenngleich ich diesbezüglich pessimistischer bin (und außerdem nicht glaube, dass ich in der Molekularbiologie, der Geodäsie oder der Botanik irgendwelche relevanten Beiträge leisten könnte – so gescheit bin ich nämlich doch nicht). Die Durchmessung der Philosophie und der ihr zuzurechnenden Fragen ist aber offensichtlich eine viel größere Aufgabe als die Durchmessung der Kunst. Auch laut Schopenhauer steht der Philosoph am obersten Ende der Hierarchie, über dem Dichter. Dass aber die Kunst, die Poesie, am Ende der Zeiten, nach dem Ende der Geschichte, nach dem Ende der Philosophie allein übrig bleiben und allein wirksam bleiben könnte, könnte man der Hoffnung zurechnen, dass der Begriff, sein Zur Deckung Kommen mit der Wirklichkeit als Idee, die Entwicklung der Rationalität etc. zu einem eben rationalen Abschluss kommen sollten: die Anschauung, aus der die Kunst heraus tätig wird, aber eben etwas Ewiges und Außerzeitliches ist. Und Poesie bedeutet: Schöpfung/Entbergung. Das sollte immer möglich bleiben (allerdings wie, sofern sie sinnvoll sein soll: wenn es keine rationale Basis mehr für sie gibt?) Mit „absolutem“ Idealismus ist nicht die magische Fähigkeit des Geistes gemeint, jeden Inhalt hervorzubringen, sondern die völlige Passivität des Geistes. Indem es die Haltung des „absoluten Wissens“ übernimmt, fragt das Subjekt nicht, ob der Inhalt (…) apriorischen Standards (…) entspricht; es lässt den Inhalt sich selbst beurteilen, nach dessen eigenen immanenten Maßstäben, und ermächtigt sich somit selbst. (Zizek S.532) Das ist der Endzustand des Subjekts, das am absoluten Wissen teilhat, das absolutes Wissen generiert, laut Hegel. Es hat etwas Meditativ-Künstlerisches. Es hat etwas vollkommen Rationales und Luzides. Es hat die Dichotomie von Subjekt und Objekt unter sich gelassen. Es hat, trotz des oder gerade in dem Kontemplativ-Meditativen etwas Poetisch-Generierendes, bzw. ist so poetisch-generierend, dass es das Poetische und das Generieren gleichsam der Sache selbst überlässt. Es ist der Geist. Es ist das Künstlerische und das Philosophische, als Ausdrücke des absoluten Geistes. Im höchsten Stadium verschmelzen die Auffächerungen des absoluten Geistes – Kunst, Philosophie (Wissenschaft) und Religion – dann zum absoluten Geist in der absoluten Form.
Die Philosophie Hegels trägt ein Bild mit sich von einem ewigen, unabschließbaren Denk- und Weltprozess, vermittelt andererseits aber auch eines von einem glorreichen Abschluss allen Denkens und eines Zu sich Kommens des geschichtlichen Verlaufs, eines der finalen Vereinigung aller Gegensätze. Sie ist/begreift sich als eine späte Philosophie, als eine Eule der Minerva, die in der Dämmerung zum Flug ansetzt, kurz vor Tagesende, bei dem dann auf Gleich gemacht wird, wo dann aber überhaupt auch erst aus der Vergangenheit echter Sinn abgeleitet werden kann. Sie ist einerseits entelechisch, andererseits teleologisch; und entfaltet ihr Charisma in der Betonung des einen wie des anderen – und ihr Charisma des Rätsel- und Sphinxhaften eben über beides zugleich (bzw., da beides letztendlich inkompatibel erscheint (wie auch jedes für sich genommen zweifelhaft ist), verliert sie ihr Charisma für den einen oder anderen besonders kritischen Kritiker dann eben wieder). Das denkende Individuum erscheint bei Hegel zum einen auf beinahe verlorenem Posten: es ist im Rahmen seiner Philosophie dazu verdammt, immer weiter zu denken und nie zu einem Abschluss zu kommen. Die Vollendung ist darum nicht wirklich zu erreichen, sondern nur als eine absolute Aufgabe zu denken; d.h. als eine solche, welche schlechthin Aufgabe bleibt. (Phänomenologie des Geistes S.447) Andererseits besteht die Möglichkeit, Vollendung zu erreichen, dann eben darin, indem es mit dieser Aufgabe, indem es mit dem Imperativ, den es sich selbst setzt, identisch wird. Das denkende Individuum wird dann identisch mit seinem Potenzial zu denken, mit der Möglichkeit, jegliches Resultat zu denken, auch wenn das tatsächlich erst in ferner Zukunft, mit dem Fortschritt der Wissenschaften, dann auch wirklich erreicht werden kann. Dadurch kann das Resultat, das immer in der unendlichen Zukunft liegt, gleichsam schon ins Zeitliche, ins Jetzt gezogen werden. Und darüber wird das im Zeitlichen denkende Individuum dann gleichzeitig ins Ewige transferiert und denkt gleichzeitig (außerdem) im Ewigen – und ist dort zur Ruhe gekommen: rotierend, wirbelnd, rastlos und unruhig, aber im Auge des Tornados. Das so denkende Individuum ist somit Bewohnerin zweier Sphären: der Sphäre des Zeitlichen, wo Abschluss und Versöhnung angestrebt werden, aber erst in unendlicher Zukunft und im Rahmen eines ewigen Prozesses der Annäherung erreicht werden können (oder eben, und vor allem auch, nicht); und eine Sphäre des Ewigen, wo, in Vollendung, alle Gegensätze und endliche Qualitäten in eine transzendentale Qualität hinein überwunden werden, und die in einer gleichsam anderen Welt beheimatet ist als in der herkömmlichen raumzeitlichen Lebenswelt. Die Welt des Geistes zerfällt in die gedoppelte: die erste ist die Welt der Wirklichkeit oder seiner Entfremdung selbst; die andere aber die, welche er, über die erste sich erhebend, im Äther des reinen Bewußtseins sich erbaut. (ebenda S.362) Das eine ist eine Sphäre des Immanenten und des Transzendierens und Transzendierenwollens über Dialektik und den Verlauf der Dialektik; das andere ist eine Sphäre des Transzendentalen, in dem die Dialektik identisch wird mit ihrem eigenen Ideal bzw. eine Art Phasenraum der Dialektik, der die Menge aller möglichen Zustände des dialektischen Prozesses beschreibt. Dass das Denken nie zu einem Abschluss kommen kann, ist im Übrigen ja auch nicht sein Elend, sondern vielmehr eben Ideal des Denkens, Idee des Denkens, transzendentale Bestimmung des Denkens. Das nie aufhörende Denken ist gleichsam identisch mit einer eigenen Transzendentalie. Indem es nie zu einem Abschluss kommt, aber bereit ist, stets weiter zu denken, und das durch Denken erworbene Wissen so ausgeprägt und kompetent ist, dass es in der Lage ist, jeden Abschluss bereits zu antizipieren, ist das Denken (bzw. die Trägerin des Denkens) zwar nicht zum Abschluss, aber zur Vollendung gelangt (Vollendung bedeutet auch nicht dasselbe wie Abschluss; sie bezieht sich vielmehr auf eine vollständige Entfaltung von inhärenten Qualitäten). Dieses vollendete denkende Individuum hat daher eine Art Feldcharakter: es ist ein Denk- und Wahrnehmungsfeld, das sich, zwar an seinen Rändern klarerweise schwächer werdend, ins potenziell Unendliche erstreckt. Das Denken, so hat es von sich selbst den Eindruck, wird, obwohl es hochprozessiv ist, gleichsam zu einer ruhigen, mimetischen Anschauung der Dinge bzw. seiner Inhalte, die gleichsam im Geistigen aufgehen, geborgen werden, tatsächlich erkannt werden. Das ist dann gleichsam die transzendentale Anschauung: In der transzendentalen Anschauung ist alle Entgegensetzung aufgehoben, aller Unterschied der Konstruktion des Universums durch und für die Intelligenz und seiner als ein Objektives angeschauten, unabhängig erscheinenden Organisation vernichtet. Das Produzieren des Bewußtseins dieser Identität ist die Spekulation, und weil Idealität und Realität in ihr eins sind, ist sie Anschauung. (Jenaer Schriften S.34) Spekulierend und in Selbstgenuss bewegt sich das Denken hier durch sein eigenes, originäres Reich, in völliger Freiheit, da es in diesem Reich herrscht. Genau gesagt: da in diesem Reich niemand herrscht, sondern alles in einer freundlichen Kopräsenz aufgeht und existiert, selbst was Wirklichkeit und Möglichkeit anlangt. So … spricht (sich) die Idee der Vernunft, bestimmter als in dem vorigen Begriff eines harmonischen Spiels von Erkenntniskräften, nämlich in der Idee eines „anschauenden Verstandes“ aus, in welchen „Möglichkeit und Wirklichkeit Eins sind“, für welchen „Begriffe“ … und sinnliche Anschauungen … beide wegfallen(…) Die transzendentale Einbildungskraft ist also selbst anschauender Verstand. (ebenda S.161f.) Man bemerkt: diese transzendentale Einbildungskraft und transzendentale Subjektivität hat beklemmende Gemeinsamkeiten mit dem fernöstlichen Satori, eines ewigen, erleuchteten Zustandes, in dem der Geist sich selbst ansieht …. Obwohl als kindlicher, urtümlicher Zustand, als ein gleichsam embryonales Bewusstsein propagiert, kann auch dieses Satori nur durch einen langwierigen, gleichsam dialektischen Prozess erreicht werden, innerhalb dessen man Widersprüchlichkeiten durchdenkt (bzw. denkend empfindet) – dabei handelt es sich aber weniger um rational auflösbare und dialektisch vermittelte Widersprüchlichkeiten und Gegensätze, sondern eher um den Umgang mit harten Paradoxien und Aporien, auf die man an den Rändern unserer Existenz, unseres Denkens und Begreifens, eben tatsächlich trifft. Eine dialektische, logische, rationale Lösung dieser Paradoxien und Aporien ist dabei nicht möglich. Es geht in der Zen-Übung, in der Bearbeitung des paradoxen Koans auch vielmehr darum, diese harten Paradoxien sich geschmeidig zu machen bzw. eine Geschmeidigkeit des Geistes – und der ganzen Persönlichkeit – im Umgang mit dem, was jenseits des Vermögens des rationalen Verstehens liegt, zu erreichen. Es geht um die Ausprägung einer Art Meta-Rationalität und Meta-Dialektik. Genau gesehen ist der Kern des Satori vielleicht der, dass man im Denken und Wahrnehmen ständig zwischen Motiv und Hintergrund switchen kann. Das Widerspiel zwischen Motiv und Hintergrund ist die wohl grundlegendste Struktur der Welt, ihr transzendentales Wesen bzw. transzendentale Erscheinung. Jedes Ding erscheint in einem Hintergrund und muss aus dem heraus begriffen werden; gleichzeitig stiftet es einen neuen Zusammenhang (erhöht also die Textur des Hintergrundes) und beleuchtet den Hintergrund in eigentümlicher Weise (neu). Eine um Transzendenz bemühte Wahrnehmung strebt gemeinhin eine größere Vollständigkeit, Reichhaltigkeit, Farbigkeit, Beweglichkeit u. dergl. an. Sie strebt, eventuell, eine Anschauung der „Unendlichkeit“ an, des Letztgültigen, Göttlichen, oder Absoluten. Eine solche Anschauung ist (rational) unmöglich (allerdings intuitiv möglich). Das Absolute, Letztgültige, Transzendentale und auch Göttliche ist aber das Erscheinen von einem Motiv in einem Hintergrund („Am Anfang war das Wort“). Und die Anschauung des Letztgültigen, Absoluten, Unendlichen, ist dann eine flackernde Anschauung von sich gegenseitig widerspiegelndem Motiv und Hintergrund. Das ist dann, hat man den fast untrüglichen Eindruck, die transzendentale Anschauung. Die Anschauung der Unendlichkeit ist dann die Anschauung einer quasi fraktalen Struktur, einer quasi fraktalen Gestaffeltheit von Motiven und Hintergründen. Wobei es dem traditionellen fernöstlichen Satori aber eher nicht einfallen würde, sich so zu erklären (tatsächlich hat es erhebliche Schwierigkeiten, sich zu erklären). Denn das traditionelle fernöstliche Satori bleibt gleichsam tatsächlich ein embryonales Vor-Bewusstsein vor dem rationalen Bewusstsein und Denken. Es bleibt intuitiv und irrational. Innerhalb seiner liegt das Verständnis von Erleuchtung darin, dass man alle Qualitäten der Welt als bloße Erscheinungen, genau gesagt (nutzlose) Illusionen erkennt (und als solche verwirft). Daher bleibt es also passiv und unwissenschaftlich: es will die Welt nicht umgestalten und verbessern. Westliches Denken aber will das, und eine Hegelsche Philosophie will das: und sie versucht das zu vollziehen, indem sie rational und dialektisch ist. Jetzt wirft man der Dialektik vor, dass sie ein vereinfachendes Modell des Denkens ist, in dem die Möglichkeiten der unnötigen Zuspitzung oder der Verarmung des Denkens liegen. Aber wie anschlussfähig die Hegelsche Philosophie an anderes Denken ist, zeigt sich an diesem kulturübergreifenden Beispiel. – Der Sinn von Erleuchtung und Satori ist Freiheit; und die Ermöglichung von Freiheit bzw. die Bestimmung des Geistes als sich in Freiheit entwickelnd ist Sinn der Philosophie Hegels. Wenn der Geist vollständig ausdifferenziert ist und wissend ist, indem er die die Begrenzungen der Theorien und Ideologien durchstoßen hat, indem er über die Reflexion der Reflexion (also als absoluter Geist) die materiale Hyle der Dinge gesprengt hat, gelangt der Geist schließlich tatsächlich in den Besitz von sich selbst. Er wird (vollkommen) vergeistigter Geist, spiritualisierter Geist und spürt seine ungeheure Schwere dann in seiner Federleichtigkeit. Er operiert dann tatsächlich in einer noumenalen Sphäre – und diese ist dann seine urtümliche urtümliche Heimat. In diesem inneren Wahren … schließt sich erst über der sinnlichen als der erscheinenden Welt nunmehr eine übersinnliche als die wahre Welt auf, über dem verschwindenden Diesseits das bleibende Jenseits; ein Ansich, welches die erste und darum selbst unvollkommene Erscheinung der Vernunft oder nur das reine Element ist, worin die Wahrheit ihr Wesen hat. (Phänomenologie des Geistes S.117) Diese noumenale Sphäre ist das REICH, dessen Zentrum die Sphäre der transzendentalen Einbildungskraft ist: dort haust der Imperator, eine gleichzeitig fast verschwindende, verschwimmende Person, einsiedlerisch und radiierend. Das REICH ist weniger eine Sphäre der Herrschaft als eine der Kopräsenz und des Gleitens. Seine Strukturen sind scharf, eindeutig und luzide, und gleichzeitig abfallend in einen Saum der mannigfachen, nie vollständig erschließbaren Qualitäten und Bedeutungen. Es ist ein Reich, in dem es laut ist und kracht, in dem geschrien wird und die Türen zuknallen; und eines, in dem der Lärm verhallt und halluzinatorische Qualitäten hat, vielleicht eine Täuschung ist. Man kann sich relativ beliebig in einen Lärm oder eine Stille dort reinzoomen und wieder raus. In seinem eigenen REICH hat der Geist volle Manövrierfähigkeit und bewegt sich dort in aller Freiheit; in Anerkennung der Gesetzmäßigkeiten: Die übersinnliche Welt ist hiermit ein ruhiges Reich von Gesetzen, zwar jenseits der wahrgenommenen Welt, denn diese stellt das Gesetz nur durch beständige Veränderung dar, aber in ihr ebenso gegenwärtig und ihr unmittelbares stilles Abbild. (ebenda S.120) Freiheit macht nur Sinn bezogen auf Gesetzmäßigkeiten, die da sind; ansonsten an so einem Ort nämlich herrscht Chaos und Unordnung, aus der nichts entstehen kann, auf Grundlage derer sich nichts errichten kann. Der Geist bei Hegel selber entwickelt sich ja einerseits in Freiheit, andererseits nur im Zusammenhang mit dem Gesetzmäßigen der Dialektik. Er ist einerseits Freiheit, andererseits Logos – beziehungsweise (und nur eben darin!) sowohl als auch: Die Freiheit liegt also weder in der Unbestimmtheit noch in der Bestimmtheit, sondern sie ist beides. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.57) Der Geist entwickelt sich nicht in sinnlos wuchernder Anarchie seiner selbst, sondern in zunehmender Einsicht darin, wo Freiheit ist und wo Gesetz (anders wäre er ja auch nicht Vernunft oder Intelligenz – also eben nicht Geist). Und das REICH ist ein Reich der luziden Einsicht in die Gesetzmäßigkeiten, in die gleichsam Platonischen Ideen. Darin liegt Freiheit und Harmonie, Endzweck des Geistes, seine eigentliche Freiheit. Das REICH ist eine Sphäre, die mit sich selbst identisch ist; es gibt „dahinter“ (oder sonstwo) nichts mehr. Und, damit der Geist vollständig und seinem transzendentalen Bild entspricht, darf es nichts mehr geben: der Geist muss, durch Selbstdurchdringung, sich selbst in Besitz nehmen: Wie die Substanz der Materie die Schwere ist, so, müssen wir sagen, ist die Substanz, das Wesen des Geistes die Freiheit … Die Materie hat ihre Substanz außer ihr; der Geist ist das Bei-sich-selbst-Sein. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.30) Wenn der Geist oder wenn das REICH identisch sind mit sich selbst, bei-sich-selbst sind, sind sie in ihrer Erscheinung auch identisch mit ihrem Ding an sich. Indem sie erscheinen, sind sie dann reine Erscheinung. Das Übersinnliche ist das Sinnliche und Wahrgenommene, gesetzt, wie es in Wahrheit ist; die Wahrheit des Sinnlichen und Wahrgenommenen aber ist, Erscheinung zu sein. Das Übersinnliche ist also die Erscheinung als Erscheinung. (Phänomenologie des Geistes S.118) Das bedeutet dann auch, dass das „Absolute“ (das Hegel – und im wesentlichen die ganze prä-postmoderne Philosophie – zu fassen anstrebt) in seiner reinen Erscheinung aufgeht – oder, wenn man so will, sich auf eine „reine Erscheinung“ reduziert. Slavoj Zizek kreist in seinem Hegelbuch unter anderem um die Vorstellung, dass „das Absolute“ oder die Platonischen Ideen, das Letztgültige, Höchste etc. nichts seien, wohinter sich irgendetwas, irgendeine geheimnisvolle, ungeteilte Substanz oder eben ein finales Ding an sich verberge, sondern etwas, das über die Arbeit des Geistes bzw. der transzendentalen Einbildungskraft endlich „in Erscheinung trete“ – und dann auch „reine Erscheinung“ sei. Das einzige „Sein“ des Absoluten ist sein Erscheinen, und die Illusion ist zu glauben, dieses Erscheinen sei nur ein „Bild“, hinter dem es ein transzendentes wahres Sein gibt. … Das „Absolute“ jenseits der Erscheinungen deckt sich mit einer „absoluten Erscheinung“, einer Erscheinung, hinter der es kein substanzielles Sein gibt. (Zizek S.200) Schon Hegel selbst interessiert sich bekanntlich nicht für das Ding an sich. Was ihn interessiert ist die Erscheinung; bzw. für ihn tritt das Wesen einer Sache in seiner Erscheinung vollständig zutage. Allerdings tut es das eben auch nicht, da das Wesen sich fortwährend dialektisch entfaltet und nie vollständig gegeben ist, also auch bei Hegel „hinter“ der Erscheinung ein Sog, ein Malstrom des Unbekannten charismatisch sich verbirgt. Das Absolute muss dann aber eben sein, wo Erscheinung und Ding an sich in eins fallen bzw. wo die dialektische Entfaltung ihr Ende findet oder aufgehoben wird. Ja, es ist schon hilfreich, sich das Absolute als „reine Erscheinung“, „hinter der es kein substanzielles Sein gibt“ vorzustellen. Da es das substanzielle Sein eben auch selbst ist. Ich für meinen Teil habe reine Erscheinungen sehr gerne. Sie tragen scheinbar eine Menge Bedeutung in sich (und sind, so gesehen, daher auch keine reine Erscheinungen, sondern vielmehr Referenzen an andere Erscheinungen), versuchen aber, das zu vertuschen und sich hinsichtlich aller Referenzen unterbestimmt zu machen. Sie verschieben den Sinn, und scheinen gleichsam Monaden von reinem, selbstständigen Sinn zu sein. In ihnen scheint ein geheimnisvoller Sinn, genauer: in ihnen scheint der Sinn selbst zutage zu treten, eben: in Erscheinung zu treten (gemäß der Wittgensteinschen Weisheit, wonach sich der Sinn nicht sagen lässt – er zeige sich). Die reinen Erscheinungen treten uns entgegen und schauen uns augenlos an. Sie sind unheimlich und harmlos zugleich; geisterhaft und manifest präsent etc. Sie sind ein Ding an sich, das uns entgegentritt, mit dem wir unerwartet konfrontiert werden, und die uns an die Unerwartetheit unserer eigenen Präsenz und Existenz gemahnen. Der transzendentale Geist liebt die reinen Erscheinungen. Der Genius ist das als rein anschauend Vorgestellte: was schaut der Genius an? Die Wand der Erscheinungen, rein als Erscheinungen. Der Mensch, der Nicht-Genius, schaut die Erscheinung als Realität an oder wird so vorgestellt: die vorgestellte Realität – als das vorgestellte Seiende – übt eine ähnliche Kraft wie das absolute Sein: Schmerz und Widerspruch. (Nietzsche Nachlass Ende 1870 – April 1971, 7(172)) Kurz vor seinem geistigen Tod, in seinem höchstgradig luzid-entrückten Ecce Homo-Zustand, hat Nietzsche seine Dionysos-Dithyramben finalisiert. Bei denen ist die poetische Vermittlung von Form und Inhalt so sublimiert, so ausgereift, dass sie als reine Feuerzeichen in einer dreiviertel Höhe über uns zu stehen kommen und dort, als augenlose Augen, ewig verharren. Da hast du Beispiele für reine Erscheinungen.
Bartolomé Esteban Murillo (1617 – 1682), ein Vertreter des Goldenen Zeitalters Spaniens, malte hauptsächlich religiöse Motive, aber auch Genrebilder. Gleichermaßen werden beide für ihre Authentizität und Wahrhaftigkeit und für die (innere und äußere) Schönheit der Figuren gelobt.
Hegel geht aus von der Entfremdung (logisch: dem Unendlichen, abstrakt Allgemeinen), der Substanz, der absoluten und fixierten Abstraktion – d.h. populär ausgedrückt: er geht von der Religion und Theologie aus. / Zweitens: Er hebt das Unendliche auf, setzt das Wirkliche, Sinnliche, Reale, Endliche, Besondre (Philosophie, Aufhebung der Religion und Theologie.) / Drittens: Er hebt das Positive wieder auf, stellt die Abstraktion, das Unendliche wieder her. Wiederherstellung der Religion und Theologie, moniert Marx (in Bezug auf Feuerbachs Kritik an Hegel) in seinen Ökonomisch-Philosophischen Manuskripten (Marx S.324), und glaubt dadurch ein weiteres Mal einen grundlegenden „Widerspruch“ bei Hegel entdeckt zu haben. Diese scheinbaren Zirkularitäten kennt man bei Hegel ja eben zur Genüge. Allerdings sind es ja keine Zirkularitäten, sondern Entwicklungen, wo etwas, was ursprünglich ist, durch progressive Anreicherung mit Realitätsaspekten (zunächst als objektiver Geist) sich entfaltet und durch Selbstreflexion (über den absoluten Geist) sich durchdringt und dadurch aufklärt, transparent macht. Sich rational und vernünftig macht. Etwas Dunkles wird ans Licht gehoben. Freilich hat Marx Recht, wenn er sich darüber irritiert und wundert, wie sehr Hegel in seiner eigenen Denke, seiner idealistischen Philosophie und Geschichtsauffassung gefangen bleibt – obwohl zu seiner Zeit den dialektischen Materialismus ja gleichsam die Spatzen von den Dächern pfeifen; zum Beispiel von den Dächern Berlins, Hegels letzter Wirkstätte, in der Glanz und Elend der damals zeitgenössischen Welt exemplarisch und schroff sich gegenüberstanden. Diese Irritation bildet gleichsam die philosophische Grundlage für das Frühwerk von Marx (einem großen geistigen Triumph seinerseits und, bei aller Massivität der Gedanken und Stringenz der Gedankenführung, viel leichter zu lesen und transparenter nachzuvollziehen als die Werke Hegels). Immer wieder stößt sich Marx daran, wie bei Hegel dessen ideale Kategorien – wie der Geist, der Staat, die Sitte, die Religion etc. – sich gleichsam aus sich selbst entwickeln, ja, die eigentlichen Entwicklungslogiken und Entwicklungsträger sind, obwohl sie über eine solche Potenz ja gar nicht verfügen: vielmehr werden sie vom Menschen in seinen Versuchen, die Welt zu ordnen entwickelt und weiterentwickelt. Allerdings scheint Marx dann doch irgendwie zu entgehen, was Hegel mit Religion und mit Religion als Ausdruck des absoluten Geistes eigentlich meint und worauf er hinaus will. Religion bedeutet ursprünglich: die gewissenhafte Beachtung der Vorschriften. Sie bindet sich also an ein(e Art) metaphysisches Gesetz. Dies sind die rätselhaften Gesetzmäßigkeiten der Natur, des menschlichen Zusammenlebens und der Möglichkeiten der Beherrschung der Natur durch den Menschen. Die ursprünglichen Religionen sind Naturreligionen, in denen der Mensch sich mit den rätselhaften Gesetzmäßigkeiten in der Welt mit ausgeklügelten eigenen Gesetzmäßigkeiten – in Form von Ritualen – in Verbindung setzt und sich diese gefügig machen will. Die komplizierten Gesetzmäßigkeiten der menschengemachten Rituale erscheinen so als eine Mimesis der undurchschaubaren Gesetzmäßigkeiten in der Natur. Mit dem Zoroastrismus erscheint zum ersten Mal in der Geschichte eine Religion, in der zwischen Gut und Böse im Sinn von abstrakten Prinzipien und Unterscheidungs- und Entscheidungsmöglichkeiten für den Menschen differenziert wird. Religionen der geistigen Individualität sind dann die jüdische Religion, die altgriechische und die römische. Dennoch bleibt in diesen Religionen das Göttliche dem Menschen relativ fremd und etwas, mit dem man nicht innerlich kommunizieren kann (und das Verhalten Jahves oder der griechisch-römischen Götter bleibt immer wieder einigermaßen unheilig; irrational, kindisch und impulsiv). Im Christentum steigt Gott als Christus zum Menschen herab, erscheint in Menschengestalt. Damit begründet sich im Christentum eine neue Form von Innerlichkeit und die Möglichkeit eines inneren Dialoges und einer Kommunion mit dem Göttlichen: schließlich die einer Annäherung des Menschen an Gott über Heiligkeit; einer Gottwerdung des Menschen des Menschen dann in der spezifischen Auffassung des Christentums bei Hegel. Gott ist bei Hegel: der Geist! Und je geistiger und einsichtiger in die wahren Gesetze der Welt der Mensch im geschichtlichen Verlauf wird, desto mehr nähert er sich dem Göttlichen an: und desto mehr erscheint das Göttliche in der Geschichte. Gott und das Erscheinen Gottes und die Gottwerdung des Menschen ist ein Prozess: und die Realisierung dieser mit dem Erscheinen Christi abstrakt ausgesprochenen Möglichkeit ist bei Hegel Aufgabe und Möglichkeit der freien germanischen Völker. Das sei ihr Auftrag in der Weltgeschichte. Deren ganzer Zustand gleicht daher der Geburtsstätte und ihr Schmerz den Geburtswehen von einem anderen höheren Geist, der mit der christlichen Religion geoffenbart worden. Dieser höhere Geist enthält die Versöhnung und die Befreiung des Geistes, indem der Mensch das Bewußtsein vom Geiste in seiner Allgemeinheit und Unendlichkeit erhält. Das absolute Objekt, die Wahrheit, ist der Geist, und weil der Mensch selbst Geist ist, so ist er sich in diesem Objekte gegenwärtig und hat so in seinem absoluten Gegenstande das Wesen und sein Wesen gefunden. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.386) Der Mensch ist ein Einzelwesen und hat als solches die Möglichkeit zum Bösen: dem Beharren auf dem Einzelwillen und der Abspaltung vom Allgemeinen. Gott ist das absolute Antidot dazu, indem er der Geist des Allgemeinen, des Umfassenden und Umgreifenden ist. Indem der Mensch Geist in sich ausprägt, das Allgemeine in sich aufnimmt, erkennt er, dass darin die Möglichkeit der Einsicht in das Göttliche begründet liegt, und die Möglichkeit seiner eigenen Annäherung an das Göttliche. So ist der Mensch also selbst in dem Begriffe Gottes enthalten, und dies Enthaltensein kann so ausgedrückt werden, daß die Einheit des Menschen und Gottes in der christlichen Religion gesetzt sei. Diese Einheit darf nicht flach aufgefaßt werden, als ob Gott nur Mensch und der Mensch ebenso Gott sei, sondern der Mensch ist nur insofern Gott, als er die Natürlichkeit und Endlichkeit seines Geistes aufhebt und sich zu Gott erhebt. Für den Menschen nämlich, der der Wahrheit teilhaftig ist und das weiß, daß er selbst Moment der göttlichen Idee ist, ist zugleich das Aufgeben seiner Natürlichkeit gesetzt, denn das Natürliche ist das Unfreie und Ungeistige. In dieser Idee Gottes liegt nun auch die Versöhnung des Schmerzes und des Unglücks des Menschen in sich. Denn das Unglück ist selbst nunmehr als ein notwendiges gewußt, zur Vermittlung der Einheit des Menschen mit Gott. (ebenda S.392) Im Christentum tritt der Mensch und tritt auch Gott im geschichtlichen Verlauf progressiv hervor und beide gewinnen immer mehr an Substanz und Identität. Gott, bzw. das sittliche Gesetz, ist bei Hegel bekanntlich eine an sich heteronome und substanzarme, wenn nicht sogar lebensfeindliche, unmenschliche, allzu abstrakte Instanz. Erst indem der Mensch das Gesetz in sich aufnimmt und mit Leben erfüllt wird das Gesetz vermenschlicht und gleichzeitig der Mensch autonom und kompetent. Aber das Übersinnliche, Ewige, oder wie man es sonst nennen mag, ist selbstlos; es ist nur erst das Allgemeine, das noch weit entfernt ist, der sich als Geist wissende Geist zu sein. (Phänomenologie des Geistes S.495) Umgekehrt nimmt dann aber die Subjektivität, die das Gesetz ergreift – die am Ende absoluter Geist wird – Qualitäten des Ewigen und der Selbstlosigkeit an. Geist bedeutet, dass das kein Ich ist (kein so genanntes Ego, oder religiös gesprochen eine Triebseele), das den Geist in seinem Bestreben, die Welt und sich selbst zu durchdringen, mal hierhin, mal dorthin zieht und dadurch seine Wahrnehmung verzerrt, seine Arbeit im schlimmsten Fall zunichte macht und stattdessen, aus Egoismus, den Ungeist triumphieren lässt. Das Ich wird durch die korrekte Arbeit des Geistes progressiv abgebaut; es wird, indem es gegen sich selbst ständig das Negative, Andere, das Nicht-Ich stellt, gleichermaßen mit neuen Anteilen und Anteilen des vormaligen Nicht-Ich angereichert, wie es ebenso dialektisch zermalmt und zerbröselt wird, hinsichtlich der Egozentrik seiner Perspektive. Das Ich wird welthaltiger und Ich-ärmer; der Kreis, den es in der Welt zieht, wird immer umfangreicher, seine innere Härte verflüssigt sich und wird zuletzt gasförmig: indem sein Aufenthaltsort progressiv im Überall wird. Das Ich wird dann eben: zum Geist – und dadurch viel aussagekräftiger und nachhaltiger als ein bloßes Ich das überhaupt sein kann. So erlangt der Geist seine volle Handlungsfreiheit und wird identisch mit seinem eigenen Ideal – und damit transzendental und absolut. Er wird allgemein, obwohl von einem Individuum verkörpert (denn: das Sein des Geistes (ist) ein Knochen (Phänomenologie des Geistes S.260)). Der Geist ist schließlich ein Selbst, aber das selbstlose Selbst. Das Christentum ist die Versöhnung der Welt mit Gott, des Einzelnen mit dem Allgemeinen. Der christliche Gott ist (neben universellem Geist) Liebe, und beinhaltet daher die Möglichkeit einer universellen Versöhnung von Gegensätzen (und: nur Gott vermag es eben, alle Gegensätze zu vereinigen; das Göttliche ist eben die Vorstellung, die wir von einer effektiven Planierung der Gegensätze im Absoluten haben, und allein haben können: denn praktisch und im Diesseits ist das ja nicht möglich; nur in einem Jenseits, des Geistes und eines Reichs der Werte: aber dieses Jenseits ist im Diesseits auch immer vorhanden und prägt unser Denken). Religion bzw. das Christentum ist bei Hegel kein Opium, das man sich zur Beruhigung reinzieht, um auf eskapistisch und weltflüchtig zu machen. Es ist eine Überwindung der Welt durch die absolute Beschäftigung mit der Welt, eine rastlose Aktivität des Geistes – der dadurch freilich einen gleichzeitig unendlich beruhigten und seligen, tranceähnlichen Zustand einnimmt; denn im absoluten Geist/Wissen sind Verhärtungen und Starrsinnigkeiten aufgehoben (was zum Beispiel im Geist von Marx NICHT der Fall war). Und das ist der höchste Zweck und ist die höchste Vollendung des Geistes – dessen höchste Vollendung und Identischwerden (oder zumindest Mimetischwerden) mit dem göttlichen Geist dessen letzter und daher Selbstzweck ist. Noch mehr aber ist der Mensch Zweck – das eine Mal als lebendiger, das andere Mal als Denken, denn eben Denken, alles was in demselben liegt und seine Wurzel darin hat, als in sich unendlicher Selbstzweck. Formell und objektiv auch dem Inhalt nach; der absolute Zweck seiner Subjektivität aber ist die absolute Objektivität des Selbstbewusstseins, UNENDLICHER, letzter Endzweck in sich selbst; wir mögen sie als sittliche Vollkommenheit, Religiosität, ewiges Leben, d.i. göttliches, seliges Leben bestimmen. / Dieser Zweck ist kein endlicher; er ist Zweck des absoluten Geistes – ihr sollt vollkommen sein wie Er –, denn es ist Leben in Gott, Ähnlichkeit mit ihm – die Weise, wie Gott selbst als Geist in seiner Gemeinde, dem subjektiven Selbstbewusstsein realisiert wird. (Vorlesungen über die Philosophie der Religion Teil 2 S.?) Die Bewegung innerhalb der Hegelschen Philosophie gilt der Versöhnung des Einzelnen mit dem Allgemeinen. Gott ist das lebendige, das beseelte Allgemein, mit dem man (im Gegensatz zum starren Gesetz) in einen Dialog treten kann. Und Gott ist das lebendige, das beseelte Unendliche. Bei Hegel können das Endliche und das Unendliche nur dialektisch, nur aufeinander bezogen auftreten. Im Christentum endlich wird der Mensch zu einem Endlichen, das einen unendlichen Inhalt repräsentiert. Wenn das jetzt zu als zu widersprüchlich erscheint, dann sollte die mal versuchen, das reine Unendliche (oder das reine Endliche) zu denken. Die wird schnell feststellen, dass das viel komplizierter ist; die wird sehen, dass das geradezu unmöglich ist.
Am Ende dann die höchste Stufe des Geistes und das absolute Wissen: das Kongruentwerden des Geistes mit dem Absoluten. Diese Stufe wird erreicht, wenn das Subjekt und die Substanz zusammenfallen: Wenn das Subjekt Substanz wird, und die (stumme, namenlose) Substanz sich versubjektiviert. Oder Ich ist nicht nur das Selbst, sondern es ist die vollkommene und unmittelbare Einheit mit sich selbst, oder dies Subjekt ist ebenso die Substanz. (Phänomenologie des Geistes S.587)Die Substanz ist zunächst das Seyn in allem Seyn, stumme Primärmaterie. Die Substanz ist das, was sie ist, weil sie ist. Sie ist die Identität und das Ganze und die absolute Macht gegenüber den Akzidenzien, in die sie sich auffächert. Die Substanz ist keinesfalls Geist, sondern die primordiale Grundlage dafür, dass da überhaupt Geist sein kann. Gleichzeitig ist auch das Subjekt Substanz, da es immer schon unteilbar und unhintergehbar ist. Es ist aber von sich aus nicht wissend. Wissend wird es erst, wenn es Träger von Geist wird. Sowohl das Subjekt als auch die Substanz haben was Absolutes an sich, aber es ist ein vergleichsweise leeres, inhaltsloses Absolutes – ohne den Geist. Der Geist ist an sich überhaupt nicht absolut, der Geist ist ursprünglich fragil. Aber er wird mehr und mehr zum Inhalt. Wenn der Geist das absolute Wissen erlangt hat, ist er dann eben gestättigster Inhalt. Das absolute Wissen erscheint, an und für sich, am Ende aller Zeiten – das jederzeit sein kann: und das absolute Wissen wäre dann eben gerade einmal das, was es zu jenem Zeitpunkt ist. Es – das absolute Wissen – ist daher in der Praxis kontingent. Daher ist das absolute Wissen jener geistige Zustand, wo das Wissen am Ende aller Zeiten bereits ins Jetzt gezogen wird, jener geistige Zustand, in dem das Wissen am Ende aller Zeiten bereits virtuell enthalten ist. Es ist, wie wir gesehen haben, der Geist, der identisch ist mit seiner eigenen Transzendentalie. Es ist ein Tätigkeitswissen, absolutes Wissen über den Gebrauch des Geistes. Als Trägerin dieses Tätigkeitswissens ist das Subjekt gleichsam identisch mit der stummen, absoluten Substanz der Welt, auf Grundlage derer die Akzidenzien erscheinen. Umgekehrt wird die Substanz, bzw. deren stumme, namen- und identitätslose Absolutheit über das Subjekt entborgen und ans Licht gebracht. Das Absolute, das zunächst in der Substanz liegt, legt sich durch seine Versubjektivierung zunehmend selbst aus und begreift sich selbst (wenn es von einem fremden Geist und einer fremden Subjektivität ausgelegt werden würde, würde es ja auch fremd bleiben und keine Teilhabe an sich ermöglichen). Da hat das Absolute bei Hegel das Charisma des einerseits Tätigen und Unabgeschlossenen, andererseits des Beruhigten und Abgeschlossenen. Wahlweise sorgt das bei Rezipientinnen für Ärger und Verwirrung. Jetzt kann man mit diesem Bild eines zur Ruhe gekommenen Geistes in der absoluten Idee, in der alle Widersprüche aufgehoben sind, seine Probleme haben, weil man damit – eben – ein eher religiöses Bild assoziiert als ein kritisch-philosophisches. Allerdings ist es ja die gesamte Essenz der Philosophie Hegels, dass man zu einer solchen quasireligiösen Pazifiziertheit im Absoluten nur komme durch eben kritisch-philosophisches Denken. Die höchste Stufe des Denkens und das Stadium der wahren Religion erreiche man allein durch dialektisches Denken. Die Philosophie steht vor der von Hegel selbst formulierten Aufgabe, mindestens 77-mal den logischen Gang der Denkbewegung vom reinen Sein bis hin zur absoluten Idee neu durchzuarbeiten und auf seine Konsistenz hin zu überprüfen. (vgl. Vieweg S.413) Es geht also darum, dermaßen kritisch-philosophisch zu denken, dass der Geist ausgefegt wird, von Dingen und Gerümpel gereinigt – und dadurch eben zu Wahrheiten zu gelangen, in denen man dann konsequenterweise eben, ganz von selbst, zur Ruhe kommt (und wer das beim siebenundsiebzigsten Mal immer noch nicht geschafft hat, dessen Sache ist es wohl überhaupt nicht, ein Bild vom funktionierenden Geist abzugeben). Durch die Reflexion über die Reflexion (über die Reflexion) – also über das Walten des absoluten Geistes – wird die begrenzende Hülle selbst des Geistes gesprengt und der Geist wird schließlich der offene Raum – in dem sich dann die Materie, frei flottierend, gleichzeitig gebunden an Gesetze, in die der Geist (zumindest virtuelle) Einsicht hat, bewegt und deren Bewegungen der Geist dann ruhig beobachtet. Der absolute Geist ruht überhaupt nicht, sondern ist höchst tätig. Er ruht allerdings in sich selbst und ist zur Ruhe gekommen seiner eigenen Kompetenz, die ein wissender Zustand, ein wissendes Wissen über das Wissen ist. Das absolute Wissen ist ein Tätigkeitswissen; kein faktisches Wissen, sondern eine Fähigkeit zum Prozessieren und Generieren von Wissen. Die absolute Fähigkeit zum Generieren und Prozessieren von Wissen liegt im Zusammenführen und im Trennen von geistigen Inhalten, im Anhäufen und Aussortieren. Wenn wir uns den vollkommenen Geist vorstellen, so erscheint da eventuell eine Scheibe, vertikal darauf eine schnell schwingende Art Feder. Der vollkommene, transzendentale Geist attrahiert alles, lädt alles ein auf seine Ebene, und differenziert dann zwischen allem, facettiert, unterscheidet, fächert auf. Das ist das endgültige Bild vom Innersten des transzendentalen Geistes, dessen Tätigkeit absolut ist. Der absolut gewordene Geist zieht alles – vor allem das Andere – an, verbindet alles Mögliche und trennt alles Weitere: und bewahrt alles gleichermaßen in seinem Speicher der Empathie und der Sympathie. Ähnlich wie (gemäß Whitehead) Gott: und wer dermaßen kritisch denkt und umfassend, macht im Übrigen auch ohne Weiteres religiöse Erfahrungen. Weswegen sein Denken und seine Rede dann mit religiösen Metaphern (genauer gesagt: mit eigentlichen religiösen Inhalten, Empfindungen und Bildern) durchtränkt sein wird: und so wie es eben bei Hegel der Fall ist. So wie der Geist immer absoluter wird, wird auch die Trägerin des Geistes, das subjektive Individuum, immer absoluter: indem es gleichzeitig immer subjektiver und immer objektiver gültig wird und an Schwere gewinnt. Bei Hegel ist das absolute Verhältnis das, dass Menschen keine starre, fixierte Identität haben – aber durch Arbeit an sich selbst mehr und mehr zu einer solchen kommen können: zu ihrem „wahren“ Selbst. Bei Hegel kommt das Individuum immer mehr in sich selbst zu ruhen und nähert sich seinem inneren Kern an. Ein „Perspektivenpluralismus“ oder ein „Ich bin vieles!“ im Sinne von Nietzsche oder der Postmoderne ist seine Sache nicht. Durch geistigen Fortschritt und vertiefte Selbstkenntnis fächert sich das Individuum einerseits auf, gelangt aber gleichzeitig zu einem inneren, unveränderlichen und wahren Kern. (Nietzsche gibt in seinen unveröffentlichten Schriften übrigens zu, nie viel über sich selbst nachgedacht zu haben, und wenig Selbsterkenntnis betrieben zu haben: mit der äußerlichen Begründung, wonach Dinge, die wir erkannt haben, aufhören uns etwas anzugehen; aus dem inneren Grund vielleicht, da der innerste Kern von Nietzsche neurotisch gespalten ist, und jeweils nicht so ist wie er scheint.) Durch und in Selbsterkenntnis ergreift der absolute Geist Besitz von sich selbst, und ergreift die Trägerin des absoluten Geistes von sich selbst Besitz. Die höchste, zugeschärfteste Spitze ist die reine Persönlichkeit, die allein durch die absolute Dialektik, die ihre Natur ist, ebensosehr alles in sich befaßt und hält, weil sie sich zum Freiesten macht – zur Einfachheit, welche die erste Unmittelbarkeit und Allgemeinheit ist. (Wissenschaft der Logik II S.570) – Das ist dann eigentlich das, was man seit tausenden von Jahren als Weisheit bezeichnet, und Hegel-Exeget Alexandre Kojève schreibt über den Menschen des absoluten Wissens: Der Weise hingegen ist mit allem, was ist, völlig und endgültig versöhnt: er vertraut sich rückhaltslos dem Sein an und öffnet sich gänzlich dem Wirklichen, ohne ihm Widerstand entgegenzusetzen. Seine Rolle ist die eines vollkommen ebenen und unendlich ausgedehnten Spiegels: er reflektiert nicht über das Wirkliche, sondern das Wirkliche reflektiert sich auf ihm, reflektiert sich in seinem Bewußtsein und offenbart sich in seiner eigenen dialektischen Struktur durch die Rede des Weisen, der es beschreibt, ohne es zu entstellen. (Kojève S.117) Freilich, ein „göttlicher“ Verstand ist für den Menschen unmöglich, aber Einsichtigkeiten in die höchsten Plateaus der Philosophie – von Platons Einsicht in die Ideen bis eben Hegels absoluter Idee – gleichen dann aber zumindest einem „engelhaften“ Verstand (ebenda S.91), und damit einer Art Reinheit bei gleichzeitiger Getrenntheit vom Göttlichen. Wenn man, wie Hegel, sagt, am Ende sei das Subjekt Substanz geworden, so bedeutet das auch umgekehrt, dass die Substanz auch wesentlich Subjekt ist: und dem Subjekt ist die absolute Erkenntnis verweigert. Es kann, durch sein Tätigkeitswissen und seine Weisheit, die Tätigkeitswissen ist, nur zu einer Mimesis der absoluten Erkenntnis kommen (nie zum „Ding an sich“ der absoluten Erkenntnis … wobei das „Ding an sich“ der absoluten Erkenntnis allerdings (gemäß Hegel) eher als ein Phantasma des Erkennenwollens fungiert und nichts, was tatsächlich vorhanden wäre). Wenn aber das Absolute praktisch sich auf eine Mimesis des Absoluten beschränkt: wie kann es dann das Absolute sein? Das mag dann wieder die kritischen Kritiker auf den Plan rufen. Slavoj Zizek hat ein gargantueskes, eineinhalbtausendseitiges Buch über Hegel verfasst (in dem es, wie immer, freilich in erster Linie um Lacan geht, und halt dann in zweiter Linie um Hegel). In seiner üblichen Fixiertheit auf Paradoxien und Rechnungen, die nicht aufgehen wandelt er in seinem Hegelbuch das Absolute dann um; bei Zizek wird das Absolute „die Differenz … die Unmöglichkeit für ein X, ganz „es selbst“ zu sein“ (Zizek S.522) Das Absolute wird dann eine erhabene Schranke, die den Geist vom (ultimativen) Absoluten trennt (ähnlich vielleicht wie Kierkegaards Erbaulichkeit, die in dem Gedanken liegt, dass wir gegen Gott immer Unrecht haben). Allerdings gibt wohl so einige X, für die es gar nicht unmöglich ist, „ganz es selbst“ zu – oder nehmen wir zumindest an, dass es solche X gibt. Vor allem der Geist der höchsten Stufe ist ja selbstlos – und sollte daher gar keine Probleme haben identisch mit sich selbst zu sein. Problematisch ist für ihn vielleicht eher, sich vorzustellen, was es überhaupt heißen könnte, „ganz es selbst“ oder „nicht ganz es selbst“ sein zu können. Wenn der Geist auf einer solchen Stufe operiert, dann verdunsten die drei Register des Realen, des Imaginären und des Symbolischen und fallen in eins zusammen, in eine Komplexität, die gleichzeitig ein begehbarer Raum und eine höchste Einfachheit ist. Das Fundamentalphantasma wird durchquert, die Täuschungen aufgehoben, das Subjekt wird sein eigener Ursprung. Das Menschenbild von Lacan – und dieses gleichsam performativ vollziehend, indem sich Zizek irritierenderweise nie davon lösen kann – betrachtet den Menschen, bis ins Unbewusste hinein, als im Wesentlichen von äußeren Kräften und Mächten bestimmt. Die Trägerin des absoluten Wissens/Geistes ist das aber eben nicht mehr: da der transzendentale Geist originär ist. Nehmen wir also an, es gibt zumindest ein X, das ganz „es selbst“ ist, und diese Trägerin des absoluten Wissens/Geistes sei dieses X. Sie sitzt in der Kommandozentrale des Wissens, in der Kommandozentrale der Philosophie. Es ist gut, in der Kommandozentrale der Philosophie zu sitzen! Da kaum eine in der Kommandozentrale des Wissens und der Philosophie sitzt, ist es außerdem gut, gleichsam für die Wissenschaften und die Philosophie notwendig, dass die dann von ihren Erfahrungen berichtet und versucht, den Zustand ihres Geistes zu beschreiben. In der Kommandozentrale der Philosophie zu sitzen ist dann auch die ultimative Verwirklichung der Freiheit des Geistes, die Hegel ja die ganze Zeit beschwört. Diese Freiheit ist dann die absolute Navigationsfähigkeit durch den Geist, und durch die geistige Welt. Er (der Geist, Anm.) ist (sich) seiner reinen Persönlichkeit und darin aller geistigen Realität bewußt, und alle Realität ist nur Geistiges; die Welt ist ihm schlechthin sein Wille, und dieser ist allgemeiner Wille … Diese ungeteilte Substanz der absoluten Freiheit erhebt sich auf dem Thron der Welt, ohne daß irgendeine Macht ihr Widerstand zu leisten vermöchte. (Phänomenologie des Geistes S.432f.) Das Denken der Kommandozentralensitzerin ist kein relatives Denken mehr, sondern absolutes Denken. Dadurch bewegt sich die Kommandozentralensitzerin aber womöglich in einem Gegensatz zur Welt: denn das, was man in der Welt fast überall hat, ist relatives Denken (kein absolutes!). In der Welt sind die Menschen, so gut wie alle, in Tagesgeschäfte verstrickt, nicht zuletzt in Tagesgeschäfte des Denkens. Die Tagesgeschäfte sind aber das Relative. Die Kommandozentralensitzerin und die Welt finden sich (womöglich absoluterweise) in verschiedenen Sphären wieder, die eventuell kaum miteinander kommunizieren können, unterschiedliche Kommunikationssphären sind. Damit lebt die Kommandozentralensitzerin eventuell in abgetrennter Einsamkeit, und die Welt fortwährend in ihrem Dunkel. Das „bei uns sein“ gehört zur Absolutheit des Absoluten. Ohne dieses „bei uns“ wäre das Absolute das Einsame, das sich nicht erscheinen könnte im Erscheinenden. Es könnte nicht aufgehen in seine Unverborgenheit. (Heidegger S.187) Die Kommandozentralensitzerin aber ist „bei uns“, bei der Welt: ohne diese Präsenz in der Welt, ohne dieses geistige Bearbeiten der Welt und ohne die geistige Teilnahme an der Welt wäre die Kommandozentralensitzerin ja auch nicht die Kommandozentralensitzerin. Ihr Wissen aus der Verborgenheit ins Unverborgene zu bringen, es in der Welt erscheinen zu lassen, ist dann Sache der Welt. Damit ist die Kommandozentralensitzerin von der Welt abhängig und scheinbar nicht absolut. Ihr Geist mag es zwar, für sich genommen, absolut sein, aber nicht für andere genommen. Das alte Problem der Hegelphilosophie, das Problem … diese(s) Grundcharakter(s) der Entgegensetzung in dem Göttlichen, das allein im Bewußtsein, nie im Leben vorhanden sein soll … (Frühe Schriften S. 418) hat man dann wieder. Es ist eben das Problem von Geist und Welt, Philosophie und profaner Realität. Die Philosophie ist ihrer Natur nach etwas Esoterisches, für sich weder für den Pöbel gemacht, noch einer Zubereitung für den Pöbel fähig; sie ist nur dadurch Philosophie, daß sie dem Verstande; und damit noch mehr dem gesunden Menschenverstande, worunter man die lokale und temporäre Beschränktheit eines Geschlechtes der Menschen versteht, gerade entgegengesetzt ist; im Verhältnis zu diesem ist an und für sich die Welt der Philosophie eine verkehrte Welt. (Jenaer Schriften S.275) Wenn die Philosophie und die Welt einander schon verkehrt sind: wie muss dann erst dieses Verhältnis von der Kommandozentrale der Philosophie aus betrachtet sich darstellen? Die Welt des Geistes ist eine der Einheit, wo sich Gedanken nur so aneinanderschmiegen, und die Ideen, wie man Einheit in der Welt herstellen könnte, sich wohltuend osmotisch vereinigen und in einem großen, herrlichen Ganzen aufgehen, das sich dann seinerseits wieder in lauter Interessantheiten im Einzelnen auffächert. Die Welt der Welt ist aber die Sphäre der tatsächlichen Vielheit und der hartnäckigen, bisweilen unerbittlichen Diversität und voneinander Getrenntheit, der mit keiner Philosophie beizukommen ist. Hegels Philosophie ist eine des Geistes, des Individuums, wie der Gesellschaft und der Geschichte. Gesellschaft und Geschichte aber sind verfluchte Rätsel, die niemand lösen kann. Sie sind zwar nicht, wie das absolute Denken, unendlich, aber endlos, und sie unterliegen der Chaos-Einwirkung. Daher wollen wir dazu – zur Verhältnis zwischen Philosophie und Gesellschaft und Geschichte – vielleicht am Besten nicht so viel sagen. Ein Schelm aber dann natürlich doch, wer nicht behaupten würde, dass die Welt im Lauf der Zeit nicht doch besser und philosophischer geworden sei. Getrennt von der Welt, oben als Kuppeldach, haust und wirkt die Philosophie, und zieht die Elemente der Welt langsam und unerbittlich zu sich hinauf. Langsames Mahlen der Mühle, unnachgiebig und unveränderbar dann aber zuletzt: die Erhabenheit von allem hörst du in diesem stummen Ächzen der nie ruhenden Bewegung. Welt und Philosophie werden einander ähnlich, bleiben aber auch voneinander getrennt. Aufgabe des Geistes, ist es (geistige) Einheit zu stiften im Anschauen und Begreifen der von ihm getrennt bleibenden Welt. Dieses ist die Funktionalität des Geistes, und dieses ist die Funktion der Philosophie. Sie aber – die (unerbittlichen, kritischen, männlichen) Philosophen (sicher aber nicht die wohltuenden, sanften, die große Einheit anvisierenden weiblichen Philosophinnen!) – mögen skeptisch sein, dass die Einheit des Absoluten je erreicht werden könne, die Geschlossenheit – sofern es sich dann nicht irgendwie religiös verschwurbelt oder faschistisch oder als eine linke Träumerei erweise – eine tatsächliche sein könne. Aber vielleicht ist es ja so, dass nicht das Absolute ein Problem hat, sondern eben die Philosophie. Wissen sie, Frau Schwester, zur Zeit studiere ich zum Beispiel Haydn, da mir dessen heiliges Gemüt, seine große, zärtliche ethische Persönlichkeit in seiner Musik stets mitklingen will, dort vielleicht besser zum Ausdruck kommt als in der ausformulierteren, geschlosseneren, aber eben auch rokokohafteren und sich einschleimenden Mozarts, und ich deswegen alles darüber in Erfahrung bringen will. Außerdem werde ich heute zum Konzert von Nunslaughter gehen (bei dem die Vorband 3 Tog Nimma Gackn Gwesn es sogar auf einen noch beschisseneren und ekelhafteren – und eine noch größere Inkompetenz ausstrahlenden – Namen bringt). Nunslaughter sind dabei eine 1987 gegründete Underground Death Metal Band, die in dieser Zeit gerade einmal weniger als ein Dutzend Alben, dafür aber zwei Dutzend Livealben, drei Dutzend EPs und eine unüberschaubare Menge an Split-Veröffentlichungen herausgebracht hat. Das ist ihre Art, mit der Welt zu kommunizieren und sie tun das in Form einer Mischung aus rauem, primitiven, gewalttätigen (und nicht besonders guten) Death, Thrash und Black Metal. Dass die Band bis heute, in 35 Jahren kaum einen Bekanntheitsgrad erreicht hat, sei laut Bandchef Don of the Dead gewollt, da man nur „wahre“ Metaller im Publikum haben wolle und keine Opportunisten, die nach ein paar Jahren das Interesse an der Musik wieder verlieren. Jetzt kann ich mir schon vorstellen, dass einige Philosophen durchaus ein Konzert von einer im Vergleich dazu relativ kommerziellen Band wie, sagen wir, Napalm Death besuchen könnten – dass sie auch zu einem Konzert von Nunslaughter gehen, glaube ich dann aber eher nicht. Ob die innere Schönheit und ausgeglichene Harmonie von Joseph Haydn auf sie einen solch nachhaltigen Eindruck machen wie sie das auf mich tun, weiß ich auch nicht. So aber, Schwestern, fügt man die äußeren Enden, die Gegensätze und Thesen und Antithesen zusammen! Ohne dass sie wahrscheinlich als Gegensätze und Antithesen etc. empfunden werden. Denke man sich eine Entität – Yorick Wilhelmine Friedericke „Nunslaughter“ Haydn – so hat diese Entität einen Geist: und in dem laufen die Gegensätze zusammen; gibt es vielleicht keine echten Gegensätze; in seiner sphärischen Kugel wird halt einfach die Welt (inklusive der Hinterwelt) umrundet, und das beliebig. Er ist, wahrscheinlich, von größerem Umfang als die Welt, und passt nicht in die von ihr und in ihr vorgegebenen Formen. Wenn ein solcher Geist prozessiert, ist es vielleicht keine Philosophie, sondern wahrhaft absolutes Wissen als Resultat eines absoluten, radikalen Erkennens und Willens zum Erkennen; und dem Willen zum Erkennen ist es zu eigen, Formen zu sprengen. Wenn die Philosophie kein absolutes Wissen und keine Einheit der „Gegensätze“ garantiert, ist es vielleicht angebracht, den Rahmen der Philosophie zu sprengen. – Das eine ist das eine, und das andere ist das andere. Hegel wirft man vor, dass er das Andere nur denkt, um umso mehr das Eine (und Ursprüngliche) bestätigen zu können (und das Andere auszusortieren) (und also: dass Hegels Denken implizit totalitär sei). Aber in dem hier vorgeschlagenen Denken ist das Denken primär vom Anderen angezogen um so zum Einen zu gelangen (und es dann wieder, wo notwendig, in das Eine und in das Andere hinein aufzulösen). Wenn Hegel setzt: das Absolute ist die Identität der Identität und der Nichtidentität, so setzen wir noch drauf: das Absolute sei die Identität und die Nichtidentität der Identität und der Nichtidentität (oh ja, so müsste das gehen!) – und haben so einen beträchtlichen philosophischen Fortschritt erzielt, wenn nicht sogar überhaupt die Philosophie unter uns gelassen: zumindest aber ein Außen gegenüber der herkömmlichen Philosophie erobert, die Grenzen weiter (wenn nicht sogar absolut) hinaus ins Unbekannte verschoben. Weil die reine Idee des Erkennens insofern in die Subjektivität eingeschlossen ist, ist sie Trieb, diese (Sphäre der Wissenschaft, Anm.) aufzuheben, und die reine Wahrheit wird als letztes Resultat auch der Anfang einer anderen Sphäre der Wissenschaft. (Wissenschaft der Logik II S.572f.) Diese andere Sphäre der Wissenschaft ist dann die des absoluten Geistes in der absoluten Form. Die Wissenschaften sind disziplinär organisiert und segmentiert. Selbst der absolute Geist fächert sich auf in Kunst, Philosophie, (Wissenschaft) und Religion. Das Universalgenie beherrscht mehrere Auffächerungen des absoluten Geistes gleichermaßen. Das heißt aber noch nicht, dass es osmotisch zwischen ihnen vermittelt. Denken wir uns einen höheren geistigen Zustand als den des Universalgenies: So gelangen wir zum hochgradig erleuchteten Einheits-Bewusstsein – in dem Wissenschaft, Kunst, Philosophie und Religion/Ethik zu einer einzigen Rede und zu einer einzigen, demokratischen, halluzinatorischen Totalwahrnehmung der Welt – und aller möglichen Welten – im Geist verschmelzen. Möglichkeitssinn trifft auf Wirklichkeitssinn in gleichem Maße, und wird durch Sinn für das Ethische zusammengehalten und austariert. Das Einheits-Bewusstsein ist sich selbst Ursprung und Ende und ist wahrscheinlich umfangreicher als das physikalische Universum. Es gleicht dem tiefsten Prinzip der Welt, dem Chaosmos. So sollte das außerdem gehen: das mit dem authentischen, „interkulturellen“ Bewusstsein innerhalb des Globalisierungszeitalters. Das ist dann der absolute Geist in der absoluten Form. – Und damit schießt sich die Geschichte von Hegel und dem absoluten Geist, der absoluten Idee etc. ab und kommt, in ihrer Überwindung, zur Vollendung, und eine neue Ordnung beginnt: die vom absoluten Geist in der absoluten Form, und mit ihr eine glorreiche, magnifiziente Zukunft einer funkelnden, leuchtenden planetarischen Intelligenz, als einer neuen Stufe des Weltgeistes.
Angeführte Literatur
Von GFW Hegel:
Frühe Schriften, Frankfurt/Main, Suhrkamp 1971
Grundlinien der Philosophie des Rechts, Berlin, Suhrkamp 2020
Jenaer Schriften, Berlin, Akademie Verlag 1972
Phänomenologie des Geistes, Berlin, Suhrkamp 2020
Philosophie der Kunst Vorlesung von 1826, Frankfurt/Main, Suhrkamp 2004
Politische Schriften, Berlin, Suhrkamp 2020
Vorlesungen über Ästhetik 1, Frankfurt/Main, Suhrkamp 1970
Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Berlin, Suhrkamp 2020
Vorlesungen über die Philosophie der Religion Teil 2 Die bestimmte Religion Hamburg, Felix Meiner Verlag 1985
Wissenschaft der Logik I + II, Berlin, Suhrkamp 2020
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Adorno, Theodor W.: Drei Studien zu Hegel, Frankfurt/Main, Suhrkamp 1974
Adorno, Theodor W.: Negative Dialektik, Frankfurt/Main, Suhrkamp 1975
Althusser, Louis: Für Marx, Berlin, Suhrkamp 2011
Cobben, Paul u.a. (Hrsg.): Hegel-Lexikon, Darmstadt, WBG 2006
Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt/Main, Fischer 1998
En nuestro crucero por el Nilo, cuando tenía 12 años, en 1989, mi padre me mostró la constelación y dijo: ¡Esta es la Cruz del Sur! No estábamos en el hemisferio sur, pero la cruz del sur ya era visible en Egipto. Eso es lo que aprendí en ese entonces: la Cruz del Sur, y que existe la Cruz del Sur, que solo es visible en el hemisferio sur (y un poco más allá). Así que en otra región de la tierra que se encuentra más allá del ecuador, que está efectivamente separada de nuestra región. Todos vivimos bajo el mismo cielo, nos decimos a nosotros mismos, pero luego no lo hacemos del todo. Cuando ves la Cruz del Sur, sabes (como centroeuropeo): en realidad estás en otro lugar, en una región que también está en nuestra tierra, pero en realidad separada de la nuestra. Una cultura diferente, un idioma, con una historia diferente y una hora diferente del día. El alma sensible siente una leve fascinación por el hecho de que hay otros extremos de la tierra, espacios globalmente conectados pero separados regionalmente. E pluribus unum. Siente una suave fascinación por el ecuador, un umbral más allá del cual se encuentra otro rincón del mundo, más allá de nuestro círculo visual inmediato. Entonces, cuando ves la Cruz del Sur, estás en una región tan diferente. Uno ve a través de esto la coordenada existencial de que hay unidad en este mundo y diversidad; contexto y separación, etc. Existe este lado del mundo, y hay otro lado del mundo. Las constelaciones, vistas de esta manera, también representan una coordenada o la aclaran. Ligeramente sublimes, cuelgan en el cielo, inmutables, y nos miran, como ojos sin ojos, aparentemente. Proporcionan estructura en el espacio, proporcionan orientación. Parecen, por así decirlo, gimiendo para abarcar el espacio que nos alberga, gimiendo, estructuras rígidas que son, inmutables. El hemisferio sur y las constelaciones nos enfrentan a condiciones irrefutables que son más antiguas que nosotros, y que durarán mucho más que nosotros. Quienes son indiferentes a nosotros, y en su leve diferencia hacia nosotros permanecen y alploman. La dinámica y el ajetreo y el bullicio de nuestro mundo humano se yuxtaponen con las constelaciones con su rígida estática. La gente generalmente se pregunta qué mundos albergan. Pero posiblemente ninguno, al menos no en nuestro sentido. El hombre y la creación viviente sólo pueden ser vistos una y otra vez como un gran milagro. Y tal vez realmente lo sea. Tal vez estemos solos en todo el espacio, en nuestra frágil y extrema aleatoriedad e improbabilidad. Entonces parece un poco extraño que cuando miramos al cielo bueno, bueno, a las constelaciones fieles, entonces podamos mirar a nada tan sublime, sino a algo frágil, a algo estúpido, subcomplejo y vacío, sin comunicación. En puntos muertos, en mundos sin mundo. Las constelaciones no son entonces nada fieles, sino un producto de desecho, lepra luminosa en el cielo. . Pero si realmente estamos solos en el universo, representamos el fenómeno de la más alta calidad en el universo. Así que contrastamos la mayor cantidad de la inmensidad del espacio con la más alta calidad de la inteligencia más alta del universo, que puede explorar el espacio, posiblemente incluso manipularlo y hacerlo de mayor alcance. Contrastamos la inmensidad de la naturaleza del espacio con el único fenómeno de una cultura en el espacio. ¡Si eso no es algo! Así que no somos frágiles, sino en realidad más poderosos que sistemas estelares enteros, si no cúmulos de galaxias. Somos quizás incluso más poderosos que la Gran Muralla, la superestructura de mayor alcance en el universo conocido. Pero no somos omnipotentes. Y eso, a su vez, es una coordenada de toda la existencia. Nada puede ser todopoderoso; ya que la omnipotencia se enreda en contradicciones lógicas. Así que todo el poder y la fuerza también son leves. La Cruz del Sur, el fenómeno de los hemisferios, la presencia de otros espacios en un gran espacio general, etc., todo esto ejerce una leve fascinación en el alma sensible. Es bueno que nada de esto sea una sensación persistente y agotadora, sino algo leve. Para que todo se funda en una suavidad general… y nos recuerda que, además de lo sensacional, lo suave y lo suave también son cualidades en este mundo… — Desafortunadamente, no he logrado describir la situación con la Cruz del Sur exactamente como la quería en mi preconsciente. Pero incluso el fracaso leve es una cualidad en el mundo. Tal vez estaré mejor otras veces.
También me doy cuenta: soy muy diferente de casi todas las demás personas. No tengo un centro real, pero me gusta lidiar con lo que es “diferente”. Investigar si puede haber la verdad o más verdad que en lo inmediato dado y en lo conocido. El núcleo de mi ser es resolver problemas intelectuales o encontrar mejores respuestas a las preguntas. Por lo tanto, mi centro está en todas partes, y todo el cielo es lo que veo. Y también el cielo invisible: porque este es el que está en mi espíritu; que, para ser precisos, ya está preparado en mi mente. Y veo que eso es bueno. Por lo tanto, también sé que si alguna vez encuentro a una mujer, será algo completamente impredecible e impredecible, algo realmente “diferente”. Ahora estoy en el hemisferio sur, bajo la cruz del sur, con mi Diosa. La relación entre mi Diosa y yo era algo completamente impredecible, un encuentro que nadie podría haber previsto, pero que consiste en que es completamente natural. Todo lo que existe entre nosotros es consentimiento natural; en lo que somos, en lo que hacemos. Por lo tanto, este vínculo natural se extiende por continentes, sobre el todopoderoso y silencioso ecuador, y mantiene unidas regiones separadas del mundo. Mi Diosa, esta persona gorda, pequeña y tambaleandose cuando se camina, es muy mona. Dije hace años que no podía describir completamente a mi Diosa y descifrar racionalmente nuestra relación – ¡yo! Maestro de un lenguaje altamente diferenciado – y me doy cuenta: ¡todavía no puedo hacerlo! Pero eso es lo bueno, y la cualidad especial; cuya peculiaridad radica precisamente en el hecho de que no se puede describir completamente y, a pesar del uso de todos los medios posibles, se puede capturar. Así que es este mágico “más” sobre lo racional. Y no es “más”, porque es completamente natural, y combina amor y amistad. Nietzsche dijo: El mejor matrimonio (amor) es como una buena amistad. Also sprach Zarathustra. Lo más crucial que une a las personas es probablemente el humor. Y tenemos el mismo sentido del humor. Tanto mi Diosa como yo tenemos una percepción especial del mundo, y de las ambigüedades del mundo. Esto nos une y nos hace a ambos completamente naturales. Esta vez estuvimos en Bariloche, 1000 kilómetros más al oeste. En una región diferente de Argentina, pero bajo el mismo cielo. Se dice que Bariloche es el lugar más hermoso de Argentina, o, como dicen los argentinos en su patriotismo: el lugar más hermoso del mundo! De hecho, montañas, lagos y bosques se encuentran allí, lo cual es inusual. De lo contrario, la naturaleza, en este otro rincón de la tierra, volverá a parecerse a Austria; porque allí también tienes montañas, bosques y lagos. Los siete lagos de la región son lagos glaciares e inusualmente claros y puros. Creo que se puede beber de él muchos litros. Bebí un poco de un lago glaciar cuando estábamos en el parque nacional de Ushuaia, otra vez. Ya había estado allí con mi tío Peter y mi tía Klara, en el año 2000. Hicimos una circunnavegación de Sudamérica, un crucero de Argentina a Chile, vía Tierra del Fuego. Cuando era niño, tenía un globo terráqueo. Allí siempre me ha fascinado: Tierra del Fuego. ¿Qué puede ser este rincón completamente diferente y casi definitivamente último de la tierra? ¿Qué es una Tierra del Fuego? ¿Arden las últimas luces allí, brillando, tal vez como aberraciones, antes de que uno se pierda en algo definitivo, en un área de existencia realmente diferente, en la dimensión plana de la finalidad (el océano, el hielo)? En el año 2000 estuve allí; y, casi exactamente, 20 años después de nuevo, con mi Diosa. Cómo vuela el tiempo. En Ushuaia, la naturaleza es similar a Bariloche. La ventaja de Ushuaia es que te sientes allí en el fin del mundo, ya que también se anuncia turísticamente. Hay algo ligeramente romántico y fascinante en sentirse en el fin del mundo. Durante varios años ha habido un enorme Hard Rock Cafe allí. Tanto a mi Diosa como a mí nos gusta el hard rock. Fue mejor cuando estuvimos allí, y tocaron Kiss Them For Me de Siouxsie and the Banshees allí (y también algunas otras cosas buenas, y no tan cotidianas). Se trata de una canción muy bonita, un poco de otro mundo (que al parecer alude a la muerte de Jayne Mansfield), que así nos dio estancia en el Hard Rock Cafe más remoto (como la rama de nuestra conocida civilización occidental) del mundo, a una hora tardía, cuando ya estaba bastante vacía, algo a la vez muy real y conocido – pero en él inesperado –, así como algo ulterior, algo de otro mundo y como un fuego fatuo. Ese fue un momento en el tiempo que tiene muchas cosas en él, y que probablemente recordaré para siempre; lo cual me queda claro. Por supuesto, también había cuatro jóvenes chinas en una mesa auxiliar, y por una vez mi Diosa ni siquiera estaba fatalmente celosa de ella. Aparentemente, todo este paisaje de trance también la ha calmado y ha hecho que su interior flote ligeramente. En Ushuaia estábamos muy unidos. En Ushuaia se unen los hilos, las coordenadas de nuestra existencia, quizás incluso más que en Londres o Nueva York. Otra canción que me gusta de Siouxsie and the Banshees es Stargazer. Esto, también, tiene algo irritante, de otro mundo, como si fuera una extraña danza en las últimas regiones del mundo conocidas por nosotros o en las ramificaciones trascendentes de nuestras mentes, nuestra imaginación.
Así que ya hemos vuelto a las estrellas y las constelaciones que ordenan el cielo ilimitado. Las estrellas parecen estar mirándonos y construyendo perspectivas inamovibles sobre nosotros. Mi Diosa, también, en su percepción muy especial, tiene una perspectiva inamovible y absoluta del mundo. Ayer cocinó Zwiebelrostbraten para cocinar algo austriaco. Me encantan sus movimientos lentos y silenciosos cuando cocina o trabaja en su jardín. Ella parece estar de alguna manera completamente de su parte, e inmersa en el momento, es decir, lo que las mujeres asiáticas están tratando de lograr con su taoísmo y cosas similares, pero que rara vez tienen éxito. En tales situaciones cotidianas, siempre noto que mona es mi Diosa. Una vez que se haya ido, se habrá perdido una perspectiva única, una visión única del mundo. Pero es precisamente por eso que se conservará, en el ámbito de las cualidades, mucho tiempo hasta que haya pasado el tiempo humano; y despreciarnos desde allí, rígidos e inmutables. Y mi relación con ella también es tan rígida e inmutable como la de Acrux y Becrux entre sí, que abarcan la Cruz del Sur. Eventualmente, Acrux y Becrux también saldrán; pero entonces al menos sus restos estelares permanecerán y permanecerán en relación entre sí. Todo esto está más allá del tiempo humano, esto es casi en la eternidad, donde tiene lugar la relación entre mi Diosa y yo. En algún momento, más allá de todo el tiempo humano, la eternidad y la imagen de la eternidad también cambiarán. Luego solo hay rastros abstractos de estructuras que alguna vez estuvieron presentes. Me gustan estas estructuras abstractas. Y me gusta que algún día seremos un rastro abstracto de una estructura que una vez existió: mi Diosa y yo. Toda la vida un sueño, ininterpretable.
Liliana MedinaSoy muy afortunada ,que mas puedo decir ,conocerte y poder acompañarte ,tenemos una conexion que nadie podria entender ,y no se que designio nos unio pero asi fue ,ahora entiendo tu fascinacion por las estrellas la Cruz del Sur y tus recuerdos ,estoy muy conmovida y lamento que te tengas que ir y mi ignorancia para describir lo que siento ,pero no necesito explicarte nada ,vos sabes ,mas que yo de mi y te agradezco tanto tu paciencia ,te amo pero no fisicamente ,es algo ,que no se puede explicar …
Emily Dickinson was the strangest poet who ever lived. If the doors of perception were cleansed every thing would appear to man as it is, infinite; says Blake, another poet. Emily Dickinson had the Master Perception. She raises her head and gazes, and permanently windows slam open, window after window, into the indefinite. Her perception is way faster than the stickiness and inflexibility of them processes in the world — devilshly fast thinker she was, incandescent — so it seems, her perception is experimental per se, as she establishes multiple perspectives on each and every thing, including her own perception, calculates them through – and possibly discards them: —- all that emanates from her —- occassionally very tiny —- poems.
I dwell in Possibility
A fairer House than Prose
So – if you look at her poetry, you seem to get offered a glimpse into what – Enlightenment, means —: the comparative to Wokeness. Wokeness means that you are able to deconstruct identities — in order to – possibly – get to the „real thing“ of stuff, the enigmatic core, the Ding an sich. And to naturally adress it, to establish authentic communion with it. It means to develop a Naturalness that adresses given identities in a natural way. The Authenticity thing. / Wokeness sees through identities and deconstructs them – them identities do not persist — or they get reaffirmed in a better way. In a more authentic way. You may finally reach the Platonic Ideas behind identities. You confront your own identity. Most lucidly, you transgress your identity and become intellect and perceptiveness. Finally, your intellect and perceptiveness encounters itself. That is, then, the transcendental place. That – nevertheless – necessitates a bumby ride: — Wokeness is – of course – something ironic: since we do not know what given identities – and what they possibly reveal and conceal – actually are. So, if we take Wokeness seriously, we dwell in possibilities (yet – usually – to establish a House of Prose: of the Possibility of final Belonging). Irony, in itself — and opposed to sarcasm of cynicism — means that you are willing that take things more seriously than you seem to do (with cynicism it is the other way round): Wokeness means heightened Awareness :: Wokeness means taking stuff seriously. Irony means taking stuff seriously, and more serious than it appears. Both Wokeness and Irony mean a perception upon the World that includes the Possibility for Change, for Transformation, for Becoming. With maximium Wokeness – you finally dwell in Possibilities. This is the „experimental“ nature of Emily Dickinson´s poetry; and of the transcendental mind. How unquiet!
One need not be a Chamber – to be Haunted –
One need not be a House –
The Brain has Corridors – surpassing
Material Place –
That´s fucking spooky! It is true: Emily Dickinson and her poetry seem somehow uncanny, and like a Haunted place. (She/it radiates unpredictability, and people that appear unpredictable appear creepy. Apperaring unpredictable is characteristic No. 1 that makes individuals appear creepy to others! So, their unpredictability isolates them. Yet it also means that they are able t)o establish their own territory.
Best Things dwell out of Sight
The Pearl – the Just – Our Thought –
Most shun the Public Air
Legitimate, and Rare –
The Capsule of the Wind
The Capsule of the Mind
Exhibit here, as doth a Burr –
Germ´s Germ be where?
We said there above: The goal of the Wokeride would actually be considered establishing a final House of Prose: a House of final Belonging. The goal and the meaning of life seems not identical with Dwelling in Possbilities all the time – you finally will want to settle the score and move into a pacified House of Prose. Einzug der Götter in Walhall. / Yet: Germ´s Germ be where? Oddly enough, the supernomadic poet Emily Dickinson never left her house and ground as she reached artistic maturity. Nevertheless —- in stark contrast to her hermit-like lifestyle where she was profoundly „at home“ and „agoraphobic“ to the other extreme —- in the expressions of her artistic maturity (her poetry; and letters) Emily Dickinson appears driven by frenzy, appears as always being on the run, nomadic, and dislocated — her poetry appears as fragmented, with no beginning and no end. Wherever I may roam. —- Her poems are considered „unstable“ [You have to understand – however – that true poetry and art (and reflection) appears unstable always: since it is about switching between motif and background. All the world is motif and background! Such is the structure of the world. A motif appears from, emanates from a background / and the background is illuminated by the motif. Enlightenment, Satori means that you are able to switch between motif and background instantly – and therefore mimic „the Real Thing“] Yes, in a way they both seem to erect and collapse in themselves … That accounts both for the style and for the message —- there is as well Joy and Satisfaction in her poetry, as well as an – unusual amount of – Morbidity and insight into Vanitas…
I reason, Earth is short –
And Anguish – absolute –
And many hurt,
But, what of that?
I reason, we could die –
The best Vitality
Cannot excel Decay,
But, what of that?
I reason, that in Heaven –
Somehow, it will be even –
Some new Equation, given –
But, what of that?
Yet, strangely — and as you can see in there — also Morbidity and Vanitas seem to get left behind and thrown to the garden dump in the Dickinson Universe. Sister, is your Wheel spinning so fast that even the things supposed to have the final say, the eventuality of decay – that escatology itself seems to get left behind? Existence – it is all a „Cosmic Joke“, as they say. Yet, actually, in the Dickinson universe, stuff is neither, then, „cosmic“, nor a „joke“. Is this a place where you want to be? Emily is ghostly! – Finally – and how it has often been considered – Emily Dickinon´s poetry seem to come to — nothing. And she herself reduced to a ghost-like Nobody.
I`m Nobody! Who are you?
Are you – Nobody – too?
Then there´s a pair of us!
Don´t tell! they´d advertise – you know!
How dreary – to be – Somebody!
How public – like a Frog –
To tell one´s name – the livelong June –
To an admiring Bog!
Nothing and feeling like being nobody is – of course but – a sentiment that is not too uncommon for anyone – notably not for the true poet. Occasionally feeling so is a part of the human experience. And when you finally reach the center of the mind, plunge deep into the feelings, you arrive at a state of Nothing, or of convulsion, or whatever it may be. Some strange state. — Nothingness, however, is also attributed to a most elevated state of mind. It is linked – again – to Enlightenment and to Satori. Nothingness and being Nobody means purification of the mind and maximum spiritualisedness and refinedness. Nothingness is what people try to achieve who want to emanate Somehing – the most pure and most underivative of Somehing. Nothing stands in relation to a pure Somehing, and to a pure Everything. Nothingness and being Nobody is having achieved pure perceptiveness.
By homely gifts and hindered words
The human heart is told
Of nothing –
„Nothing“ is the force
That renovates the World –
Nothing is the opposite of Everything, of the All. And the Enlightened Mind, the Woke Mind, means the Consolidation of the Opposites. By being Nothing and Nobody, you let the world in – you´re on top of becoming Somebody. By letting Reality in, you become the most Real / Authentic of all – and Wokeness, as we reiterate, is about letting Authenticity in. Being Nobody is the Negative of being Somebody, i.e. an Identity. I.e. it is a necessary complement within the dialectics of establishing, transforming, reaffirming identities. Being Woke so is being aware of the Nothing and Nobody component. Else, there´s no true Wokeness. Being woke about being (partially) Nobody is good. – Poets usually carry inferiority complexes, hidden underneath. That is because they usually refer to themselves as Somebody – therein they are slaves to the principium individuationis. They want to achieve perfection – without knowing what is „perfection“, respectively, how it looks like. Perfection usually refers to some ideal of classic stability, something erect and frozen :: Yet the final thing is a dual mix of stability and instability – such as you have it in the poetry of Emily Dickinson -> Emily Dickinson – to a considerable degree – therefore had no inferiority complexes. / The poets – they want to get to the „Real Thing“, want to take away the curtain and reveal and unmask the Master Pupeteer behind it. Heck, what is the Real Thing? The Platonic Ideas? Is there a Master Pupeteer principle that governs reality? (Provisional answer: Authenticity is the Real Thing.) Fuck, this easily goes over the head. That many things! They seem to dissolve in a giant Whiteness.
A Spider sewed at Night
Without a Light
Opon an Arc of White –
It is considered that Emily Dickinson dwelled opon that Arc of White. An extreme border crosser between the Rational and the Irrational, between what can be said and what dissolves into silence or becomes muted as feeble human intellect tries to catch it, a Wanderer between the worlds, that blinding Whiteness is also referred to as a „danger zone“ (between genius/sanity and madness). Whiteness refers to all-encompassing light and vision, yet also to a destructive undifferentiatedness and loss of intellectual and mental capability. It seems to symbolise a primordial beginning, an end, and an intermediary, transitional state. — Also, for the most practical part, Emily Dickinson maintained a most privileged relation to Whiteness: As she matured, she would only dress in white clothing. As she died, she carefully had her funeral orchestrated in advance, including her being buried in a white coffin. — White – again – is the Nothing, and the All. White is the zone of (enlightened) indifference. / Fernando Pessoa once said that having all the opinions at once means being a poet. Pessoa was a very great and transcendent poet as well — therefore got equally ignored during his lifetime — though probably has not ascended to equal level of perception as did Emily. / When you have all the opinions and viewpoints at once, you are enlightened; and when you are enlightened, that means that you see the White Light (the White Light from the Mouth of Infinity)
Publication – is the Auction
Of the Mind of Men –
Poverty – be justifying
For so foul a thing
Possibly – but We – would rather
From Our Garret go
White – unto the White Creator –
Than invest – Our Snow
The Garret: —– That is – likely – the highest state of the elevation of the mind. We referred to this as the White Lodge. Once you learned a lot, tried to sort everything out (carefully!), tried to understand all the opinions and viewpoints at once, you (hopefully) enter the White Lodge. The White Lodge is a state of the intellect (and of the soul) where everything you have learned and gone through, all those traditions and ideologies finally dissolve/add up to a pleasant whiteness. It is a state of intellectual and mental bliss. You see, a wave comes around: that is some circumstance, or an element of a theory or an ideology, you recognise it, it passes by, leaving you both affected and unaffected. The White Lodge is a state of permanent questions and wonder as well as of permanent solutions and answers. When I was younger I used to wonder: What is deeper down inside the White Lodge? What is – possibly – at its center? Is the world´s secret? Must it be the world´s secret? Emily Dickinson clearly was a creature inhabitating the White Lodge as well. All the signs are clear. A case of Whiteness and Clearness, again. So what would she investigate about it? :: You have the immense vast extent of her thinking – time and again. Yet is her thinking – and feeling – time and again and forever —- puzzled, without orientation, and disjointed? (Also implying: IS there orientation and a final connectedness — an Absolute — in the World – or is the World itself only an addition of disjointed histories (held together, if ever, at best by a delusional Paranoia?)) Is she/are we cursed to dwell in Possibility forever (or is there a House of Prose)? What is at the center of the White Lodge? Germ´s Germ be where?
Experiment escorts us last –
His pungent company
Will not allow an Axiom
An Opportunity –
—– There she seems to go again: Dwelling in Possibilities, seemingly forever, a floating ghost, an Unbeliever. – Yet – behold! – as every thing that emanates from Emily is of extreme compactness, directedness and rigidity all alike! She is just the opposite of anything underdetermined and contourless as well as she is the Master Fog. Her poems appear unstable, inherently experimental, fragment-like. But! – they also strike to be and shine as extremely robust! They say her mind and her poetry seems like fleeing in all directions, yet her poems much rather seem (extremely) tight knots that keep it all together. They seal everything tight – from the top left corner not only to the Finale, and not only from the opposite viewpoint all alike: Every dot in her poems seems inherently tied to any other of them. Masterworks of density they are, seemingly held together by some extremely potent gluons. – Emily Dickinson, Lady of Steel. – It even seems they are so packaged and packed in themselves that they want to reach the shape of a minimal surface, if not collapse into a black hole and a singularity itself (Ah! That seems what I´ve been doing and what I wanted to do all my life, Emily probably would say – Heureka!, if she got introduced to modern mathematics and physics). () The more intelligent people are, the more telegram-like their communication style gets. And Emily Dickinson surely had the intelligence of Christian Heinrich Heineken or Abu Rayhan Muhammad ibn Ahmad al-Biruni. Very extremely intelligent people, who are beyond this world, even use to – consequently – communciate in some apparently insular style, I notice. They bring up things, reflect them, and conclude about them, all at once. And Emily Dickinson´s poetry is quasi the most insular. ³² Creativity means being able to blow things up, and intelligence means that you are able to keep them together. Creativity means that you are able to create and inspire Truth, intelligence means that you are able to find and have insight into a Truth, that is out there.
This World is not conclusion.
A Species stands beyond –
Invisible, as Music –
But positive, as Sound –
It beckons, and it baffles –
Philosophy, don´t know –
And through a Riddle, at the last –
Sagacity, must go –
To guess it, puzzles scholars –
To gain it, Men have borne
Contempt of Generations
And Crucifixion, shown –
Faith slips – and laughs, and rallies –
Blushes, if any see –
Plucks at a twig of Evidence –
And asks a Vane, the way –
Much Gesture, from the Pulpit –
Strong Hallelujahs roll –
Narcotics cannot still the Tooth
That nibbles at the soul
Due to its ability to reflect, the intellect is constructed in a way to look for further truth, and to assume that there is further truth than woMan encounters in the given world. We use to be attracted – at least – to some Absolute, some Conclusion that lies beyond this visible world and mortal coil. Truth is out there, and is primodial and eternal, she reasons (at least under the premise that there is a God).
Truth – is as old as God –
His Twin identity
And will endure as long as He
A Co-eternity
Enlightenment means that you want to find out Truth. Truth, however, also means that this world is finite. That is to say, your Enlightenment and your Wokeness probably isn´t so flashy and so full of endless Possibilities as you would´ve imagined. After all, Enlightenment only means that you see the same things like common woMan – solely from a perspective from about one meter above. So teach us the Masters of Zen. Yet with an understatement of course. Enlightenment means that your mind serves as a flashlight that illuminates this world. And that illuminates what is right and what is wrong, and what are the possibilities in this world and what are the limitations. The specific quality of Emily Dickinson´s poetry probably is that it lets the world shine, reveals this world in this flashing light. Her mind became that flashing light, that source of White. A flashing light that sees through identities, deconstructs them or reaffirms them. That dwells in Possibilities – and in limitations. In her Dwelling in Possibilities, Emily Dickinson was well aware of the limitations of this world (which is what makes her oeuvre so uncomfortable at times). – Quasi-infinite or quasi-limitless are the Possibilities however once you´ve reached a fixed point in the Transcendental. The Transcendental – the Possibility that there can be Possibility – is like a source from which it all stems out. The Transcendental is a simple structure, like a corner in a room, from where it all comes out, all the Possibilities… /&%{[8}\²__________@µµZ – As you sense, Emily Dickinson managed to reach the Transcendental. It is not likely that her specific poetry could be trangressed. That there are Possibilities beyond its horizon. – In terms of identity politics, Truth is reached when one has reached true identity and is at peace with that. One has to be glad to be oneself, and not someone else, Emily Dickinson told T.W. Higginson in a private conversation. Identity politics means reaching an identity that is at peace with itself and with society; respectively that you become somehow independent from society. Emily Dickinson´s specific identity – as a transcendental creature – was that she was no creature of Society; but floated above it. — And then, yet – what would be a final say – the Transcendental – about life?
To be alive – is Power –
Existence – in itself –
Without a further function –
Omnipotence – Enough –
To be alive – and will! –
`Tis able as a God –
The Maker – of Ourselves – be what –
Such being Finitude!
The transcendental thing about our existence is – Existence itself. There can be reflection about Truth and Possibilities, and there can be poetry, and there can be identity politics only because there is – Existence. The primary metaphysical question is: Why is there Something and not just Nothing? Emily Dickinson´s state of Enlightenment and her poetry is different from the state of Eastern Enlightenment and the poetry of the Zen Masters. In the Eastern tradition of Enlightenment, the principle of Nothing somehow triumphs over the principle of Something – and the Somethings in this world are considered an illusion/delusion (about which one should not be too worried and preoccupied: that is, then: Enlightenment). Yet Emily Dickinson is – also therein – profoundly American and Western. In her eschatology, it is Something that triumphs over Nothing. It is Being that triumphs over Nothingness. Being > Nothingness. <> Emily Dickinson´s poetry is about displaying the vibrations of the Somethings. Her poetry is analytical. Eastern Enlightenment is (passive and) unscientific. Behind Emily Dickinson´s poetry there is a scientific mind, and her poetry is – not pacified, but – agitated.
In more earthly terms, Emily Dickinson´s poetry and the state of her mind displays a maximum of Vergeistigtheit (refinedness). A maximum state of Vergeistigtheit inherently means a floating state over the material world. Therein, it may appear „ironic“, dwelling in Possibilities, or deconstructive about identities. Such an elevated mind apparently can take nothing truly serious – although, of course, it tries to, and strives to. It´s too big for this small world. And that´s ok, since it is: Mind over Matter. Mind > Matter. <> Perhaps humans on Earth are the only intelligent species in the universe. The universe is extremely vast – yet being the only intelligent species in all this vast universe makes you – not only feel lost but – a phenomenon of highest quality – that somehow rules in the universe. Being the highest among human intellects tops that again. – The irony is that – not only that this phenomenon of quality happens in isolation – but that the powerful mind of quality needs a body, needs the material world. Therein, the mind is prone to decay and it sooner or later ceases to be. It falls prey to the stupidity and indifference of matter. On occasions, the mind may produce something of transcendence, something of value, that then seems „eternal“ and overpowering the decay of matter – partially at least. Actually, any mind somehow has a sense of being robust and „eternal“ and overpowering the purely material. That´s the gravity of the mind, that is the gravity of the human soul. At the maximum level of Vergeistigtheit, you sort out that the mind is an extremely powerful and eternal thing; as well as a feeble one. It can change something in the universe and make an impact – and yet there are also limitations to it. The thing is that -> mind and matter are different orders. They run alongside each other, or their paths run in distinctly different directions on other occasions. Emily Dickinson´s poems are both powerful and – in some ways – feeble. Feeble, in their ellipsis, their fragmentedness, and their seeming indifference and their double nature of seeming eternal insights and then also occasional and temporary ad hoc ruminations from the kitchen board. (Feeble – in that Emily Dickinson had – when being terminally ill – her funeral orchestrated carefully in advance, but made no preperations about how to handle her oeuvre over to posterity. Powerful – as she probably was convinced enough that her oeuvre would manage to hand itself over to posterity and to great glory by its (so called) own means.) __ The most refined mind will be able to gaze into the so called realm of Platonic ideas (- or whatever it (the Absolute, or so) may be). Yet, these ideas, these apparitions of the Absolute, are mere – ideas. They are virtual entities. They are high abstractions from perceptions, done by the refined mind. They are – refined and vergeistigt. That is to say – there is nothing, anymore, „behind“ them. Nothing to be further sorted out. That makes them appear both heavily present, as well as „flat“. Emily Dickinson´s poetry is a vision of the last things that the human mind can capture. Respectively, of the last true state of the world – oscillating between cosmos and chaos, stasis and dynamics, creation vs decay, etc. – that one can have insight to. Her poetry is a vision of the Chaosmos. And they are – finally – refined Visions. (i.e. present, and evasive)
In order to truly have vision of the Chaosmos, you need to be a negatively curved entity. Emily Dickinson happened to be a negatively curved entitiy. A positively curved universe means that it is curved like a sphere. When somehing is shot off from its place and being put on the run, that means it will finally return to its initial place. A negatively curved universe is curved like a saddle. Alongside such a trajectory, things forever flee and evade, once they are set in motion. They get out of sight. They are on a Line of Flight. Some day their centuries will possibly be called Deleuzian. All my life I tried to get away from myself, confessed Duchamp, the Holy Ghost of 20th century art. The eternally open universe – and the eternally open intellect and soul – are of negative curvature. It is difficult to envision and bring to mind a curved universe. Even more it is difficult to envision and bring to mind stuff of negative curvature. That confuses people. There are no true Anschaungsformen for that. Emily Dickinson was of negative curvature – and her poetry may serve as an Anschauungsform for the negatively curved intellect. That makes it difficult to decypher. Although it is not too difficult to decypher at all. It´s just the negative curvature, stupid!
Emily Dickinson´s very idiosyncratic writing style – and also way of living – probably stemmed out from a schizotypal personality disorder. Mary, the wife of T.W. Higginson – a literary critic, with whom Emily managed to be in contact with over the years – lamented about why „all the lunatics would feel so attracted to him“ (therein indicating that she considered Emily Dickinson to be a lunatic). – T.W. Higginson was well aware of the eccentric lifestyle of Emily; though maybe not necessarily considered her a „lunatic“, probably would not go that far. Yet his wife, Mary, naturally did. T.W. Higginson probably did not consider Emily Dickinson to be a lunatic, but his wife – Mary – did! T.W. Higginson was a prolific literary scholar (and today we use to saturatedly agree with him), but his wife (Mary) was a woman – i.e. she got the faculty and spoke out of female intuition. And as they say, female intuition tops everthing else. So possibly Mary had a more profound – had the true – insight into Emily Dickinson´s very nature. – Maybe Emily Dickinson was – apart from her genius – actually somehow off her rocker! Emily Dickinson would implicitely deny that, as she also told T.W. Higginson that one must be glad to be oneself, and not someone else. Mary considered that to be an erroneous assumption if Emily related that statement to herself. And again: hers is the female intuition! But then: Also Emily´s would be the female intuition! So, it ends up being -> female intuition vs female intuition! That, of course, happens quite often. Women talk; men stay silent: Therefore women are anathema to me –T.W. Higginson noted from a private conversation with Emily Dickinson.
I fear a Man of frugal speech –
I fear a Silent Man –
Haranguer – I can overtake –
Or Babbler – entertain –
But He who weigheth – While the Rest –
Expend their furthest pound –
Of this Man – I am wary –
I fear that He is Grand –
Then there are also – as other part of her oeuvre – Emily Dickinson´s letters; which are held in almost equal esteem as her poems (nowadays). I still do not know what to think about them. They confuse me a lotta more than does her poetry. Although they are – by nature – much more intimate – I find them distinctly more evasive and abstract. Of course, they are not written to me. Yet – I wonder to whom they are, finally, written. Naturally, her letters are highly intelligent. But, above, they deem me aloof. I actually ask myself how much Emily Dickinson had a relation to herself, and to others. Indeed, her letters deem me weird and autistic, and difficult to decypher. Writing letters was one of the few forms bourgeoise women could express themselves artistically. Therefore you may expect a mixture of high sophistication and neurotic extravagance in them. And this is also what I seem to get from the letters of My Dear Emily. There she seems to go, Dwelling in her Possibilities, again. Or: above all. Maybe also she was a creature of a Will to Power, and wanted to overpower the recipients of her letters (or at least impress them). T.W. Higginson found her „very attentive“ and caring about other people´s needs – yet also talking a lot, and not too often interrupting herself. Never, he admitted, he had encountered a person whose presence alone was so demanding and exhausting as Emily Dickinson´s. I think her letters also are quite wry and dry as concerns their power of expression. In the usual bombast language of literary criticism some scholars admit that they´d like to „quote sentence by sentence out from these letters…“ – yet I have to say that I did not find a single quotable expression in her anthology of letters. Therein, she also seems somehow detached from herself. – I repeatedly ruminated that there is hardly any good poetry: as it is commonly considered the most condensed expression of the human soul – and the human soul simply is not that extensive. The poetry of Emily Dickinson is a notable exception. Yet I notice that there also are hardly any good letters, even if we look at the letters of the greats; since humans, as it seems, are actually not that romantic inside. Maybe, at least here: Emily Dickinson seems to fit the bill.
This is my letter to the world,
That never wrote to me, —
The simple news that Nature told,
With tender majesty.
Her message is commited
To hands I cannot see;
For love of her, sweet countrymen,
Judge tenderly of me!
—— And do you know what?? I wanted to write about Emily Dickinson before, already a while ago. But when I read her poems again (at that time for the fouth time in my life), on that behalf —- I suddenly found them to be uncannily dull and without true substance nor message – apart from some exceptions. When I read them again – now for the fifth time – they were A-okay for me again, like before. – It is strange, but such things happen. Reading stuff again (and again) should make you receive somehow different impressions from it – although not on such a level of divergence. Alas, yet also that may happen. It also happened to me when I read Kierkegaard for the fourth time – when I happened to find Kierkegaard relatively pointless (-> in my Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken). I admit I was somehow confused by Emily Dickinson´s poetry (and also by Kierkegaard) initially. — I am also confused about why a shitty band like Cannibal Corpse is held to be the leading band of the death metal genre, or what would be so cool about Rush. — I try to overcome that by giving it second, third, or even many more tries. Maybe, in doing so, I might also come to terms with her letters.
I also want to mention that this was a complicated text to write – starting from the scratch of sewing the selected Emily poems somehow together. It took me about a month to finalise this rather tiny piece.