“Selbstverteidigung” von Elsa Dorlin und “Down Girl” von Kate Manne

Ich war früher beim Kommunistischen StudentInnenverband, am Bildungspolitischen Referat der Österreichischen HochschülerInnenschaft; und ich habe überhaupt ausgeprägte feminine Charakterzüge. Natürlich habe ich mich also auch mit Feminismus und feministischer Theorie auseinandergesetzt, damals. Ich wollte also neulich sehen, was sich auf dem Sektor in den letzten zwanzig Jahren wohl so getan hat und besorge mir die Neuerscheinungen Selbstverteidigung – Eine Philosophie der Gewalt von Elsa Dorlin und Down Girl – Die Logik der Misogynie von Kate Manne.

In Selbstverteidigung – Eine Philosophie der Gewalt rollt Elsa Dorlin eine Geschichte der Selbstverteidigungsstrategien und Selbstermächtigungen diverser Bevölkerungsgruppen auf; angefangen von Bevölkerungen in Feudalgesellschaften, Sklaven in Sklavenhaltergesellschaften, Schwarzen in den rassistisch segregierten USA usw. Im letzten Kapitel geht es um die Situation von Frauen in modernen westlichen Gesellschaften. Diese einigermaßen blühend vielfältigen Situationen von Frauen in zeitgenössischen westlichen Gesellschaften versucht Elsa dann zu illustrieren über den Charakter der Bella aus dem Roman Schmutziges Wochenende von Helen Zahavi; einer gedemütigten Frau, die schließlich Amok läuft und Männer umbringt. Diesen Roman (und seine möglichen Komplexitäten und Facetten) kenne ich nicht, aber: Wie Millionen andere ist Bella eine unauffällige junge Frau, die keine Geschichte haben würde, an der nichts ist, was der Erinnerung wert wäre. Im Leben hat sie weder Ambitionen noch Ansprüche, nicht einmal auf das einfachste, stereotype Glück. Außerdem hat Bella „gelernt, mit Anstand zu verlieren. Verlieren schien zu ihr zu passen…, wird Bella von Elsa charakterisiert (S.208f.). Als Bella bei einer Gelegenheit einmal in der Lage ist, ihre erlebte Situation sich zu vergegenwärtigen, sieht sie sich als: Die letzte im Rennen. Dunkle Wolken und kein Silberstreif. Einer unter Millionen Kieseln am Strand. Die letzte in der Schlange und die Letzte auf jedermanns Liste. Ich fühle mich allein und verlassen, wie die letzte unter den Lebenden. (S.213) Von ihrem Nachbarn, einem Stellvertreter des männlichen Geschlechts in dieser offenbar Becketthaft leeren Welt, wird Bella gedemütigt und missbraucht. Das sind die Erfahrungen, die sie macht. Fast schon naheliegend, dass sie schließlich überschnappt und Amok läuft und den Nachbarn umbringt.

Bella ist also eine sehr grenzwertige Figur. Ohne Innenleben, ohne sinnvolle Gefühle und ohne Beziehungsfähigkeit, lebt sie in einer Zustand, den man am ehesten vielleicht mit einem schizophrenen katatonischen Stupor vergleichen kann. Eine stumpfe Feindseligkeit brodelt in ihr. Die leblose und latent feindselige Außenwelt gleicht ihrer Innenwelt. Aus irgendeinem Grund präsentiert Elsa Dorlin Bella nun aber also als gleichsam „typische Frau“ und ihre Erfahrung als „typische Erfahrung“, die Frauen in modernen westlichen Gesellschaften machen würden. Eine daraus resultierende Gewaltbereitschaft sei dann fast schon unmittelbar einsichtig und verständlich, genauer gesagt, konsequent: Bella wollte sich nicht aufdrängen, sie wollte niemandem Ärger machen, doch wurde sie schließlich ihr ganzes Leben lang dazu erzogen, Männer zu töten – denn sie haben in der Tat viel getan, sie so weit zu bringen. (S.215)

Menschen haben es an sich, die Welt aus bestimmten Blickwinkeln wahrzunehmen (und teilweise auch gar nichts anderes zu wollen). Ideologisch denkende Menschen, im Speziellen, tendieren dazu, einige Dinge stärker wahrzunehmen, andere nachlässiger, einerseits klarer wahrzunehmen, andererseits verzerrter. Es kann aber auch sein, dass sie darin überhaupt verlogen sind, auf der Grundlage entweder eines materiellen oder ideellen Vorteils, der damit verbunden ist oder aufgrund von Krankheiten des Charakters. Bella ist ein krankhafter, unnatürlicher Charakter, der etwas Krankhaftes, höchst Gewalttätiges tut. Elsa Dorlin tut so, als ob Bella stellvertretend für Frauen in modernen westlichen Gesellschaften stünde und blickt irgendwie bewundernd auf ihre letztendliche Gewalttat. Was sagt das über Elsa aus?

Eines der beklemmendsten Bücher, die mir erinnerlich sind, ist Down Girl – Die Logik der Misogynie von Kate Manne. Allerdings weniger wegen der Einblicke, die es in gesellschaftlich vorhandene oder wirksame Misogynie liefert – denn genau diese werden verdeckt durch die Einblicke, die es vielmehr in die Psychologie seiner Autorin bietet. Die Logik der Misogynie entspringt darin einer gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Aufgabenverteilung. Rolle der Frau sei es, dem in die Konkurrenzkämpfe unmittelbar eingelassenen Mann emotionalen Komfort und Ausgleich zu bieten und ihre eigenen Bedürfnisse gegebenenfalls hintanzustellen. Somit wird die Frau von sich entfremdet und ihrer Autonomie beraubt. Sexismus und Misogynie sind gesellschaftliches Wissen, Exekutivorgane und Kontrollsysteme, Mentalitäten, um die Frau in einer solchen Rolle festzuhalten, ein „falsches Bewusstsein“ von ihrer Passivität und Inferiorität zu schaffen und aufrechtzuerhalten, und Regelverletzungen zu sanktionieren, bisweilen furios und brutal zu bestrafen. Ein asymmetrisches Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern liegt vor und wird perpetuiert.

Um dieses asymmetrische Machtverhältnis – und sein angeblich nach wie vor unverändertes Bestehen – zu decouvrieren und zu illustrieren, geht Kate Manne allerdings selber leider recht asymmetrisch vor. Ich hätte mich sehr dafür interessiert, wie in unserer modernen, geschlechtergerechten Gesellschaft altvordere Mechanismen nach wie vor am Werk sind und welche Leichen unsere aufgeklärte Gesellschaft nach wie vor im Keller hat. Man erfährt diesbezüglich auch tatsächlich so einiges in Kates Buch. Leider wird darin aber alles, was in den letzten 150 Jahren und in der jüngeren und jüngsten Zeit im Hinblick auf Frauenemanzipation und Bewegung hin zu einer (geschlechter)gerechteren Gesellschaft passiert ist, nicht erwähnt. Stattdessen wird versucht, das unveränderte Fortbestehen von (intransigenter) Misogynie in der heutigen (amerikanischen) Gesellschaft anhand einiger (und nicht allzu vieler) Fälle zu illustrieren, was manchmal überzeugender, manchmal weniger überzeugend gelingt. Dutzende, genauer, hunderte von Seiten behandeln den Wahlkampf und die Wahlniederlage Hillary Clintons gegen Donald Trump, als Illustration, welche Vorbehalte die Gesellschaft nach wie vor gegen Frauen in Machtpositionen habe und wie unterschiedlich die Rollenerwartungen an die und die Toleranzen gegenüber den Geschlechter seien. Hillary Clinton habe die Wahl verloren, weil sie als kalter, karrieristischer Machtmensch (und daher als „unweiblich“ bzw. als Verräterin am Verständnis dessen, wie eine Frau nach wie vor zu sein habe) wahrgenommen wurde, während man Trump dasselbe habe durchgehen lassen. Die Aussage, dass eine bestimmte Frau der Misogynie ausgesetzt ist, lässt sich durch den Nachweis belegen, dass ihr männliches Pendant in einer ansonsten vergleichbaren gesellschaftlichen Position höchstwahrscheinlich nicht solcher Feindseligkeit … ausgesetzt wäre. (S.130) Da hat sie wohl Recht. Allerdings macht sie keine Anstalten, Pendants zu vergleichen, abgesehen davon, dass sie männlich und weiblich sind. Auch ein männlicher demokratischer Kandidat hätte gegen Trump womöglich verloren (und aus Angst davor (?) hatte man Bernie Sanders aus dem Rennen genommen). Bei all ihren Lamenti, Hillary Clinton hätte man vorgeworfen, ein karrieristischer Machtmensch zu sein, erwähnt sie nie, dass Hillary Clinton das ja auch ist. Der Gesamteindruck bei Hillary Clinton ist kein so guter. Was sie ebenfalls nicht erwähnt, ist, dass seit Jahrzehnten in der westlichen Welt Frauen in hohe und höchste politische Positionen gelangen und aus unterschiedlichen Gründen und persönlicher Eigenschaften dort erfolgreich sind (unter anderem als dezidiert unempathische Eiserne Lady). Sie vergisst auch die Überlegung anzustellen, dass die misogynen Attacken, die die republikanischen Scharfmacher(innen) gegen Hillary Clinton geritten haben, wohl weniger ihr entsprechendes Publikum gefunden haben, weil sie misogyn waren, sondern weil sie Attacken waren. Haltlose Attacken, wie zum Beispiel gegen Obama, wonach er Moslem sei und Barack Hussein heiße, funktionieren nicht deswegen, weil rechte WählerInnen sie nicht durchschauen oder durchschauen wollten, sondern weil sie ihnen inhaltlich eher egal sind: Hauptsache ist, dass man Obama irgendwie attackieren und beleidigen kann (das diesbezügliche Leitmotiv bei Hillary Clinton war dann eben Benghasi). Trotzdem weisen sie in beiden Fällen auf das Vorhandensein von Rassismus oder auch gewisse (misogyne) Erwartungen an Frauen hin, die in der Gesellschaft vorhanden sind (so wie allerdings alles andere Mögliche auch), wie auch allgemein der Fall, dass Asymmetrien zwischen Männern Frauen nach wie vor bestehen im Hinblick darauf, wie sehr die Gesellschaft dazu bereit ist, Frauen als Machtmenschen zu akzeptieren (was wiederum Frauen einen Vorteil verschafft, wenn es der Gesellschaft darum geht, die Gewalttätigkeit und das toxische Verhalten bei Frauen nicht sehen zu wollen; darum, wer im Streit um das Sorgerecht der Kinder bei Scheidungen die Oberhand hat und hohe Alimente kassiert und hohe Ansprüche auf Hinterlassenschaften hat; wer zum Militär gehen muss oder wer früher in Pension gehen kann. Man kann sagen, das alles wiegt das nicht auf, wenn Frauen weniger in politischen Machtpositionen akzeptiert werden. Allerdings sind die eben genannten Aspekte und die kleinteiligen Machtverhältnisse die, die das Leben der Menschen viel stärker bestimmen als die Politik, deren Macht zwar größer ist, aber ferner. Feministinnen wie Kate Manne sind mehr am Großgefüge der Macht interessiert, daher schmerzt es sie offenbar umso mehr, wenn sie auf dem Weg zu den großen Machtpositionen auf Widerstände treffen. Kate Manne bekennt in einem Interview auch, „karriereorientierter“ als ihr Gatte zu sein. So wie Hillary Clinton, die sie bemitleidet, könnte man anmerken).

Ein immer wiederkehrendes Motiv in Down Girl (über vielleicht 200 seiner Seiten hinweg) ist auch ein Amoklauf eines jungen Mannes namens Elliot Rodger in den USA. In seinem Abschiedsbrief hatte er eine große Beleidigtheit zum Ausdruck gebracht, keine Freundin gefunden zu haben (ob eventuell sonst noch so einiges drinnen stand, erfährt man nicht); mit seinem Amoklauf wollte er „Rache“ an der Welt nehmen, von der er sich hintergangen gefühlt hat. Dabei wurden mehr Männer zu Opfern als Frauen. Irgendwie parallel zu Elsa Dorlins Fasziniertheit über die weibliche Amokläuferin Bella, fixiert sich Down Girl auf diesen Fall, um Misogynie zu illustrieren, die im Fall von Elliot Rodger sicher vorhanden war (und die zumindest ein wenig, aufgrund seiner Frustrationen und wie bei Bella, verständlich ist). Die Beschäftigung findet allerdings abermals unter Ausschluss von allem anderen statt, was dieses Bild stören könnte; alleine schon einmal dem Umstand, dass solche Amokläufe in den USA haufenweise vorkommen, ohne dass Misogynie oder eine Fixiertheit auf Frauen offenbar die Grundlage dafür sind, oder diese Amokläufe ein dezidierter Feminizid wären. Grundsätzlich sind diese Amokläufer zunächst einmal sehr krank und bewegen sich auf einer eigentümlichen Grenze zwischen Zurechnungsfähigkeit und Unzurechnungsfähigkeit. Immer wieder (obwohl es seltsamerweise so gut wie nicht bekannt ist) sind es Menschen/Männer mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung. Deren Kennzeichen sind eine stark erhöhte Kränkbarkeit und Reizbarkeit im Falle von Zurücksetzungen (und der Tendenz, alles Mögliche als solche zu interpretieren), eine starke Selbstbezogenheit und ein Wille, über andere zu dominieren; auf der Grundlage einer unkonstruktiven Emotionalität, die hauptsächlich aus Wut, Neid, Egozentrismus, Anspruchsdenken, Rechthaberei, Streitsucht, Paranoia und einem raschen Beleidigtsein besteht. Sympathetische Gefühle sind stark reduziert; damit haben solche Personen auch ein gespenstisch vakantes Innenleben bzw. keine ausgleichenden inneren Regungen, um ihren zirkulären oder unguten Emotionen etwas entgegensetzen zu können. Dass solche Männer frauenfeindlich und –verachtend werden können, rührt in erster Linie daher, dass sie allgemein menschenverachtend sind; eventuell sind sie deswegen frauenverachtend (neben den realen Frustrationen, die sie von ihnen erleiden mögen), weil sie allgemein auf andere genüsslich als „die Schwächeren“ herabschauen und daher eben auch, und insbesondere, auf Frauen (oder Minderheiten etc) (was allerdings, um sich in einer narzisstischen Rolle als „Beschützer“ zu gefallen, auch dazu führen kann, dass sie Frauen gegenüber ritterlicher und galanter sind, zumindest an der Oberfläche: Hitler hat damit, und mit seinem österreichischen Charme, seine Sekretärinnen zumindest aber beeindruckt).

Gemäß Down Girl ist das Zentrum der Misogynie das „Rollenverständnis“, dass Frauen als emotionale Helferinnen von Männern gelten und sich zu sehen hätten; die Männern Empathie zu geben hätten ohne entsprechend viel Empathie einfordern zu können. Dementsprechend liegt ein asymmetrisches (Macht)Verhältnis vor. Wenn eine Frau aus diesem Rollenverständnis ausschere und sich nicht zu seiner Übernahme bereit erkläre, werde das (teilweise brutal) sanktioniert (im Übrigen, wie man in der Realität immer wieder beobachten kann, von anderen Frauen teilweise noch mehr als von Männern). Was wirft man den Frauen vor? Ich denke, es geht um den Vorwurf, dass sie sich verweigern und nicht bereit sind, etwas zu geben; dass sie kalt, gefühllos und herzlos sind und ihre natürliche Pflicht vernachlässigen, eine sichere Zuflucht zu bieten, zu hegen und zu pflegen… (S. 174). Dieses Rollenverständnis kritisch zu hinterfragen, ist richtig und wichtig. Bei der Lektüre von Down Girl beschleicht einen aber der Verdacht, dass Kate Manne selber keine Empathie für Männer (oder auch Frauen) aufzubringen imstande ist, und gerade deswegen gegen ein solches Rollenverständnis polemisiert. Weil sie sich (als Frau) im Hinblick auf ein solches Rollenverständnis wohl tatsächlich entfremdet fühlt. 

Elsa Dorlin hat dabei auch ein Problem mit Empathie, zumindest mit sogenannter dirty care, also einer überempathischen Haltung gegenüber Mitmenschen, von der diese profitieren, während man sich selber aufreibt und aufopfert. Einer Haltung, zu der vor allem Frauen (in ihrem Verhalten gegenüber Männern) erzogen werden, innerhalb derer sie ihre Autonomie verlieren, um einer Heteronomie unterworfen zu werden. Das Objekt wird zum Mittelpunkt der Welt, die das Subjekt aus dem Nichts wahrnimmt. Das Subjekt der Erkenntnis dreht sich ständig um dieses Zentrum. Bei diesem Erkenntnisprozess gibt es keine Vormachtstellung des erkennenden Subjekts, keine alles überragende Position, keine Autoritätsposition: Das Subjekt der Erkenntnis ist gegenüber seinem „König Objekt“ in der Position der Heteronomie; weil dieses Objekt mit der objektiven Realität verschmilzt, ist es ein Standpunkt, der das la des Realen abgibt. (S.223) Allerdings soll es auch nicht so sein, dass im Rahmen eines Erkenntnisprozesses das Subjekt eine zementierte Vormachtstellung oder alles überragende Autoritätsposition einnimmt. Das wäre ja ein Solipsismus, oder eine Wahrnehmung der Welt, ganz einfach so, wie das Subjekt das will (also, so wie es dann und wann bei Feministinnen der Fall ist). Die Stoßrichtung hinsichtlich Aufklärung bezüglich der Mechanismen von dirty care, so sie denn vorliegt, ist richtig und wichtig. Man hat dabei aber – abgesehen von einer irgendwie impliziten Gleichsetzung von weiblicher Empathie (für Männer) mit dirty care (denn explizit differenziert Elsa Dorlin zumindest nicht zwischen dem einen und anderen) – einen Hinweis, dass der Kern von Elsas Feminismus neurotische Allmachtsfantasien sind, die natürlich höchst störungsanfällig sind, wenn sie mit etwas konfrontiert werden, was ebenfalls Macht oder aber mehr Macht hat. Das ist in einem solchen psychologischen Rahmen natürlich schwer auszuhalten. Das Problem liegt dann aber vielleicht weniger an der Außenwelt als an der Innenwelt. Und es fällt auf, dass sie zur Empathie kein gutes Verhältnis hat, und sie in erster Linie als Zumutung wahrnimmt und die Forderung nach Empathie als eine Zumutung wahrnimmt.

Elsa Dorlin beschäftigt sich in ihrem feministischen Schlusskapitel zu Selbstverteidigung mit Kampagnen, die die Sensibilität gegenüber Gewalt gegen Frauen in der Gesellschaft schärfen wollen. Diese versuchen Aufmerksamkeit über eine Schockwirkung zu erzielen, indem sie brutal geschlagene und misshandelte Frauen zeigen. Eine Kampagne sicherlich nicht ganz ohne Mut, die sich aus dem Fenster lehnt, um die Gesellschaft mit Verdrängtem zu konfrontieren. Elsa Dorlin beschäftigt sich auf mehreren Seiten damit, allerdings ausschließlich „kritisch“. Indem sie meist eine Frau zeigen, oder genauer gesagt, indem sie systematisch weibliche Körper vergegenständlichen, die als Opfer inszeniert werden, schreiben diese Kampagnen die Verletzbarkeit als unweigerliche Zukunft einer jeden Frau fort, heißt es da zum Beispiel (S.200), bis hin zu Und in ihrem obszönen Leiden, das man in aller Ruhe aus dem Augenwinkeln betrachten kann, werden diese Körper auch zu Objekten einer „fetischistischen Faszination“. (S.205) Diese Kritik ist sicherlich berechtigt und diese Hinweise sind erhellend. Das Beklemmende aber ist, dass sich Elsa Dorlin ausschließlich so dazu äußert. Kampagnen gegen Gewalt gegen Frauen werden also (vernichtend) kritisiert, weil sie Frauen als Opfer von Gewalt darstellen! Elsa stellt einer solchen Werbestrategie entsprechende Kampagnen von feministischen Gruppierungen entgegen, die sich mit der Botschaft an Frauen wenden, sich selbst zu verteidigen und sich mehr zuzutrauen. Dabei lässt sie allerdings wohl außer Acht, dass die Breitenwirkung solcher Kampagnen von radikalen Splittergruppen wohl begrenzt ist (aus meiner kommunistischen Studentenvergangenheit kenne ich das ja, wie unsere durchaus raffinierten und ästhetisch wertvollen Wahlwerbungen dabei aber stets einigermaßen wirkungslos verpufft sind), und eine Schockkampagnenstrategie, wie sie allerdings von ihr abgelehnt wird, wohl wirkungsvoller. Es stellt sich die Frage, inwieweit Gewalt gegen Frauen als gesellschaftlich verbreitetes Phänomen und die Möglichkeiten ihrer wirkungsvollen Bekämpfung Elsa Dorlin überhaupt interessieren. Eher scheinen sie Möglichkeiten zu interessieren, wie Frauen – bzw. sie selbst – als starke, unabhängige Kämpferinnen dastehen und sie sich als solche selbst narzisstisch bewundern können. Fasziniert blickt sie auch auf Bella, die plötzlich Amok läuft, ohne eine entsprechende Kampfausbildung erhalten zu haben, sondern ganz aus sich selbst heraus bzw. im plötzlichen Kontakt mit ihrer „ursprünglichen Natur“ (der Gewalttätigkeit?) einen filmreifen Amoklauf hinlegt: Bella hat nicht gelernt zu kämpfen, sie hat verlernt, nicht zu kämpfen. (S.216) Ein irgendwie pathologischer Wunsch nach Gewalt geht einher mit einem irgendwie pathologischen Wunsch, alles selber zu machen: Bella befreit sich selbst. (S219) Bella ist von den Männern nicht abhängig – vielmehr sind die Männer es von Bella? Dass sie latent annimmt, Frauen wären für Männer „vergegenständlichte Objekte einer fetischistischen Faszination“ bzw. dass Feministinnen oft annehmen, Frauen wären Opfer eines „verobjektivierenden männlichen Blicks“ in dessen Zentrum sie stehen würden, kann auch als Hinweis auf deren Selbstinflationierung und Selbstbezogenheit gesehen werden: Indem sie so annehmen können, sie wären die, um die sich die ganze (Männer)Welt dreht, und somit die „eigentlich“ Herrschenden, das wahre Zentrum der Welt – das halt nur leider so sehr und so heimtückisch von sich entfremdet wurde. Ich und auch meine Freunde von früher können diesbezüglich zumindest feststellen, dass zwischen dem dreißigsten und vierzigsten Lebensjahr die männliche Libido dann deutlich abnimmt, und spätestens dann Frauen gar nicht mehr ein so zentral beherrschendes Thema für uns sind, sondern eher eines unter vielen. Es kann sein, dass für bestimmte Frauen/Feministinnen das eine noch viel härtere Tatsache ist, da sie dann ja wieder mit ihrer Grundangst konfrontiert werden, dass niemand sie beachten würde, der Grundangst Bellas, dass sie „ständig übersehen“ werde. Steckt dahinter vielleicht ein Wunsch nach Anerkennung und nach Gesehenwerden, der deswegen nie befriedigt wird, weil er unermesslich ist?

Als Beispiel für fetischistische Verobjektivierung von Frauen wird in Down Girl die Pornographie herangezogen. Laut Kant ist der Sexualtrieb an sich böse, da er Personen, auf die sich unser Sexualtrieb richtet, tendenziell „objektifiziert“. Das stimmt ein wenig, allerdings wenn schon, dann für beide Geschlechter (Hunger ist dahingehend ein noch viel schlimmerer Trieb, denn er macht aus putzigen Tieren, die wir gerne streicheln, totes Fleisch, das wir gerne essen). Vielleicht hatte dieser extrem durchdringende Geist auch letztendlich Recht, wenn er die Ehe als „Kontrakt zur Verfügungsgewalt über die Geschlechtsorgane der Partners“ qualifiziert. Vielleicht ist das aus der Sicht des göttlichen oder teuflischen Puppenspielers so und alles andere daran eitle Illusion. Vielleicht, und wahrscheinlich, aber auch nicht. Unsere natürlichen Gefühle und Bedürfnisse nach Liebe, Austausch, Geborgenheit, Miteinander usw. sind schon starke reale Mächte. Feministinnen wie Kate Manne tendieren auf jeden Fall aber zur Kantschen Sichtweise, zumindest, wenn es um sie selber geht und wenn es um Pornographie geht.  Eine charakteristische Art, jemanden „als Objekt“ zu behandeln, ist in der Pornographie zu finden, daher haben Feministinnen in jüngerer Zeit ergänzt, in der Pornographie werde „der Mensch zum Ding“, wird in Down Girl eine Feministin, Rue Langton, zitiert (S. 224). Ich hätte mir gedacht, die feministische PorNO-Bewegung hatte ihren Höhepunkt um 1983 und sei dann versandet, während sie sich offenbar revitalisiert und neue, wichtige Erkenntnisse produziert hat. Zu diesen scheint aber eher nicht zu gehören, dass es bei Pornographie um die Befriedigung des Sexualtriebes geht, der freilich die seltsamsten Formen werden kann und daher auch die seltsamsten Formen von Pornographie. Die Pornographie ist ein weites Feld, Frauen und Männer üben darin mal mehr, mal weniger Macht über den jeweils anderen aus (sofern es darum überhaupt geht). Kate und Rue stoßen sich daran, dass es ein Genre heterosexueller Pornographie gibt, das Frauen als nichtssagende, starrende, vergleichsweise geistlose Kreaturen darstellt. (Die weibliche Hauptrolle will immer das, was er ihr zu geben hat, und ihr Vokabular erschöpft sich mehr und weniger in gehauchter Zustimmung.) (S.263) Somit ist Pornographie eine Verletzung ihres Damenstolzes (und das ist auch nicht ganz unverständlich). Es stellt sich allerdings die Frage, warum ihr Damenstolz sich dauernd verletzt fühlt und sie sich in ihrer Autonomie ständig behindert (ich rege mich ja auch nicht auf, dass Männer in Pornofilmen stets als primitive Erotomanen dargestellt werden, obwohl wir doch noch „so viel mehr“ sind; aber ich finde es beklemmend, wenn akademisch ausgebildete Frauen in etwa das tun). Auf dieser Grundlage versucht Kate, hinter das Mysterium der Pornographie zu blicken: Meiner Ansicht nach wäre es indes falsch, anzunehmen, solche Pornographie erzeuge oder reflektiere diese buchstäbliche Sicht auf Frauen. Plausibler finde ich, dass es sich vielmehr um eine vermarktbare Fantasie handelt. Die Subjektivität und eigenständige Sexualität der Frauen ist für alle, die nicht völlig verblendet sind und (ironischerweise) über einen Internetanschluss verfügen, immer schwieriger zu verleugnen. Denn dazu sind die Stimmen von Frauen im Cyberspace allzu laut und vernehmlich. Aus der Sicht patriarchalischer Werte mögen Frauen menschlich – manchmal allzu menschlich – sein. Pornographie mag eine willkommene Entlastung von Realitäten bieten, die schwer zu ertragen sind, wenn man sie fürchtet. Sie kann beruhigen, indem sie in der Fantasie die psychische Bedrohung entschärft, die vom Menschsein der Frauen ausgehen mag, als sie Männer beschämen oder sexuell demütigen können. Das steht im Gegensatz zu der Ansicht, Pornographie bringe die buchstäbliche Sicht der Männer auf Frauen zum Ausdruck oder präge sie sogar. (S.263f.) Nun ja, beide Ansichten beruhen offensichtlich auf der Grundlage, dass ihnen der entscheidende Hinweis diesbezüglich, um was es in der Pornographie geht, entgeht. Insbesondere bei Kate sind ihre eigenen (sadistischen/revanchistischen) Macht- und Überlegenheitsphantasien gegenüber Männern auch kaum zu übersehen, die in einer solchen Interpretation von Pornographie zum Ausdruck kommen. Bei Sexualität denkt man normalerweise eher an Liebe als an Macht (zumindest aber an Genuss), außer eben entschlossene Feministinnen wie Kate und Rue. In auffallender Weise ist es ihnen (zumindest nach außen hin) verwehrt, Beziehungen zwischen Mann und Frau anders zu interpretieren denn als Machtbeziehungen und Machtkämpfe. Dass sie das in ihrer inneren Autonomie behindert, ist nahe liegend.

(Hardcore) Feministische Interpretationen, wie die von Kate Manne, die suggerieren, Misogynie sei das entscheidende und ursächliche Motiv hinter Pornographie, Amokläufen oder der Erfolglosigkeit von Hillary Clinton, und allgemein ihre totalitäre/totalisierende Weltsicht, rufen natürlich Widerspruch hervor, zum Beispiel seitens des Gewaltforschers Steven Pinker. Down Girl geht darauf in eigentümlicher Weise ein, indem es entsprechende Stellen bei Pinker und anderen bereitwillig zitiert (meistens in (herablassenden, wie man meinen könnte) Fußnoten), sie dann aber ohne Gegenargumente mehr oder weniger wiederum als „misogyn“ verwirft. Bzw., eigentlich auch das fast nicht. Sie lässt die (plausiblen) Gegenpositionen zu ihrer eigenen in einer irgendwie gespenstischen Weise einfach stehen. Am eigentümlichsten ist vielleicht das Beispiel, wo sie darauf hinweist, dass (aufmüpfige) Frauen immer wieder als „schrill“ bezeichnet werden würden (also über eine beleidigende Abwertung ihrer hohen Stimmen), und zur Illustration eines von (angeblich vielen sich so ausdrückenden) „Hassmails“ gegen sie extrem ausführlich zitiert (S.439f.): Ms Manne, Ich war überrascht und irritiert über ihren … Artikel, der sich generell über amerikanische weiße Männer lustig macht … Sie müssen viel Hass in sich aufgestaut haben, um eine ganze Kategorie von Menschen so anzuprangern, wenn jeder unvoreingenommene Mensch vor einer derart pauschalen Behauptung zurückschrecken würden … (das ist) wirklich ziemlich sexistisch und rassistisch … (ich) fand ihre Logik weniger einer Philosophieprofessorin an einer der besten Hochschulen des Landes würdig als vielmehr einer patzigen Fünfzehnjährigen voller Ressentiments und Narzissmus. Es tut mir leid, wenn ihr Vater vielleicht ein rasender Alkoholiker war, der ihre Mutter geschlagen hat, aber das ist keine Entschuldigung, alle Männer… etc. So geht es dann mehr als eine Seite aus dem Zitat der Zuschrift dieses empörten (sie aber nicht hassenden und ihren überlegenen Bildungsstatus anerkennenden) Mannes dahin (die im Übrigen genauso gut von einer Frau sein könnte), bevor sie schließlich schließt mit: Vielleicht könnten sie die ganze tolle Bildung, die sie genießen durften, dazu nutzen, Menschen näher zusammenzubringen, statt Böswilligkeit und Schrillheit zu schüren … davon haben wir eindeutig schon genug. „Schrillheit“ wirft er ihr dann also vor. Kate zitiert dieses (irgendwie ja auch nachvollziehbare) Mail über eine Seite hinweg, um zu illustrieren, dass ihr „Schrillheit“ darin vorgeworfen (?) wird. Man fragt sich: Will sie hier anderslautenden Positionen und Kritiken am Hardcore-Feminismus demokratisch Raum geben? Will sie damit eine gewisse Zustimmung dazu ausdrücken, die sie aber nicht versprachlichen kann? Hat sie vielleicht sogar eine gewisse Todessehnsucht ihrer eigenen Sichtweise gegenüber, die schließlich keine vorteilhafte Sicht auf die Dinge ist? Oder hat man hier einen unlösbaren Konflikt, der jedoch über eine höhnische Verweigerung jeglicher Dialektik (egoistisch) „gelöst“ wird: Sprich, über eine schrille Machtdemonstration, innerhalb derer sie dieses ihr offensichtlich nahe gehende Mail verwirft und delegitimiert, mit dem Verweis, dass der Ausdruck „schrill“ darin vorkomme? Eine solche Autoritätsposition muss dem berauschenden Gefühl einer göttlichen Allmacht wohl schon sehr nahe kommen. Oder aber, erkennt sie gar nicht, dass Gegenpositionen gegenüber ihrer eigenen eine gewisse Berechtigung haben könnten, weil sie so sehr in ihrer eigenen verhangen ist?

Bemerkenswert dann auch, wie (zumindest) Kate Manne jedes Mal mehr als nur verschnupft reagiert, wenn Kritisierbares und Mängel nicht an Männern festgestellt wird, sondern an Frauen. Man könnte es als Hinweis für ein schwaches/narzisstisch überhöhtes und daher leicht kränkbares  Selbstbewusstsein sehen, wenn Feministinnen wie Kate Manne nicht den kleinsten Makel tolerieren können, wenn es um die Darstellung und Vergegenwärtigung von Frauen geht, sondern wenn sie als gängelnd, dumm, egoistisch, dünkelhaft usw. in Erscheinung treten – als ob sie das in der Realität nicht immer wieder auch wären. Frauen werden als Objekte von Kritik mehr oder weniger ausgenommen, bzw. wird jegliche negative Illustrierung von Frauen in Funk und Fernsehen als Bestätigung für Misogynie herangezogen. Es ist kaum zu fassen, wie selbstbezogen Feministinnen wie Kate Manne sind (wobei eine derartige Selbstbezogenheit für Feministinnen allgemein dann doch nicht typisch ist). Oder fühlt sie sich – wie allgemein durch das Rollenverständnis von Frauen als empathische Wesen – tatsächlich in ihren Schwächen getroffen? Im Finale führt sie ein (gutes) Kindergedicht von Shel Silverstein an, über eine quengelnde, egoistische Göre, die ihren Status als Frau – „Ladies first!“ – dazu nutzt, um sich vordrängeln zu können, sogar, wenn es um ihren eigenen Untergang geht. Wenn ich Silversteins Gedicht lese, bin ich zutiefst niedergeschlagen: Eine der wesentlichen Dynamiken, die der Misogynie zugrunde liegen, wird über populäre Kindergedichte und Gutenachtgeschichten verbreitet. (S.461) Kann es sein, dass Kate sich in Wirklichkeit eher erschrocken darin selbst erkennt? (Ein Buch mit Kindergedichten von Shel Silverstein habe ich mir daraufhin ausgeliehen; sie haben mir aber nicht so gut gefallen und sie haben etwas durchaus Misanthropisches, wenngleich seine Zeichnungen ganz herzig sind. Sein bekanntestes Kinderbuch, Der freigiebige Baum, ist eine Parabel über Hybris und Undankbarkeit bei Kindern/Menschen, die zu einem schlechten Ende führen indem sie sich selbst das Wasser abgraben.) Die einzige Kritik, die Down Girl am Feminismus je formuliert, ist dass sich weiße Feministinnen oft erstaunlich wenig um die Belange nichtweißer Frauen bekümmern. (S.21 und 337) Das kann man auch als Hinweis sehen, dass ihr Feminismus in erster Linie ein Egoismus ist, und weniger ein Altruismus. Natürlich sind Verständnisse erweiterbar und progressive Bewegungen können inklusiver werden. Was aber dann vielleicht auch nur ein erweiterter Aktionsradius ihres letztlich egoistischen Strebens ist – anstelle davon, sich empathisch mit dem Anderen – dem tatsächlich Anderen – auseinanderzusetzen.

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Dieser Text ist nicht dazu da, damit Männer (oder Frauen) sich freuen, wenn Feministinnen auf die Fresse fliegen. Was mich antreibt, ist, aus einem empathischen Erkenntnisinteresse heraus zu differenzierten und differenzierenden Betrachtungen über die objektive Realität (bzw. eben über subjektive Interpretationen der objektiven Realität wie die von Kate Manne und Elsa Dorlin) zu gelangen, um so die Basis für einen demokratischen Ausgleich zwischen den Positionen und Ansprüchen zu schaffen. Das ist es, wozu der Geist da sein soll. Und das ist es, wozu der Geist in der heutigen Zeit da sein muss, in einer sich ausdifferenzierenden, multikulturellen, komplexen Gesellschaft, hinter der unsere Verständnisse und unser Vermögen sich in ihr zurechtzufinden, hinterherhinken. Aufklärung ist generell das Schaffen von differenzierteren Verständnissen und Begrifflichkeiten; da zum Zeitpunkt der Aufklärung die Gesellschaft kein einfache Feudalgesellschaft mehr war, wo alles und jeder seinen festen Platz hatte und über der ein Gott thronte, sondern eine fortschreitende, sich auflockernde, dynamische Gesellschaft, die man versuchen musste, neu zu interpretieren. Das ist seitdem so geblieben. Wenn die Verständnisse der Gesellschaft hinter diesen Ausdifferenzierungen zurückbleiben (wie zum Beispiel vor einem Jahrhundert gegenüber der neuartigen Demokratie), droht Gefahr.

Es ist eine gute Zeit, in der wir leben! Das mit dem Feminismus und mit Woke ist gut. Wir schaffen damit wohl eine fortschreitend bessere Gesellschaft. Es besteht aber auch die Gefahr der gegenseitigen Entfremdung und Fraktionierung. Als ich vor zwanzig Jahren an genderphilosophischen Seminaren auf der Uni teilgenommen habe, war ich einer der ganz wenigen Männer, die dabei waren. Allerdings waren da auch nicht so viele Frauen. Wieso sich die Frauen nicht mehr für den Feminismus, der ja ihre eigenen Angelegenheiten vertritt, interessieren würden, haben wir uns damals gefragt. Nun ja, heute scheint das viel häufiger der Fall. Und jetzt nervt mich der Feminismus ein bisschen. Von wegen: Jetzt, wo sie auf einer Welle reiten können und sie kein Risiko eingehen müssen, bezeichnen sich so etliche Frauen als Feministinnen; tun teilweise so, als ob sie das erfunden hätten, das mit dem Feminismus. Jetzt tun sie so, als ob sie damit aufregend und anders und Avantgarde wären, obwohl es das Mainstreamthema Nummer Eins ist. Inwieweit viele von ihnen damals in den genderphilosophischen Seminaren gesessen wären, weiß ich nicht. Es war betrüblich, wie wenig Männer damals an diesen Seminaren teilgenommen haben. Es scheint unter Menschen kaum der Fall zu sein, dass sie sich tatsächlich für das Andere, für andere Lebenswelten und Milieus als die eigenen interessieren würden und sich großartig in sie hineinversetzen können oder wollten. Das gilt für Menschen generell. Für Frauen, zumindest oberflächlich, vielleicht weniger als für Männer (obwohl ich glaube, dass, wenn es tatsächlich darauf ankommt, das Brückenbauen eher bei Männern der Fall ist, als bei Frauen). Feministinnen wie Kate und Elsa fordern dann aber auch, dass Frauen weniger Empathie aufbringen sollten. Empathie ist aber ein wichtiger Kitt für die Gesellschaft. Und vor allem, um komplexere, differenziertere Verständnisse und Begrifflichkeiten zu schaffen.

Das eine ist freilich das friedliche Schaffen von komplexeren Verständnissen, das andere ist der Kampf dafür, der eventuell zu Militanz herausfordert. Inwieweit ist ein solcher Kampf immer edel und gut? Bewegungen wie den Feminismus könnte man als humanistische Bewegungen mit altruistischem Motiv ansehen. Doch trau, schau, wem. Altruismus kann auch nur eine Erscheinungsform des Egoismus sein. Progressive Bewegungen wie der Kommunismus, der Feminismus oder der Antikolonialismus haben es an sich, dass sie unter anderem auch Ressentiment-Menschen anziehen: Minderwertigkeitskomplexler, Soziopathen, verhinderte Machtmenschen, die sich deswegen intransigent gegen eine etablierte Macht richten, weil sie so beleidigt sind, dass sie selbst nicht an der Macht sind (und deren bisweilen schrecklicher Charakter sich spätestens dann manifestiert, wenn sie die Macht erlangt haben); genauso wie Kirchen und Religionen, oder eben alle Politik Individuen mit unlauteren Motiven – bzw. eben Machtmenschen – anziehen (ein solches Beispiel in Bezug auf intellektuellen Antikolonialismus aus Ressentiment heraus scheint gegenwärtig der gefeierte Achille Mbembe).

Es gibt einen Grundwiderspruch des Feminismus: Er strebt eine autonome Artikulation von Frauen hinsichtlich ihrer Wants und Needs an, ist aber möglicherweise sehr unglücklich und daran dann gar nicht interessiert, wenn diese Artikulationen – und deren (offensichtlich authentische) Wants und Needs –  dann anders ausfallen als gewünscht. Es kommt dann auf den geistigen und spirituellen Horizont der Feministin an, wieviel „Widerspruch“ bzw. Diversität sie gelten lassen will. Der Fanatismus ist der natürliche Gegenspieler der Diversität, so Hegel: der will, auch wenn er immer wieder von ihr spricht, keine Diversität gelten lassen, er will selbst zum herrschenden Prinzip werden und die Welt nach seinem Bild gestalten. Je fanatischer der Feminismus ist, desto weniger wird er Diversität unter auch Frauen gelten lassen, und daher Männer wie auch Frauen gegen sich aufbringen. Als Frau würde ich mich von bestimmten Spielarten des Feminismus ja auch abgestoßen fühlen; unter anderem von denen, die Frauen ständig in der Opferrolle sehen wollen. Das würde ja bedeuten, ich wäre als Frau eine Vollidiotin, die sich permanent verarschen und wie ein Hund an der Leine führen lässt und die nicht wüsste, was sie selber eigentlich will. Die Feindseligkeit gegenüber Männern, die weit in den Mainstream-Feminismus hineinreicht, müsste nicht die meine sein, noch die Freude, die Feministinnen daran haben, Männer irgendwie kastrieren oder irgendwas wegnehmen zu können. Und allgemein auch nicht die Selbstgerechtigkeit und der Gut-Böse Dualismus zwischen sich und den anderen, die ebenfalls tief in den Mainstream-Feminismus hineinreichen, ganz zu schweigen von den unnatürlichen Verständnissen von Geschlecht, Gesellschaft, Macht, Sexualität, die im Feminismus immer wieder zu finden sind. Meine geliebte Liliana vergleicht Feministinnen und feministische Wissenschaftlerinnen mit Leuten, die an UFOs glauben, und all die Damen und Mädchen ihrer Familie in Argentinien mögen den Feminismus nicht; ohne dass ich das jetzt selber unterschreiben könnte.

In sowohl Selbstverteidigung als auch Down Girl kommt eine idiosynkratische Psychologie der Autorinnen zum Vorschein. Woher kommt aber diese? Von der traumatischen Erfahrung mit einem alkoholabhängigen Vater, der die Mutter geschlagen hat (wie oben vorgeschlagen)? Das wäre dann natürlich leicht zu entschlüsseln und behandelbar. Man scheint es aber mit einem grundsätzlicheren Persönlichkeitstypus zu tun zu haben. Schau dir bestimmte MoralisiererInnen und KämpferInnen für Gerechtigkeit (oder eben Feministinnen) genauer an: Man sieht, wie solche Leute ständig herumpendeln zwischen Ohnmachtsgefühlen und Größenwahn, Selbstverkleinerung und Selbstinflationierung; zwischen einem sich ständig beleidigt und verhöhnt Fühlen und dabei dann selbst nichts anderes zu tun als zu beleidigen und zu verhöhnen. Andere Register können sie nicht ziehen, und so sind sie tatsächlich darin gefangen (bzw. davon unterdrückt).  Man frägt sich, ob hinter ihren moralischen Entrüstungen eine echte moralische Empörung steckt oder eine Schadenfreude, dem politischen Gegner was anhängen zu können, und von der man sich grundlegend ernährt. Zumindest scheint beides gleichsam unauflöslich miteinander verschmolzen, damit also insgesamt als eine durchwachsene Sache. Diese Leute sind sehr selbstbezogen. Da ihr Wille zur Weltverbesserung nicht wirklich und rein gut ist, sondern vielmehr von Revanchismus bzw. dem eigenen Machtwillen getrieben, ist es kein Wunder, dass sie sich ständig (von sich selbst) entfremdet fühlen und die Lösung für das Problem der Entfremdung in einem irgendwie radikalen (und gewalttätigen) Umsturz der Gesellschaft suchen. Insgesamt scheint die Idiosynkrasie als zu manifest und die grundsätzlichen Möglichkeiten des Denkens, Fühlens, Erlebens zu betreffen, als das man es als es als etwas Angelerntes oder als ein Epiphänomen betrachten könnte. Dann hat man es aber weniger mit Traumata, Komplexen oder Neurosen zu tun, als mit einem grundsätzlichen Persönlichkeitstypus oder aber einer Persönlichkeitsstörung. Doch wiederum keine der bekannten Persönlichkeitsstörungen scheint hier zu passen. Es gibt keinen Konflikt zwischen dem Narzissmus oder den Wahnvorstellungen eines Mannes und seiner Misogynie, also der Tatsache, dass er durchgängig stark von misogynen gesellschaftlichen Kräften getrieben ist. Denn Misogynie ist ihrem Wesen nach narzisstisch und wahnhaft. Sie verwandelt unpersönliche Enttäuschungen in erbitterten Groll – oder in eine „gekränkte Anspruchshaltung“… heißt es in Down Girl (S. 137f.) Dann kann man wohl davon ausgehen, dass das bei der Misandrie dasselbe ist. Doch woher kommt diese Form der Misogynie oder Misandrie? Angesichts dessen, was über Persönlichkeitsstörungen bekannt ist, tappt man einigermaßen im Dunkeln.

Da lese ich aber neulich etwas darüber, dass, jüngsten Untersuchungen zufolge, eine Tendenz bei bestimmten Menschen, sich ständig als das Opfer zu fühlen, einem „Persönlichkeitstypus“ entspricht, der sich durch mehrere (toxische) Merkmale auszeichnet: 1) einer ständigen Suche nach Bestätigung, dass man Opfer einer Ungerechtigkeit ist 2) ein Gefühl der eigenen moralischen Überlegenheit 3) Empathiemangel 4) Revanchismus. Ein solcher Persönlichkeitstypus kann auch bestehen, ohne dass tatsächliche (rational erklärbare) Kränkungen oder Traumatisierungen stattgefunden haben. Man hat es also offenbar mit einer Persönlichkeitsstörung zu tun, die noch nicht kategorisiert ist, und die Elemente vor allem einer narzisstischen und einer paranoiden Persönlichkeitsstörung aufweisen (während andere Elemente jener beiden Persönlichkeitsstörungen wiederum fehlen). Im Gegensatz zu einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung ist das Selbstwertgefühl letztendlich niedrig; wie Narzissten in Wut geraten, wenn ihre Grandiosität (auch nur geringfügig) angezweifelt wird, tun es die Opfer, wenn das bei ihrem Opferstatus der Fall ist. Die Opfer sind vielleicht nicht ausgesprochen (sondern nur tendenziell) paranoid, leben aber in einer quasi-paranoiden Welt mit einem fixen Feindbild (wobei die Paranoiden diesbezüglich variabler sind), mit dem sie sich in einem ständigen Duell und Machtkampf erleben darum, wer das eigentliche Zentrum des Universums ist, und der eigentlich „legitime“ Herrscher, wobei das Feindbild als eine Art Usurpator angesehen wird, der die Macht mit illegitimen Mitteln an sich gerissen hat; mehr noch: der einen seiner ursprünglichen glänzenden Eigenschaften beraubt hat und nur so, mit dieser gestohlenen Krone, an die Macht gelangen konnte (um dort nichts als egoistisch zu sein und Unheil anzurichten). Es ist, wie bei Narzissten und Paranoiden, schwer bis unmöglich bei ihnen festzustellen, ob ihr Streben von der Wurzel her defensiver oder offensiver Natur ist, also ob ihr Größenwahn und ihre Selbstbezogenheit Kompensationen eines Minderwertigkeitsgefühls ist, oder aber das Minderwertigkeitsgefühl Resultat eines Größenwahns, der sich in der Realität nicht behaupten kann, so dass man diese schließlich grundlegend und revolutionär ändern und umstürzen will. Wie Narzissten hungern die Opfer nach Anerkennung, allerdings weniger nach übertriebener Anerkennung und persönlicher Auszeichnung, sondern eher nach „gerechter“, ausgleichender Anerkennung für ein Kollektiv, mit dem sie sich identifizieren. Sie haben wohl einen größeren Wunsch nach Geborgenheit und sich moralisch tatsächlich weniger ichbezogen als Narzissten; allerdings stellt sich die Frage, inwieweit sie sich für ihr eigenes Kollektiv tatsächlich interessieren oder ob dieses vorrangig als eine Verlängerung ihres eigenen Ichs fungiert; das sie also – so wie sie es ihrem Feindbild vorwerfen – für sich vom Subjekt zum Objekt und zur Verfügungsmasse machen. Ihr Empathiemangel ist vielleicht ihr eigentliches Unglück, denn so sind sie schwer in der Lage, sinnvolle Beziehungen einzugehen noch sich vorzustellen (und damit auch, die Gesellschaft insgesamt zu begreifen), und sie tun sich (anders als Narzissten mit ihren Manipulationsfähigkeiten und ihrem schneidigen Charme) schwer, andere zu beeindrucken – was dann eben wieder zu Gefühlen der Minderwertigkeit und des Nicht-Wahrgenommenseins führt, und ihre innere Position weiter zementiert. Die mangelnde Genussfähigkeit tut ihr Übriges.

Es handelt sich auf einem solchen Level (der Persönlichkeitsstörung) weniger um einen (in etwa: neurotischen oder komplexbehafteten) psychodynamischen Konflikt, sondern um ein Fehlen bestimmter Fähigkeiten, bestimmte Positionen miteinander abzustimmen, einen Mangel an psychologischer Integriertheit. Daher wird die eigene Welt, in der man lebt, zu einer echten, kaum veränderbaren, statischen und starren Welt, die zwar tief von einem Konflikt bestimmt wird, aber von kaum einer Dynamik, die sich aus einem solchen eigentlich ergeben sollte. So heißt es dann auch in Selbstverteidigung in Bezug auf die fiktive Amokläuferin (und angebliche Stellvertreterin für Frauen allgemein) Bella: Die Mörderin Bella macht die gleiche Erfahrung wie das „Opfer“ Bella … Bella hat somit keine Metamorphose, sondern eine Anamorphose vollzogen. Sie ist immer noch dieselbe, sie wird nur anders gesehen und sieht sich anders, aus einer anderen Perspektive (S.217) … Die extrem gewalttätige Bella ist immer noch Bella, aber eben ein anderes Gesicht von Bella, das geheim, verborgen, tabu und Bella selbst unbekannt ist. (S.218) Bella ist auch keine Feministin, sie ist gar kein politischer Mensch, sie strebt (offenbar) kein goldenes Matriarchat an: man/frau könnte sich aus politischer und feministischer Sicht fast also fragen, wozu das Ganze? Das Ganze nur um inneren Dampf abzulassen? Äquivalent dazu gibt es auch in Down Girl keinen hoffnungsvollen Schluss, sondern nur die Feststellung, dass sich an der Misogynie in den USA im Lauf all der Jahrzehnte „nichts geändert“ habe, weswegen Kate es auch „aufgebe“, etwas zu ändern, da sie dabei sowieso nicht verstanden und als gemein, aggressiv und penetrant (darf ich sagen: schrill) abgekanzelt werden würde (das konkrete Beispiel dafür, warum sie sich missverstanden fühlt, ist dabei ihre bizarre und impertinent selbstgerechte Heranziehung der Kinderbücher von Shel Silverstein, als bei Beispiel für unveränderte Misogynie, für die allein ich ihr am Liebsten ihr Down Girl an den Kopf werfen würde (S.460-62). Das würde mich aber wahrscheinlich als gemein, aggressiv und penetrant erscheinen lassen, und ansonsten nichts bewirken). Elsa Dorlin beschreibt, so wie sie es im Schlusssatz von Selbstverteidigung ausdrückt, ein Leben in der Defensive, aus dem sie sich selbst heroisch befreien will und Bezug nimmt zu Amokläufen. Ähnlich zu einer passiven Aggressivität scheint man es hier mit einer „defensiven Aggressivität“ zu tun zu haben.

Es lohnt sich auch, zu fragen, inwieweit ein solcher Persönlichkeitstypus häufiger in der Geschichte bei radikalen Denkern der Fall war. Rousseau zum Beispiel war eine abnorme, paranoide Persönlichkeit. Marx war ein schwieriger Mensch mit einem unnatürlich ausgeprägten Hang zum Polemisieren gegen ideologische Gegner – vor allem, wenn diese ideologisch gar nicht so weit entfernt von ihm selbst waren. Ich bereite eine große Studie über Marx vor. Beim Lesen zum Beispiel von Das Elend der Philosophie springen die Polemiken gegen Proudhon ins Auge. Sie sind sowohl hinsichtlich Qualität und Quantität außerordentlich: an und für sich von einem Vernichtungswillen getrieben und zwanghaft angebracht. Bei aller intellektuellen Souveränität und Überlegenheit wirkt Marx emotional das in keinster Weise, sondern sich in Zorn, Groll und Kleinlichkeit verzehrend, von ihren beherrscht und nicht über sie herrschend. In Art und Intensität geht das Polemisieren von Marx generell über das rational Nachvollziehbare hinaus. Ebenso wie seine Arroganz, sein Autoritarismus im Formulieren und sein Triumphalismus im Konstatieren. Man hat den Eindruck, es ist der Neid auf Proudhon, dem damaligen Starintellektuellen der radikalen Linken, in dem sich der damals ziemlich unbekannte Marx verzehrt. Und sein Triumphieren, wenn er mit einer richtigen Behauptung daherkommt, ist immer wieder ein höhnisches Triumphieren; von wegen: Nicht Proudhon sei der wahre intellektuelle Arbeiterführer, sondern er, Marx! Nicht Ricardo sei der tiefsinnigste Ökonom, sondern er, Marx! Aus diesem Groll und Neid gegen alles, was an der Macht ist, speist sich dann eben das gesamte Werk, die gesamte Bewegung bei Marx und Rousseau.

Was mich anlangt, ist der Feminismus für mich ein Thema unter vielen. Ich lebe in etwa im 23. Jahrhundert, also was soll ich mit dem Feminismus? Es ist auch nicht der Feminismus oder der Kommunismus, den ich anstrebe; was ich anstrebe, ist der Buddha-Verstand, ist der Christus-Verstand. Kaum eineR ist in der Lage, mit dem Buddha-Verstand, mit dem Christus-Verstand daher zu kommen, also muss ich das machen, auch wenn ich davon von allen verachtet und so gut wie nicht zur Kenntnis genommen werde. Einer muss da sein, einer muss Wacht halten. Ich verstehe meine Position. Neulich lese ich im Atlantic, dass sich eine neue Bruchlinie in der Gesellschaft auftun könnte: eine zwischen extrovertierten und introvertierten Menschen. Hell yeah, eine neue Fraktionslinie innerhalb unserer zeitgenössischen Gesellschaften! Das lähmende Zeitalter von Nietzsches „letztem Menschen“, in dem nichts mehr passiert und keine Grundsatzkonflikte mehr da sind, scheint an sein Ende zu kommen, wenngleich wohl anders als erwartet. Sondern durch Partikularisierung durch Identitätspolitik im Rahmen von sogenannten „Luxusproblemen“ in einer „Überflussgesellschaft“. Auf das Zeitalter des „letzten Menschen“ folgt dann bekanntlich der Übermensch, und diese Prophezeiungen scheint sich gerade dadurch zu erfüllen. Der Übermensch beschäftigt sich mit der Summe der menschlichen Probleme und ist daher in der Lage, sie ideell zu überwinden und so einen neuen Ordnungsrahmen zu schaffen. Das haben Übermenschen zu allen Zeitaltern gemacht, technisch waren sie aber noch nie zuvor in der Lage, das tatsächlich im planetarischen Maßstab und auf dem Level des planetarischen Intellekts zu tun. Eine neue Totalität wird nun aber entstehen und sie wird eine große Herrlichkeit sein. Das ist der Sinn der Erde.

April/Mai 2021

Kurt Leider und das transzendentalphilosophische Totalgenie

Ich bereite eine Arbeit über Hölderlin vor und stolpere also beim Suchen nach Literatur darüber über eine ominöse Schrift: Studien zum Wesen des Genies in transzendentalkritischer Durchleuchtung von Kurt Leider. Zu Kurt Leider findet man noch weniger Informationen in den Archiven der Menschheit als zu Hölderlin im 19. Jahrhundert. 1902 geboren, 1988 gestorben, gründete er 1952 die Philosophische Akademie zu Lübeck und veröffentlichte Schriften zu Kant, Buddha, Schopenhauer, Nietzsche, Meister Eckhart oder Aurelius Augustinus – also mit einer Vorliebe zu transzendierenden Weltendurchschauern (wie Hölderlin) – in kaum wahrnehmbaren Verlagen, die nicht mehr existieren.

In den Studien zum Wesen des Genies in transzendentalkritischer Durchleuchtung tut er mir den Gefallen und stellt den, in der Geschichte bisher real nur so vorhandenen, Partialgenies das transzendentalphilosophische Totalgenie gegenüber. Im Gegensatz zum beschränkten Durchschnittsmenschen rührt das transzendentalphilosophische Totalgenie stets an die grenzenlosen, nicht zu überschreitenden Grenzen von Dasein und Welt, beginnt es kraftvoll und ohne Umschweife (S.1), und fährt fort: Das Totalgenie, das aus dem sich gleichbleibenden Zentrum Dasein und Welt begreift, weiß zugleich, dass Zentrum und Grenze für immer aufeinander angewiesen und bezogen sind; es weiß, dass Zentrum nie ohne grenzenlose Grenze und grenzenlose Grenze nie ohne Bezogenheit auf das Zentrum ist. Nur dadurch erfährt das Totalgenie etwas von der Unheimlichkeit des Daseins, von der Weite, Tiefe und Höhe desselben … Das Totalgenie lebt nie in einem beschränkten Raum und in einer beschränkten Zeit, sondern erfasst und erfüllt den Erdenweltraum als solchen und die Erdenweltzeit als solche, denn es kennt nicht wie der Durchschnittsmensch den Schrankenraum und die Schrankenzeit, die immer nur von einem bestimmten Standpunkt aus möglich werden, vielmehr erkennt das Totalgenie den Grenzraum und die Grenzzeit, die allein durch das Erfassen der Welt aus dem Zentrum heraus zustande kommen, um auf diese Weise zugleich von einer unheimlichen Sehnsucht gepackt zu werden, über Raum und Zeit hinauszuverlangen. Auf dieses Zentrum-Grenze-Grund-Prinzip rekurriert Kurt immer wieder, als seine eigentümliche Leistung, wie man das reine, totale Genie begreifen könne. Aus dem Zentrum einer reinen Anschauung, einer Unverfälschtheit, eilt das Genie zu den Grenzen des Bekannten, des Möglichen, und schiebt sie weiter hinaus, legt dadurch den Blick auf den Grund frei, hinter aller Erscheinung, und hinter allem Vermögen, das „große Mysterium“, das verzehrt und gebiert, begegnet allen Paradoxien, die auf diesem Weg und Vexierspiel liegen und zähmt sie. So zunächst. Dieses kommt im allgemeinen Wirken des Genies vor. Im Totalgenie erhebt sich dieses Wirken zu höchstem Ausdruck und höchster Bewusstheit. Das Transzendenzbestreben des Genies erlangt seinen höchsten Ausdruck, und gelangt endlich zur Ruhe, indem es überhaupt im Reich des Transzendentalen und Idealen ankommt. Der Genius lebt nie im Medium der Realität, weder der empirischen noch der metaphysischen Realität, sondern einzig und allein im Medium der transzendentalen Idealität und wird sich so seines Charakters als reiner Erscheinung bewusst, die nach dem unbekannten und geheimnisvollen Grunde hinverlangt. Auf der Spannung zwischen der Idealität der Erscheinung und der Idealität des Urgrundes beruht das Wesen des Totalgenies, das den Schein reiner Empirie ebenso überwunden hat wie den Schein reiner Metaphysik. Geradezu in leidenschaftlichem Protest gegenüber aller empirischen und metaphysischen Realität setzt sich das Totalgenie für die transzendentale Idealitöt der Erscheinung und für die transzendentale Idealität des Grundes fern von aller Empirie und aller Metaphysik ein. Erst mit der Eroberung der Idealität des Daseins als einer reinen Erscheinung, die nach dem unbekannten Grunde hinverlangt, hat das Leben für das Totalgenie Sinn erhalten und ist die Sinnlosigkeit allen gemeinen Lebens inmitten realer Empirie und realer Metaphysik verschwunden. (S.2)

Ja, ich sage das ja auch immer, dass ich das Gefühl habe, am meisten im Zentrum zu sein hinsichtlich der menschlichen Affären und gleichzeitig irgendwo sehr weit draußen, exzentrisch, an der periphersten Peripherie. Das ist aber dem Träger von Universalität wohl notwendigerweise wesentlich, die ja schließlich die zentralen Bereiche umfasst und die peripheren; vor allem aber, insofern die Beschäftigung mit dem Universalen die exzentrischste aller Tätigkeiten ist: insofern alle anderen mehr oder weniger mit dem Tagesgeschehen beschäftigt sind, ist der Universalisierer der Peripherste von allen (ein für den Universalisierer bisweilen schwer zu ertragendes Paradoxon). Ja, ich sage das ja auch immer – im Hinblick auf die Begegnung mit dem „rätselhaften Urgrund“ – dass es in mir so ist, als würde ich durch einen dauernden Abgrund fallen, wie Alice im Wunderland. Das ist aber notwendigerweise so, wenn man den absoluten, und durch ein Ego nicht mehr behinderten Tiefsinn in sich hat. Was soll Tiefsinn und Profundheit denn anderes sein als ein bodenloser Abgrund? Das ist, beizeiten, ein seltsames Gefühl. Mittlerweile, oder zumindest zur Zeit, habe ich mich aber daran gewöhnt und mich ganz gut darin eingerichtet. Dieses durch den Abgrund Fallen ist ja mein Wesen, das Ding an sich hinter meiner rätselhaften Erscheinung. Ich falle durch meinen Abgrund, bin aber dadurch ICH, der Grund selbst, der dadurch also so wenig dunkel und rätselhaft ist wie ich, sondern völlig klar und eindeutig und transparent. Die Himmelskörper fallen ja auch durch das Universum, sind nicht in einem absoluten Raum fixiert, und es ist gut so. Alles Empirische ist relativ; wäre es nicht relativ, wäre es auch nicht empirisch … Wo jedoch viele Standpunkte möglich sind, gibt es noch keinen eigentlichen Standort, d.h. keinen Standpunkt über allen Standpunkten, denn dies ist allein der transzendentale Standort, von dem aus die bloße Relativität ebenso überwunden ist wie alle bloße Absolutheit. (S.4) Das transzendentale Bewusstsein als das wahrhaft geniale Bewusstsein hat alle Schranken eines endlichen Standpunktbewusstseins durchbrochen und bewegt sich dennoch nicht in einem schrankenlosen Absoluten der Metaphysik, sondern rührt an die grenzenlosen Grenzen und erfasst auf diese Weise echte Wahrheit. Transzendentale Wahrheit ist Grenzwahrheit und transzendentale Gutheit ist Zentrumsgutheit, die das innerste Wesen des Totalgenies ausmacht. (S.5) Ja, das kenne ich ja auch (irgendwie): Denn das, was sich vor meinem geistigen Auge und über mein gesamtes körperliches Empfinden auftut, ist tatsächlich etwas, das stabiler und robuster und grundsätzlicher ist als alle empirische Welt, und gleichzeitig erhabener und weniger schwammig als die dunkle und abgründige Metaphysik; es ist, wenn man so will, die herausführende Zusammenführung von Physik und Metaphysik; das Alpha und das Omega des In-der-Welt-seins; die Zusammenführung aller synthetischen Erkenntnis und die damit gleichzeitige Freimachung des a priori. Kann es also sein, dass ich nicht in einem transzendenten, sondern einem transzendentalen Raum angelangt bin?

Ein Kriterium für das echte Genie ist dies, dass es sich in gleicher Weise  erhoben hat über alle reale Empirie und alle reale Metaphysik, indem es als ein neues Plateau sich die transzendentale Welt der Idealität erobert hat, die über alle Immanenz der realen Empirie und über alle Transzendenz der realen Metaphysik hinausliegt. (S.3) Wie macht das Genie das? Indem es einen ursprünglichen, reinen, guten Willen zur Wahrheit hat, und eben gerade dadurch immer schon in der Wahrheit ist. Was ist Wahrheit überhaupt? Die Antwort lautet: Wahrheit ist für das Totalgenie niemals Ziel allen Forschens, sondern Voraussetzung… (S.2). Der urtümliche Drang des Totalgenies sei ein reiner guter Wille (laut Kant dem einzigen, was ungeteilt gut ist), somit ist das Transzendentalgenie und sind seine Erzeugnisse rein und, trotz aller Paradoxien, ungeteilt und widerspruchsfrei. Aus der Zentrumstiefe des reinen guten Willens entspringt allein auch die Freiheit des Totalgenies … Für ihn gibt es keinen kategorischen Imperativ der Pflicht, der die Neigung entgegensteht. Es gibt für diesen reinen guten Zentrumswillen keinen Zwiespalt zwischen Wollen und Sollen, vielmehr will der reine gute Wille das, was er soll, und er soll das, was er will: die grenzenlose Grenze der Natur im Sinn der Idealitöt des Daseins als Erscheinung, die nach dem unbekannten Grunde hinverlangt. Begriffe wie Schuld und Sünde sind dabei dem transzendentalen Genius ebenso fremd wie Begriffe der Zerknirschung, Verzweiflung, Furcht, Angst und Zittern; denn diese Begriffe entstehen nur dort, wo Wollen und Sollen auseinandergefallen sind. Die Moral des Totalgenies ist zu einer wahrhaft reinen geworden, ebensosehr wie seine Natur, seine Kunst und seine Religion rein sind. (S.6) Insofern es transzendental ist, ist es notwendigerweise ungeteilt und widerspruchsfrei, wenngleich es scheinbar unergründlich und paradox ist, wie eben die Transzendentalien selbst. Ja, das kenne ich alles sehr gut. Ich habe auch nichts Böses und nichts Verzweigtes oder Abgezweigtes in mir. Das ist wohl offenbar so, weil die Quelle des reinen guten Willens eben rein ist.

Bezüglich des Totalgenies gibt Kurt Leider zu, dass es in der Wirklichkeit wohl noch nie aufgetreten sei: Kein faktisches Genie entspricht unserer transzendentalen Strukturanalyse vom Universalgenie, das in dieser Beziehung stets nur eine Aufgabe bleibt (S.11, zu den Beschränkungen der faktischen Genies auch S.84). Die religiösen Genies zum Beispiel sind (notwendigerweise) keine Genies des kritischen Denkens, die wissenschaftlichen nicht notwendigerweise künstlerische, Kurt Leider besitzt, trotz seiner singulären Einsichten, kein schriftstellerisches Genie und hat zu den wissenschaftlichen Genies ein so abwertendes und eigentümliches Verhältnis, dass man meinen könnte, er sei kein wissenschaftliches Genie. Ich hingegen habe unlängst wieder einmal einiges ausgeführt, zusammengefasst und vertieft von der Vereinigung allen Wissens im Geist, also dem absoluten Geist in der absoluten Form, von dem ich finde, dass es sich zu den Ausführungen von Kurt gut dazu gesellt. Das transzendentalphilosophische Totalgenie ist gleichsam ein Imperativ; gleichzeitig eine Hoffnung darauf, wie der menschliche Geist seiner eigenen Transzendentalität begegnet, sie in sich aufnimmt, sich dadurch selber durchleuchtet und so absolut wird, indem die Kompetenz seiner Vermögen schrankenlos wird: so dass er also nur mehr von definitiv anderen Wesen, die andere Vermögen haben, übertroffen werden kann (die jedoch wiederum der Beschränktheit ihrer Vermögen unterliegen). Schrankenlos wird das Vermögen der Vermögen, indem das Genie in seinem Transzendenzbestreben endlich in der Transzendentalität anlangt.

Transzendental heißt: die Bedingung der Möglichkeit von etwas; im Gegensatz zu transzendent: (die unmittelbare Empirie) überschreitend. Die unmittelbare Empirie wird, im Sinne von höherem Wissen, überschritten, indem man das Erkenntnisstreben konzentriert und (in Ermangelung eines anderen Ausdrucks) „introspektiv“ durchleuchtet, bzw. indem man sich des Raumes der Erkenntnis gewahr wird, die Möglichkeiten und Bedinungen der Möglichkeiten von Erkenntnis als Fragestellung in sein Erkenntnisstreben miteinbezieht. Durch diese Reflexion über die Reflexion besteht die Möglichkeit, dass die materiale Hyle platten Gegenständlichkeit gesprengt wird, die Erkenntnis über die Gegenstände vertieft, und die Manövrierfähigkeit des Erkennens erhöht wird. Ab einem bestimmten Punkt, nach einem mehr oder weniger langen diesbezüglichem Gärungsprozess, besteht die Ermöglichkeit der wahrhaft transzendenten, der erleuchteten Erkenntnis. Tatsächlich, wenn man das so betrachtet, geschieht die erleuchtete Erkenntnis, das Satori, weniger in der Transzendenz, sondern, wenn das Transzendenzbestreben in der Transzendentalität angekommen ist, und die Erkenntnis sich selbst zum Gegenstand gewonnen hat. Das Satori beschreibt ein Erlebnis, wo das höhere und totale Erkenntnisstreben und die Transzendenzbemühung eine stabile Grundlage erreicht haben – tatsächlich muss diese Grundlage dann eben eine transzendentale sein … (denn Transzendenz ist ja ruhelos…) … Transzendental bedeutet, im Sinne von Kant, die Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis; es ist a priori und ein Raum, in dem Erkenntnis stattfinden kann. In einem urtümlicheren Sinn sind die Tranzendentalien (wie das Schöne, Wahre, Gute) die grundlegenden Dimensionen der Existenz, die nicht mehr transzendierbar sind (hinter denen also kein „rätselhafter Urgrund“ mehr ist). Man kann, glaube ich, das, was im Osten als Satori beschrieben wird als das Äquivalent ansehen, zu dem, was im Westen als der Geist des Genies gilt. Das Genie gelangt zu reinen Anschauungen und lebt tatsächlich in einer idealen Welt der Erscheinungen. Es lebt in einem Raum, in dem sich die Erscheinungen gebären und verzehren – wenn man so will, vielleicht tatsächlich im transzendentalen Raum. Ja, ich habe etliches von dem schon mal gesagt und werde es versuchen, auch immer wieder, und besser, zu sagen; jetzt, nachdem die mögliche Erkenntnis von der genialen Erkenntnis als der transzendentalen Erkenntnis dazugekommen ist, muss ich auch das weiter ausleuchten: eine Arbeit über „Kant und Buddha“ wird wohl notwendig sein.

Die letzte Konsequenz des transzendentalphilosophischen Totalgenies nach Kurt Leider ist, dass es, in seinem radikalen Erkenntnisstreben, auf den rätselhaften Urgrund trifft, der aber, als solcher, unerkannt bleiben muss. Daher das tiefe Weh des Totalgenies. Der „Urgrund“ und die Sehnsucht danach sind aber etwas Fiktives. Natürlich gibt es ihn, so (also, als etwas Substantialisiertes), nicht wirklich. Er ist etwas, nach dem das reine Erkennenwollen strebt, welches ewig transzendent in seiner Ausrichtung ist; und somit eine Begegnung mit der Transzendenz des Erkenntnisstrebens. Der rätselhafte, formlose „Urgrund“ ist, wenn man so will, die Begegnung des Geistes mit sich selbst. Er kann daher nicht über Gegenstände identifiziert wird, da es dort keine Gegenstände mehr gibt: der Geist ist kein Gegenstand mit schönen Umrissen, sondern ein Vermögen (dementsprechend wird der „Urgrund“ auch gerne als „reines Potenzial“ begriffen, das natürlich inhärent rätselhaft und unvorhersehbar ist). Das Totalgenie wird geradezu heimgesucht von der mächtigsten Sehnsucht aller Erscheinungswelt nach ihrem Grunde, aber es verhält sich stets in Distanz dem Urgunde gegenüber, obwohl die Sehnsucht zum ihm niemals gestillt werden kann; denn nur was Erscheinung ist im Sinn der Idealität des Daseins, hat einen Grund, der jedoch niemals offenbar wird. Nur wo alles gewusst wird, dass nämlich nichts als Erscheinung ist, wird zugleich nichts gewusst vom Grunde dieser Erscheinung, außer diesem, dass er durch die Erscheinung möglich geworden ist. Dass der Grund allein durch die Erscheinung möglich geworden ist, ist das Letzte, wovon das Totalgenie etwas zu wissen vermag, niemals aber etwas von dem Was des Dass, denn dies liegt außerhalb des tranzendentalen Bewusstseins. (S.8f.) Wenn wir das allerdings so fassen, dass die ideale Welt der Erscheinungen transzendental ist, … so gibt es eben keinen besonderen Grund mehr dahinter, da hinter der Transzendalien eben nichts mehr liegt. Der transzendentale Grund ist so höchstens der geniale Geist des Totalgenies, der diese Welt anschaut und als solche erkennt. Bzw. wenn Kurt meint: Das heißt: Es gibt für uns weder eine real empirische Welt noch eine real intelligible Welt mehr, es gibt für uns keine Zweiweltentheorie, sondern die eine Welt als solche ist zur Erscheinung geworden im Sinne der Idealität des Daseins, die ihrerseits allein den Idealitäts- und nicht den Realitätsgrund möglich macht. Welt ist stets beseelte Welt, und diese stets beseelte Welt ist es, die allein den Urgrund möglich macht (S.163), so ist diese „Seele“ also der Grund, bzw. der geniale, reine Geist des Totalgenies.

Draußen, an den Grenzen, an der grenzenlosen Grenze der Naturerkenntnis (S.6), oder besser gesagt, der geistigen Erkenntnis, gelangt man Erkenntnissen, die nur mehr in etwa als Paradoxien beschreibbar sind. Eine Leere, die gleichzeitig eine Fülle ist; eine Anwesenheit, die gleichzeitig eine Abwesenheit ist; der Unvollständigkeitssatz; wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen; etc. Das ist dann die Weisheit des Tao oder des zen-buddhistischen Koan, das zum Satori führt. Das ist die tiefste Einsicht in die Erkenntnis, das ist die tiefste Einsicht in die Welt. Aber es ist eine geistige, eine den Geist betreffende, und keine Naturerkenntnis. Hinsichtlich der Naturerkenntnis gelangt man nicht zu Paradoxien, sondern immer wieder zu neuen, spannenden Resultaten. Isaac Asimov meint, die Naturerkenntnis und der Fortschritt in den Naturwissenschaften seien fraktal (bzw. gleichsam fraktal). Kurt Leider hat wegwerfende Ansichten zur Möglichkeit des wissenschaftlichen Genies; tut, in kantscher Tradition, so, als ob es das gar nicht geben könne (da es ja nicht schöpferisch-original sein könne, sondern an die Interpretation der realen Phänomene gebunden): so bleiben ihm gleichsam wichtige und grundlegende Einsichten in den Charakter der grenzenlosen Grenze der Erkenntnis als auch in den rätselhaften, verborgenen, immer verborgen bleibenden Urgrund versagt. Ich habe vom Ort der großartigen Erkenntnis als der Weißen Hütte gesprochen, wo sich erlernte Anschauungsformen – genau gesagt, die Totalität der erlernten Anschauungsformen – synthetisch auflösen und man in einem Raum von weißem Licht steht, wo die Erscheinungen und Frequenzen hie und da, auf halber Höhe als angenehme Kräuselungen im Medium vorbeiziehen – höchst interessant und höchst interessierend natürlich. Diese Weiße Hütte ist ein inneres Bild von einen Wahrnehmungs- und Erkenntnislevel, das man erobert hat. Es zieht einen dann natürlich weiter rein in die Weiße Hütte, es zieht einen in das rätselhafte Zentrum der Weißen Hütte. Soweit ich aber sagen kann, gibt es in der Weißen Hütte, so, natürlich kein Zentrum, und kein letztgültiges Mysterium, keine letztgültige Erkenntnis, wo man hingelangen kann. Denn die grenzenlosen Grenzen der Naturerkenntnis sind fraktal; die Grenzen der Natur wie der Urknall oder der Beginn der Evolution sind Phänomene der Emergenz, oder weniger als das: das Zusammenkommen von Ereigniskomponenten nach der Art einer chemischen Reaktion, das dann eine Art Explosion auslöst. Das Licht der Weißen Hütte lehrt einen, reine und praktische Vernunft und Urteilskraft zu schärfen, die Dinge zeigen sich fortwährend in deutlicherer Gestalt und klareren Umrissen. Das ist das fraktale Fortschreiten der Erkenntnis, das ist die Sicht auf die Unendlichkeit der Erkenntnis: die Unendlichkeit, sofern sie irgendwie gegenständlich erkennbar sein soll, kann das nur sein, wenn man Einsicht hat in ihren (gleichsam) fraktalen Charakter. Für mich, in der Weißen Hütte, gibt es nichts Neues unter der Sonne, und alles ist neu und furchtbar aufregend. Kurt Leider meint, jenseits des Nirwana, also der verschmelzenden Auflösung der Formen, gibt es zwar noch einen Zustand: allerdings nur mehr den des Wahnsinns, in den das Totalgenie in letzter Konsequenz verfällt (S.9f.). Ja, das kann leicht der Fall sein, wenn man die göttliche Rationalität der naturwissenschaftlichen Erkenntnis missachtet und schmäht; aber nicht bei mir und meiner kleinen, feinen, totalgenialen Welt. Da hat man im Gegensatz dazu fortschreitende und immer besser werdende Klarheit. Bei Kurt Leider ist die Erkenntnis des transzendentalphilosophischen Totalgenies „tragisch“… Dabei ist für diese konsequent zu Ende gedachte Transzendentalphilosophie – im Gegensatz zu Nietzsches berühmtem Ausspruch „Lust tiefer noch als Herzeleid“ – der Weltschmerz mächtiger als die Weltlust, denn die Lust aller Erscheinung besteht nicht zuletzt darin, den Grund dieser Erscheinung möglich gemacht zu haben, während der Grund als solcher niemals offenbar werden kann, da der Weg aller Erscheinung zum Grunde hin über das transzendentale Nirvana geht, das selbst noch keine Erlösung bringt, sondern nur den Weg zur Erlösung durch den Grund freimacht. Hier aber beginnt die eigentliche Tragödie des Daseins, der nicht selten in die Nacht des Wahnsinns einmündet. In diesem Grunde oder vielmehr an diesem Grunde als dem Urproblem und dem großen unbeantwortbaren Fragezeichen geht schließlich der Transzendentalphilosoph selbst wahrhaft zugrunde, und damit endet unsere ebenso kritisch transzendentale wie geniale Idealitätsphilosophie einer reinen Erscheinung, die stets unstillbarer Sehnsucht hinverlangt nach dem geheimnisvollen Grunde. (Schluss, S.269) Ist es eine Tragödie? Ist es eine Komödie? Ja, ich bin glücklich, denn ich sitze einfach da, mit meiner Bongotrommel, und betreibe stattdessen die fröhliche Wissenschaft. Wenn man die ideale transzendentale Welt der Erscheinungen sieht, hat man den Grund aller Erkenntnis und aller Welt erreicht, man ist bei den Transzendentalien; indem man betrachtet, wie auf diesem Schirm die Erscheinungen entstehen und vergehen und jede wiederum ein neues Problem aufwirft, ist es zwar eine unabschließbare Sache, und kein punktualer Grund, sondern eher ein Weg, oder eben eine transzendentale Raumzeit: aber man ist darin geborgen. Und: ubi bene, ibi patria.

Das hier soll, abermals, keine Angeberei sein, sondern eine wichtige Untersuchung, was an den Grenzen des menschlichen Denkens und Bewusstseins wohl passiert.

15., 16., 18. April 2021

Ad hoc Ruminations About the Foundations of Mathematics

Intuitionism, Formalism and Realism all have strengths and weaknesses; no one has been able to find common ground. What if the common ground is simply that the ontological and the epistemological are intertwined and interrelated (which does not mean that they are interdependent), and mathematics is virtual in nature? It is about, and is originally derived from measuring quantities, yet, through its formalisation, transcendent and independent from the qualities of the universe (its “fine-tunedness”) and therein stronger and seemingly residing “above” all physical universes. That is its hard reality. The hard reality of infinite mathematics is it (necessarily) being virtual (since infinite quantities are nowhere to be found in the physical universe). Since it is infinite, it necessarily contains paradoxes, as formalised in the incompleteness theorem. The harder pill to swallow than the incompleteness theorem is abandoning infinity from mathematics, since many calculations only make sense from assuming that infinite sets do exist; which then brings about that mathematics is synthetic, by such a “choice”. Yet, the mathematical untertaking is also analytic and finding a priori truths. As concerns the question whether mathematical truths are a priori and analytic or synthetic, philosopher Willard Van Orman Quine came up with the analyic and the synthetic in the Kantian sense actually not being so easily distinguishable anyway decades ago. With finding out mathematical truths and employing them in technology, humans are then able to alter the “quality” within the universe, which then might call for a more profound mathematics and new mathematical truths. Are they, then, analytic or synthetic in nature? I am happy that I am more or less through with reading Heidegger, so that I can soon start writing about him. Maybe I can also work my dilettante ruminations about the foundations of mathematics out later this year. That will feel good.

Logicism, Formalism, and Intuicionism | Cantor’s Paradise

A Short Remark to Fellow Realists | by Jan Gronwald | Mar, 2021 | Cantor’s Paradise

About Numbers | philiphautmann.com

Warum ich ein Schicksal bin

Einer (offenbar falschen) Erinnerung zufolge ist es mir, als hätte einer einmal gesagt: Zum Schluss sei Nietzsche in seiner Selbststeigerungsdramatik nichts mehr übrig geblieben, als, entpersönlicht, eins zu werden mit dem Schicksal. Zum Schluss führe das Transzendenzbestreben zu nichts mehr, als, lapidar und fatalistisch, darin aufzugehen, dass man „ein Schicksal“ werde. Das sei der Weisheit letzter Schluss (vielleicht also sollte man ihn besser vermeiden: denn was bringt so was denn?). Im Schlussabschnitt von Ecce homo, betitelt Warum ich ein Schicksal bin, seinen tatsächlich in etwa letzten Worten als geistig noch Lebender, schwelgt Nietzsche dann auf jeden Fall endgültig in Phantasien von der Heraufkunft des Bösen, der Vernichtung, des Antichristentums, des Immoralismus. Das ist es, wohin sein Transzendenzbestreben und Übermenschentum ihn zum Schluss gleichsam hingebracht hat. Ja, das kenne ich alles nur zu gut! Ich habe ja auch meine Freude am Antichristlichen und dem radikal Bösen. Bands wie Blasphemy, Bethlehem, Beherit, Proclamation, Abruptum oder Archgoat, die den besonders radikalen und abgefuckten Bestial und War Black Metal bzw. Ritual Black Metal spielen oder das Splitalbum von Pure Evil und The True Werwolf geben mir schon Land und ermöglichen mir (zeitweiligen) Aufenthalt, in sehr entfernten Regionen des Seins. Besonders der Pure Evil/The True Werwolf Split ist sehr weit draußen, wo das stabile Raumzeitgitter in einen Abgrund stürzt und man dann nur mehr die absolute Wand des Nichtidentischen, die absolute Begrenzung des Seins vor sich hat. Ja, so ist das. Es ist notwendig, sich in diesen Denk- und Seinsbezirken unbeschwert aufhalten zu können, genauso unbeschwert, wie in zentraleren Denk- und Seinsbezirken. Nur dann, so vermute ich, ist man in der Lage, das Zentrum zu verstehen, von dem alle Verbindungen ausgehen; nur dann ist es einem möglich, den ganzen Schaltplan des Seins zu erfassen: Wenn man Archgoat und den Pure Evil/The True Werwolf Split versteht, wenn man zu Nether Tombs of Abaddon und allgemein dem Zeug vom Nuclear War Now! Label eine osmotische Verbindung herstellen kann! Wenn man diese Denkmöglichkeiten erfassen kann! Das praktisch Böse hingegen ist mir zu dumm, ihm fehlt die Komplexität und Ausdifferenziertheit. Es ist, zwar vielleicht labyrinthhaft verworren, aber beschränkt und endlich, und daher nichts für unendliche Geister. Nietzsche hat das Böse nicht wirklich verstanden, seine Ausführungen dazu sind von bestürzender Naivität. Ob er Nether Tombs of Abaddon oder den Pure Evil/The True Werwolf Split verstanden oder geschätzt hätte, ist zumindest nicht sicher. Der elitäre Hochmut hätte es vielleicht verhindert, der Antithese tatsächlich furchtlos ins Auge zu blicken, so wie er zu seiner Zeit und zu allen Zeiten den Armen nicht furchtlos ins Auge blicken konnte, den Tschandala, den Sozialisten und Anarchisten und der Disharmonie in der Musik. Denn so war Nietzsche. Aus dieser Ab-gespaltenheit heraus ist ihm die Selbststeigerung dann auch nur unzulänglich gelungen, indem sie immer wieder nur auf sich selbst verwiesen hat und weniger auf die Möglichkeit der Symbiose mit dem Anderen und mit der Welt, war sie gewissermaßen ein Leerlauf, der den Übermenschen immer verfehlt, dafür dann aber mit der Herrschaft und mit dem Bösen gemeinsame Sache machen will. Als paranoide Persönlichkeit hat Nietzsche mit dem Willen zur Macht und der (redundanten, zirkulären, nicht-transzendenten) ewigen Wiederkehr des Gleichen und seiner Sympathie für die Herrschaft und für das Böse, an denen er, entgegen seiner allgemeinen Gewohnheit als Denker, dann so entschieden festgehalten hat, eventuell seinen eigenen, echten Wesenskern erkannt bzw. als metaphysische Prinzipien verkannt, genauso wie er – in an und für sich krankhaftem Ausmaß – von den Armen, der „décadence“, den lebensverneinenden Kräften erschrocken war und sich dauernd von ihnen bedroht gefühlt hat, so sehr eben, dass er sich in den Immoralismus geflüchtet hat.  Der Bestial und War Black Metal hingegen sagt frei heraus, dass er gegen das Leben gerichtet ist, und er ist so obskur und seine Musik ist so schlecht, dass es zum herrschaftlichen Mainstream nie irgendeine Verbindung geben wird. Wer den Bestial und War Black Metal als Denk- und Seinsbezirke kennt und schätzt, ohne ihnen freilich bedingungslos zu verfallen, hat hingegen die Möglichkeit, den hochzeitlichen Ring der Ringe zu schmieden und seine Transzendenz so abzurunden, dass sie ein perfekterer Kreis als das Sein, ein perfekterer Kreis als die Schöpfung wird. Er ist dann definitiv draußen aus diesem Sein.

Um aber zum Eigentlichen zurückzukommen: der Gedanke, dass einem als letzte und höchste Seinsstufe nur mehr bleibt, „ein Schicksal“ zu werden. Lapidar und fatalistisch, ohne echte Persönlichkeit und Idiosynkrasie, wie es scheint: Lohnt sich der Aufwand? Wird man, vor allem, dabei nicht auf eine viel niedrigere und primitivere Seinsstufe zurückgestoßen, ist es ein unwürdiger Regress? Das Schicksal ist blind und blöde. Das Schicksal ist aber auch der Chaosmos – das Zusammenspiel von Zufall und Ordnung – und damit das tiefste und eigentlichste Prinzip der Welt. Wenn man eins wird mit dem Schicksal, hat man die größte nicht mehr hintergeh- und transzendierbare Identität mit dem Sein gewonnen; höchste Weisheit ist es bekanntlich, mit „dem Flow zu gehen“; wenn man ein Schicksal wird, geht man definitiv mit dem Flow. Man ist der Flow. Wird man ein Schicksal, so verliert man, so scheint es, nicht nur das Ego/Ich, ja, man verliert sogar die höhere Stufe des Ego/Ich: das Selbst. Die Persönlichkeitsgrenzen aufzulösen ist gut: während Depersonalisierung ein Regress ist, ist Transpersonalisierung, also eine Osmose mit dem Sein, ein Progress. Es ist gut, ein Schicksal zu sein. Dafür muss man freilich sehr viel tun, im Hinblick auf Selbstüberwindung und darauf Achten, dass die eigenen Lebensbahn Sinn macht. Man bezahlt sein Karma ab, wenn man ein Schicksal wird. Überwindet es, denn das Schicksal ist eine tiefere Macht als das Karma (indem es gar keine Macht ist, sondern eben ein Chaosmos). Ein Schicksal wird man, wenn man ein authentisches Streben hat und so, eventuell, zugrunde geht. Das erhöht dann, post mortem, das Charisma, das von einem ausgeht, denn die Menschheit braucht so etwas, um sich ihrer eigenen Authentizität zu vergewissern. Bands wie Behexen, Bethlehem oder Archgoat, die Bestial und War Black Metal spielen, sind authentisch. Sie sind so antithetisch und seltsam, dass sie sehr wohl ihr eigenes Süppchen kochen. Und eigene Süppchen zu kochen, macht glücklich. Studien zufolge sind Metal Fans glücklicher als der Rest der Gesellschaft. Das erscheint paradox, ist aber leicht nachvollziehbar unter anderem dadurch, weil ihre Musik eben authentischer und realistischer ist. Während der Gutteil der populären Musik über Statussymbole und Fake-Beziehungen und, aller-allerjüngstens, über den Feminismus singt, singt der Metal über den Satan und blickt ihm unvermittelt ins Auge und nimmt ihm so seinen Schrecken. Der Gutteil der populären Musik ist unhörbar und schlecht, allerdings nicht, wie der Bestial und War Black Metal, absichtlich. Man mag die Philosophen fragen: Warum machen sie denn nichts Normales, warum reden sie denn nicht wie normale Menschen? Nun, weil die Normalität ein schlechter Gegenstand für die Philosophie ist. Die Normalität hat man schnell verstanden; denn die Normalität besteht darin, dass viele Leute ein paar einfache Verhaltensweisen voneinander kopieren. Die Ritualmusik von Abruptum hingegen kommt von den äußersten Bezirken des Seins, die kaum kolonialisiert und umdefiniert werden. Also muss man auch die verstehen. Nur wenn man über diese Außenbezirke des Seins das Integral legen kann, sie flexibel in seinen Bannkreis ziehen kann, osmotisch, kann man wohl eine integrale und integrative Sicht auf die Totalität des Seins haben (und das ist dann der Übermensch). Weil Nietzsche das nicht gut konnte, ist er wunderlich geworden und hat zwei verschiedene Bahnen gezogen, eine progressive und eine degressive (entsprechend der gesunden Anteile seiner Persönlichkeit und der kranken), ohne den hochzeitlichen Ring der Ringe schmieden zu können, der sich nur über eine Osmose des Denkens und des Empfindens mit dem Sein ergeben kann. Eines der führenden Plattenlabel für Black Metal heißt übrigens Osmose.

Norman Rockwell

Norman Rockwell was the leading figure in America´s golden age of illustration and he is considered as one of America´s greatest artists. In the first half of the 20th century, before there was TV and a culture of visual bombardement, illustration was the primary source of visualisation and visual storytelling. Innocence was there too: traditionalism, family values, the spirit of the American pioneer was still prevalent, the dawn of a new age of modernisation, urbanisation, technological advancement etc. seemed to be, due to rising living standards, a promising one as well, resulting in a climate of optimism and a hope for reconciliation of opposites. This added up for the art of illustration to blossom, and Norman Rockwell was the finest flower to bloom through this period; and also after it. Over the course of 40 years he created more than 300 cover artworks for the Saturday Evening Post depicting not only contemporary affairs but, moreover, the spirit of the age in an unimitably charming way. Recollections of an unburdened and happy childhood, family and neighborhood affairs, communal and, finally, national topics are prevalent. In their spirit of the American pioneer, they depict people aiming at taking responsibility, engaging in innocent fantasies and hoping for something and, generally, supporting and approving each other. People approving and supporting each other: that may be the core element of the illustrations of Norman Rockwell. Bad people, including fine artists and fine art critics, have derided this as kitsch and of creating a false consciousness of an American idyll that, in such a way, would not exist. Rockwell, yet, was, in general, right with his optimism; for the more profound part, he depicts the bonds, and our sentiments for bonds, that keep us together for good. He depicts a human humanity. You know, art, at its innermost self and substance, is about creating bonds, associations that magically add up, relationships that are established from the invisible, by the faculty of our sentience, that are there for good and that create a stable network that makes a more solid and liveable world. Therein, the kitschy illustrator Norman Rockwell acutally always operated from the core of what is the spirit of art. He lived in a state of constant bliss and enchantment. Despite recurrent motives and being formulaic, his illustrations always come in the most unexpected way; like the blooming charm of his depictions the freshness of his creativity and the innocence of his perception – as well as the charmingly critical spirit – never got drained. Norman Rockwell´s idealism and his belief in the nobility of the American national character, as well as his optimism, was for real. He was America´s Ferdinand Georg Waldmüller, our Austrian painter of the Biedermeier age. After the decline of the Saturday Evening Post and illustration in a more general way, yet the uprise of minorities and of a spirit of a more critical self reflection of America, Norman Rockwell found other outfits and included issues of race. Over all the decades before, the world depicted by him had been a white world; the guideline of magazines was not to depict black Americans in any other than a subservient position so as not to probably unsettle parts of white readers; and Rockwell in general did not want to unsettle people and make them feel uneasy. The Problem We All Live With, depicting little Ruby Bridges walking her path through an outrageously racist society, did become an icon of the Civil Rights Movement – and one of Rockwell´s finest expressions of his genius of articulation and grasping the substance of social and human issues. Behind the so-called facade, Norman Rockwell frequently suffered from depression, and his second wife, Mary, succumbed to alcoholism, depression and an untimely death, not least as the burden of playing the American role model family to the entire nation became to heavy to her. Depiste being wealthy and beloved by the nation, the fine art world did not take Norman Rockwell serious and derided him. He, by constrast, and due to man´s deplorable tendency to often view the grass greener on the other side, ever more sought to be a „true“ artist and developed an inferiority complex out of being a „mere“ illustrator, which added to his depression. Rembrandt was his favorite artist; yet it were the Abstract Expressionists who, after years of starvation, caused a tectonic shift, as they finally and irrevocably put America on the global map of high art in the 1950s. Many of the Abstract Expressionists continued to have a troubled, if not short life even after they had gained fame, yet Rockwell, in a way, internally competed with them. The Conaisseur depicts Rockwell in an obvious competition with the, then, late Jackson Pollock, whom he masterly and unexpectedly imitated, seemingly setting the question about who is the greatest American painter: Jackson Pollok – or Norman Rockwell? Great art is transcendent and jenseitig, opening up a spacetime of endless imagination and possibilities and confronting man with it: in order to transcend man and evoke his higher self: and Jackson Pollock clearly was the master of his time, and one of the masters of any time in this regard. Yet art is also this-worldy, diesseitig: „kitsch“ shows a universal perspective, a global common human denominator, it shows that we are embedded and that we are, safely, „at home“, due to magical, invisible, yet humble and all-present bonds of sentience between humans and between creatures. Norman Rockwell, in his state of bliss, probably was too simple-minded to truly succeed at „fine“ art and to grasp the necessary philosophy like Pollock (silently) did. Yet the endless rooms his mind is able to always open up, with astonishing facility and freshness, his grasp upon substance and essence, and his genius articulateness, makes him governor, makes him king, in the this-wordly realm. While Pollock likely has reached an absolute peak experience of creativity and, therefore, may have lost momentum afterwards forever, I guess that Norman Rockwell was one of that kind of creatives that simply go on and continue to create, untouched by anything, and adaptable to anything, forever. He lived from 1894 to 1978. Times have become considerably more cyncial. Therefore I wonder what he would do, triumphantly, now. Norman Fucking Rockwell.

Paul Delvaux

I like the paintings of Paul Delvaux. Considered a Surrealist – though not by self-definition – his vision is heavily inspired by the metaphysical landscapes of Giorgio de Chirico. Despite that it seems a little less bleak, a little less uncanny, a little more cozy and homely. You have nocturnal scenes (not the aggressive and desert-like daylight as in the landscapes of de Chirico) or scenes in deep twilight (i.e. in a state of transition), overwhelmingly depicting women, occasionally also children, men or skeletons within classical or regional-style architecture, and you usually have trains or stations which are usually not moving and seem misplaced and enigmatic. Nevertheless, they are there. It´s a dreamlike scenario, though not an unpleasant one. There seems to be peace, there surely is tranqility, there surely is grace. The delicate women have big eyes but seem to be de- or transpersonalised. They are otherworldly. You may see muses or animas in them, you may see Modigliani-like empathetic idealisations of women, you may see melancholy in them, you may protest against their sedatedness and reduction to „creatures“ by an eroticist painter. Yet, it all does not seem to fit. They remain – otherworldly. It´s a hypnotic realm. I like the trains. They seem to be our companions. I also, when recollecting memories from my childhood, like night trains. They are at work for us and for the people on duty when everything else is in slumber. They are honest and upright and in a gentle way forceful. Night trains make me feel the world is safe and protected from within. In the landscapes of Paul Delvaux you have loneliness, melancholia, aspiration, you have death. And you also have coexistence, maybe togetherness, maybe even communion, seemingly an essential communion as all elements seem to get alike in a universal substantiality; – women becoming statues, skeletons becoming humans, trains becoming individuals, etc. In these atemporal realms there seems to be a concurrece of life and death, it seems a threshold realm. Maybe a realm of suspended animation. A realm of transition, with trains coming out of nowhere, waiting to take you to an unknown or inexistent destination. The light that illuminates the nocturnal scenes often seems to come from someplace else. It seems a light from an enigmatic absolute, that illuminates a universal scenery of what can be depicted and what can be depicted not, what can be said and what can be said not, etc. It´s the threshold realm, and it´s the universal arena. I find these sceneries quite pleasant, although I do not know if it could be pleasant to live with all those sedated idiots and untouchable women and lost children for long. Paul Delvaux is not a heroic artist. He is said to have had maintained an intimate relationship with his childhood, out of which he painted and developed his vision. That is cozy and homely, there should be more of this in this world. It is clearly an inner sanctum he is revealing.

24.2.2021

Giorgio de Chirico and the Realm of Metaphysics

Proto-Surrealist Giorgio de Chiroco – about whom there is great exhibition at the Kunsthalle in Hamburg at the moment – and his approach to art has been the focal point and impetus for these investigations into the essence and the spirit, the ideal of art. He demanded (with reference to Schopenhauer and Nietzsche) that art had to become an exploration into metaphysics. What metaphysics is supposed to mean and to be is not entirely clear. Yet, even less than that, and to the misfortune for those who think they can deride metaphysics, it is elusive or confused. Metaphysics means to explore the hidden meaning and essence of things and to enable a meta-rational understanding, i.e. an understanding that is not purely rational, even less irrational, but that establishes a meta-level and perspective upon purely rational understanding, and the a/irr/rational fabric of the world, of existence. It is a transcendent undertaking. De Chirico demands that objects and the entire banal fabric of existence needs to be considered as a mystery, as an enigma in the first place. The introspective exploration of these enigmas is then what may unfold as true art. A truly introspective and profound piece of art, he notes, is created from the most profound depths of the artist and his existence, „where no birds sing, no streamlet rushes“, etc.; where nature and the object world disappear from view and „the dimensions, the straight lines, the forms of eternity and infinity“ emerge; both as a metaphysical abstraction upon approachable reality as well as an imagnative space where visionary realizations of such metaphysical abstractions upon approachable reality can happen.

Giorgio de Chirico´s metaphysical paintings, his visionary realizations of the metaphysical realm „behind“ apparent reality, respectively of the meta-rational metaphysical abstraction upon apparent reality, depict seemingly random or irrational juxtapositions of things: ancient or outdated architectures combined with more contemporary ones, including industry, dummies becoming human or humans becoming dummy-like, therein mirroring each other, playful children becoming identical with their own shadows, sympathetic encounters among humans seen from a more distant viewpoint, rushing steam trains at the horizon of a scenery that seems mostly static and atemporal. Strange illusion! It is a bit uncanny, but not too much. It is an irritating landscape, but an explorable one. It is static, but also vibrant and dynamic. It is dream-like; also seemingly in that respect that most of our dreams are somehow unpleasant, yet the unpleasantness then dissolves into transcience and irrelevance. What an inviting and uninviting world! Says de Chirico, „metaphysics“ to him is „nothing gloomy“, it is rather „tranqulity“ and the „meaningless beauty of matter“, presented in a clear-cut fashion – therein overcoming the weirdness and confusion of the everyday perspective upon reality. It is erect. It is about phantasmal evocation of objects that are wrongly „derided by universal stupidity as petty and irrelevant“. In the metaphysical paintings of Giorgio de Chirico, those banal everyday objects confront the viewer, and the inhabitants of the metaphysical scenery, with their own silent presence and solidity, their individuality. Their own mysteriousness. The bloated philistine mind will deride such undertakings to investigate the „mystery“ of everyday objects. In its vanity, it will think that it already understands the everyday objects. For the philistine mind, there is nothing to explore. Therefore, it is actually pretty unknowing. The metaphysicist, by contrast, will put himself into a position of childlike stupidity, in order to gain higher knowledge and penetration.

This silent presence of objects, of architectures refers to metaphysics actually, and primarily, wondering about presence. Why is there something, and not just nothing? may be the initial question of metaphysics. In these metaphysical visions, those forlorn objects and architectures, seemingly ripped off a meaningful context, confront you with sheer presence. Sheer presence is something sublime. It also is something that is tangible and approachable, even something you can love and can get into deep contact to. Eyeless, this stuff nevertheless seems to look out into the world, in its own confirmation, and looking  for its own confirmation. Presence, existence, may then, immediately, make man question for essence, for the meaning and interrelatedness of these objects, and for how man can manipulate them. That is the human intellect that illuminates this world. The sheer presence of objects, and the experience of objects in their sheer presence, is highly evocative. Within this evocation, you experience there is connection between things, an atmosphere in this world, a proto-state of meaning. The seemingly random juxtaposition of things and situatedness of (real or pseudo) persons in the metaphysical paintings of de Chirico refers to that there is context between things, and that entities, of course, can only appear within context. The context is enigmatic. It needs to be discovered, it needs to be manipulated and rearranged, in order to make more sense, to create a world that is more inhabitable, that is more overloaded with meaning, that finally makes sense. It is an ongoing process. The metaphysical world de Chirico depicts may be a world in dissolution and disarray as well as a world of coexistence, even communion, finally a highly sentient, animistic world of togetherness. Coexistence, as seems to be the call, needs to become communion. To explain and to construct within such a world is, then, a matter of physics and of technology, as well as of ethics. Therein, metaphysics is not someting that is „behind“ or „above“ physics, but grasping the primordial. Grasping the primordial will make you feel good, and pure. It is mankind´s return to innocence.

A metaphysical vision, a metaphysical abstraction, necessarily means „seeing it all“ and from a viewpoint of atemporality, or eternity. In a way, it´s a static, stasis-like scenery, where there nevertheless is some tension, vibration and fluctuation. Despite their tranqulity, Giorgio de Chirico´s metaphysical landscapes are full of tension and vibration. This is so because the world is both static and dynamic. Metaphysics strives for a gnosis into universal and eternal truths, but universality and truth evolve within time, and disappear within time. Stuff may appear and then vanish soon thereafter, like within the quantum foam. This vibration is, eventually, reality, and the situation of man within reality. In de Chirico´s paintings and metaphysical vision you have a recurrent range of themes (like dummies, trains, antique statues). Therein, it´s private. Yet, as metaphysics means: a transcendent exploration of objective reality by the subject; respectively a questioning of what objective reality means for the subject, and vice versa; any metaphysical undertaking is necessarily both objective and subjective. It is universal and it is private. Despite allegations, Giorgio de Chirico´s metaphysical landscapes are not a hermetically closed world; they are not claustrophobic visions; you obviously have room for maneuver and you may walk behind the corners of the buildings or behind the walls that stand erect: but what are you likely to encounter there? Either a complete desert or, most likely, more of the same. In a way, de Chirico´s landscapes are prison-like and uncanny. But this is so because existence is prison-like and uncanny in itself. You do not enjoy vast freedoms in this world, that is quite a limited world by itself. This world is not a wonderland. You may strive for a higher, metaphysical consciousness in order to get out of here, but no wonder, the metaphysical representation of a prison-like world will be prison-like again.

I have been interested, obsessed, by obtaining a metaphysical perspective upon things as well. This is, obviously, the high point of art. A vision upon humanity and existence from the viewpoint of a metaphysical abstraction upon humanity and existence you obviously have in the literature of Kafka and Beckett. They would come to mind. In general, profound art is about revealing hidden meaning and essence of things, and coming up with revelations that both come as a shock and a surprise as well as something completely intuitive and logical. This is so because metaphysics – trying to reach that hidden meaning and essence of things – is an associative/dissociative process that nevertheless happens within a highly sober and rational mind. De Chirico and his metaphysical approach – and his writings about his metaphysical approach are no less, if not even more relevant, astonishing and profound than his paintings – has served me well in trying to get to the essence of what art, over all course of time, should actually mean to be. It is impossible that more people on this Earth can paint like this, expects de Chirico, although at his time, and in the subsequent decades, there have been quite a lot of artists that could. The slump in significance in contemporary art seems to go along with having forgotten about such metaphysical attempts and endeavours. No one in contemporary art talks about wanting to strive for the metaphysical. Art now seems much more about a social commentary than about purification of the mind. This is good, since neglect about the social realm has been a true weakness of art in former days. Yet, a commentary is nothing that is avant-gardist. It may have become difficult, if not impossible for art to be avant-gardist, given the massive shifts within society in the last half of a century, and within art in the, say, two centuries before. But I would advocate taking the approach and the example of Giorgio de Chirico more seriously again within art. Actually everyone is unhappy with present-day art, but no one knows what to do. De Chirico can show the way out. Art should be a breakthrough; art is about achievement. Reaching the metaphysical, the noumenal sphere, is the ultimate achievement, the ultimate breaktrough. It is a transcendent breaktrough, it is the transcendent achievement.

As has been noted, the metaphysical representation of a prison-like world will be prison-like again. If you´re imprisoned, you would most likely want to get out of it. Or at least, enjoy more comfort. So how do you get out of the world-prison? The metaphysical endeavour actually shows a good way. For instance, de Chirico´s paintings show the world in an elevated and lofty way, but also in a primordial way. This means: authentic contact and primordial creation is ultimately at hand. Essence and deeper meaning/truth is tangible, sympathy, encounter and contact is possible, it is a space left to wonder and to explore; despite all its limitations, it is, above all, evocative. You are situated, as a metaphysical individual, in both an ancient (and wise) as well as in a primordial and innocent state; you regain the Paradise Lost of childhood. As a metaphysicist, you´re natural; therefore you rise above this world, which is frequently bemoaned as artificial. You have, from the viewpoint of metaphysical abstraction, insight into God´s plan. That is likely a frightening and depressing insight, but, above all, you have insight into God´s plan, and this means you gain freedom hitherto unexperienced, you anticipate the mind of God, you rule the noumenal sphere. Despite being depressed and melancholic, Kafka and Beckett were highly approachable and authentic individuals. They never did something stupid. They were in control. (At least on the sane side of their personalities) they were internally free. In those respects, they were free from the world-prison, they were operating outside the world-prison. That is an elevated state. Their metaphysical visions, and the metaphysical visions of de Chirico, seem god-forsaken. But they become god-like themselves. No one says that God is happy. Melancholy is a frequent theme in the works of Giorgio de Chirico; metaphysics is melancholic and seems to reconfirm melancholia, God is likely the most melancholic mind of all. Melancholy, as already stated by the ancient Greeks, is fundamental for the more profound and explorative mind. Melancholy is a higher passion, or may open the gate to higher passions. Melancholy may provide you with the means of establishing more profound contact. If the metaphysical landscapes of Kafka, Beckett and de Chirico seem god-forsaken and south of heaven, they also indicate what heaven is about. Heaven is about good contact and communion between entities. Heaven is a realm where good contact and encounter is prevalent, it is a realm where there is true and everlasting communion between individual entities, under the sway of Christ, the universal enabler of communion. It is much less drab than the metaphysical landscape as envisaged in the paintings of Giorgio de Chirico which are metaphysical abstractions over physical reality. With the metaphysical spirit, and the respective empathy, higher realms become tangible. They will multiply our melancholy. And then transform it into an eternal bliss.

19.+21.2.2021

Der Telefonanruf

Im Übrigen ruft bei mir, dem Verwalter der Philosophie, dann und wann mitten in der Nacht, meistens so zwischen zwei und drei Uhr früh, einer an und weint dann ins Telefon: Er schäme sich so dafür, dass er die Philosophie (und außerdem das Christentum) verraten habe: denn das wisse er, dass er die Philosophie, und außerdem das Christentum, verraten habe. Aber er sei eben Politiker, außerdem in der falschen Partei; dort wüssten sie nur zu gut, dass der größte gemeinsame Nenner in der Gesellschaft und daher auch die legitime Macht bei der Sozialdemokratie liege, die sie deswegen mit allen Mitteln zu diskreditieren und mental zu destabilisieren versuchten, um den sozialdemokratischen Geist als größten gemeinsamen Nenner aus der Gesellschaft auszutreiben und ihre eigene, illegitime, Macht dauerhafter sichern zu können, das sei der Plan; aber sie wüssten, dass das wohl kaum funktionieren würde, und die Sozialdemokratie eines Tages zurückkommen würde. Davon sei vor allem ihr Chef ganz besessen. Nur durch Schwindel seien sie an die Macht gekommen, durch Verrat an der Philosophie (und am Christentum), und diesen Schwindel versuchten sie, so lange es gehe, aufrecht zu erhalten, durch einen fortwährenden Verrat an der Philosophie. Wofür er sich am meisten schäme, sei aber nicht bloß das ungustiöse, innerhalb von Machtkämpfen aber notwendige taktische Kalkül, sondern die Verbissenheit, aus panischer Angst heraus, mit der sie die Sozialdemokratie mit allen nur möglichen Mittel stets diskreditieren und drangsalieren würden, mit der größtmöglichen und einer überschießenden Gemeinheit, um sie mental und psychologisch zu destabilisieren. Durch Schwindel und durch Verrat an der Philosophie seien sie an die Macht gekommen und würden sich dort verzweifelt versuchen zu halten, und er wisse, dass er diesen Verrat an der Philosophie (und am Christentum) nie wieder gut machen könne; aber sie vom innersten Machtzirkel seiner Partei seien eben jung und wild und wollten halt einfach die Sau rauslassen; er lebe ja nur einmal und wolle wenigstens einmal erlebt haben, wie das ist, wenn man an der Macht ist; er hoffe, wenn der Spuk vorüber sei und sich sein Wesen beruhigt habe, würde er ins Kloster gehen können. Er und Gstöttner und Bonelli wären ja eigentlich eher in sich gekehrte Menschen, denen es mit dem Christentum durchaus irgendwie ernst sei. Der Chef wisse auch Bescheid; vor Jahren habe er bereits verkündet, nicht ewig in der Politik bleiben zu wollen, da „die Politik ein Intrigantenstadl sei, die den Charakter verderbe“ – so hat er das wortwörtlich gesagt –; aber er sei schon zu tief im Malstrom, habe zu tief in den Abgrund geblickt und jetzt blicke nur mehr der Abgrund zu ihm zurück. Der Chef habe herausgefunden, dass nicht das Streben nach Macht sein eigentliches Motiv sei, sondern der Missbrauch von Macht und das boshafte Übertreten von zwischenmenschlichen Anstandsregeln; eine Art Sonnenkönig wolle er sein, mit einer absoluten Mehrheit, aber er wisse, dass er kein Sonnenkönig sein kann, da er zu finster ist und er kein Vereiniger der Gesellschaft sondern ein Spalter der Gesellschaft sei. Der Scharfmacher vom ehemaligen Koalitionspartner schäme sich außerdem auch für seinen Verrat an der Philosophie. Er habe aber während seines Studiums herausgefunden, dass sein ganzes Wesen auf den Verrat an der Philosophie ausgerichtet sei – weswegen er sich vielleicht ursprünglich unbewusst zu ihr hinzugezogen gefühlt habe – und dann das Studium abgebrochen, und sei moralisch überhaupt ganz verstummt, so dass er nicht mehr bei mir anrufen könne; trotz seines lautstarken Rabaukentums lebe er in stiller innerer Verzweiflung etc. – Ich frage mich, wer dieser geheimnisvolle Anrufer wohl ———–

14.11.2020

Der gegenwärtige Zustand meines Geistes

Der gegenwärtige Zustand meines Geistes ist insgesamt ein sehr guter. Ich arbeite, bekanntermaßen, am absoluten Geist in der absoluten Form. Der absolute Geist erscheint, bekanntermaßen, über Wissenschaft, Kunst und Philosophie (und Religion/Ethik). Der absolute Geist in der absoluten Form passiert über solchen disziplinären Segmentierungen und Auffächerungen seiner selbst, er arbeitet auf einem höheren Verständnislevel; seine Rede ist Fusion und Synthese von Wissenschaft, Kunst, Philosophie und Religion/Ethik. Es ist die absolute Begegnung des Geistes mit sich selbst und die absolute Begegnung des Geistes mit der Welt. Das ist der absolute Geist in der absoluten Form.

Ich habe (vor ein paar Jahren und allgemein) gesagt: Ich will meinen Geist reinigen und mich erweitern und vertiefen. Ich will meinen bisherigen Geist demolieren und zu reinen Anschauungen vorstoßen, um so neue Begrifflichkeiten und meinen Geist neu konstruieren zu können. Dadurch gelangt man in die höchste Höhe, geht in die größte Breite, und mittlerweile arbeite ich ziemlich tief. Mein fortschreitender Tiefbau ist viele Etagen unten; im Reich, hoffe ich, der Fundamentalontologie; so profund ist meine Betrachtungsweise und so universal mein Blickwinkel. Ich will nicht eine Philosophie oder Theorie oder Kunst machen oder ethische Schule. Philosophie, Religion, Kunst etc. besteht unglücklicherweise aus Sachen, die Philosophen et al. gesagt haben und geistigen Gebilden, die Philosophen et al. errichtet haben. Ein geistiges Gebilde ist aber nicht der absolute Geist, und noch weniger der absolute Geist in der absoluten Form. Was Philosophen sagen, und die geistigen Gebilde, die sie errichten, steht in einem universalen Bezug zur Wirklichkeit, oder strebt diesen zumindest an, ist aber auch subjektiv beschränkt (und, meistens, neben Vorstellung auch Wille, sich etwas so und so vorzustellen). Die Lehre der Philosophie etc. besteht aus dem, was bedeutende Philosophen gesagt haben, die Kunst besteht aus dem, was einzelne Künstler gemacht haben; die Substanz der Philosophie etc. gilt aber der absoluten Erkenntnis der Welt. Was ich anstrebe, ist nicht eine Philosophie zu machen, sondern, dementsprechend, die Philosophie. Ich will nicht eine Philosophie machen, sondern die Philosophie – freilegen, aus dem absoluten Grund des Seins. Das steht im Zusammenhang mit dem absoluten Geist in der absoluten Form.

Ich klebe, bekanntlich, sehr stark fest an der Welt und bin tief in ihr verankert. Ich kann, genau genommen, von dort nicht weg, auch wenn ich es wollte und teilweise auch will. Mittlerweile empfinde ich es so, dass ich an etwas arbeite – nicht mehr an Kunst, Philosophie etc. – sondern an so was wie an der Mathematik; an einer Art Mathematik des Seins. Die Mathematik beschäftigt sich mit der abstrakten und formalisierbaren Bestimmung, wie sich Quantitäten zueinander verhalten. Sie wird vom Menschen entdeckt und freigelegt, der in einer Welt von Quantitäten, von Raum, Zeit und Materie lebt. In der Bestimmung dieser Verhältnisse entdeckt der Mensch die Mathematik und legt sie frei, die gleichzeitig allgemeiner und unerschütterlicher als alle Welt ist, über die Welt hinausgeht. Sie ist eine robuste Struktur. Der (absolute) Geist versucht eher, die Qualitäten des Seins zu bestimmen. Auf diesem Verständnislevel, tief unten in der Fundamentalontologie, glaube ich zu erkennen, dass ich dies im Allgemeinsten tue: Ich versuche, die Qualitäten des Seins zu bestimmen und eine Art Orientierung des In-der-Welt-Seins freizulegen, eine Struktur, die damit so fundamental und robust ist/sein soll wie die Mathematik. Die Mathematik der Seinsqualitäten, entlang des Koordinatensystems des In-der-Welt-Seins. Das ist dann die Philosophie und der Geist (und damit der absolute Geist in der absoluten Form). Daran klebe ich dann umso stärker fest. Der Mathematik kann man nämlich nicht entkommen.

Was ich versuche, ist, über mein In-der-Welt-sein das In-der-Welt-sein zu ergründen. Das tue ich, indem Bewusstsein auspräge und mir die Dinge in der Welt und mein In-der-Welt-sein vergegenwärtige. Wenn ich einen Text über einen Philosophen oder eine Künstlerin produziere, so sehe ich den weniger als einen Essay oder eine Abhandlung oder eine Studie an (wenngleich es all das ist), sondern als einen Versuch der Vergegenwärtigung dieses Philosophen oder jener Künstlerin. Meine Literatur ist „experimentell“, insofern sie auch unter der Fragestellung geschehen ist: Wie ist Literatur möglich? Wie ist Kunst möglich?, vor allem aber als Erkenntnisinstrument, als Hilfsmittel zur totalen geistigen Durchdringung der Welt (der Subjektivität und der Objektivität) über ihre Vergegenwärtigung. Es handelt sich bei meinen schriftlich niedergelegten Mitteilungen um Stufen im Erkenntnisprozess, genauer gesagt um Plateaus eines Erkenntnisprozesses, die über dem Abgrund errichtet werden und die übereinander geschichtet werden, um Begehrbarkeit zu ermöglichen. Es handelt sich um den Ausgang zum Himmel, und zum absoluten Geist in der absoluten Form, der sich über diesen fortschreitenden Prozess dann eben ausbildet. Ich sitze vor der Wand der Erscheinungen und betrachte sie, über meinen Geist vergegenwärtige ich mir sie. Was kann es Höheres und Profunderes geben? Die Vergegenwärtigung ist etwas Meditatives und Penetratives (synthetisches und analytisches) zugleich. Das Meditative ist die ruhige und kontemplative Betrachtung der Gesamterscheinung, das Penetrative gilt dem Treffen von umso schärferen Unterscheidungen. Der Geist ist meditativ und penetrativ, der absolute Geist in der absoluten Form verwirklicht sich in dieser meditativ-penetrativen Anschauung und Prozessierung.

Der Geist steht im Zusammenhang mit Bewusstsein, und das Bewusstsein ist letztendlich eine Paradoxie, über die man nicht hinauskommen kann (insofern man Bewusstsein letztendlich nur wieder über Bewusstsein erklären kann u. dergl. sind Erscheinungsformen dieser Paradoxie). Aber man kann diese Paradoxie relativ subvertieren, indem man sie imitiert. Dementsprechend gelangen die radikalsten Geister und Yogis letztendlich zu Zuständen und Weltwahrnehmungen, die sich nur mehr in Paradoxien beschreiben lassen: eine Abwesenheit, die gleichzeitig ein Anwesenheit ist; eine Leere, die gleichzeitig eine Fülle ist; ein Weg, der weglos ist; wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen etc. Das sind die absoluten Grenzen des Denkens und auch die absoluten Grenzen der Welt. Das Absolute und Totale kann wohl – nicht anders als die Mathematik im Hinblick auf den Gödelschen Unvollständigkeitssatz – nicht anders sein, dass es Paradoxien hinsichtlich seiner Qualitäten beinhaltet (da diese in einem Veweisungszusammenhang zueinander stehen). Das absolute Bewusstsein lässt sich von diesen Paradoxien nicht erschrecken, macht vielmehr Mimesis zu ihnen. Daher ist das Bewusstsein auch nicht unbedingt das, was Aspiranten auf ein höheres Bewusstsein sich gerne vorsellen mögen. Das Bewusstsein des Menschen ist höher als das des Tieres. Damit verfügt der Mensch über mehr Fähigkeiten und mehr Freiheitsgrade als, gemeinhin, das Tier. Einige Menschen streben ein höheres Bewusstsein an, aus diesen und jenen Gründen. Sie erhoffen sich dadurch ein Mehr an Kompetenzen und Freiheitsgraden. Der absolute Geist in der absoluten Form hat das höchste Maß an Kompetenzen und Freiheitsgraden. Sein Träger wird ein Maradona des Geistes, mit übernatürlichen Fähigkeiten und einer übernatürlichen Manövrierfähigkeit und übenatürlichem Ballgefühl und Spielfeldüberblick. Glücklich macht ein höheres Bewusstsein nicht unbedingt. Es kann sogar das Unglück vermehren. Aber „das Glück“ ist sowieso selten und uneindeutig. Es gibt jedoch Daseinsqualitäten wie Freiheit, Schönheit, Reichtum, Wissen, Moral etc. die, auch wenn sie nicht „glücklich“ machen, erstrebenswert sind. So ist ein höheres Bewusstsein erstrebenswert; die meisten Menschen irren durch enge, hoch eingepfrechte Gassen und sehen die Hand vor Augen kaum; das höhere Bewusstsein sieht hingegen den Stadtplan. Das noch höhere Bewusstsein den Schaltplan. Es hat ein höheres Maß an Kompetenz gegenüber Raum, Zeit und Materie. Das mag dem höheren Bewusstsein zu Kopf steigen und eitel machen. Nicht aber dem absoluten Geist in der absoluten Form! Der absolute Geist in der absoluten Form ist ja nur dadurch und stabilisiert und erhält sich darin, dass er sich seiner Kleinheit und relativen Ohnmacht stets bewusst ist. Die Abarbeitung am Relativen und an der Ohnmacht macht ihn ja absolut und bringt ihn in so absolute Form. Der absolute Geist in der absoluten Form sieht sich selbst am Relativsten und er ist der Relativierendste, am wenigsten Verabsolutierende. Daher kann er am Besten richtige Unterscheidungen treffen. Das Bewusstsein ist etwas Aufmerksames, und es ist etwas Flackerndes. Je aufmerksamer ist wird, desto flackernder wird seine Wahrnehmung der Welt, wird es selbst. Deswegen lehrt uns der Zen-Buddhismus, dass Festes und Flackerndes eine Einheit bilden, und eine Einheit des Geistes bilden. Wenn man den Geist letztendlich so erfährt, hat man Erleuchtung erlangt, ein so genanntes absolutes Bewusstsein. Das absolute Bewusstsein ist der Stabiliät und der Instabilität in der Welt gleichermaßen gewahr.

Zu einer stabilen Instabilität der Welt gehört für mich persönlich: Mit meinem absoluten Geist in der absoluten Form habe ich keinerlei weltlichen Erfolg. Das wird mir immer wieder bewusst und es ist sehr unangenehm. Meinen Geist aber eben ficht das gar nicht an, denn mein Geist ist nicht von dieser Welt, er ist Ideal. Das wird ihm über seine Erfolglosigkeit in der Welt geradezu und immer prompt bestätigt. Wisse denn, Schwester, was ich sehe und erlebe ist ungeheuerlich! Ich kenne maßlosen Reichtum, grenzenlose Freiheit und Macht, das Aufblühende, ich sehe klar das stabile Reich der Ideale, ich weiß, was das Paradies und der Himmel ist – und ich kenne das jeweils genaue Gegenteil davon. Ich lebe außerhalb der Platonischen Höhle und sehe in die gleißende Sonne der Platonischen Ideen; wie Kafka, wie van Gogh, wie Betty Davis, wie Sokrates. Da ich nicht in dieser Höhle lebe, lebe ich in dieser Welt notwendigerweise unbehaust. Im Reich der Ideale, im Kontinuum bin ich frei und lebendig. Das heißt nicht, dass ich weltfremd bin, sondern eben das Gegenteil. Indem ich gleichzeitig die platonischen Ideen als auch die Erscheinungen sehe, habe ich eine umfassendere und totalere, eindringendere, diese durchwirkendere Sicht auf die Realität. Wenn ich über die Realität im Irrtum sein sollte, dann wahrscheinlich nicht lange. In der Kunst, und allem, was damit zusammenhängt (also eben die Sachen des Geistes) habe ich das höchste und endgültige Stadium erreicht. Die Möglichkeiten des Ausdrucks und die Möglichkeiten, Sachen heranzuziehen, die ausgedrückt werden sollten, sind bei mir ausgeschöpft, es gibt dazu kein Jenseits mehr. Selbst die größten und erfolgreichsten Schriftsteller haben gemeinhin irgendwelche Minderwertigkeitsgefühle, hinsichtlich ihrer Kunst. Ich aber, der am wenigsten Erfolgreiche von allen, und der so was aus der schriftstellerischen Vergangenheit gut kennt, ich nicht. Die endgültige spirituelle Wahrheit in der Kunst, ich habe sie erreicht, aufgrund meiner glücklichen spirituellen Anlagen. Die laufenden Zeiger des Ausdrucksvermögens und dessen, was ausgedrückt werden soll, sind bei mir zu Ruhe gekommen, und ich bin superstabil. Jetzt ist es bei mir also jeder Zeitpunkt des Weltkreislaufs gleichzeitig. Möglicherweise braucht die Menschheit noch lange, bis dass sie sich von einem solchen Schock erholt. Gleichzeitig habe ich damit erreicht, was laut Badiou das höchste ist, was Kunst in einem plappernden, allesfressenden Kommunikationszeitalter erreichen kann: indem sie so autonom ist, dass sie innerhalb dieser Kreisläufe nicht kommuniziert und nicht zirkuliert. Erst in späterer Zeit wird der Geist befreit über den Segmentierungen schweben können.

Stabilität ist es, was wir in der Welt suchen, was der Geist sucht. Wie kann sich aber eben der Geist sicher sein, dass er stabil ist? Der absolute Geist – sich ausdrückend in Wissenschaft, Kunst, Philosophie und Religion/Ethik – beschäftigt sich mit Qualitäten, und Qualitäten sind nicht ganz eindeutig und nicht notwendigerweise stabil. Wie kann also der absolute Geist – sich ausdrückend in Wissenschaft, Kunst, Philosophie und Religion/Ethik – in einer absolut seiner gewissen Form erscheinen? Der Künstler strebt, wie Motherwell es ausdrückt, danach, „the real thing“ zu sehen, zur Darstellung des „real thing“ vorzustoßen. Das gelinge fast nie. Dazu muss man permanent nachdenken, verknüpfen, trennen und empfinden, um zum real thing vorzustoßen. Diese schweren Konvulsionen und seelischen Belastungen, wenn man als Künstler nicht das Gefühl hat, zum real thing vorstoßen zu können, kenne ich sehr gut. Ich habe sie sehr intensiv erlebt und wahrscheinlich intensiver als andere. Aber ich bin zum real thing vorgestoßen (wahrscheinlich eben deshalb). Dazu muss man aber eben die Realität am profundesten erkennen. Das real thing, die tiefste Schicht des Realen, ist mir bekanntlich der Chaosmos, das Zusammenspiel von Zufall und Ordnung. Dieser Chaosmos ist freilich etwas sehr Allgemeines, fast immer aber wird in den diversen Metaphysiken entweder das kosmische oder das chaotische Prinzip bevorzugt; nie gleich gewichtet, was dann also zu Verhärtungen und Missverständnissen führt. Das aber tue und gewährleiste ich nicht, ich gewichte das gleich. Notwendigerweise ist auch das Bild vom Chaosmos eine scheinbar so blasse Allgemeinheit, weil es eben so allgemein und universal und fundamental ist. Wie soll das Fundamentalste den anders sein als sehr, sehr allgemein?  Wenn man aber diesen Chaosmos sieht, seine Stabilisierungen und Verformungen, hat man die Welt gesehen. Ich halte es zwar nicht für unmöglich, sehe aber nicht, wie es etwas noch Grundsätzlicheres geben kann als den Chaosmos. Sogar mathematisch betrachtet ist jedes dynamische System – und damit jegliche mögliche Welt – ein Zusammenspiel von Ordnung und Zufall, also ein Chaosmos. Meine Metaphysik von Chaosmos trifft sich also nicht mit einer fortgeschrittenen oder profunderen Physik, sondern in der ortlosen ewigen Allgemeinheit der Mathematik. Die unabhängig von der inneren Beschaffenheit unseres Universums ist. Wenn sich die Naturkonstanten und damit die innere Beschaffenheit und die Qualität des Universums ändert, ist die Metaphysik vom Chaosmos weiterhin anwendbar, da sie allgemeinerer und unzerstörbarerer Natur ist. Das ist gut, denn so überblicke ich die Metaphysik von allen möglichen Universen.

Die Kunst kann nie sicher sein, ob sie objektiv richtig oder falsch ist, da es dafür keine objektiven Kriterien in der Welt gibt, da sie eine Verbindung von subjektiven und objektiven Anteilen ist (es gilt daher, die Kunst so profund zu machen, dass sie zum Objektiven und Unumstößlichen vordringt; was nur geschehen kann über eine absolute Reinigung des Geistes und einer absoluten Reinigung innerhalb der Kunst). Die Wissenschaft wird nie mit sich fertig und ist nie endgültig. Das ist ihr Unglück und das ist ihr Glück. Der Naturwissenschafter weiß nie, wie nahe er schon am endgültigen Sein ist. Bei den Sozial- und Geisteswissenschaften kommt neben ihren an sich weniger klaren Gegenständen noch dazu, dass der Blick auf diese Gegenstände interpretativ ist (und zu je mehr interpretativen und intellektuellen Blickwinkel auf das Soziale und Geistige imstande ist, desto näher ist man am Verständnis des Sozialen und des Geistigen und desto näher ist man am absoluten Geist in der absoluten Form). Der Gottesmann ruht sicher im Glauben. So stellen wir uns das große Glück vor aller Sterblichen. Allerdings kann der Gottesmann nicht sicher sein, dass er diesen Glauben nicht irgendwann verliert (abgesehen davon, dass das Leben des Gottesmannes gar nicht einfach sein muss, in Bezug auf seinen neurotisch-asketischen Lebensvollzug, den Versuchungen des Teufels, denen er sich ständig ausgesetzt fühlt und die er beständig abwehren muss und allgemein der Fassade, die er meistens aufrechterhalten muss). Die Mathematikerin einzig ist absolut sicher. Der von ihr freigelegte mathematische Beweis oder dergleichen ist ewig und unzerstörbar, selbst wenn sich Struktur des Universums verändert. Diese absolute Sicherheit des Geistes kann es also nur über so etwas wie der Mathematik geben. Ich habe gesagt, ich habe mittlerweile den Eindruck, gar nicht mehr so was wie Kunst, Wissenschaft oder Philosophie freizulegen, sondern etwas so Profundes und Universales wie die Mathematik, eine Mathematik der Seinsqualitäten, eine Mathematik des In-der-Welt-seins. Deren Robustheit und mit so einer Struktur belastet zu sein, bringt mich fast um. Ich muss diese Mathematik unbedingt bekannt machen. Der Geist ist schließlich dazu da, dass er mit anderen Geistern sich verbindet. Derweil lebe ich in der so gut wie absoluten Sicherheit dieser Mathematik.

Der absolute Geist in der absoluten Form mag gleichgültig, unbeteiligt, unpraktisch und unpolitisch wirken. Natürlich ist aber nichts an allem beteiligter und es ist nichts politischer als eben der absolute Geist in der absoluten Form! Was der Geist gundsätzlich tut, ist zu reflektieren um sachlich richtige Unterscheidungen zu treffen und gute Dinge zusammenzuführen, um den allgemeinen Nutzen zu maximieren. Damit ist der absolute Geist in der absoluten Form eminent politisch. Natürlich nicht in dem herkömmlichen Sinn, wonach es politischen Menschen und innerhalb der Politik meistens darum geht, den eigenen, subjektiven Standpunkt durchzusetzen. Der absolute Geist in der absoluten Form ist politisch, insofern Politik letztendlich das Management von sozialer und menschlicher Diversität ist. Er sitzt vor der Wand der Erscheinungen dieser Diversität und meditiert sie. Er mischt sich aber in die Kämpfe dieser Diversitäten nicht unmittelbar ein, da er dafür zu allgemein ist. Er wird reflektieren, wie man politische Probleme lösen kann. Wenn er danach gefragt wird. Es kann natürlich, um ein weiteres Mal so sein, dass der absolute Geist in der absoluten Form danach eben nicht gefragt wird. Indem der absolute Geist in der absoluten Form die relativen Positionen und die Segmentierungen überwindet, wird er sich bei den Relativierungen und Segmentierungen immer wieder sehr unbeliebt machen, insofern die Segmentierungen in der Regel gerne an sich festhalten und die relativen Blickwinkel sich am liebsten absolut setzen. Am vollständigsten mag es die Relativierungen und Segmentierungen empören und die Parteigeister, wenn sie sehen, dass sie auch das relative Zentrum der Welt nicht sind (dass man selber nicht das absolute Zentrum der Welt ist, ist für jeden, abgesehen von Fanatikern, einleuchtend), sondern ein Stein im Weltmosaik unter anderen. Der absolute Geist in der absoluten Form kann aber ein solcher nur sein, wenn er politisch und unpolitisch ist, beteiligt und unbeteiligt, die Politik als ganze betrachtend, dabei keiner politischen Liebhaberei anhängend. Abermals hat man hier den meditativ-penetrativen Blick. Der absolute Geist in der absoluten Form ist ja auch kein absolutes Zentrum. Der absolute Geist in der absoluten Form ist deswegen das, was er ist, indem er das Weltmosaik einer zentrumslosen Welt absolut betrachtet (und versucht, Zentren darin zu finden). 

Wenn man davon spricht, nicht eine Philosophie zu machen, sondern die Philosophie, steht das in unweigerlicher Verbindung mit der Meta-Philosophie, von der ich auch bereits dann und wann gesprochen habe. Die Philosophie muss eine Meta-Philosophie sein, die über allen philosophischen Systemen stattfindet und diese reflektiert. Der Meta-Philosoph bewegt sich über allen philosophischen Systemen. Er wandelt auf dem Dachkamm der Welt, unter seinem Schritt knirschen die philosophischen Systeme, sowie die Moralsysteme. Sokrates ist so gewandelt, Kierkegaard, Nietzsche oder Wittgenstein. Man könnte meinen, der knirschende Gang der Meta-Philosophen zerstört die Systeme, zerstört die Ordnung in der Welt. Was die Meta-Philosophen aber tun, ist, vom Blickwinkel einer höheren Dimension aus, Licht und Schatten in Systeme und Ordnungen zu werfen. Die Meta-Philosophen sprengen die menschliche Matrix und legen den Blick auf die menschliche Matrix frei: wonach Menschen sowohl Einzelwesen als auch Kollektivwesen sind, ein Zufall, der mit einer Ordnung konfrontiert ist und umgekehrt; und die Aufgabe darin besteht, daraus eine Win-Win-Situation zu generieren. Die Meta-Philosophen, als enigmatische Verkörperungen der enigmatischen Matrix, sind extreme Individuen, die gleichzeitig einen extremen Überblick über die Ordnung und das Gesetz in sich tragen. Sie sprengen die Systeme und die Moralsysteme, servieren aber Anschauung, Idee und Beispiel vom absolut kompetenten Individuum. Das ist ihre Leistung. Ich will auch irgendeine Leistung erbringen, denn ich bin ja pflichtbewusst. Dass ich in der praktischen Welt absolut keine Leistung erbringe, hoffe ich wiedergutzumachen, indem ich die meta-philosophische Leistung der Freisetzung des absoluten Geistes in der absoluten Form erbringe. Das ist dann auch keine kleine Leistung. Denn vor allem sehen die Meta-Philosophen, in und trotz all ihrem zerstörerischen Werk was, das so robust ist, dass es über die Robustheit aller philosophischer Systeme hinausgeht, so etwas wie das Weltgitter, an das sie gespannt sind, das Welt-Koordinatensystem, entlang dessen ihr Geist verläuft, die Mathematik des In-der-Welt-Seins. Wie auch immer man das bezeichnen mag oder wie es ihnen jeweils erscheint. Daran haben die Meta-Philosophen ungemein schwer zu tragen und sind daran angespannt, wie an ein Folterinstrument; das Folterinstrument der Welt. Meta-Philosophen wie Sokrates, Kierkegaard, Nietzsche, Wittgenstein oder Otto Weininger hatten viel schwerer zu tragen und waren viel stärker angespannt als es bei Philosophen gemeinhin der Fall ist. Das ist dann keine kleine Leistung.

Der absolute Geist in der absoluten Form und also das Absolute. Wenn mich eine fragt: Was ist denn deine Homepage da, was soll das denn sein? So antworte ich möglicherweise: Das ist die Unendlichkeit (des Geistes)! Oder: Das ist das Absolute. Der absolute Geist in der absoluten Form ist unendlich und absolut. Das Absolute ist einerseits allumfassend und unumstößlich, andererseits getrennt und eine andere Ordnung als das Relative und Kontingente. Insofern die Kommunikation zwischen dem relativen und dem absoluten Denken schwer gestört und ungleichzeitig ist, das relative und das absolute Denken zwei sehr verschiedene Qualitäten sind, ist das Absolute auch immer bedroht, das Einsame zu sein (was es ihm also verunmöglicht, tatsächlich als das Absolute zu wirken). Insofern das Absolute sich selbst vollständig durchdringt und prozessiert, eine Meditation, die die Gegenstände der Welt als auch die Meditation über diese Meditation beinhaltet, ist sich das Absolute auch selbst genug. Allerdings kann es sich dann eben nicht mit der Welt verbinden und in der Welt wirken, somit ist es nur relativ absolut. Allerdings weiter ist das Absolute notwendigerweise von einer Relativität durchzogen, sonst kann es sich gar nicht prozessieren und Unterscheidungen treffen. Das Absolute ist das alles Zusammenfassende und daher auch von allem ein wenig verschieden. Diese Relativität ist überall und nirgends vollständig vorhanden, wie ein Zeiger bewegt es sich in der Uhr des Absoluten, die eben nur über die Anzeige des Relativen (im Absoluten) Sinn macht. Man fühlt aber: Es gibt in unserem relativen Sein eine Anwesenheit des Absoluten, eine Parusie mit dem Absoluten. Der absolute Geist in der absoluten Form durchdenkt das Sein und durchwirkt geistig das Sein. Das Absolute ist im Sein vorhanden, das Streben nach dem Absoluten lässt uns das Sein tiefer erfahren. Widerstände gegen Erfahrung müssen weggeräumt werden. In mir ist nichts Festes und es gibt keine Widerstände, es ist da ein farbiger Nebel der sich durch sich selbst wälzt, in unregelmäßigen Formen. Es gibt da keine (krankhafte) Psychologie, sondern nur Klarheit und Philosophie. Das Absolute ist das was sich absolut selbst durchdringt. Der absolute Geist in der absoluten Form durchdringt sich so weit, als das eben relativ für ihn möglich ist. Aristoteles sagt, der fortschreitende Geist ist in die Reflexion über immer mehr Gegenstände der Welt versunken. Gott letztendlich, der diese Gegenstände beinhaltet, ist in die Reflexion über sich selbst versunken. So in der Art ist also der absolute Geist in der absoluten Form. Gott ist von seiner Schöpfung unter- und verschieden. Das ist die Relativität Gottes gegenüber der Schöpfung, die wiederum nach dem Göttlichen, dem Absoluten strebt. Der absolute Geist in der absoluten Form ist eine Annäherung an dieses Göttliche.

Man mag sich den Geist und den absoluten Geist in der absoluten Form als harmonisch und befriedet vorstellen, als ätherisch. Die übersinnliche Welt (die der Geist anschaut, Anm.), ist hiermit ein ruhiges Reich von Gesetzen; wie es in der Phänomenologie des Geistes steht. Tatsächlich ist er das, befriedet und in absoluter Ruhe, wenngleich nur entlang einiger seiner dimensionalen Achsen. Denn neben diesem in-sich-Ruhen ist der Geist rege Tätigkeit. Der Geist ist am wenigsten in Ruhe und Harmonie, und am allerwenigsten der absolute Geist in der absoluten Form. Der absolute Geist in der absoluten Form ist ständige Hyper- und Metareflexion, und was er produziert, versteht er als vorläufige Ergebnisse und eventuell experimentelle Anschauungen. Diese Gleichzeitigkeit von Ruhe und Agitiertheit adäquat zu verstehen, ist selbst für den absoluten Geist in der absoluten Form ein wenig schwer. Aber notwendigerweise ist der absolute Geist in der absoluten Form Einheit der Gegensätze. Bedenke, die Begegnung des Geistes mit sich selbst und die Öffnung des Geistes hin in den offenen Raum über die Erleuchtung ist nichts Einfaches, sondern recht Kompliziertes und passiert über gottsuchende Anstrengung und Askese in der Wüste. Der Weg zum Satori führt über das superkomplexe Koan. Die Offenheit des Geistes ist gleichzeitig seine extreme Ausdifferenziertheit. Durch Hyper- und Metareflexion schließlich sprengt der Geist die materielle Hyle der Dinge. Indem er die materielle Hyle seiner Gegenstände sprengt, wird er absolut und frei. Dann ist er der absolute Geist in der absoluten Form. Der große Geist gleicht bekanntermaßen dem offenen Raum. Gleichzeitig finden im großen Geist unermüdliche Prozesse statt, Reflexionen, die teilweise hohe Wellen schlagen. Und nur wenn das passiert, prägt sich Geist aus und gleicht immer mehr dem offenen Raum, in seiner zunehmenden Unbeschränktheit. Was kümmert es das Meer in seiner Ruhe und seiner Selbstversunkenheit, wenn dort und da hohe Wellen schlagen?

Der absolute Geist in der absoluten Form ist alles andere als ohne weiteres zu mir gekommen. Ich habe ihn – so – auch gar nicht angestrebt, nicht einmal von ihm gewusst. So wie die Menschheit bislang noch nichts weiß vom absoluten Geist in der absoluten Form. Lange hat es gedauert, bis dass sich diese höchst exzentrischen und idiosynkratischen Formen, die mein Geist und mein Erleben stets produziert hat, zusammenfügen, zusammenpassen, ineinandergreifen wie Zahnräder in einem gigantischen Uhrwerk: das ist das, was fortwährend nun passiert. Lange habe ich mich für eher geistlos gehalten, aufgrund der Unbestechlichkeit meines Geistes. Bis ich endlich das Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken beendet hatte, hatte ich noch keine systematische philosophische Basis und daher kein einheitliches Bewusstsein, keinen einheitlichen Geist. Aber es ist halt einfach so, dass das dauert, bis dass sich so was entwickelt, bis dass alles ineinandergreift, bis dass Geist produziert wird. Mittlerweile ist das Netz meines Wissens schon sehr umfassend und sehr dicht und dadurch sehr robust. Es lässt sich nicht mehr vom Tisch wischen. Seit jüngerem produziere ich, vor allem, überhaupt am absoluten Geist in der absoluten Form. Der Albtraum des Werdens ist zu Ende, mein Geist ist im Sein angelangt. Es ist ein Sein im Werden und ein Werden, das ist. Das ist somit das absolute und stabilisierte Werden und das absolute und stabilisierte Sein (die logischerweise jeweils aufeinander verweisen und ineinander gegenseitig geborgen sind: das ist der Chaosmos). Was meine Wenigkeit anlangt, so kann man sich ansehen, was an den Grenzen des Denkens passiert und wie diese Grenzen durch mich weiter hinausgeschoben werden, der Raum des Denkens und des Erlebens also erweitert wird. Daher ist es wichtig, dass ich Zeugnis ablege von meinem Denken und meinem Geist, denn es ist von allgemeiner Wichtigkeit und Bedeutsamkeit. Ich aber hatte immer die Eigenart, Dinge nicht auf mich bezogen, sondern objektiv zu betrachten und dahingehend, wie man eine Sache so ordnen kann, dass es objektiv-moralisch den meisten Sinn macht. Natürlich musste ich auch das ausprägen, aber es wird wohl so sein, dass diese selbstlose und objektive Betrachtungsart bei den meisten peripher ist, während sie bei mir das eigentliche Zentrum ist, und ein jeder gravitiert viel eher zum Zentrum anstatt zur Charakterperipherie. Daher ist der absolute Geist in der absoluten Form, der auf einer solchen Disposition beruht, wohl so selten; dabei aber notwendig. Bislang weiß die Menschheit noch nichts vom absoluten Geist in der absoluten Form. Deshalb fühle ich mich verpflichtet, das zu tun, und will hiermit Zeugnis ablegen von der Beschaffenheit und den Qualitäten vom absoluten Geist in der absoluten Form.

Da die sozialen Einrichtungen durchgängig durch Bewegungen der Erde beunruhigt werden, – so vieler anderer angehäufter und unerledigter Krisen nicht zu gedenken, –

Würde es ein wunderbares Schauspiel, freilich aber nicht für zeitgenössische, irdische Wesen sein, dem Geist der Menschheit erkennend nachzugeben, der über all diesen Erscheinungen schwebend und doch mit allem verflochten, sich eine neue Wohnung baut. Wer hiervon eine Ahnung hätte, würde des Glückes und Unglückes völlig vergessen und in lauter Sehnsucht nach dieser Erkenntnis dahinleben.

Jacob Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen

KW 4 2021

50 Jahre Dummheit in der Kunst

Jedes Ding hat zwei Aspekte: den gewöhnlichen Aspekt, den wir fast immer sehen und den jedermann sieht, und den geisterhaften und metaphysischen, den nur seltene Individuen sehen mögen in Momenten der Hellsichtigkeit und metaphysischer Abstraktion. Ein Kunstwerk muss etwas erzählen, was nicht in seiner äußeren Gestalt erscheint … Wir konstruieren durch Malerei eine neue metaphysische Psychologie der Dinge. Das absolute Bewusstsein des Raumes, den ein Gegenstand in einem Bild einnehmen muss, und des Raumes, der die Gegenstände untereinander trennt, stabilisiert eine neue Astronomie der durch das starre Gesetz der Schwerkraft an unseren Planeten gefesselten Dinge …  Vor allem ist ein großes Feingefühl nötig. Sich alles auf der Welt als Rätsel vorstellen, nicht nur die großen Fragen, die man sich immer wieder gestellt hat – warum die Welt erschaffen wurde, warum wir geboren werden, leben und sterben -, denn vielleicht liegt in all dem, wie ich schon gesagt habe, kein Sinn. Aber das Rätsel mancher Dinge verstehen, die im Allgemeinen als belanglos betrachtet werden … In erster Linie ist es nötig, die Kunst von allem freizumachen, was sie bis jetzt an Bekanntem enthält, jedes Sujet, jede Idee, jeder Gedanke, jedes Symbol muss beiseitegeschoben werden … Den Mut haben, auf alles andere zu verzichten. So wird der Künstler der Zukunft sein; einer, der jeden Tag auf etwas verzichtet; dessen Persönlichkeit jeden Tag reiner und unschuldiger wird … So muss die Malerei der Zukunft sein. Dass mehrere Menschen auf dieser Welt so malen können, ist unmöglich. 

Giorgio de Chirico

Giorgio de Chirico hat (im Alter von 23 Jahren) gemeint, große Anstrengungen seien nötig zu unternehmen, um Künstler zu werden, um zum Metaphysischen vorzudringen, denn: Kunst ist die eigentliche metaphysische Tätigkeit, so Nietzsche (mit Bezug auf Schopenhauer und von dem blutjungen de Chirico zum Vorbild genommen). Metaphysik interessiert sich dafür, zu einem tieferen, „eigentlicheren“ Wesen der Dinge vorzudringen, ein tieferes, „eigentlicheres“ Wesen der Dinge freizulegen. Das will auch (zumindest) die neuzeitliche Kunst; mit zunehmender Intensivierung und Verbesserung des metaphysischen und wissenschaftlichen Wissens, des Selbstbewusstseins des neuzeitlichen Menschen und der Methoden, in die Materie einzudringen, wie diese Methoden dann selbst wieder zu hinterfragen (Epistemologie) wollte das mit dem höchsten Intensitätsgrad die moderne Kunst. Sie hat große Anstregungen unternommen, ja, war ein Rahmen um Anstrengungen metaphysischer Art, zu einem tieferen Kern und Wesen der Dinge vorzudringen und so einen höheren epistemologischen und moralischen Standpunkt für den Menschen zu schaffen, zu unternehmen. Alles andere, geringere Anstrengungen zu unternehmen als eben solche, schien banal und lächerlich. Heute ist das nicht mehr so. Seit in etwa den 1970er Jahren steht die bildende Kunst mehr oder weniger unter dem Spirit der Transavantgarde.

„Die Welt ist tief, und tiefer als der Tag gedacht“. Das ist nicht Mystizismus von mir, sondern das ist unser heiligstes Lebensgefühl. Es ist einfach töricht, von solchen Menschen (wie Kandinsky) zu sagen, dass ihre Kunst „nur um einiger weniger krankhafter Mäzene willen, die so einen Kitzel bezahlen“, geschaffen wurde (…) Man begreift, dass es sich in der Kunst um die tiefsten Dinge handelt, dass die Erneuerung nicht formal sein darf, sondern eine Neugeburt des Denkens. Die Mystik erwache in den Seelen und mit ihr uralte Elemente der Kunst (…) Jene abstrakte reine Linie des Denkens, nach der ich immer gesucht habe und die ich auch immer im Geist durch die Dinge hindurch gezogen habe; es gelang mir freilich fast nie, sie mit dem Leben zu verknoten – wenigstens nie mit dem menschlichen Leben, ( – darum kann ich keine Menschen malen).

Franz Marc

Die abstrakte reine Linie des Denkens führt über das bloße Leben, über den bloßen Menschen hinaus. Es ist schwierig, die abstrakte reine Linie des Denkens zu denken und sie sich zu vergegenwärtigen, da sie eben rein und abstrakt ist und nicht im lebensweltlichen Raum verläuft. Allerdings wurde diese abstrakte reine Linie des Denkens in der modernen Kunst sichtbar gemacht, aufgezeigt, über die Frakturen und Nuancen, die sie schafft, über die Tableaus und Plateaus, die sie errichtet, über das, mit was sie den Betrachter konfrontiert etc. Der Spirit der modernen Kunst und der Avantgarde war eben das Verfolgen der abstrakten reinen Linie des Denkens. Sinn und Intention dieses Denkens war natürlich immer, sich mit dem Leben zu verknoten. Dass das trotz aller Anstrengung nicht gelungen ist, zumindest nicht im gedachten Sinn, trug dazu bei, das Fundament der avantgardistischen Intention auszuhöhlen. Der Sinn von Kunst und der Sinn von der abstrakten reinen Linie des Denkens ist aber gar nicht, sich „mit dem Leben zu verknoten“; der Sinn von Denken und Kunst ist Vorstoßen zur Transzendenz. Die Anforderungen der Transzendenz stellen sich immer wieder neu. Transzendenz ist dabei aber etwas, was im Leben und im Menschen vorhanden ist – denn der Mensch ist ein transzendentes Wesen, wie man sagt. Transzendenz ist etwas ganz Lebensweltliches. Transzendenz und Immanenz des Menschen und des Lebens treffen sich und verknoten sich in einer Dimension, die nicht unmittelbar sichtbar ist. Die Vollendung in der Kunst ist es, dieses Zusammentreffen eben sicht- und verstehbar zu machen. Die Kunstwerke (unter anderem) sind sichtbare Zeugnisse und Emanationen aus dieser Dimension. Heute ist die Kunst als Fenster in diese Dimension weitgehend geschlossen.

Ohne die Dichter und Künstler würden die höchsten Ideen, welche die Menschen vom Universum haben, rasch verfallen, die Ordnung, die in der Natur erscheint und die nur das Ergebnis der Kunst ist, würde verschwinden. Alles würde ins Chaos versinken … Die Dichter und Künstler determinieren im Wettstreit die Gestalt ihrer Epoche, und gelehrig richtet sich die Zukunft nach ihren Weisungen.

Guillaume Apollinaire

Auf ihrer höchsten Stufe versucht die Kunst, die Situation des Menschen im Universum und den „bewussten Zusammenhang des Menschen mit dem Weltganzen“ auszudrücken (ähnlich zur Metaphysik, die ihn auszusagen versucht). Die „Situation des Menschen im Universum“ wurde im Verlauf des zwanzigsten Jahrhunderts durch die Technik radikal verändert. Mit dem tatsächlichen Vordringen des Menschen in das Universum, mit seiner Landung auf dem Mond, stürzt das erhabene Raumschiff der großen Kunst scheinbar beinahe zeitgleich auf die Erde und liegt dort zertrümmert, oder aber ist zumindest nunmehr ein bescheideneres und weniger futuristisches Habitat. Mit Heidegger gesprochen, ist die Funktion von Kunst (nach dem Verlust der dementsprechenden Verbindlichkeit, die Religion für sich beanspruchen kann) die Schaffung eines „Zeit-Raums“, also eines integralen Selbstverstädnisses von einem Raum in der Zeit. Dies wird nunmehr von der Technik erledigt, ungleich mächtiger und ungleich die Lebensqualität verbessernder. Aus der Kunst ist die Luft gleichsam folgerichtig so draußen, wie sie aus der Religion draußen ist, entgegen ihrer avantgardistischen Intention gibt sie eventuell noch einen matten Kommentar zum Zeitgeschehen ab und fokussiert sich nunmehr vorwiegend auf ihr eigenes Publikum und ihre eigenen Regelkreise. Allerdings: die höchsten Ideen, welche die Menschen vom Universum haben, verflüchtigen sich damit tatsächlich. Nur weil die Technik die besten Ideen hat, heißt das nicht, dass sie auch die höchsten Ideen einschließt (wenngleich das natürlich nicht unmöglich ist). Die höchsten Ideen, die der Mensch haben kann, sind mit der seelischen Transzendenz des Menschen verbunden, verweisen auf den Übermenschen. Und Kunst sei das Medium, wo der Mensch über sich hinaus weise, Übermensch werde: das sei der Kunst Privileg (wenngleich die Gen- und Computertechnik in zwei, drei Generationen womöglich den „Übermenschen“ einfach achselzuckend tatsächlich hinstellen mag – wir sollten uns aber eben gegen diese Degradierung wehren).

Wenn man das Unsichtbare begreifen will, muss man so tief wie möglich ins Sichtbare eindringen. – Mein Ziel ist immer, das Unsichtbare sichtbar zu machen durch die Wirklichkeit. Es klingt vielleicht paradox, aber es ist tatsächlich die Wirklichkeit, die das Geheimnis unseres Daseins bildet … Meiner Meinung nach sind alle wesentlichen Dinge in der Kunst seit Ur in Chaldäa, seit Tel Halaf und Kreta immer aus dem tiefsten Empfinden für das Mysterium unseres Daseins entsprungen. – Das Ich ist das große verschleierte Mysterium des Daseins … Ich glaube an dieses Ich und seine ewige unveränderliche Form … Darum bin ich so versunken in das Problem des Individuums und versuche auf alle Weise, es zu erklären und darzustellen.

Max Beckmann

„Die meisten Leute sind andere Leute“, sagte Oscar Wilde, und meinte damit: die meisten Leute werden durch Gehalte ihrer Umwelt definiert. Wenngleich die meisten Leute sehr eitel sind, haben die wenigsten davon ein eigentliches „Selbst“ und ein Bewusstsein für das eigene Selbst und ihre Individualität, sprach also Zarathustra/Nietzsche. Der Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft, dem Individuum, das aus der traditionell-feudalistischen oder modern-vermassten Gesellschaft heraustreten will – mit all den schönen utopistischen Hoffnungen, welche Potenziale damit freigesetzt werden mögen –, der Kampf darum, sein Leben zu einem Kunstwerk zu machen und „Kunst und Leben zu verbinden“ war, sagen wir, zwischen 1850 und 1950 (oder 1875 und 1975) in der Kunst prominent. Heute ist jeder Künstler. Deswegen ist er aber noch kein Individuum und kein Selbst. Paradoxerweise haben es die Künstler und hat es die Kunst auch aufgegeben, ein starkes Selbst zu entwickeln und zu transportieren. Eine postmodern-selbstironische Subjektivität, die sich zurücknimmt, hat zwar was Sympathisches und kann ein gutes Korrektiv sein, aber eben auch, und vor allem, etwas Defätistisches und kann ein gutes Faulbett sein. Wer ist versunken in das Problem des Individuums als dem großen verschleierten Mysterium des Daseins und versucht auf alle Weise, es zu lüften? Kunst soll doch sein, wo der Mensch auf den Übermenschen trifft!

Hervorragende Kunstwerke zu machen ist für gewöhnlich eine beschwerliche Arbeit. Doch im Modernismus wurde nicht nur das Herstellen, sondern vor allem das Betrachten von Kunst noch anstrengender, musste man sich die Befriedigung und die Freude, die die beste neue Kunst vermitteln kann, mühsam erringen. In den letzten mehr als einhundertfünfunddreißig Jahren waren die beste neue Malerei und die beste neue Skulptur (und die beste neue Dichtung) zu ihrer Zeit für den Kunstliebhaber eine Herausforderung und eine Prüfung, wie sie es früher nicht gewesen waren. Doch gibt es den Drang sich auszuruhen, wie es ihn immer gegeben hat. Er ist eine permanente Bedrohung der Qualitätsmaßstäbe. Dass dieser Drang auszuruhen sich in immer anderer Weise ausdrückt, bezeugt nur seine Dauerhaftigkeit. Das Gerede von der „Postmoderne“ ist eine weitere Ausducksform dieses Dranges. Und es ist vor allem eine Art, sich dafür zu rechtfertigen, dass man weniger anspruchsvolle Kunst bevorzugt, ohne deswegen reaktionär oder zurückgeblieben genannt zu werden (was die schlimmste Befürchtung der neumodischen Philister der Avantgarde ist).

Clement Greenberg, Modern und Postmodern, 1980

Dass der Mensch auf den Übermenschen trifft, erfordert große metaphysische Anstrengungen. Leute wie de Chirico wollten sich dieser Anstrengung bewusst unterziehen, wer aber will das sonst? Was man in den o.g. Zitaten hat, sind tief denkende und empfindende Menschen (Beckmann, Apollinaire, Marc), und viele andere, darunter eventuell noch tiefere, wurden gar nicht genannt. Dieses tiefe Denken und Empfinden ist allerdings unter den Künstler(innen) der Moderne ganz allgemein und verbreitet. Ebenso, wie es heute offenbar weit verbreitet fehlt. Es waren wunderliche und seltsame Leute, die sich in einer luftigen Sprache ausdrückten und luftigen Idealen nachjagten – der Sprache der Intelligenz und der Kreativität (und der Spiritualität) halt allerdings. Der Künstler galt als Sonderling. Heute hat man ein solches Bild vom Künstler als antibürgerlichem Sonderling nicht mehr. Es hat sich verflüchtigt. Große Proklamationen und Manifeste und theoretische Schriften finden sich auch nicht mehr so ganz. Wenn man angesagte Künstler sprechen hört, hat man eine Idee, warum ihre Kunst immer wieder so dumm ist. Sie ist eben, dahingehend, „Selbstausdruck“. Angeblich steigt in jeder Generation der durchschnittliche Intelligenzquotient („Flynn-Effekt“), unabhängig davon würde man einen gewissen Grundstock von sehr intelligenten und kreativen Individuen zu jeder Zeit vermuten. Aus irgendeinem gespenstischen Grund scheint das in der Kunst der Gegenwart nicht der Fall zu sein, nicht in Erscheinung zu treten. Und dieser gespenstische Grund scheint mir, vielmehr, auch der zu sein, wo der Hund wirklich begraben liegt (und nicht in sozialen und historischen Entwicklungen). Große, interessante, aufregende Zeiten kommen zumeist in Raum und Zeit geclustert vor. Neben objektiven sozialen und historischen Bedingungen ist das Zusammentreffen von Individuen Ausschlag gebend. Eine „Goethezeit“ gibt es (im Gegensatz zu einer „Shakespearezeit“), weil Geothe der eminenteste unter allerhand eminenten Geistern seiner Zeit und in seiner Umgebung gewesen ist. Man hat sich an die marxistische Vorstellung gewöhnt, dass entsprechende Zeiten entsprechende Individuen produzieren, das „Sein das Bewusstsein bestimmt“ u.Ä., und in der Tat fällt es auch schwer, das anders zu denken – allerdings, weil das Gegenteil ja eben auch schwer festzustellen ist. Zeiten, die reif wären, aber nicht zur Reife gelangen, weil die epochenmachenden Individuen fehlen. Vielleicht ist aber sogar das der regelmäßigere Fall. Sagen wir, dass eine Zeit zur Reife kommt: im Hinblick darauf gibt es verstärkende und abschwächende Tendenzen, und der jeweilige Mix ist durchaus zufälliger, als man vielleicht glaubt. Heute kommen dann eben scheinbar zu viele abschwächende Tendenzen zusammen, die ihre gespenstische Sogkraft nach unten ausüben. Das kann schon mal sein. Das ist so aufgrund des Chaosmos, des kosmischen Zusammenspiels von Zufall und Ordnung. Die Idee vom Chaosmos ist ja eben das Zentrum meiner Philosophie und Metaphysik; soweit ich feststellen kann, ist sie sogar grundlegender als alle Metaphysik und Philosophie: denn der Chaosmos ist die Welt an sich.

Ich will Ihnen etwas entdecken, und sie werden es in ihrem Leben vielleicht bestätigt finden: alle im Rückschreiten und in der Auflösung begriffenen Epochen sind subjektiv, dagegen haben alle vorschreitenden Epochen eine objektive Richtung.

Goethe zu Eckermann

Kunst ist, beliebt man zu sagen, Selbstausdruck. In der obersten Etage ihrer Pyramide ist sie aber Ausdruck von etwas Objektivem und Universalem, von einer Subjektivität bestenfalls, die objektive und universale Wahrheiten auszudrücken anstrebt. Dieses Wissen war den modernen Künstlern, wie man an den Zitaten hier sieht, zu eigen, es ist aber eher verloren gegangen und in den Hintergrund gerückt. Die Postmoderne lieferte das intellektuelle Rüstzeug dazu, die Pluralisierung der Gesellschaft und der Aufstand der „Minderheiten“ und „Partikularitäten“ und ihr Drang, sich selbst autonom zu definieren (oftmals eben auch irgendwie künstlich gegen das „Universale“ gerichtet) bildete die realweltliche Basis dazu. Kunst, die von Angehörigen von „Minderheiten“ oder Frauen kommt, als Versuch des Selbstausdrucks wie der Erweiterung gesamtgesellschaftlicher Verständnisse, wird nunmehr gerne gesehen – und das ist auch würdig und das ist auch recht. Allerdings haben Selbstausdrücke oder Emanzipationsprozesse nicht notwendigerweise was gesamtgesellschaftlich Verbindendes, sie können genauso gut Ausdrücke eines saturierten (bzw. nach Satuierung strebenden) Egoismus sein und der Ausdruck eines Zerfalls von Gesellschaft und eines Zerfalls von Geist und eines Zerfalls von Streben. Die Abstrakten Expressionisten haben danach gestrebt, Universalität, Metaphysik und Transzendenz auszudrücken, und haben (angeblich) auch gemeint, die Subjektivität, die das am Besten könne, sei der (junge) weiße Mann. „Feminine“ oder ethnoplurale Einflüsse wollten sie außen vor lassen, da sie der reinen geistigen und universalen Schau entgegenarbeiteten. Da mag man heute platzen vor Empörung. Es kann aber schon sein, dass das stimmt. Es geht um die Durchdringung und es geht um die Durchsichtigkeit gegenüber dem Geistigen. Die Postmoderne heiligt das „Minoritär“-Werden, das Frau-Werden, das Neger-Werden, das Tier-Werden. Ja, das alles ist sicherlich hilfreich, um sich zu verbessern und seinen Aktionsradius zu erweitern. Aber vielleicht tut auch das WeißeralterMann-Werden ganz gut. Es formuliert die Möglichkeit einer Position bzw. verweist auf eine theoretische Position, die es sich eventuell lohnt, einzunehmen. Man muss daür auch kein weißer alter Mann sein, eine Kannibalin aus Papua-Neuguinea kann das ja genauso tun. „Objektive“ Gerichtetheit in der Kunst ist auch aus der Mode gekommen, weil in deren universalistischem Anspruch ein Totalitarismus und Narzissmus des Westens (bzw. westlicher „Männlichkeit“) vermutet werden kann. Was aber, wenn der westliche Universalismus nicht totalitär ist, sondern Ausdruck von genuinem Interesse an der Welt und am Anderen, von Offenheit, Extrovertiertheit, fortschrittlichem Geist, Empathie und Spiritualität, der dann eben deswegen weltumspannende Imperien errichtet, weil er dem kleinkrämerischen, introvertierten (und sexistischen) Chauvinismus in anderen Kulturräumen überlegen ist? Die westliche Kultur ist die intellektuell, wirtschaftlich und sozial ausdifferenzierteste. Daher ist sie schon ganz gut. Die Kunst der Gegenwart trägt auch dazu bei, sie weiter auszudifferenzieren, aber ich finde, sie sollte sich auch wieder mehr auf ihre ernthaft-avantgardistischen Wurzeln besinnen. Falls man gegen den Westen ist: Die Chinesen sind eh schon fast da. Viel Spaß mit denen. Kunst spielt in China im Übrigen (aktuell noch) kaum eine Rolle und wird von den Chinesen kaum wahrgenommen; Ai Weiwei ist bei uns viel bekannter als bei denen etc. Selbst ein alter Linkdradikaler wie Badiou rümpft die Nase über die Dominanz von „ethnischen“ und „sexuellen Partikularitäten“ als Leitmotiv in der Gegenwartskunst („Diese Produkte beruhen auf einer Ichbezogenheit, die so verspielt wie nur möglich ist“) und plädiert stattdessen für eine Neuaufrichtung der Kunst in universalem Anspruch („Die Kunst kann kein Ausdruck der Partikularität sein, ganz gleich, ob sie ethnisch oder ichbezogen ist. Sie ist die unpersönliche Produktion einer Wahrheit, die sich an alle richtet“).

Für drei gute Dinge in der Kunst haben „Massen“ niemals Sinn gehabt, für Vornehmheit, für Logik und für Schönheit – pulchrum est paucorum hominum –: um nicht von einem noch besseren Dinge, vom großen Stile zu reden.

Friedrich Nietzsche

Friedrich Nietzsche war ein Philosoph mit einer hohen Affinität zur Kunst, ein Künstler-Philosoph. De Chirico, Pollock, Modigliani – mehr oder weniger alle bedeutenden Größen der modernen Kunst – waren Künstler mit einem großen Interesse an der Philosophie. Für Philosophie interessiert sich, angeblich, jeder. Denn der Mensch ist ein philosophisches Wesen. Ebenso interessiert sich, angeblich, jeder für Kunst. Denn der Mensch ist ein künstlerisches Wesen. Beides, Kunst und Philosophie, ist was für die Massen. Allerdings wird man aus den Massen niemals schlau. Schau, die Massen, wie sie sich drängeln und den Eingang zum Museum verstopfen, um sich dann in einer völlig überlaufenen Ausstellung alter Meister wiederzufinden! Ich habe mich dazu schon mal geäußert, nachdem ich eine nächtliche Vision hatte, wie es bei Monet oder Cézanne doch Tränen der Rührung verursachen müsste, wenn sie sähen, wie sich hundert(e) Jahre nach ihrem Tod die guten Leute in die Ausstellungen drängeln, nur um ihre Kritzeleien zu begutachten! Gleichzeitig sind die Massen immer wieder in der Lage, sich für einen aktuellen, aber unbekannten Cézanne so gut wie überhaupt nicht zu interessieren und ihn genauso gut verrecken zu lassen (was dann natürlich dessen Charmisma und Symbolgehalt merklich steigert). Man will den Dingen gerne auf den Grund gehen, man will wissen: was ist das Wesen, das innerste Wesen der Massen? Es erscheint völlig undefinierbar. Allerdings wird mir eben gewahr, dass ich das innerste Wesen der Massen ja gerade damit eben punktgenau definiert habe! – Mit dem W. sitze ich zusammen; da kommt die P. vorbei. Die P. studiert Philosophie. Der W. ist sowieso immer nervös, weil ihm die große Kunst heute fehlt; das bereitet ihm (wie mir) Unbehagen. „Und wo ist eigentlich bei diesen Leuten die Begeisterung für das was sie machen? Wenn die Philosophie studieren, warum wird da keine Begeisterung für die Philosophie bei denen sichtbar? Sondern immer nur diese lahme Gleichgültigkeit? Wenn sie Philosophie studieren, warum ist dann bei denen keine Begeisterung für die Philosophie spürbar?“, platzt es da plötzlich aus dem W. heraus. Ja, das frage ich mich auch immer wieder, und seit Jahrzehnten. Menschen und Massen sind äußerst begeisterungsfähig, und dann auch wieder das genaue Gegenteil davon. Das Unbekannte und Überlegene begeistert sie nicht, da da in ihnen nichts zum Arbeiten anfangen kann. Das verkraftet die (offensive oder defensive) Eitelkeit des Publikums nicht. Die avantgardistische Intention konfrontiert die Gegenwart und die Menschen der Gegenwart mit einer Antithese, in der Hoffnung auf Herstellung einer Synthese. Diese Synthese mag lange ausbleiben. Das muss die (offensive oder defensive) Eitelkeit des Avantgardisten dann ihrerseits verkraften. Da der heutige Kunstbetrieb auf möglichst rasche und breite Streuung seiner Güter unter die Massen bedacht ist, verkraftet er eventuell den Geist der Avantgarde und der meditativen Versenkung umso weniger.

Kunst ist zumeist mechanisch dumme Wiederholung, eine Ansammlung von Vorurteilen, welche hemmt, voraussetzungslos zu reagieren, vielmehr ästhetisch mechanisiert und abschwächt.

Carl Einstein

Eine gewisse Dummheit und Ineffektivität, vor allem mechanische Repetitivität ist der Kunst inhärent. Dass sich irgendwo was auf den absoluten Höhen des magischen Zusammenklangs trifft, ist selten. „Die großen magischen Momente im Studio sind rar“, so der Gitarrenmagier Slash. „Kunst besteht vorwiegend aus dummen Ideen“, geht Willem de Kooning sogar so weit zu sagen: „man betrachte nur den Kubismus: ein Ding von verschiedenen Blickwinkeln aus gleichzeitig darzustellen – was für eine dumme Idee“. Ja und, vor allem aber: nein. Es ist ein zutiefst metaphysisches Verfahren der Entbergung von verborgenen Seinsqualitäten und Wahrnehmungsmöglichkeiten. Es zeigt auf, dass die Welt tief ist, und tiefer als der Tag gedacht. Es war ein Abbild des fortschrittlichen modernen Zeitgeistes vor einem Jahrhundert und, aufgrund seines Tiefsinns, etwas, das ewig Bestand haben wird. Es geht in die verborgenen Tiefen. Es drückt ernsthaften Forschergeist aus, Bedürfnis nach Exploration. Und hier sprechen wir über den Kubismus (!). Carl Einstein war ein strenger Richter über die Kunst seiner Gegenwart, und das war, als die moderne Kunst in ihrer Hochblüte gestanden ist. Er äußert sich sehr kritisch über Kokoschka, über Modigliani et al. Gerade komme ich von einer Gegenwartskunstausstellung, und frage mich, was ich mit meinem Ansatz – Kunst solle das „Metaphysische“ zum Ausdruck bringen – eigentlich überhaupt will, und in welcher Welt ich eigentlich lebe? Was man da immer wieder sehen kann, ist so dumm, hässlich und uninspiriert, dass es nicht nur den Gedanken an die Kunst als Metaphysik unterläuft, sondern eigentlich auch den an die Kunst an sich! Man kann dazu, als Philosoph, gar nichts sagen. Genauso, wie man als Philosoph zu Fußball kaum was sagen kann oder zur Tagespolitik; einfach, weil das von der Philosophie völlig verschiedene Seinsbezirke sind. Genau genommen hat man den Eindruck, die Gegewartskunst ist nicht allein ein recht verschiedener Seinsbezirk zur ernsthaften Philosophie, sondern auch zur Kunst. Kunst entspricht dann ihrem eigenen Wesen nicht mehr. Wir leben einfach in einer sehr interessanten Zeit! Besinne ich mich darauf, dass wir – in Bezug auf die Kunst – doch in einer hundertmal interessanteren Zeit leben als vor drei, vier Generationen noch! Wie leben in einem Zeitalter der Absenkung, die planare, vielleicht sogar die planetarische Fläche tritt umso mehr hervor, die Urfläche und damit auch der reine, der Urhorizont der metaphysischen Projektion! Dort und da ragt etwas empor, aber eher wenig, die Fläche und der Horizont an sich treten immer mehr in Erscheinung, herausfordernd! Streng genommen finde ich es sehr gut, in einem Zeitalter wie in diesem zu leben.  

The art audience is the worst audience in the world. It´s overly educated, it´s conservative, it´s out to criticize, not to understand, and it never has any fun. Why should I spend my time playing to that audience? … I´ll play with the street audience. That audience is much more human, and their opinion is from the heart. They don´t have any reason to play games.

David Hammons

Kunst bereichert das Leben. Sie ermöglicht sogar das Leben, zumindest das der Kunstkritiker. Für die Kunstkritiker ist es lebensnotwendig, zumindest irgendwo ein wenig intelligenter zu sein als der Künstler und seine Kunst. Wie soll er sie sonst kompetent kritisieren? Der große Künstler kommt daher, mit seiner ebenso neuartigen wie tiefsinnigen Kunst, und der Kunstkritiker mag nicht wissen, wie er sich da am Besten draufsetzen soll. Also lässt er es bleiben; und als Revanche dafür, dass er andere ins Dunkel stößt, wird der Künstler im Dunkel gelassen, dem Dunkel seines Tiefsinns. So weit, so klar. Es gibt wohl durchaus Kunstkritiker, die noch weit eingebildeter sind als jeder Künstler, und alles, was Dunkel erzeugt als Affront auffassen gegen ihr Ego, aber in den allerallermeisten Fällen ist es wohl legitime Selbstverteidigung, wenn sie das Eigentliche in der Kunst gar nicht erst aufkommen lassen, weil es ihnen unheimlich ist. Kunst ist nicht zuletzt eine Komfortzone, vor allem für den Sehr Tiefen Denker, dem kaum jemand folgen kann, die Komfortzone der absoluten, abgrundhaften Tiefe, aus der helles Licht heraufstrahlt. Der Kunstbetrieb ist auch eine Komfortzone und auch die Kunstkritik ist eine Komfortzone, Komfortzonen der Zirkulation von Geld, von Meinungen, von Beweihräucherungen, von gegenseitig unterstützenden Beweihräucherungen und von Selbstbeweihräucherungen. Menschen werden nicht gerne aus ihren Komfortzonen gerissen. Der Sehr Tiefe Künstler reißt Kunstbetrieb und Kunstkritik leicht aus deren Komfortzone, hinein in seine eigene Komfortzone der bodenlosen Tiefe und metaphysischen Spekulation. Das ist nicht jedermanns Sache. Der Kunstbetrieb und die Kunstkritik würden den Sehr Tiefen Künstler ja auch gerne in ihre eigene Komfortzone der Zirkulation reißen, und da ist der nicht zuhause. Problem der unterschiedlichen Komfortzonen. Wo sind die Sehr Tiefen Künstler und Denker, die in den abgründigen Tiefen ihre Komfortzonen errichten?

… die bedauerliche Tatsache, dass jeder der anerkannten Künstler nur etwa ein Dutzend verstehender Anhänger besitzt, … aus jahrzehntelanger Erfahrung hat Cézanne resigniert geäußert, jede Kunst sei nur für wenige da. Erst als Bildungsvorrat erweitert sie die Peripherie ihres Kreises und schafft die Täuschung, als wären der Erkennenden viele. Alles dies gehört in in das Gebiet der Auswirkung der Kunst, nicht in den inneren Bezirk des Geschehens…

Will Grohmann 1926

Was haben die Texte, die Welten von, sagen wir, Samuel Beckett oder Emily Dickinson mit der Welt des Bachmannpreiswettbewerbs zu tun? Was haben sie überhaupt mit der allgemeinen Welt des Literaturnobelpreises zu tun? Es handelt sich um Welten, die – trotz aller scheinbaren Gemeinsamkeit und Affinität – eigentlich nicht viel miteinander zu tun haben. Allerdings werfen sie ein Netz über die empirische Welt und vermögen so Beliebiges, ja, die ganze Mannigfaltigkeit der Welt einzufangen. Sie sind, eben, der Abgrund der Metaphysik, in dem die Einzelgänger hausen, und das ist der innere Bezirk dieses Geschehens, des Geschehens der Kunst. Wenn die Betriebe sehen, etwas ist deutlich intelligenter als sie – und hat dann aber wenig Ähnlichkeit mit ihnen, werden sie immer wieder krawutisch. Das ist ein altes Stück. Der heutige Kunst/Literatur/Kulturbetrieb hat, vermeintlich, einen Saumagen. Aber der Abgrund der Metaphysik, aus dem die Einzelgänger kommen, ist ein noch größerer Schlund, und daher leicht auch für Saumägen zunächst unverdaulich. Die avantgardistische Intention hat ihre Grundlage in einer dialektischen Opposition innerhalb einer von Grundsatzkonflikten durchzogenen Gesellschaft. Heute tut sich die Gesellschaftskritik schwer, da es in einer demokratischen Wohlstandsgesellschaft keinen Grundsatzkonflikt mehr gibt und daher auch nichts mit weit ausholender Geste zu kritisieren. Das ist der Saumagen der Demokratie, der damit die avantgardistische Intention einigermaßen ihrer Grundlage beraubt. Wie Badiou bemerkt, vergewissert sich die Demokratie stolz ihrer selbst, indem sie kommuniziert und Informationen zirkulieren lässt: „Die westliche Demokratie ist in der Tat Zirkulation und Kommunikation“. Eine Antithese errichtet man dazu allerdings durch meditatives Schweigen und, als dessen Ergebnis, Kunst die nicht zirkuliert und kommuniziert: „Ja, das einzige Problem besteht darin, herauszubekommen, ob sich der künstlerische Imperativ vom westlichen Imperativ lösen kann, welcher der der Zirkulation und Kommunikation ist … Die wahre Kunst ist daher das, was die Zirkulation unterbricht und nichts kommuniziert. Immobil und unkommunizierbar, das ist die Kunst, die wir brauchen und die sich als einzige an alle wendet, da sie nicht irgendeinem vorgegebenen Netz entsprechend zirkuliert und mit niemandem im Besonderen kommuniziert“. Ich sage ja auch immer, das westliche Denken und Kommunizieren soll mit dem östlichen Nicht-Denken und Nicht-Kommunizieren zusammengebracht werden. Ich glaube, so kann das heute gehen, so ergibt sich eine neue Einheit, eine neue Totalität, ein neues, flexibles Universales – eine neue Matrix. Der innerste Bezirk dieses Geschehens ist Bodhidharma, der schweigend vor einer weißen Wand sitzt.

I´ve always wondered what it would look like reading other people´s minds. Then I got a Facebook account, and now i´m over it.

Mem auf Facebook

Great mind dicuss ideas. Average minds discuss events. Small mind discuss people, heißt es auch. Tatsächlich: Intelligenz- und Auffassungslevels kann man über Unterschiede im Abstraktionsgrad des Denkens feststellen. Allerdings schreitet die Realität oft mit solch schönen Kategorisierungen nicht einher. Von den Angehörigen der besser gebildeten Schichten kann ich in den sozialen Medien überhaupt nicht groß feststellen, dass sie großartig was diskutieren würden. Das anzunehmenderweise intellektuellere und kunstaffinere Publikum ist allerdings in der Lage, sich tage-, wenn nicht sogar wochenlang das Maul zu zerreissen über Battles Glavinic vs Sargnagel, über Songtexte und Wortmeldungen von Andreas Gabalier, vor allen Dingen aber darüber, wie antisemitisch Lisa Eckhart wohl ist. Da gehen dann die Wogen der Leidenschaft hoch. Angesichts dessen ist es vielleicht viel weniger verwunderlich, warum die Gegenwartskunst so dumm ist, sondern wie tatsächlich intelligente Sachen überhaupt jemals so was wie eine breitere Wirkung haben entfalten können. Lisa Eckhart tritt im Übrigen auch für ein elitäres Kunstverständnis ein, und sie weist auch die Emanzen in die Schranken, die dauernd jammern und fordern, alles sollte immer verweiblichter werden. Aber ich traue ihr nicht ganz über den Weg.

22.-29.10.2020

P.S. 31.10.2020: Gestern war ich mit dem Bertl auf einem Motörhead-Tribute Konzert (von The Röad Crew). Populäre Musik ist ja auch längst nicht mehr das, was sie einmal war, so scheint es ebenfalls. Das so was wie Motörhead so nicht mehr möglich sein könnte heute, scheint einsichtig, da die Zeit mittlerweile fortgeschritten ist. Allerdings, sich außerhalb und gegen die Gesellschaft zu stellen, sollte doch zu allen Zeiten möglich sein. Und vor allen Dingen: gute Musik und Kunst zu machen. Das ist ja, sozusagen, was rein Handwerkliches, und unabhängig von Klima und Zeitgeist. Der Bertl hat aber gemeint: Ach was, das unterschätzt du einfach! Die guten Dinge passieren ganz einfach aus einer Zeit heraus, und aus einem Zeitgeist heraus. Heavy Metal ist heute nicht mehr aufregend, nicht mehr gefährlich. Wie soll man da noch gute Songs schreiben? Ja, wenn ich mir das so überlege, hat er da wohl Recht, und viel mehr vom Mysterium gelöst mit diesen zwei, drei Sätzen als ich mit diesem ganzen Text (und all den anderen). Mir fällt das nicht so auf. Ich bin durch die Gesellschaft so gut wie nicht beeinflussbar. Aber vielleicht fast alle anderen sind das schon irgendwie. Ich finde ja selbst eine Hausmauer hochinteressant und als Provokation zum tiefen Nachdenken, und zwar ganz unabhängig von Zeitgeist. Die anderen aber vielleicht nicht so sehr. Bodhidharma fand ja auch eine weiße Wand hochinteressant und als Provokation zum tiefen Nachdenken. Und zwar ununterbrochen, über neun Jahre hinweg.

Was ich meine, und auf was ich hinaus will: Wir leben eventuell in einem nach-metaphysischen Zeitalter, oder in einem, wo die Metaphysik pausiert (eventuell sich erholt, nach all den Anstrengungen). Eine authentische Kunst, die das Zeitalter mit sich selbst konfrontiert, kann daher vielleicht auch nur nach-metaphysisch und unangestrengt sein, ohne lächerlich zu sein. Die Kunst distanziert sich von sich selbst, so sehr, dass die Kunstwerke zu – wie der Merowinger sagt – „kunstähnlichen Gegenständen“ werden, zu einer auffälligen, aber weitgehend sinnlosen Idiosynkrasie, die im White Cube irgendwie herumsteht. Wenn ich mir die Diskussionen so ansehe: ja, da werden schon Sinngehalte und Differenzierungen herumgeschoben und Komplexitäten abgewogen. Aber all diese Sinngehalte sind nicht sonderlich stark oder profund. Ein komplexer und differenzierender Zeitgeist, der allerdings nicht sonderlich profund ist. Ich weiß nicht, warum die ganzen Kunstkritiker und Philosophen und Intellektuellen nicht darauf kommen, in ihren Befragungen darüber, warum die Kunst nicht mehr ist, was sie mal war. Ich mache hier ja nur einen Vorschlag, wie sich das aus meiner Sicht darstellt. Aber ich glaube, die Crux von all dem liegt eben darin, dass die Kunst keine metaphysische Kontemplation mehr ist. Sie ist keine reine Bestrebung mehr nach Konfrontation mit dem Geist, dem reinen Geist. Dass die Kunstkritiker und Intellektuellen nicht darauf kommen wird ein Zeichen sein, dass sich entlang der abstrakten reinen Linie des Denkens kaum einer bewegt, oder sich bewegen kann. Es wird Zeit, dass einer daherkommt und das tut.

P.S. 2. September 2022:

Diese Überlegungen, die nur zu begründet sind, führen uns zwagsweise zu der Schlussfolgerung, dass man immer vom Schlechten zum noch Schlechteren gelangt … Die gegenwärtige Entwicklung wird kein Ende haben, bis eines Tages ein neuer Haydn, Mozart oder irgendein anderer Meister von gleicher Qualität wieder erscheint. Seine Aufgabe wird es sein, die Melodie wieder zur Einfachheit zurückzuführen, die Ordnung, Folgerichtigkeit und Symmetrie des Ganzen wiederherzustellen und die Verzierungen auf den Platz zu verweisen, der ihnen zukommt. So wird sich dann die natürliche Musik wieder regeneriert finden und ein neues Goldenes Zeitalter für diese so köstliche und ungewisse Kunst wieder entstehen. Doch die Natur geizt mit Genies, und es fehlen ihr die Jahrhunderte, um einen Raffael, Palladio, Pergolesi, Haydn oder Canova entstehen zu lassen. Gehaben Sie sich wohl!

Giuseppe Carpani, Zeitgenosse Joseph Haydns, in seiner Haydn-Biographie