Adornos Negative Dialektik

Hassen tut ihn niemand, ausser Löwenthal, aber er wird wegen seiner ungeheuren Unaufrichtigkeit, Eitelkeit und Wichtigmacherei verachtet. Das beweist an sich wenig. Aber leider muss ich mich auch zu denen zählen, die ihn in den letzten zwei Monaten gründlicher kennen und verabscheuen gelernt haben.

Friedrich Pollock an Horkheimer über Theodor W. Adorno

Aus irgendwelchen Gründen lieben es viele Leute, sich für unterdrückt zu halten: von den Eltern, von der Familie, von der Schule, vom Bildungswesen, von Sitten, von Traditionen, von den Medien, vom Kapitalismus, vom Patriarchat, von Männern, von Frauen, vom Staat, von der verstaatlichten Industrie, von der Privatwirtschaft, von der Börse, von der Schulmedizin, von Juden, von Arabern, von Einheimischen, von der NATO, von Transsexuellen, von transexkludierenden radikalen FeministInnen (so genannten TERFs) oder von Chilenen. Diese verschiedenen Gründe wären zu untersuchen, wenn sie auch meistens – sowohl auf der Subjekt- wie auf der Objektseite – klar auf der Hand liegen. Ich für meinen Teil kann nicht sagen, dass ich in meinem Leben großartige Unterdrückung erfahren hätte und auch nicht, dass ich da draußen allzu viel unerbittliche, monolithische Mächte wahrnehmen könnte, die die Gesellschaft beherrschten; bei genauerer Betrachtung verlieren sich der Kapitalismus, das Patriarchat oder die Kultur doch eher in etwas Uneindeutiges und Flüchtiges, von unklar begrenztem Wirkungskreis. Die Gesellschaft ist eigentlich ein ziemliches Nebelreich, in dem alles Mögliche auftaucht und wieder verschwindet.  Vielleicht ist es so, dass sich die Leute ihre mentalen Gefängnisse schon auch selbst machen, und das außerdem mit Lust und Verve. Oder sie sind geil darauf triumphieren zu können; von wegen, sie hätten mit diesen klaren Abgrenzungen und Identifizierungen etwas so Tiefes und Unendliches, sich dem erschöpfenden Verständnis ständig Entziehendes wie die Gesellschaft festgestellt und in die Tasche gesteckt. Warum sich z.B. Adorno, obwohl der eigentlich ein Genie war, dauernd unterdrückt gefühlt hat und sich so mehr oder weniger in eine Situation der philosophischen Ausweglosigkeit hineinmanövriert hat, weiß ich nicht. Vielleicht weil er selber von unterdrückendem Temperament war und das dann in die Außenwelt projiziert hat, weil er ja von seiner Innenwelt her nichts anderes kannte. So ist Adorno auch skeptisch gegenüber der Dialektik und überhaupt aller Philosophie und Wissenschaft, die mit Begriffen operiert: denn der Begriff stülpt sich (als etwas gewollt Eindeutiges) einer Sache über und beraubt sie so ihrer Vieldeutigkeit und Autonomie. Der Begriff sei ein Herrschaftsinstrument. Auch wenn z.B. Hegel den Begriff als etwas explizit Dynamisches und dialektisch sich Entwickelndes formuliert, kann Adorno trotzdem in der Hegelschen Philosophie eine Wut zur Einheit bis hin zu einem Größenwahn, den gesamten geschichtlichen Verlauf nach einem Bilde gemäß sehen zu wollen ausmachen (natürlich aber nicht nur das: seine Kritik an Hegel ist keine Totalkritik – meistens ist Adornos Kritik aber eben Totalkritik). Indem Adorno den Begriff quasi als Herrschaftsinstrument identifiziert, stößt er das ausgeglichene Gemüt aber vor den Kopf: denn das ausgeglichene Gemüt wird im Begriff wohl eher ein Erkenntnisinstrument erblicken wollen, das nur irgendwann nachrangig auch ein Herrschaftsinstrument sei. Außerdem wird ihm auffallen, dass Adorno mit seiner Identifizierung und Feststellung des Begriffs als Herrschaftsinstrument ja vielmehr selbst einen autoritativen Akt begeht – der in erster Linie autoritativ und nur nachrangig erkenntnismotiviert erscheint. Worauf Adorno – im rationalen, nachvollziehbaren Teil seines Unternehmens – aber hinauswill, ist eine Negative Dialektik zu formulieren, in der das Amalgam zwischen Bezeichnung (dem Begriff) und Bezeichnetem (der „Sache selbst“) gelockert wird, und dass sowohl die Offenheit und die Autonomie von Begriff und von der „Sache selbst“ gewährleistet bleibt. Freilich ist allein das ganz gewöhnliche philosophische und wissenschaftliche Erkenntnisideal. Adorno geht aber darüber hinaus, indem er in diesem Verhältnis ein grundlegendes „Nicht-Identisches“ verankert: also einen durch den Begriff nie einfangbaren „Rest“, der in der „Sache selbst“ liege (oder umgekehrt). Diese Annahme eines ewigen Nicht-Identischen ist aber eben eine Annahme: die wahrscheinlich davon abhängt, ob man von integrativem Gemüt ist oder von einem exkludierenden. Adorno scheint in seiner mannigfachen Kulturkritik immer wieder beim Durchschnittsmenschen ein intellektuelles und emotionales Sensorium voraussetzen zu wollen, das so raffiniert ist wie sein eigenes. Adornos spezifisches Sensorium ist dabei aber eine vorwiegend zersetzende, zerlegende Intelligenz, zu der es als massives, aber plumpes Gegengewicht dann eben einen vagen Utopismus gibt, der sich zwar will, der aber nicht an sich glaubt und der daher kraftvoll ist und kraftlos zugleich. Immer wieder wird bei Adorno das Nicht-Identische beschworen, ohne genau erklärt zu werden. Meistens findet es sich konnotiert mit dem Spontanen, dem Irrationalen, Ursprünglichen, Koboldhaften – das aber dunkel bleibt (und vielleicht von seiner Qualität her gar nicht so gut ist). Es erscheint so vielmehr als etwas Verdrängtes, oder eine gestörte, traumatische, sich der Versprachlichung und Vergegenwärtigung entziehende Urmacht innerhalb von Adorno selbst, die sich nicht durchschaut und dunkel bleiben will (vielleicht daher auch der Hass auf/die Angst vor der Erkenntnis und der Versuch, sie zu delegitimieren als bedrohliche Macht, als Herrschaftsversuch, der von außen kommt, und der invasiv ins Innerste eindringen will). Als „Trauma seines Lebens“ bezeichnet es Adorno, dass er sich als Komponist nicht verwirklichen konnte, weil seine radikalen Kompositionen in seinen jungen Jahren auf Unverständnis innerhalb der damaligen Gesellschaft gestoßen sind (deren Wesen er deswegen fortan diesbezüglich zu analysieren gedachte – und an der sich scheinbar revanchierte, indem er alles, was die Gesellschaft machte, bei ihm selbst auf Unverständnis stoßen ließ). Vielleicht liegt das Trauma ja auch darin, wonach Adorno kein wirklicher Komponist war. – Ein kleiner, unmusikalischer Mensch wie ich kann das nicht beurteilen. Aber wenn er ein wirklicher Komponist gewesen wäre, hätte er das doch durchgehalten. – Adorno spricht immer wieder von der „Verstümmelung“ des modernen Menschen (durch die Herrschaftsverhältnisse, die Aufklärung, die Kultur etc.), aber so umfangreich und immer wieder deplatziert, dass man meint, eine Projektion eines Verstümmelungserlebnisses Adornos in die ganze Welt hinein vor sich zu haben. Wenn Adorno eine eigene Verstümmelung in die Welt hinein projiziert, scheint das schon ein starkes Stück, eine intellektuelle Fahrlässigkeit, ein Narzissmus. Der Teddie ist der ungeheuerlichste Narziss, den die alte und neue Welt aufzuweisen hat, urteilten über Adorno Menschen, die ihn kannten. In der Tat ist der Narziss, auch bei aller Gebildetheit und Aufmerksamkeit, die er eventuell hat, letztendlich weltlos; die Welt rotiert um ihn, und er hat, mangels Empathie, Schwierigkeiten, die Welt (und „das Andere“) angemessen zu verstehen: er wird ihm seine Herrschaft überstülpen wollen. Wo Adornos Philosophie negativ ist, also in der Herrschaftsanalyse und –kritik, da ist sie stark, nicht eliminierbar und positiv. Wo aber seine Philosophie positiv zu sein versucht, also in der Aufzeigung der Überwindung von Herrschaft und von Befreiung, da ist sie negativ, da herrscht ein Mangel. Befreiung kommt von Subversion von Herrschaft und liegt in einem positiven Imaginären. Mit seiner unerbittlichen Kritik öffnet Adorno einen gigantischen Raum des befreiten Imaginären, das jedoch gleichzeitig vage und dünn bleibt, während dessen sich die Subversion im Selbstzweckhaften zu verirren droht. Bei Adorno hat man das ständige Beschwören eines befreienden Imaginären, ohne dass er dieses Imaginäre selbst denn endlich beschreiben könnte. Freilich stand sein Denken und Schreiben unter dem Eindruck ungeheurer Zivilisationsschocks. Davon abgesehen, wie damit zusammenhängend, war es die Wahrnehmung eines ungeheuren gesamtseelischen Mangels, der als Impetus für das kritische Denken von Adorno und seinen Mitstreitern fungiert hat. Der Legende nach soll es die Wahrnehmung eines Mangels an Eros in der modernen Gesellschaft gewesen sein: eine Unfähigkeit der Menschen, sich auf authentische Weise und liebevoll zu begegnen und Beziehungen zueinander einzugehen jenseits von oberflächlichen; sowie ein Mangel an ästhetischem Sinn. Eventuell also ein Mangel an (so genanntem) <<weiblichem Prinzip>>.  Frauen vermochten auf den privaten Adorno großen Eindruck zu machen, und sein Talent zum Beschwärmen weiblicher Schönheit war, der Legende nach, unerschöpflich. Ich zeige mich hocherfreut, das zu hören! In diesem Punkt seien wir uns ja ganz gleich! Denn auch mich begeistert die Schönheit der Frauen. Die mystische Schönheit der Frauen, in ihrer Autonomie, in ihrer wohltuenden Herrschaft – ist sie nicht letztendlich das Imaginäre selbst? Die Schönheit der Frauen ist unendlich; keine sanftere, samtenere Macht findet sich in der Welt. Dass Adorno aber als Denker die Schönheit der Frauen beschreibt – das wäre mir noch nicht aufgefallen. Noch kurioser, finde ich inmitten seiner penetranten Beschreibungen von Herrschaft und Unterdrückung keine über die Unterdrückung der Frauen! Gerade stelle ich mir vor, wie ab einem gewissen Punkt der Lektüre die geeichten Jungfeministinnen Linda, Olga und Pampa doch unwillkürlich, unbeherrscht mit intensivstem Knall explodieren müssten, in kleinste Teile zersprengend, die mit einer Geschwindigkeit von mindestens fünfhundert Kilometern in der Sekunde Richtung Weltraum schießen. Ja, die Frauen; in ihrer Unergründlichkeit. Und Adorno, in seiner rätselhaften Gründlichkeit der Kritik, deren Grund aber wo liegt?  Vielleicht kann man es anlehnen an ein Bonmot meiner hochgeschätzten Kollegin aus dem intellektuellen Cabaret, Lisa Eckhart: Man habe immer geglaubt, dem (jüdischen) Adorno ginge es immer nur ums Geld (den Kapitalismus). Aber es ging bei ihm ja gar nie ums Geld/den Kapitalismus – es ging bei ihm immer nur um die Weiber.

Sie sind uninformiert, was empirische Forschung anlangt, aber schreiben darüber in einer autoritären Sprache, so dass der Leser gezwungen ist, an Ihrer Autorität auf Ihrem ureigensten Gebiet, der Musik zu zweifeln. Sie attackieren andere Leute als Fetischisten, als neurotisch und schlampig, zeigen aber sehr deutlich Ihrerseits solche Züge.

Paul Lazarsfeld an Theodor W. Adorno

Weiber sind zwar schön anzuschauen und sie versinnbildlichen heilige Werte; aber sie sind nicht der Endzweck des Philosophierens und der Dialektik. Wahrlich, ich sage dir, Schwester: der Endzweck der Philosophie ist das Erreichen einer kritisch-analytischen synthetisierenden Beschaulichkeit. Der Endzweck der Philosophie wird über Dialektik und dergleichen erreicht, liegt aber jenseits der Dialektik; in keinem Entweder – Oder, sondern eher in einem Sowohl als Auch. Der Endzweck der Philosophie ist es, zu einem tiefen See zu werden, besser zu einem tiefen Ozean. Adornos Negative Dialektik wirkt irgendwie unbefriedigend, irgendwie artifiziell. Wieso daher nicht besser zum Ozean werden, in dem sich keine harten Sachen stoßen, sondern wenig verbunden, lose, vorbei treiben – dabei aber doch integriert sind gleichermaßen und ein Zusammenhang: gestiftet durch den Ozean. Ozean, du bist eine harmonische Sphäre, ein Symbol der Identität: immer gleich zu dir selbst. Du änderst dich nie, und wenn deine Wellen sich türmen im Zorn, sind sie anderswo ruhig und in tiefstem Frieden. Du bist nicht wie Menschen, die in den Straßen herumlungern um zuzusehen, wie sich zwei Hunde gegenseitig die Gurgel zerbeißen, aber die sich beeilen, nicht zu spät zu kommen wenn eine Beerdigung stattfindet; die am Morgen vernünftig sein mögen und am Abend böse; die heute lachen und morgen weinen. Der Ozean hat kein Nicht-Identisches und ist transzendent gegenüber der Dialektik; der positiven wie der negativen. Die Negative Dialektik, damit sie aufgeht, kann vielleicht weniger als ein rationales Verfahren angegeben werden als durch eine Kunst, also durch ein zweckfreies, aber adäquates Assoziieren. Und der Ozean assoziiert. Der Ozean versammelt, doch zwanglos. Die verschiedenen Fischarten im Ozean haben sich keine Bruderschaft geschworen. Ihrer Art gemäß leben sie in ihren eigenen Habitaten. Die Menschen faseln immer von Bruderschaft, leben aber wie Wilde in ihren Höhlen und kommen kaum von dort heraus, um ihren Nachbarn zu besuchen, der in einer ähnlichen Hütte lebt. Die große, umfassende Familie der Menschen ist eine Utopie, die aus der schlechtesten Logik stammt. Es ist angezeigt, ein See, besser noch ein Ozean zu werden, denn Menschen fühlen sich dauernd gekränkt, wenn nicht zerquetscht, wenn sie selbst nicht an der Macht sind und wenn jemand anderer als sie selbst (auch noch) Macht hat. Das zerstört dann ihren Geist und dann reagieren sie mit ihrem Vernichtungswillen. Von einer Macht, von Herrschaft kann man sich psychologisch nur gekränkt fühlen, wenn man ein Ego hat. Der Ozean hat aber kein Ego und keine kompakte Mitte; er verteilt sich gleichmäßig in sich selbst und nach überall hin. Ozean, du hast dem Menschen vieles gegeben. Du hast dem Menschen bereits dem Wal gegeben. Dennoch gibst du nicht willentlich die tausend Geheimnisse deines traulichen Organismus den hungrigen Augen der Menschen preis: du bist bescheiden. Es lobt der Mensch sich unaufhörlich und um nichtiger Gründe willen. Der Ozean hat keinen Kern und keine Hierarchie, also kein Ich: eher gleicht er einem Selbst; und ein Selbst ist unzerstörbar. Einen Schlag verpassen kann man dem Ozean nicht, denn das ist ein Schlag ins Wasser. Der Mensch sagt: „Ich bin intelligenter als der Ozean!“. Das ist möglich. Aber der Ozean löst stärkere Furcht aus beim Menschen, als der Mensch beim Ozean. Der See und auch der Ozean können versaut, eventuell zerstört werden. Damit er nicht durch äußere Einwirkung zum Kippen gebracht werden kann, ist es notwendig, dass der Ozean riesig und allesverdauend ist. Ebenso bleibt es wohl auch notwendig, dass der Ozean trotzdem seine Ufer hat; es was anderes gibt als ihn: die anderen Kreaturen und Ozeane, die Welt. Eine Lemsche Solaris als tatsächlich planetarische Intelligenz ist offensichtlich solipsistisch und irrational und kann sich nicht durchdringen und so ist auch keine eigentliche Kommunikation mit ihr möglich. Je mehr man aber zum Ozean wird, desto weiter rücken die Ufer auseinander und rücken gegeneinander in eine hilflose Ferne, in eine bestenfalls zappelnde und piepsend sich artikulierende Exzentrik. Was aber geht diese Exzentrik den Ozean an? Der Ozean gehört sich erheblich selbst. In seinem Träumen verloren prozessiert sich ewiglich der Ozean. In seinen endlosen Weiten spiegelt sich das Firmament. Und im Firmament drücken sich die kosmischen Gesetze aus. Was ist der Ozean gegen den Äther?, fragt Hölderlin: doch der Ozean spiegelt und imitiert den Äther. Stumm träumt der Ozean und stumm spricht das Firmament zu uns, von den ewigen Gesetzen. Die Kämpfe der Welt, die Kämpfe zwischen Gut und Böse, sie gehen den Ozean weniger an, denn der Ozean ist alt. Die Kämpfe zwischen Gut und Böse, zwischen Ordnung und Unordnung, sie spielen sich im Ozean anders ab, denn der Ozean ist eine andere Ordnung. Lautréamont wollte mit seiner ozeanischen Intelligenz früh durch das Böse hindurch und er wollte durch das Gute hindurch. Leider starb er jung, und seine Legende strebt verflüssigt ins Indefinite, wie der Ozean. Ich grüße dich, alter Ozean! Vielleicht hätte Adorno Lautréamont lesen sollen: aber ob er ihn verstanden hätte? Es gibt hunderte von Leviathanen, erzeugt durch den Menschen. Die harschen Kommandos der Offiziere, das Geschrei der Verwundeten, die Kanonenschüsse: all das ist Getöse, um gerade ein paar Sekunden in der Zeit abzutöten. Schon hat der Ozean es verdaut, denn sein Schlund ist enorm. China wird große Schwierigkeiten haben, Taiwan einzunehmen, denn der Ozean ist fast immer zu rau für eine große Invasionsflotte um ihn so einfach zu überqueren. Ansonsten ist er insgesamt der Stille Ozean. Wellen kräuseln sich an seiner Oberfläche, dort allerdings und da, vielmehr ist der Ozean aber Ruhe. In einer einsamen Region, verloren auf dem Ozean, kommt eine Monsterwelle daher und bringt ein Schiff spurlos zum Verschwinden. Wie Monsterwellen entstehen, hat der Mensch noch nicht ganz geklärt. Und weil er sie sich nicht erklären konnte, hat er lange nicht geglaubt, dass es sie gibt. Die Menschen haben, trotz der Exzellenz ihrer Methoden und unterstützt durch ihre Wissenschaft es nicht geschafft, die Tiefen des Ozeans zu erforschen. Ozean, du hast Tiefen, die die umfangreichsten Sondierungen als unbegehbar anerkennen. Sie bleiben den Fischen vorbehalten, nicht den Menschen. Vielleich, wahrscheinlich, gibt es im Ozean auch ein Bermuda-Dreieck oder ein Kap Hoorn, wo Strömungen in einer raffinierten Weise zusammenkommen und alles mit sich reißen und hinein in ihre Rätselhaftigkeit und Undurchschaubarkeit – oder die vielleicht sogar Tore zu einer außerirdischen Welt sind. Auch mit diesen Tricks konfrontiert uns der Ozean. Über den Ozean passiert vieles, er ist riesiger Raum, eine plane Homogenität auf der sich umso heterogenere Dinge ereignen können. Eine Homogenität, die Begegnungsraum für Heterogenes ist. Riesiger, endloser Ozean! Tausend Seemeilen vor Neuseeland treiben da zum Beispiel braune, scheinbar körnige Schlieren im Wasser, die zunehmend größer und häufiger werden und in denen felsenartige Dinge auftauchen. Ein Bimssteinfloß!  Bimssteinflöße im Meer entstehen aus submariner vulkanischer Aktivität, durch Unterwasser-Vulkanausbrüche. Der verlorene Bimssteinfloß vor Neuseeland hat eine Ausdehnung von sechsundzwanzigtausend Quadratkilometern und damit fast die Größe von Belgien. Somit fällt er im Ozean trotzdem kaum auf. Weiter in seinem Zentrum ballt sich der Bimsstein gar zu einem schwimmenden Felsteppich, einer schwimmenden Felslandschaft, die sich zuweilen wellenartig auftürmt. Wenn ein Bimssteinfloß schließlich auf einen Hafen trifft, verstopft er dort alles. Schiffe, die durch Bimssteinflöße manövrieren, fahren durch diesen wie durch Sandpapier, und sollten daher möglichst schnell von dort weg. Die Bimssteine selber fungieren als Biotope. Im Laufe ihrer Reise können Bimssteine zu einem Zuhause für mehr als achtzig verschiedene Arten von Meereslebewesen werden, allen voran Muscheln und Schalentieren und Krebsen; sie können auch ganze Mikromilieus beherbergen. Wenn die Bimssteine an Land gespült werden, bringen sie diese Lebewesen mit sich. Damit spielen Bimssteinflöße eine wichtige Rolle in der Ausbreitung von Lebensformen über die Weltmeere hinweg. Solche Dinge können passieren und können einem begegnen, in den Weiten und Tiefen des Ozeans. Der Ozean enthält auch Steinwüsten. Ich grüße dich, alter Ozean! :: In einer verlassenen Region, die von Seeleuten aufgrund der dortigen trägen Strömungen und der häufigen Flaute gemieden wird, trifft die einsame Seefahrerin Britta unerwartet auf einen Müllwirbel, der in keiner Karte verzeichnet ist. So segelt sie durch ein riesiges Meer von Dreck, Ablagerungen aus alten Fischernetzen, Plastikflaschen, Plastikenten, Legosteinen, Mobiltelefonen, Kondomen, Kugelschreibern, Microbeads, Schwimmreifen oder Computern; über Seemeilen hinweg. Jedes Mal, wenn Britta an Deck geht, treibt eine neue Müllinsel an ihr vorbei, einmal bestehen sie aus Zahnbürsten und Feuerzeugen, dann aus Fußbällen, dann aus Sexpuppen, dann aus Kajaks. Teilweise ist dieser Müll bis zu fünfzig Jahre alt. Wie Müllwirbel entstehen und wie sie sich bewegen ist der Forschung noch weitgehend unbekannt. Da Meere aber Strömungswirbel aufweisen, ist es zu erwarten, dass der Zivilisationsmüll, der in den Meeren landet, von diesen Wirbeln angezogen und angesaugt wird. Der größte marine Müllwirbel, der Great Pacific Garbage Patch, treibt tief im Stillen Ozean zwischen Hawaii und Kalifornien und hat die dreifache Größe von Frankreich. Er ist, genau genommen, eine Müllgalaxie. Auch insofern er von geringer Dichte ist und weniger aus schwimmenden Müllinseln, sondern hauptsächlich aus einer erhöhten Anhäufung von Mikroplastik besteht. Da der Great Pacific Garbage Patch zu weit draußen im Ozean schwimmt, will keine Nation die Verantwortung und die Kosten auf sich nehmen, ihn abzutragen. Umweltschützerinnen wollen deshalb, dass dem Great Pacific Garbage Patch der Status einer eigenen Nation zuerkannt wird, auf dass andere Nationen gemäß der UN-Charta sich in die Pflicht genommen finden, dieser bei ihren Umweltproblemen zu helfen. Als Nation heißt der Great Pacific Garbage Patch Trash Isles. Trash Isles hat einen eigenen Pass und eine eigene Währung, den Debris. :: Trotzig zieht anderswo The World ihre Schneise durch das Weltmeer. The World ist ein spezielles Wohnkreuzfahrtschiff für sehr Reiche, die sich dort für einige Millionen eigene Apartments erwerben können; eine schwimmende Gated Community für Geldadelige, die so der Welt entfliehen wollen. Oder eben ganz in ihrer eigenen und ganz in der übrigen anderen Welt gleichzeitig leben wollen: die namensgebende und identitätsstiftende Idee von The World ist es, dass man „die Welt bereisen kann, ohne wegzufahren“. The World ist immer irgendwo und folgt mit ihren Millionärinnen und Milliardären keiner festgelegten Route; das jeweils nächste Reiseziel wird „gemeinschaftlich“ ad hoc festgelegt. So zieht sie solitär ihre Bahnen. Es scheint, The World segelt immer am Horizont, ist ihr eigener Horizont, ein wandelnder, segelnder Horizont des Gesellschaftlichen, an dem die Zeichen und die Sinnhorizonte in ihrer Bedeutung verschwimmen und gleichzeitig erstarrt, erstarrend einem entgegentreten. Sie hat etwas Endzeitliches. Beobachter wollen dort einerseits eine gelöste Atmosphäre feststellen, in der sie „privilegierte Menschen zum ersten Mal erkennbar glücklich“ erleben; anderen fällt eine „tiefe Finsternis“ auf, von der das ganze Schiff durchzogen sei. The World, so bewirbt sie sich selbst,sei Vollendung und Destillat der Kunst, reich zu sein. :: In den Tiefen der polaren Grenzregionen schwimmen, in surrealer Langsamkeit, die Eishaie. Eishaie gehören zur Gattung der Schlafhaie; sediert wirkend bewegen sie sich träge mit höchstens einem Kilometer pro Stunde durch ihren extremen, energiearmen Lebensraum. Ächzend archaische Kreaturen, sind sie eine ungewöhnliche Begegnung, und wenig ist der Forschung bislang über die Lebensweise dieser unzugänglichen Tiere bekannt. Eishaie können offenbar bis zu acht Meter lang und vierhundert Jahre alt werden oder noch mehr; wohl aufgrund ihres stark verlangsamten Stoffwechsels. Damit sind sie die langlebigsten Wirbeltiere der Erde. Sie wachsen im Laufe ihres Lebens in sehr verzögertem Tempo und gelangen erst in einem Alter von mindestens hundertdreißig Jahren zur Geschlechtsreife. In der extremen, extrem exzentrischen Lebenswelt der Eishaie gehen die Uhren anders; und ist der Raum anders, ganz zu schweigen von den Licht-, ganz zu schweigen von den Druckverhältnissen, und den Temperaturen sowie der umgebenden Fauna. Man nimmt an, die schwunglosen Eishaie ernähren sich von Robben, die sie im Schlaf überraschen. Man hat aber auch schon Knochen von Eisbären in den Mägen von Eishaien gefunden. Mühsam ernährt der Eisbär andere, am kalten Polar. – All diese Möglichkeiten liegen innerhalb des Ozeans – und all diese Möglichkeiten liegen innerhalb des Geistes! Warum hat Adorno solche Schwierigkeiten, das zu erkennen – und die Welt damit geistig zu vereinigen? Wir wissen es nicht: es liegt auf dem Grunde seines Ozeans. Vielleicht war Adorno zu gesellschaftsorientiert. Nichts wirklich Authentisches mag dabei vielleicht rauskommen. Einzig solitäre Denkerinnen wie Montaigne, Kierkegaard oder Nietzsche sind für Adorno in der Lage, sich jenseits von Dialektik und Negativer Dialektik zu bewegen, und ein Wissen zu begründen, das kein Herrschaftswissen sei. Dabei sind solche Denkerinnen, genau genommen, keine echten Philosophen und, noch genauer genommen, gar keine Wesen der Gesellschaft; sie nehmen an den Ritualen der Gesellschaft gar nicht teil. Daher können (und wollen) sie in der Gesellschaft keine Herrschaft ausüben, und wenn doch, dann (wie im Fall von Montaigne (allerdings eventuell nicht im Fall von Kierkegaard oder Nietzsche!)) eine gute. Ich habe keine Herrschaftsansprüche gegen Kierkegaard, Hegel oder Nietzsche. Aber mein rastloses Erkenntnisinteresse beunruhigen sie. Alle geistigen Erscheinungen beunruhigen mein Erkenntnisinteresse. Ich muss durch diese Erscheinungen jeweils hindurch um sie, in ihrer Widerspiegelung durch mich, in meiner Vergegenwärtigung ihrer, zu pazifizieren. So studiere ich diese geistigen Erscheinungen möglichst genau und schreibe möglichst endgültige Texte über sie. Damit verschnüre ich diese beunruhigenden geistigen Erscheinungen zu Paketen und versenke sie auf den Grund meines Ozeans. Dort sollten sie mich, zumindest für eine ganze Weile, nicht mehr beunruhigen und nicht mehr stören. Irgendwann werden sie womöglich vereinzelt wieder hochkommen – dann verschnüre und versenke ich sie erneut. Alter Ozean, diese Ausführungen zu Adorno und seiner Negativen Dialektik sind dagegen einstweilen eher nur beiläufig, nur ein intelligentes Experiment. Überhaupt werden in den Tiefen des Ozeans nur Experimente durchgeführt; nichts was Anspruch auf endgültige Wahrheit erhebt. Adorno hat kaum angegeben, was endgültige Wahrheit eigentlich ist. So etwas wie endgültige philosophische Wahrheit kann man sich aber als etwas vorstellen, was über mehrere Dimensionen erscheint. Die endgültige philosophische Wahrheit ist etwas klar Abgegrenztes, das dabei von einem Saum des Experimentellen, des Traumhaften und Unbestimmten umgeben ist; einerseits ein klar begrenztes Territorium ihm gegenüber errichtet, andererseits in diesen abfällt, sich eventuell sogar in diesen flüchtet. Die Dialektik der Aufklärung war, in ihrer Paradoxie, ein Wahrheitsereignis. In ihr hat man dieses Kompakte und Bestimmende, die Komplexität Reduzierende auch; genauso wie das Irreale, das Fliehende, das Glimmende aus dem höheren Raum, das durch die allgegenwärtigen morschen Ritzen der neuzeitlichen Industriewelt ebenso unsicher und verklärt und sich mit sich selbst nicht identisch fühlend wie wütend und protestierend zu uns Gegenwärtigen und Zukünftigen hinein scheint. Das Reale und das Imaginäre bei der Dialektik der Aufklärung hat man auch in ihrer Sprache. Die Sprache der Wahrheit streng bestimmend und lockernd zugleich. Die Sprache der Wahrheit ist fest und robust. In der Sprache der Wahrheit werden die Schrauben angezogen. In einer anderen Dimension der Konstruktion werden sie gelockert. Die Sprache der Wahrheit errichtet strenge und undurchdringliche Verstrebungen aus Graphen. Nach hinten galoppiert sie auf einer experimentellen Fluchtlinie davon. Die Negative Dialektik ist ein ähnliches Unterfangen, aber man muss sie in höheren Dimensionen betrachten, dann realisiert sich ihr eigentlicher Sinn. Ich grüße dich, alter Ozean!

Veröffentlicht am 11. September 2022, Adornos hundertneunzehntem Geburtstag

Abschließende Bemerkungen zu Hegel

Phänomenologie des Hegelschen Geistes

Leicht beieinander wohnen die Gedanken,

Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.

Schiller, Wallenstein

In der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, die aus neun Sätzen/Thesen und deren Begründung besteht, konstatiert Kant: Das größte Problem für die Menschengattung, zu dessen Auflösung die Natur ihn zwingt, ist die Erreichung einer allgemeinen das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft…. d.i. eine vollkommen gerechte bürgerliche Verfassung… (Fünfter Satz, S.39) Und fügt sogleich hinzu: Dieses Problem ist zugleich das schwerste, und das, welches von der Menschengattung am spätesten aufgelöset wird. (Sechster Satz, S.40) Dass er das konstatiert, passiert in ideeller, in geschichtsphilosophischer Absicht. In der empirischen Welt scheint in erster Linie das Chaos zu regieren, und die Geschichte scheint keinem vernünftigen Plan zu folgen. Aufgabe der Philosophin kann es aber nicht sein, davor zu kapitulieren. Die Voraussetzungen in jenem Jahr 1784 sind so schlecht für ein solches Unterfangen nicht. Die menschliche Vernunft war als bedeutende Macht erkannt, welche Wissenschaft generiert, neue Rechtsauffassungen, neue Politik, welche in die Welt eingreift und sie zu verbessern imstande ist. Der Mensch wurde autonom, die Geschichte veränderbar. Das Leitziel des menschlichen Geschlechts konnte dadurch ein anderes werden: Nicht mehr, dass es sich, im Rahmen einer göttlichen, festgefügten Ordnung, bloß reproduziere, sondern, dass es sich auf einer höheren Ebene, einem höheren Qualitätsniveau der geschaffenen und zu schaffenden Lebenswelt fortpflanze. Die Anlagen dafür lägen im Menschen – qua seiner Vernunft – selbst, und: Die Natur hat gewollt: daß der Mensch alles, was über die mechanische Anordnung seines Daseins geht, gänzlich aus sich selbst herausbringe, und keiner anderen Glückseligkeit, oder Vollkommenheit, teilhaftig werde, als die er sich selbst, frei von Instinkt, durch eigene Vernunft verschafft hat. (Dritter Satz, S. 36) Jetzt aber kommt`s: Das Mittel, dessen sich die Natur bedient, die Entwicklung aller ihrer Anlagen zu Stande zu bringen, ist der Antagonism derselben der Gesellschaft, so fern dieser doch am Ende die Ursache einer gesetzmäßigen Ordnung bringen wird. (Vierter Satz, S.37) Nicht die Harmonie, sondern der Antagonismus, der Krieg ist der Vater aller Dinge und der Entwicklung aller inneren Anlagen. Ich verstehe hier unter dem Antagonism die ungesellige Geselligkeit des Menschen… (ebenda): Dass der Mensch also ein Wesen der Gesellschaft ist und ihrer bedarf, wie gleichzeitig ein Einzelwesen, das seine Vernunft und Kreativität, seine Waghalsigkeit und sein Abenteurertum nur dann richtig entfalten kann, wenn es sich vereinzelt und aus der Gesellschaft ausbricht. Diese Ungeselligkeit sei, was Erfindungen, Kunst, Technologie etc. ermögliche, mithilfe derer sich die Gesellschaft weiterzuentwickeln imstande ist. Die zwischenmenschliche Konkurrenz und die Rivalitäten, das hartnäckige Ringen mit der Natur und um Kultur – und (eventuell) weniger die Beschaulichkeit – seien dafür die eigentlichen Triebfedern. Der Konflikt sei der Motor der Geschichte. Der Mensch will Eintracht, aber die Natur weiß besser, was für seine Gattung gut ist: sie will Zwietracht. (S.38f.) …. Die natürlichen Triebfedern dazu, die Quellen der Ungeselligkeit und des durchgängigen Widerstandes, woraus so viele Übel entspringen, die aber doch auch wieder zur neuen Anspannung der Kräfte, mithin zu mehrerer Entwicklung der Naturanlange antreiben, verraten also wohl die Anordnung eines weisen Schöpfers; und nicht etwa die Hand eines bösartigen Geistes, der in seine herrliche Anstalt gepfuscht oder sie neidischer Weise verderbt habe. (S.39) Die Natur selbst sei, wenn man so will, vernünftig, beziehungsweise schaffe eine Basis für einen vernünftigen menschheitsgeschichtlichen Verlauf, eine allgemeine Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. Entwickeln könne der vernunftbegabte Mensch seine guten, vernünftigen Anlagen am Besten dann, wenn er ausreichend „ungesellig“ und frei sein kann, d.h. keiner niederdrückenden Autorität unterworfen. Damit die Gesellschaft keiner niederdrückenden Autorität eines Leviathans unterworfen sei, sei eben die Erreichung einer allgemeinen das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft…. d.i. eine vollkommen gerechte bürgerliche Verfassung notwendig. Eine vernünftige Ausformulierung und Begrenzung der Rechte und Pflichten des einzelnen Menschen seitens der Gesellschaft, eine vernünftige sittliche Verinnerlichung der gesellschaftlichen Prinzipien seitens des Individuums. Eine vernünftige und ethisch nachvollziehbare Mediation von Konflikten zwischen und für vor dem Gesetz gleichen Rechtssubjekten; eine produktive Instrumentalisierung des „Antagonisms“ zum Zwecke der allgemeinen Glückseligkeit und des Fortschrittes. Die Schaffung eines solchen Menschentypus und die Schaffung eines solchen Gesellschaftstypus sei Sinn und Verwirklichung der allgemeinen (universalen) Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. Gleichsam folge dieses nur dem Plan der Natur und sei die Verwirklichung der durch die Natur gegebenen Anlagen. Kants Schrift ist kurz und skizzenhaft und mit: Wir wollen sehen, ob es uns gelingen werde, einen Leitfaden zu einer solchen Geschichte zu finden, und wollen es dann der Natur überlassen, den Mann hervorzubringen, der im Stande ist, sie danach abzufassen, beendet Kant bescheiden seine Einleitung zu seiner Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. Offensichtlich war dieser Mann aber dann Hegel. – Zwei Jahrhunderte später (1970) wird Michel Foucault in seiner berühmten Inauguralvorlesung am Collège de France (veröffentlicht als Die Ordnung des Diskurses) dann konstatieren: Aber um Hegel wirklich zu entrinnen, muss man ermessen, was es kostet, sich von ihm loszusagen; muss man wissen, wie weit uns Hegel insgeheim vielleicht nachgeschlichen ist; und was in unserem Denken gegen Hegel vielleicht noch von Hegel stammt; man muss ermessen, inwieweit auch noch unser Anrennen gegen ihn seine List ist, hinter der er uns auflauert: unbeweglich und anderswo (Foucault S.45) – und es ist bemerkenswert, dass Foucault hier Hegel so prominent, gar gleichsam zentral erwähnt: da sich Foucault in seiner eigenen Philosophie mit Hegel kaum explizit beschäftigt (er erwähnt Hegel in Bezug auf seinen geschätzten Lehrer Hyppolite, der Hegel-Exeget war: aber das, was er meint, ist von viel größerem Umfang und betrifft die moderne Philosophie selbst). In einer anderen Hinsicht allerdings scheint sein gesamtes geistiges Ringen als eines mit Hegel: dem Wahnsinn/der Unvernunft als Gegenstück zur Vernunft eine Stimme zu verschaffen; gegen „Einschließungssysteme“ zu rebellieren; Aufklärung nicht nur als Entwicklung zur Freiheit hin zu fassen sondern zu neuen Formen der Unterdrückung, die tief ins Subjekt hineinreichen; die Wissenschaft vom Menschen und den Humanismus selbst fragwürdig erscheinen zu lassen (und am Ende dann doch erst wieder „das Subjekt“ und die Notwendigkeit zu seiner Selbstpflege zu entdecken). Und dieses Ringen mit Hegel – direkt oder indirekt – ist vielleicht eines (wenn eben nicht sogar das), das die neuere Philosophie – und noch viel mehr als das: die menschlichen Hoffnungen auf eine Befreiung des Individuums und einer zur Vernunft und zur Harmonie bestimmten Wirklichkeit – an sich kennzeichnet. Das, was man in der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht hat, und das, was man bei Hegel hat, ist im Wesentlichen das Programm der Moderne. Die Epoche eines vernunftbegabten, vernunftfähigen, durch Bildung zur Vernunft geführten Subjekts, das in einen vernünftigen, progressiven geschichtlichen Verlauf eingelassen ist, bzw. fähig ist, diesen zu als solchen zu gestalten – oder zu verunstalten —: und das aus viel komplexeren Motiven als aus bloßer „Unvernunft“ oder „menschlicher Triebnatur“: sondern aus der womöglich zweifelhaften Natur der „Vernunft“ selbst… – ist nicht vielleicht sogar die ewige Verunstaltung das eigentliche Thema der Menschheitsgeschichte? Kant selbst hat mit Skeptizismus gegenüber dem empirischen geschichtlichen Verlauf als realen Kontrast zu seiner Idee von einem nicht gespart: Da die Menschen in ihren Bestrebungen nicht bloß instinctmäßig wie Thiere und doch auch nicht wie vernünftige Weltbürger nach einem verabredeten Plane im Ganzen verfahren: so scheint auch keine planmäßige Geschichte (wie etwa von den Bienen oder den Bibern) von ihnen möglich zu sein. Man kann sich eines gewissen Unwillens nicht erwehren, wenn man ihr Thun und Lassen auf der großen Weltbühne aufgestellt sieht und bei hin und wieder anscheinender Weisheit im Einzelnen doch endlich alles im Großen aus Thorheit, kindischer Eitelkeit, oft auch aus kindischer Bosheit und Zerstörungssucht zusammengewebt findet: wobei man am Ende nicht weiß, was man sich von unserer auf ihre Vorzüge so eingebildeten Gattung für einen Begriff machen soll, steht da am Anfang, und: Denn was hilft´s, die Herrlichkeit und Weisheit der Schöpfung im vernunftlosen Naturreiche zu preisen und der Betrachtung zu empfehlen: wenn der Teil des großen Schauplatzes der obersten Weisheit, der von allem diesen den Zweck enthält. – die Geschichte des menschlichen Geschlechts – ein unaufhörlicher Entwurf dagegen bleiben soll, dessen Anblick uns nötigt, unsere Augen von ihm mit Unwillen wegzuwenden, und, indem wir verzweifeln, jemals darin eine vollendete vernünftige Absicht anzutreffen, uns dahin bringt, sie nur in einer anderen Welt zu hoffen? steht da am Ende(S.49) (nur solche Gesellschaften aber würden noch Jahrhunderte später bewundert, studiert und zu Rate gezogen werden, die sich in weltbürgerlicher Absicht zu verwirklichen vermochten, lautet dann das finale Verdikt). Und auch Hegel selbst war ein Luftikus und bloßer Optimist nicht: Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks. Die Perioden des Glücks sind leere Blätter in ihr, denn sie sind Perioden der Zusammenstimmung, des fehlenden Gegensatzes. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.42) – Noch im selben Jahrhundert Hegels wurden wirkungsmächtige philosophische Zweifel an der Vernünftigkeit der Welt formuliert, oder aber Individualitäten und Partikularitäten artikuliert, die sich schwer unter ein Allgemeines oder eben eine allgemeine Idee subsumieren lassen (am Bekanntesten durch Schopenhauer, Kierkegaard, Nietzsche). Marx stellt – noch wirkungsmächtiger, wie sich erweisen sollte – Hegel „vom Kopf auf die Füße“ und formuliert den dialektischen Materialismus. In der Hochmoderne treten – als Schatten zum Fortschrittsglauben – Pessimismen auf, angesichts eines scheinbaren Übermächtigwerdens des technischen und gesellschaftlichen Fortschritts und einer scheinbar daraus folgenden „Entfremdung“ des Menschen: einer Aufklärung, einer Vernunft und eines allgemeinen geschichtlichen Verlaufs, die heteronome Logiken und Geister produzieren, die man nicht mehr los wird. Heidegger ruft inmitten dessen zu einem „besinnlichen Denken“ auf; Adorno und die Frankfurter Schule zu einer „Negativen Dialektik“ (der Aufklärung). Foucault selbst gilt, mit seiner Liebe für von der Geschichte und von „der Macht“ unterdrückten „Diskursen“, die er sichtbar machen will, und anhand derer er Gegenentwürfe zur „Macht“ entwickeln zu gedenkt, als exemplarischer Vertreter der Postmoderne. Der scheinbar totalitäre Systemdenker Hegel fungiert der „Postmoderne“ als Feindbild; die „Postmoderne“ selbst sieht sich als Versuch, solch totalisierendem und systematisierendem Denken zu entkommen – wobei Foucault zumindest intelligent (oder „dialektisch“) genug ist, zu erkennen, welche Schwierigkeiten da lauern: Kann man noch philosophieren, wo Hegel nicht mehr möglich ist? Kann es noch eine Philosophie geben, die nicht mehr hegelianisch ist? Ist das, was in unserem Denken nicht hegelianisch ist, notwendigerweise auch nicht philosophisch etc. bohrt er weiter (Foucault S.46) Oh ja! – ist Hegel denn nicht die Achse, entlang nicht nur die neuere Philosophie verläuft, sondern das (zumindest westliche) Denken und Hoffen insgesamt? Hegel: der archetypische Philosoph – mit der archetypischen Philosophie – der jüngeren (industrialisierungszeitalterlichen) Moderne. Ist also unser industrialisierungszeitalterliches Denken – und unsere Politik – etwas, das bei Hegel vorgezeichnet wird? Foucault suggeriert in seiner Inauguralvorlesung: Hegel sei ein Erfahrungsschema der Modernität. Sogar ich selbst habe damals (daran anknüpfend) meine Diplomarbeit Der Bildungsbegriff als Erfahrungsschema der Modernität genannt. Es ging darin eben um das Konzept eines vernunftfähigen, durch Bildung zu Vernunft und Humanität gebrachten Subjekts, das in einen als progressiv vernünftig angenommenen bzw. erhofften modernen geschichtlichen Verlauf eingelassen sei, als eine Art Leitbild, über die sich die Geschichte der modernen Philosophie eventuell nachzeichnen ließe. Nichts, von dem was in meiner Diplomarbeit drinnen steht, ist dabei wichtig. Es ist eine akademische Arbeit, und das Thema akademisch zu verstehen und dessen letzte Ausläufer in der postmodernen Philosophie zu verstehen, ist ja auch gleichsam eine Kinderjause. – Die Mysterien der Philosophie Hegels zu verstehen, die tiefsinnigen, hochgradig ahnungsvollen Mysterien des absoluten Geistes: das ist etwas – wenn er sehr viel Glück hat – für den reifen Mann. Es ist sehr viel schwieriger und benötigt Jahrhunderte. Die postmoderne Philosophie z.B. erscheint knallig, ein wenig schwer verständlich in ihrer Paradoxie, und sie ist anziehend und sehr charismatisch. Und sie ist relatives und relativierendes Wissen; ein Wissen eben für junge, unvollständige und relative Leute. Hegel ist überhaupt nicht charismatisch; er ist ein Opa und einer der furchtbarsten Schriftsteller der Philosophiegeschichte. Aber seine Weisheit ist eben tatsächlich gleichzeitig uralt – und älteste Weisheit – wie sie zukünftig ist. Es ist eine Sache, in das Zeitalter einzudringen und eine neue Lösung, eine neue Darstellung, Heuristik, Handlungsempfehlung etc. für es zu finden (so eben z.B. bei der Postmoderne). Eine andere ist, durch sein Zeitalter hindurch alle Zeitalter zu durchdringen und seinen Geist dagegen in Stellung zu bringen – wie man diese Bewegung eben bei Hegel hat. Versuchen wir also diese Bewegung Hegels nachzuvollziehen, versuchen wir ihn einzuholen und ihn – ein verwegenes Unterfangen! – eventuell zu überholen.

Die Vernunft hat immer existiert, nur nicht immer in der vernünftigen Form, schreibt Marx 1843 an Ruge; damals zutiefst verstrickt in kritische Auseinandersetzung mit Hegel. Tatsächlich ist ziemlich viel von dem, was der Mensch je gemacht hat, vernünftig, auch wenn es nicht so scheint. Irrationale Rituale, Etiketten, Vorschriften, Ahnenkulte, Traumdeutungen, Versuche, die Natur zu beherrschen oder die Zukunft vorherzusagen sind Ausflüsse von Vernunft in traditionellen, geschlossenen Gesellschaften, in denen der Mensch wenig Macht über die Natur hat und auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und hierarchische Arbeits/Geschlechterteilung angewiesen ist, um überleben zu können. Eine Furcht vor Innovation und Veränderung, die das fragile, stets an der Kippe stehende Gleichgewicht stören und als scheiternde Versuche womöglich ganz zusammenbrechen lassen. Das ist freilich recht idealtypisch. Je besser eine Gesellschaft aber darin wird, die Natur zu beherrschen – durch neuzeitliche Technologie – desto eher bestehen Chancen, dass sie von einer geschlossenen zu einer offenen (vernunftorientierten) Gesellschaft übergeht. Inwieweit diese Möglichkeiten ergriffen werden, scheint nicht zuletzt aber auch vom Denken abzuhängen. China war  bekanntlich mit etlichen Innovationen früher dran als Europa, hat diese Innovationen aber nicht in Technologie umgesetzt. Bis dass sich China an der westlichen (technologischen) Vernunft ein Beispiel nahm, vergingen Jahrhunderte einer eigentümlichen, resistenten nationalen Lethargie. Abgesehen von anderen Faktoren für diese Lethargie und mangelnde Innovationsfähigkeit scheint die chinesische Form der Vernunft zwar eindrucksvoll, aber nicht als das, was wir heute im Westen als Vernunft, im Sinne von rationalem, logischem, wissenschaftlich orientiertem Denken verstehen, und daher auch nicht unmittelbar anschlussfähig an eine solche. Eine (traditionelle) chinesische Vernunft denkt (wenn ich mich nicht allzu stark irre) vorwiegend in Analogien, Vergleichen, Nuancen, macht Schlussfolgerungen von Zusammenhängen abhängig und hat einen Fimmel mit der Ritualistik. Die Moral ist undurchsichtig und zweideutig. (Eben vielleicht auch wegen dieser Opazität des Denkens und des moralischen Empfindens wird seit jeher von der Regierung auf striktes Obrigkeitsprinzip und Überwachungsstaatlichkeit gesetzt.) Es ist kein Reich des logischen Schlussfolgerns und auch keines des innovativen Denkens. China ist ein riesiges Reich, das auf (kollektivistischen) Reisbau setzt und das eine ganz andere Gesellschaftsstruktur hat, als z.B. Europa es jemals hatte. Es war – aufgrund der Bedrohung durch innere und äußere Unruhen, und eben aufgrund seiner unübersichtlichen Größe – stets bemüht, sich eine hochgradig statische Form zu geben. Es ist, insgesamt, etwas, was ziemlich anders ist als das, was wir im Westen gewohnt sind. Hegel übrigens hat China als die älteste und auch weit in der Vergangenheit bereits ausformulierte und nicht mehr entwicklungsfähige Zivilisation betrachtet. In jenen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte sagt er dann, eben ähnlich wie Marx: Die Vernunft, von der gesagt worden, daß sie die Welt regiere, ist ein ebenso unbestimmtes Wort als die Vorsehung – man spricht immer von der Vernunft, ohne eben angeben zu können, was denn ihre Bestimmung, ihr Inhalt ist, wonach wir beurteilen können, ob etwas vernünftig ist, ob unvernünftig. (S.28) Dies angeben zu können: darum dreht sich nun die gesamte Philosophie Hegels. – Dass die Vernunft, dass der Geist die Welt regiere, ist tatsächlich die philosophische Erzählung Hegels. Die Welt (zumindest, soweit sie uns was angeht: also als unsere Lebenswelt) sei identisch mit dem Fortschreiten und dem sich Ausdifferenzieren des Geistes, also der geistigen Durchdringung der Natur/der Objektivität durch den Menschen und der spiegelbildlichen geistigen Selbstdurchdringung des Menschen selbst. Am Ende des Prozesses stehe eine große Herrlichkeit der Selbstrealisation des absoluten Geistes und des absoluten Wissens: in Form einer guten und gerechten und kompetenten Gesellschaft und Staatlichkeit, die von guten und gerechten und kompetenten Individuen getragen werden. Denn die Weltgeschichte ist die Darstellung des göttlichen, absoluten Prozesses des Geistes in seinen höchsten Gestalten, dieses Stufenganges, wodurch er seine Wahrheit, das Selbstbewußtsein über sich erlangt. (ebenda S.73) In den Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte beschreibt Hegel die Weltgeschichte über die Kulturräume hinweg als einen solchen Stufengang einer Menschheit, die sich durch ihr Eingreifen in die Natur und ihre Entwicklung von Kultur fortwährend geistig ausdifferenziert. Ursprünglich (in Afrika) habe der Mensch durch seine mangelnden Manipulationsmöglichkeiten hinsichtlich der Natur auch wenig Wissen über sich selbst, daher wenig Subjektivität und wenig Sittlichkeit. Die ersten Hochkulturen und Zivilisationen bestehen darin, dass sich ein objektiver Geist (also ein gewisses Wissen über die Manipulation der Natur und eben eine Kultur) innerhalb ihrer realisiert hat, der jedoch noch primitiv ist. Dieser nimmt dabei die Form einer starren Ritualistik an (in der chinesischen Zivilisation) oder aber einer von Magie verzauberten Verträumtheit und eines Halluzinierens (in der indischen Zivilisation). Die Subjektivität bleibt dadurch inexistent bzw. inkompetent. In der antiken persischen Zivilisation erscheint mit dem Zoroastrismus zum ersten Mal eine Unterscheidung zwischen Gut und Böse und damit für eine rationale Sittlichkeit (und damit auch für eine Rationalität des Denkens), jedoch fehlt noch die subjektive Innerlichkeit (an die später im Christentum appelliert wird). Im antiken Griechenland treten zum ersten Mal eine echte Subjektivität beim Menschen hervor und eine wissenschaftliche Herangehensweise an die Welt. Es ist eine Kultur des Logos, die jedoch gleichsam noch von einer elementaren Unreife auf der Subjekt- und auf der Objektseite bestimmt ist und von einer mangelnden Durchsichtigkeit gegenüber sich selbst (der innere Daimon und das Orakel sind nach wie vor die bestimmenden Mächte). Das antike Griechenland gleiche einer Jugendzeit der Menschheit. Im antiken Rom dann gleichsam der Eintritt in das Erwachsenenalter: indem der subjektive Mensch wieder einer objektiven gesellschaftlichen Maschinerie unterworfen wird – dieses Mal allerdings als autonomes Rechtssubjekt. Was Rom an die Zukunft weitergibt, ist das Römische Recht. Im germanischen Volk der Neuzeit – seit alters her ein vergleichsweise freies Volk – schließlich realisiert sich eine freie, vernünftige und sittlich autonome Subjektivität, die einer vernünftigen und ausdifferenzierten Objektivität und Sittlichkeit gegenübersteht bzw. mit ihr gleichsam verschmilzt: Die Weltgeschichte stellt nun den Stufengang der Entwicklung des Prinzips, dessen Gehalt das Bewußtsein der Freiheit ist, dar. (ebenda S.77) Jetzt wirft man Hegel gerne vor: dass seine Philosophie und Geschichtsauslegung nichts anderes sei als eine des (zu seiner Zeit) triumphierenden Bürgertums und eine Legitimation seiner Herrschaft. Zum einen ist das freilich ein Vorgang, eine Transformation von größter Tragweite und das Aufstoßen eines Tors zu einer völlig anderen, von der Vergangenheit verschiedenen Zukunft. Es ist übrigens nicht schwer zu sehen, daß unsere Zeit eine Zeit der Geburt und des Übergangs zu einer neuen Periode ist. Der Geist hat mit der bisherigen Welt seines Daseins und Vorstellens gebrochen und steht im Begriffe, es in die Vergangenheit hinab zu versenken, und in die Arbeit seiner Umgestaltung. (Phänomenologie des Geistes S.18) Indem die Zukunft anders wird, ergibt die Vergangenheit und ergibt die Geschichte einen neuen Sinn, bzw. – so die Hoffnung – enthüllt sich endlich deren Sinn: Die Anatomie des Menschen ist ein Schlüssel zur Anatomie des Affen (Marx) bzw. die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug. (Grundlagen der Philosophie des Rechts S.28) Zum anderen könnte man geneigt sein, Hegel nichtsdestotrotz, oder eben gerade deswegen, die Relativität seines eigenen Standpunktes und Blickwinkels vorzuwerfen. Dessen ist er sich im Übrigen auch selbst im Klaren: Das was ist zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie, denn das was ist, ist die Vernunft. Was das Individuum betrifft, so ist ohnehin jedes ein Sohn seiner Zeit; so ist auch die Philosophie ihre Zeit in Gedanken erfaßt. Es ist ebenso töricht zu wähnen, irgendeine Philosophie gehe über ihre gegenwärtige Welt hinaus, als, ein Individuum überspringe seine Zeit, springe über Rhodus hinaus. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.26)  (Woran man wieder sieht, dass Philosophien und philosophische Systeme bzw. die Artikulationen der Philosophinnen dann doch immer wieder komplexer sind reflektierter sind, als die Ideologien, die sich eventuell daraus ableiten lassen.) Allerdings gibt es nichts, was für sich genommen verhindern würde, dass Hegel nicht bloß aus einer relativen historischen Situation heraus philosophieren würde, sondern eben aus einer privilegierten, ja vielleicht sogar aus einer absoluten historischen Situation heraus. Einige historische Situationen haben wohl mehr Wahrheit als andere (mit Kant gesprochen wären das eben historische Situationen, in denen sich die allgemeine Geschichte in weltbürgerlicher Absicht manifestiere). In einigen historischen Situationen komme die Idee, also die Übereinstimmung des vernünftigen Begriffs mit der Wirklichkeit zum Vorschein: und das sind die einzigen historischen Situationen, die geschichtsphilosophisch Sinn machen, und die Epiphanien der (geschichtlichen) Wahrheit sind. Und die Wahrheit habe eine höhere Qualität und sei von einer höheren Ordnung als die Unwahrheit, oder die Abweichung von der Wahrheit: Aber die Philosophie soll keine Erzählung dessen sein, was geschieht, sondern eine Erkenntnis dessen, was wahr darin ist, und aus dem Wahren soll sie ferner das begreifen, was in der Erzählung als bloßes Geschehen erscheint. (Wissenschaft der Logik II S.260) – Die Idee ist der adäquate Begriff, das objektiv Wahre oder das Wahre als solches. (ebenda S.462) – Sein hat die Bedeutung der Wahrheit erreicht, indem die Idee die Einheit des Begriffes und der Realität ist; es ist also nunmehr nur das, was Idee ist. (ebenda S.465) – Alles Übrige ist Irrtum, Trübheit, Meinung, Streben, Willkür und Vergänglichkeit; die absolute Idee allein ist Sein, unvergängliches Leben, sich wissende Wahrheit, und ist alle Wahrheit. Sie ist der einzige Gegenstand und Inhalt der Philosophie. (ebenda S.549) Die Geschichte sei ein Prozess, in dem sich einzeln aufblitzende Wahrheitsmomente ins Verhältnis setzen – der Rest ist das übliche Chaos und daher (geschichtsphilosophisches) Schweigen. Ein langwieriger, allerdings geradezu notwendig langwieriger Vorgang: Dies Werden stellt eine träge Bewegung und Aufeinanderfolge von Geistern dar, eine Galerie von Bildern, deren jedes, mit dem vollständigen Reichtume des Geistes ausgestattet, eben darum sich so träge bewegt, weil das Selbst diesen ganzen Reichtum seiner Substanz zu durchdringen und zu verdauen hat. Indem seine Vollendung darin besteht, das, was er ist, seine Substanz, vollkommen zu wissen, so ist dies Wissen sein Insichgehen, in welchem er sein Dasein verläßt und seine Gestalt der Erinnerung übergibt. In seinem Insichgehen ist er in der Nacht seines Selbstbewußtseins versunken, sein verschwundenes Dasein aber ist in ihr aufbewahrt; und dies aufgehobene Dasein – das vorige, aber aus dem Wissen neugeborene – ist das neue Dasein, eine neue Welt und Geistesgestalt. (Phänomenologie des Geistes S.591) Hegel-Exeget Alexandre Kojève sah in der bürgerlichen Gesellschaft und der liberalen Demokratie die endgültige neue Welt und Geistesgestalt; Francis Fukuyama hat nach dem Ende des Kalten Krieges dasselbe getan – unter Berufung auf Hegel, den (Quasi-)Propheten. Einstweilen steht das auf dem Prüfstand. Aber so wie es aussieht, sind die Chancen dafür nach wie vor gut. – Eine unkritische Haltung gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft kann man Hegel freilich vorwerfen; eine Ausblendung dessen, dass sie eine Klassengesellschaft ist/war. Hegel geißelte zwar die Exzesse der bürgerlichen Gesellschaft (dass sie übermäßigen Reichtum und übermäßige Armut produziere und die Menschen dadurch gleichermaßen verrohe), weiter ging er aber nicht. Er propagierte die Freiheit innerhalb einer bürgerlichen Gesellschaft, philosophierte aber weniger darüber, inwieweit die Freiheit der einen sich nicht auf der Unfreiheit der anderen erhebe (Kein Mensch bekämpft die Freiheit; er bekämpft höchstens die Freiheit der anderen – so Marx) Und dann eben Hegel  als „preußischer Staatsphilosoph“ von der Obrigkeit Gnaden – was man ihm immer wieder vorgeworfen hat. Eine Staatsgläubigkeit, ein unterwürfiges Duckmäusertum gegenüber der Obrigkeit hat man Hegel immer wieder unterstellt, dessen Philosophie in nichts anderem bestehe, als dieses Duckmäusertum gegenüber der staatlichen Obrigkeit zu rationalisieren und zu spiritualisieren. Dann wiederum gilt Hegel als Philosoph der Aufklärung, des (Neu)Humanismus und der Freiheit. Der Staat ist die Wirklichkeit der sittlichen Idee – sagt er(Grundlinien der Philosophie des Rechts S.398) Der Staat an und für sich ist das sittliche Ganze, die Verwirklichung der Freiheit, und es ist absoluter Zweck der Vernunft, daß die Freiheit wirklich sei – sagt er aber eben – und vor allem – auch(ebenda S.403) Das Zentrum dieser (scheinbaren) Dichotomie findet sich bei Hegel selbst, der sowohl konservativ und bewahrend (genauer gesagt – denn das ist dann wieder was anderes –: auf Harmonie bedacht) war, als auch eben dezidiert progressiv, liberal und eben auch revolutionär. Und so sollte sich der Hegelianismus schnell in einen (progressiven) Links- und einen (konservativ-reaktionären) Rechtshegelianismus verzweigen. Vielleicht ist das auch ein Indiz dafür, wie universal Hegel war, und wie sehr darauf bedacht, alles und jeden zu seinem Recht kommen zu lassen, und eben auf eine ganzheitliche Perspektive. Und sicherlich hatte er Recht! Denn, wahrlich ich sage euch: Die beste gesellschaftliche Ordnung ist die einer liberalen demokratischen, vernünftigen und rechtsstaatlichen Gesellschaft, in der die freien Individuen hinreichend Gemeinsinn und Disziplin verinnerlicht haben um sich als Teil eines gesellschaftlichen Ganzen zu begreifen und dessen Wohlergehen und Fortschritt von sich aus zu befördern gedenken (am idealtypischsten hat man das in Westeuropa, und vor allem in der Schweiz). Ich glaube nicht, dass es innerhalb des Bekannten und des Vorstellbaren eine bessere Lösung geben kann dafür, wie Menschen und Gesellschaften ihre Probleme lösen. – Hegel ist letztendlich Verkünder einer vernünftigen offenen Gesellschaft (in der das Subjekt das Gesetz in sich trägt: den Spirit der Vernunft und der Rechtsstaatlichkeit verinnerlicht hat). Bemerkenswerterweise ist es gerade Popper – und eben gerade in seiner Schrift von der Offenen Gesellschaft und ihrer Feinde, der Hegel delegitimiert und der gegen ihn polemisiert, wie es in der Philosophiegeschichte – bei aller anderen Kritik an Hegel – nur Schopenhauer getan hat (dessen irrationale und paranoide Injurien gegen Hegel er im Übrigen auch breit und genüsslich zitiert und gegen Hegel in Stellung bringt). Bestenfalls einen Vordenker des Faschismus kann Popper in Hegel erblicken – eher aber noch, und in erster Linie, einen Scharlatan, der als Philosoph „völlig unbegabt“ gewesen sei. Viel Feind, viel Ehr´. (Der rationale Kern der Popperschen Polemik bezieht sich allerdings auf Hegels Historizismus und Geschichtsdeterminismus. Philosophien und Ideologien, die geschichtsdeterministisch sind, sind tatsächlich, zumindest implizit, anmaßend, irrational, fremdenfeindlich und totalitär: Weil sie behaupten, den zukünftigen geschichtlichen Verlauf zu kennen und was in der Geschichte siegen werde und was auf deren Misthaufen lande (im Zusammenhang womit sie dann wohl ungute Präferenzen ausprägen werden gegenüber diesem und ungute und vorurteilsmäßige Ablehnung gegenüber jenem). Irrational ist das deswegen, weil zukünftige Entwicklungen nicht gewusst werden können. Das scheint jedoch eher Marx auf den Kopf zu fallen als Hegel.)

Das ontologische Problem … welches Hegel aufwirft: Wie ist Metaphysik möglich? Wie kann die zeitliche Realität an der ewigen Ordnung teilhaben? Wie kann diese Ordnung in ihr erscheinen beziehungsweise sich ereignen? (Zizek, S.57) Hegel ist ein tiefsinniger Philosoph und das bedeutet, dass er ein Metaphysiker ist. „Metaphysik“ ist ein ein wenig seltsamer Begriff. Eine Verlegenheitslösung für unser Unwissen und unsere mangelnde Orientiertheit – was sinnigerweise schon darin seinen Ursprung hat, als er auf ein einfaches Editionsproblem zurückgeht: Insofern sie nicht wussten, unter welchem Titel sie die entsprechenden Schriften von Aristoteles herausgeben sollten, die „nach“ seinen physikalischen Schriften kamen, editierten seine Schüler sie also als „Metaphysik“ („nach/hinter der Physik“). Eine sinnige Lösung, in all ihrer Vieldeutigkeit (inklusive derer, dass sich „dahinter“ vielleicht nichts als eine bloße Trivialität verberge). „Metaphysik“ bezeichnet aber ein grundlegendes Streben des Menschen, „hinter“ die Dinge blicken zu wollen, zu den „letzten Dingen“ gelangen zu wollen, den Vorhang zurückziehen zu wollen, der die Welt der Erscheinungen vermuteterweise bloß ist, um die „wahre“ Realität freizulegen u. dergl. Sie ist, oder verweist auf, durchaus nichts Banales, und ist, hoffentlich, ein Streben in edler Absicht. Metaphysik – wollen wir das also so fassen – ist dabei zunächst Ontologie: Sie befasst sich mit der Frage nach dem „wahren“ Charakter des Seins. Im Zuge der gewaltigen Fortschritte in der Philosophie im Laufe der Jahrhunderte, Jahrtausende stellt sich spätestens seit Kant außerdem die Frage, inwieweit unser Erkenntnisapparat überhaupt hinreichend sein kann dafür, dass wir dieses „wahre“ Sein überhaupt erkennen können, beziehungsweise inwieweit unsere Erkenntnisse über das Sein nicht immer, zumindest irgendwie, durch unseren Erkenntnisapparat präformiert und deformiert bleiben. Metaphysik ist somit also auch Epistemologie: die Durchleuchtung und Überprüfung unseres Erkenntnisapparates. Eine Komponente der Deontologie hat die Metaphysik noch dazu. Insofern sie die Frage stellt: Was ist der richtige Umgang, den ich als Erkennender (oder Unwissender) mit dem Sein herzustellen habe? Inwieweit verpflichtet mich das Sein (und mein Mensch-sein) zu diesem und jenem Verhalten gegenüber dem Sein (und dem Menschen)? Schließlich noch die Eschatologie: Welchen „letzten“ „Sinn“ machen die Dinge, macht das Sein (in Bezug auf uns)? Mithilfe der Naturwissenschaften – mithilfe der „Physik“ – konnte man im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende tolle Fortschritte erzielen im Hinblick auf die „ontologische“ Fragestellung (weswegen dann hier und da postuliert wird, Metaphysik sei nunmehr überflüssig oder ein Relikt). Aber Metaphysik involviert eben mehr als die bloße Erhellung der objektiven Existenz, sondern fächert sich eben in mehrere Problemstellungen auf. Sie ist – wenn man sie vom Organisationsprinzip der Wissenschaften betrachtet – „multidisziplinär“. Sie befasst sich weniger mit der Feststellung der letzten objektiven Existenz sondern – vor allem – mit der subjektiven Eingelassenheit des Menschen in die objektive Realität und wird daher, in ihrem Drang „objektiv“ haltbare und definitive Erkenntnis über das „wahre Wesen“ des Seins zu produzieren auch immer wieder auf das subjektive Element zurückgeworfen. Somit hat die Metaphysik immer auch ein wenig einen Schleifencharakter, und entzieht sich dem Ideal einer naturwissenschaftlichen Erkenntnis – obwohl sie dieses eben auch und vor allem verfolgt: Sie will zu einer definitiven Feststellung der „tiefsten“ (Lebens)Wirklichkeit kommen. – Metaphysik ist spekulativ. So wie Hegels Philosophie. Sie hat was Reflexives. So wie Hegels Philosophie. Sie versucht ihre (Selbst)Referenzialitäten und inneren Abhängigkeiten irgendwie zu überkommen und aus dem Relativen zu Absolutem zu gelangen bzw. die absolute Struktur dieser Referenzialitäten und Abhängigkeiten freizulegen. Sie ist ein transzendentes Bestreben … das letztendlich im Transzendentalen, Unhintergehbaren, nicht mehr Transzendierbaren ankommen will, dieses bestimmen will. Entzweiung ist der Quell des Bedürfnisses der Philosophie … in den Teilen verloren treibt es den Verstand zu seiner unendlichen Entwicklung von Mannigfaltigkeit, der, indem er sich zum Absoluten zu erweitern strebt, aber endlos nur sich selbst produziert, seiner selbst spottet. Die Vernunft erreicht das Absolute nur, indem sie aus diesem mannigfaltigen Teilwesen heraustritt. (Jenaer Schriften S.13) In der Philosophie (und darüber hinaus) geht es darum, vernünftige Unterscheidungen zu treffen zwischen den unterschiedenen, unterscheidbaren Charakteristika in der Welt. Ein Paradigma der allumfassenden Verbundenheit von allem hat man bestenfalls in einer atavistischen, animistischen (Geistes)Welt, in der es keine Philosophie gibt. Genauso ist es aber Intention der Philosophie, verborgene Zusammenhänge zwischen dem (scheinbar oder tatsächlich) Getrennten zu entdecken, verbunden mit der (ebenfalls gleichsam atavistischen) Hoffnung, zu einer Art „Absolutem“ vorzustoßen, das (voraussetzungsloser) Ursprung jener Getrenntheiten ist, oder aber entelechische/teleologische Zusammenführung und Überwindung ihrer, oder eben etwas von den Getrenntheiten und Relativitäten Abgelöstes und Eigenständiges. Letztendlich ist „das Absolute“ ein weiterer Verlegenheitsbegriff für etwas, wo unser Denken etc. nicht mehr tatsächlich hingelangen kann, eine Projektion – allerdings keine, die ein Irrlicht wäre, sondern ein tatsächlicher Fluchtpunkt unseres Denkens und unseres Empfindens. Wenn man so will, ist es ja genau die analytische „Entzweiung“, der Widerspruch, der Gegensatz, die Negation, der Antagonismus – also eben das, was in der Hegelschen Philosophie das zentrale Movens ist – der das Bedürfnis nach (vernünftiger) Versöhnung – wenn möglich im „Absoluten“ – erst recht mit sich bringt —- will man nicht in eine agonale oder irrationale Weltsicht und Geschichtsauffassung (wie Schopenhauer oder Nietzsche) verfallen. Das war aber Hegels Absicht eben nicht. Hegels Philosophie ist eine gleichsam metaphysisch grundierte (also ins tiefste Sein eingeschriebene bzw. aus ihr heraus wirksame) Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. Über den real existierenden (oder als solchen empfundenen) Gegensatz strebt er dessen Vereinigung in einer – dann eben – höheren Ordnung des Seins an: die sich – bei Hegel – mit ebenjener Vereinigung aber eben erst errichtet. In der Philosophie wird gezeigt, daß die Idee zum unendlichen Gegensatze fortgeht … Den absoluten Zusammenhang dieses Gegensatzes zu fassen, ist die tiefe Aufgabe der Metaphysik. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.41) Metaphysik ist, wie erwähnt, eine (letztendlich) subjektive Feststellung der (letztgültigen) objektiven Wirklichkeit. Sie hat daher den Charakter einer subjektiven Interpretation der objektiven Wirklichkeit (ist, genau gesagt, darin eben auch gefangen) – was sie aber möglichst aufheben und unter sich lassen will: Sie will von einer (wackeligen) Interpretation zu einer (robusten, unumstößlichen) Feststellung gelangen. Hegel versucht in seiner ersten ernsthaften philosophischen Arbeit, der so genannten „Differenzschrift“ (Die Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie von 1801), die Trennung von Subjekt und Objekt hinter sich zu lassen. Die verbindende Instanz sei der Geist, in dem „Subjekt und Objekt eins“ sind. Dazu ist es notwendig, dass das Subjekt eine korrekte Anschauung bzw. einen korrekten Begriff vom Objekt entwickelt. Zur Inangriffnahme dieser Tätigkeit wird es durch die herausfordernde Präsenz des (von ihm getrennten) Objekts motiviert, welches es verstehen und beherrschen will. So arbeiten Subjekt und Objekt gleichermaßen zusammen, um sich im „Geist“ zu treffen und sich kollegial zu vereinigen. Über das Verstehen und Beherrschen des Objektes wird der subjektive Geist des Subjektes auf eine höhere Ebene gehoben und manifestiert sich nicht zuletzt als „objektiver Geist“ (der Wissenschaft, Rechtsvorschriften, Kultur etc.), der wiederum dem Subjekt mit einer gewissen Übermacht, als etwas historisch ihm Vorgelagertes gegenübertritt und es präformiert. Der „objektive Geist“ ist ein Hybrid zwischen Subjekt und Objekt und begründet Eigenlogiken und eine relativ autonome Sphäre. Über den selbstreflexiven „absoluten Geist“ durchdingt das kompetente Subjekt dann auch den objektiven Geist und stellt – über Philosophie, Kunst und Religion – neue Inhalte des objektiven Geistes her. Bei Hegel ist die Weltgeschichte (genauer gesagt die Welt an sich) eine Dynamik der Entfaltung von Geist, absolutem Wissen und Weltgeist. Das ist ihre letztendliche – und damit auch „metaphysische“ – Struktur. Die Metaphysik wird zur Logik (im Hegelschen Sinne: als Selbstentfaltung eines Logos über seine innere Dialektik), Logik wird zur „spekulativen Metaphysik“: für Hegel fallen Logik und Metaphysik zusammen, und so wird gleichsam das „dunkle“ und rätselhafte Wesen der Metaphysik ins Helle geborgen, und zu etwas, was nicht allein ein lösbares Rätsel ist, sondern sich gleichsam selbst löst. Das Geistige allein ist das Wirkliche; es ist das Wesen oder Ansichseiende,.. (Phänomenologie des Geistes S.28) Der subjektive und der objektive Pol lösen sich so in eine allumfassende „Geistigkeit“ auf; und Geist und Vernunft begründen (im Hinblick auf die deontologische Dimension der Metaphysik, und wie wir noch sehen werden) die Sittlichkeit und die Moral. Die Eschatologie liegt darin, dass der Geist sich selbst begreift und sich selbst durchdringt und sich in seinem totalen Wissen und seiner totalen Ausleuchtung von sowohl der Subjektivität als auch der Objektivität selbst realisiert und zur Geltung bringt. Das Ziel ist die Einsicht des Geistes in das, was das Wissen ist. (ebenda S.33) Und das ist dann eben: das absolute Wissen, und die Realisierung der Welt als Weltgeist. Bei Hegel bleibt nichts dunkel. Die Kantsche Idee vom „Ding an sich“ (also eines „realen“ „Kerns der Dinge“, der sich – oder von dem man zumindest nicht angeben kann inwieweit er sich – unseren Erkenntnismöglichkeiten entziehe) lehnt er ab: Stattdessen werde durch die Arbeit des Geistes das Wirkliche und das Wahre der Objekte (wie der Subjekte) progressiv enthüllt und zur Erscheinung gebracht. Ein altertümliches, überholtes Wissen – fern davon, das „Ding an sich“ im Gegenstande zu treffen – verweist auf einen altertümlichen, überholten Weltzustand: in dem dieses Wissen allerdings Sinn gemacht hat, und in dem Wissen eben nicht über ein solches Wissen hinausgelangen könne. – Hegel lehnt dann auch die Vorstellung ab, dass man durch „bloßes Nachdenken“ zu (metaphysischen) Erkenntnissen gelangen könne. Das sei nur über die Dialektik bzw. über die Abarbeitung am Gegensatz möglich. Weiters lehnt er die Kategorien der traditionellen Metaphysik ab (wie Seele, Welt, Gott…) im Sinne von etwas tatsächlich bereits Gegebenem: tatsächlich müssten sie dialektisch entwickelt werden. Weder „Geist“/“Wissen“ noch „die Welt“ sind für ihn das „Wahre“: die Idee sei nur vermittelst des Seins, das Sein nur vermittelst der Idee „das Wahre“: Und dieses Wahre entwickle sich eben ständig, dialektisch und logisch – und mit scheinbar eiserner Konsequenz. Nicht der Mensch erzeuge die Philosophie und das Wahre, die Philosophie und das Wahre erzeuge sich via des Menschen. Nicht der Mensch entwickle, in der Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt, den Geist, sondern der Geist entwickle sich via des Menschen. Jetzt kann man Hegel also vorwerfen – und tut es gemeinhin –, dass er den „Geist“ über alle Maßen substantialisiert, der dadurch gleichsam zu einem Lebewesen, etwas Organischem wird: wenn nicht sogar zum „eigentlichen“ Lebewesen und Organismus (von dem Mensch und Welt also gleichsam nur dessen Organe sind). Der Geist wird so zu einer Garantiemacht des weltgeschichtlichen Verlaufs bzw. der Seinsentfaltung bzw. zu einer Garantiemacht seiner selbst. (Man hat also scheinbar einen Zirkelschluss: indem der Geist zugestandenermaßen Qualtäten schafft und entwickeln muss, die aber gleichsam die Voraussetzung eben dafür sind, dass er das tut – und zu solchen (scheinbaren) Zirkelschlüssen führt die Philosophie Hegels dauernd.) Der Geist regiert und entwickelt sich bei Hegel mit unbezwingbarer Logik: Allerdings nutzen die unbezwingbarsten und intelligentesten logischen Schlussfolgerungen nichts und gehen ins Leere, wenn denn die Annahmen, auf denen sie basieren, nicht korrekt sind. Inwieweit stimmt z.B. die Annahme, dass sich Wahrheit „dialektisch“ (und nicht (auch) über andere Modi) entfalte? Gerade der Geist scheint irgendwie mehr zu sein und mehr zu können als „Dialektik“ zu machen. Indem der Geist zu etwas wird, was sowohl Subjekt und auch Objekt übergeordnet ist, verlieren beide scheinbar an Eigenmächtigkeit und es wird unterschlagen, dass der Geist sich nur über einen „Überschuss“ von sowohl Subjekt als auch Objekt gegenüber ihm überhaupt entfalten kann. Der Geist kann sich nur über das Subjekt entwickeln. Er hat dort seinen eigentlichen Sitz. Das Objekt, das Sein, verliert sich bei Hegel gleichsam in etwas rein vom Geist Angeschautes: wobei gleichsam unterschlagen werde, welche Chaos-Einwirkung das Sein auf die Ruhe des Geistes immer wieder ausübt und in dessen Kristallpalast einbricht. Außerdem sind Subjekt und Objekt im Geist nicht „identisch“: Sie stehen in einem bestenfalls kollaborativen Verhältnis – oder eben auch das nicht. Denken kann keine Position erobern, in der jene Trennung von Subjekt und Objekt unmittelbar verschwände, die in jeglichem Gedanken, in Denken selbst liegt. (Adorno, Negative Dialektik S.92) Mit seiner Betonung, dass Geist und Sittlichkeit eins seien, scheint Hegel zu unterschlagen, dass Sitte immer wieder irrational, störend, bis eben auch sittlich empörend und tatsächlich unmoralisch ist/sein kann. Hegel selbst verlässt sich dann praktisch eben nicht auf „die Vernunft“, sondern auf den Staat – und genau gesagt den monarchischen Souverän – als Garantiemacht von Vernunft und Sitte: was vom Blickwinkel des heutigen (und auch damaligen) Weltgeistes als furchtbar reaktionär erscheinen will. Solcherlei Widersprüche oder zumindest Widrigkeiten hat man, wenn man Hegels Verabsolutierung des Geistes ganz ernst nimmt. Wie wir sehen werden, sind all diese Widrigkeiten entweder viel weniger bedeutend, als man meinen würde – oder aber noch viel schlimmer. Man kann Hegels Philosophie als eine erstaunlich gute Annäherung an die Wirklichkeit betrachten – oder das genaue Gegenteil tun. Ein bisschen zu sehr scheint Hegel halt von seiner eigenen Philosophie und der Anziehungskraft seiner Systematik fasziniert zu sein; in seinem Bestreben, sie umso universaler und verbindlicher und ausformulierter zu machen, versteigt er sich in Generalisierungen, die sie in Wirklichkeit auf den Status eines waghalsigeren Unterfangens zurückwerfen. Mit seiner Substantialisierung des Geistes und der Logik, die die Metaphysik ablöst, greift Hegel auf Voraussetzungen zurück, die selbst nicht notwendigerweise logisch sind, und die metaphysisch sind im Sinne einer subjektiven Interpretation der objektiven Wirklichkeit. Damit reduziert sich Hegels Logik dann eben wieder auf Metaphysik und auf eine Logik, die logische Argumente bietet, aber keine unumstößlichen logischen Notwendigkeiten. Hegel will die (dunkle) Metaphysik zu einer (klaren) Logik erheben, schafft dadurch aber neues Dunkel und neues Rätsel (in Verbindung noch dazu mit einem, für metaphysische Unternehmungen charakteristischem „Ahnen“). Dadurch hat Hegels Philosophie dann aber eben auch wieder das Charisma des Metaphysischen: Sie hat etwas Flimmerndes, Irreal-Reales; in der Welt, die gegeben ist, scheint noch eine andere Welt durchzuscheinen, und beide scheinen sich gegenseitig zu durchdringen; die höhere Welt/Sphäre gibt es da, die der erdgebundenen Welt gegenübersteht (und die im Rahmen dieser Metaphysik dann über sie triumphiert) — Metaphysik ist meistens ein wenig seltsam und unentscheidbar. Hegels Philosophie ist das auch. Hegel gehört zu den wahrhaft tiefsinnigen Philosophen. Und so ist Hegel notwendigerweise Metaphysiker. Mit all der darin liegenden Konsequenz dann eben.

Bartolomè Esteban Murillo war ein von Hegel geschätzter Maler – der heute nicht mehr so bekannt ist, der aber mit einem guten Geist ausgestattet war. Das Genie spiritualisiert alles, so Salvador Dali, und so mischt sich bei Murillo die Anschauung von irdischer und himmlischer Realität immer wieder mit einem mystischen Erleben: Es ist eine spiritualisierte Wirklichkeit, die er anschaut und empfindet. Diesem Menschen ist Alles zugänglich: sowohl die tiefste, verborgenste Mystik der Seele als auch das einfache, alltägliche Leben…; alles stellt er in erstaunlicher Wahrheit und Realität dar … urteilte Wassili Botkin im 19. Jahrhundert über Murillo.

Entzweiung ist der Quell des Bedürfnisses der Philosophie … in den Teilen verloren treibt es den Verstand zu seiner unendlichen Entwicklung von Mannigfaltigkeit, der, indem er sich zum Absoluten zu erweitern strebt, aber endlos nur sich selbst produziert, seiner selbst spottet. Die Vernunft erreicht das Absolute nur, indem sie aus diesem mannigfaltigen Teilwesen heraustritt. (Jenaer Schriften S.13)…. Für den jungen Hegel ist – wie für seinen Studienfreund Hölderlin – Harmonie und wie Harmonie möglich sei das zentrale Thema seines Denkens und Empfindens. Vielleicht ist ihm deswegen – so wie eben Hölderlin – die Disharmonie, das Entzweitsein, in der realen Welt wie in der Philosophie, nur umso bewusster, und rückt daher nicht weniger ins Zentrum. Hegel wie Hölderlin waren beide „Schwärmer“, gleichzeitig aber eben analytisch und realistisch genug um zu sehen, dass die Wirklichkeit nur teilweise zum Schwärmen provoziert, und das gleichsam ganz strukturell … denn dem Sehnen steht in seiner höchsten Schwärmerei … immer das Individuum, ein Objektives, Persönliches gegenüber, nach der Vereinigung mit welchem alle Tiefen ihrer schönen Gefühle schmachteten, welche Vereinigung aber, weil es ein Individuum ist, ewig unmöglich (ist), da es ihnen immer gegenüber, ewig in ihrem Bewußtsein bleibt, und die Religion nie zum vollständigen Leben werden läßt. (Frühe Schriften S.417) In der Tat sind die (einheitsstiftende, ideale) Religion und das (einheitsstiftende, ideale) religiöse Empfinden wesentlichster Ausgangspunkt für alle Überlegungen Hegels zu jener Zeit; dass Religion und religiöses Empfinden gleichzeitig ein umso deutlicheres von Disharmonie sind, ist ihm dabei ebenso umso klarer: In allen Formen der christlichen Religion … ruht dieser Grundcharakter der Entgegensetzung in dem Göttlichen, das allein im Bewußtsein, nie im Leben vorhanden sein soll … es ist gegen ihren wesentlichen Charakter, in einer unpersönlichen lebendigen Schönheit Ruhe zu finden; und es ist ihr Schicksal, daß Kirche und Staat, Gottesdienst und Leben, Frömmigkeit und Tugend, geistliches und weltliches Tun nie in Eins zusammenschmelzen können. (ebenda S.418) Indem der Mensch Vernunft und Verstand hat, indem er Bewusstsein hat – ohne eben göttlich und allmächtig zu sein – , ist er in der Lage, seine Entzweitheit und Getrenntheit, seine disharmonische Situation zu erkennen. Denn das Tier ist mit Gott eins, aber nur an sich. Nur der Mensch ist Geist, d.h. für sich selbst. Dieses Fürsichsein, dieses Bewußtsein ist aber zugleich die Trennung von dem allgemeinen göttlichen Geist. Halte ich mich in meiner abstrakten Freiheit gegen das Gute, so ist dies eben der Standpunkt des Bösen. Der Sündenfall ist daher der ewige Mythus des Menschen, wodurch er eben Mensch wird. Das Bleiben auf diesem Standpunkte ist jedoch das Böse…. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.389) Gleichzeitig stellt sich, indem der Mensch – im Gegensatz zum Tier – fähig ist, seine Umwelt bewusst zu manipulieren und Kultur und „objektiven Geist“ zu schaffen, eben das Problem der Moral und der moralischen Ausgestaltung der Lebenswelt. Moral und Sittlichkeit, wie Kultur und objektiver Geist überhaupt, sind Versuche, Entzweiung zu überwinden. Religion ist ein Versuch, mit der (spiritualisierten) Natur bzw. mit dem Göttlichen in ein Vertrauensverhältnis zu treten – oder sich, im Falle entwickelterer Religion – selbst zum Göttlichen zu erheben. Das Tier ist in Wirklichkeit kaum mit Gott eins; es lebt ein stumpfsinniges Leben, wird gejagt, ist dauernd auf Nahrungssuche, und der Gefahr schrecklicher Krankheiten ausgesetzt. Man kann als Mensch die Tiere beneiden – wird es aber dann meistens doch nicht tun. Der Mensch kann in einem unglücklichen Bewusstsein leben, aber auch in der Vorstellung, dass das Unglück, und die Grundlagen für das Unglück, dereinst überwunden sein werden; und das aufgrund der Entwicklung der menschlichen Fähigkeiten, und des menschlichen Geistes, der sich in und über die Getrenntheit, über die Entzweitheit, entwickelt. In der Entzweitheit und der Disharmonie liegt daher, begriffen und empfunden durch den menschlichen Geist, eine Vorwärtsdynamik; ein Sog, den die Zukunft auf das Jetzt ausübt. Die Aufgabe der Philosophie besteht aber darin, diese Voraussetzungen zu vereinen, das Sein in das Nichtsein als Werden; die Entzweiung in das Absolute als dessen Erscheinung; das Endliche in das Unendliche als Leben zu setzen. (Jenaer Schriften S.17) – Jetzt kann ich mich mit dieser Aufgabe der Philosophie gut identifizieren. Aber muss schon sagen, dass akzentuierter Widerspruch, Gegensatz, Streit, Getrenntheit (und auch (primitive) Dialektik) u. dergl. gar keine Kategorien meines eigenen Philosophierens sind. Auch die postmoderne Differenz ist das nicht. Ich empfinde dergleichen nicht wirklich, bzw. empfinde nicht wirklich, dass es draußen in der Welt allzu viel von alldem gibt. Was ich sehe und innerlich wahrnehme ist ein Sympathiefeld, das in den Kosmos hineinreicht, und in dem alles, zumindest virtuell, miteinander verbunden ist. Natürlich sind innerhalb dieses Sympathiefeldes Unterscheidungen möglich; von wegen: dieses da verdient, nach reiflicher Prüfung, weniger Sympathie und ist weniger sympathisch als jenes. Es kann auch sein, dass zwischen Entitäten nicht das Gemeinsame, sondern das Trennende überwiegt. Beides muss qualitativ dann so oder so behandelt werden. Aber trotzdem ist alles in meinem Geist und alles im Sympathiefeld. Es ist ein so großes Sympathiefeld, dass mein Geist gerade gleichzeitig in Neufundland ist, in Transsylvanien und auf Hügel 364. Hegel kommt mit einem Paradigma daher, mit dem man die Welt begreifen und vereinigen kann – aber ich tue das auch: und meine Hoffnung ist dabei, dass man mit meinem Paradigma Vielfalt (in Einheit) begreifen kann; dass es eine zeitgenössische angemessene Fassung einer solchen Heuristik ist, der eine Menschheitshoffnung zugrunde liegt. Auch mit der Entzweiung und der Negation kann ich nicht so viel anfangen, denn sonderlich entzweit fühle ich mich von alldem, was mich umgibt, nicht. Ja, ich denke, es ist sogar das allgemeine menschliche Empfinden, sich nicht schrecklich entzweit von seiner Umgebung zu fühlen! Ich sehe also: das bin ich, und das da ist wer anderer oder was anderes (oder auch das nicht, denn meine Ichgrenzen sind, wie angedeutet, unklar und eher osmotisch). Weil ich mit Verstand und gewissen Emotionen begabt bin, schaffe ich als Mensch mentale Repräsentationen von den Gegenständen meines Denkens, von den Gegenständen in der Welt. Diese sind mit „mir“ nicht eins, sondern eben mentale Repräsentationen. Sie sind eher Erweiterungen meines Ich. Der Mensch lebt allgemein in diversen, unterschiedlichen Sphären, und er ist von Erweiterungen seiner selbst umgeben, und von vom ihm Getrennten. Einige Dinge sind uns eben näher, andere ferner. Dass Ich und Nicht-Ich aber grundsätzlich voneinander getrennt und entzweit seien, scheint einer Verarmtheit der Perspektive Hegels geschuldet. – Worauf Hegel aber grundsätzlich hinaus will, ist dass Ich (bzw. jeglicher Gegenstand) nur in seinen Grenzen und Qualitäten bestimmt werden kann, wenn man versucht festzustellen, was eben nicht Ich ist. Was außerhalb des Ich liegt (was also das Ich „negiert“). Das Nicht-Ich fungiert also als negativer Spiegel für das Ich – mithilfe dessen aber eben Ich und Nicht-Ich gegenüber und gegeneinander erkannt werden können. Ich und Nicht-Ich sind in einen Zusammenhang eingelassen, in dem sie sich so negativ gegeneinander spiegeln, bzw. stellt sich durch dieses Gegeneinanderspiegeln von Ich und Nicht-Ich ein solcher Zusammenhang her: der Geist (hier hat man wieder einen gleichsamen Widerspruch bei Hegel: indem er das, was er als Resultat begreift, wiederum als Voraussetzung begreift, dafür dass sich dieses Resultat einstellt). (Dieser schöne Zusammenhang, wo sich alles in allem (allerdings eben negativ) spiegelt, kommt herkömmlichen Erlebnissen der Erleuchtung schon recht nahe: oder geht eben über sie hinaus. Da es in herkömmlichen Perspektiven der Erleuchtung keinen Wiederspruch und keine Dialektik (sondern nur einen herrlichen, synthetischen All-Zusammenhang) gibt – und daher auch keine Bewegung und Fortentwicklung, keine Wissenschaft und keine Philosophie. Ich fände es bekanntlich gut, wenn man diesen synthetischen Zustand der Erleuchtung mit dem analytischen Prozess der Logik zusammenbringen könnte – und Hegel kann man, so wie Heidegger, da, wie ich sehe, gut einbringen.) Jedes Sein ist bei Hegel ein Sein an sich und ein Sein für Anderes —- genau gesagt ist bei ihm jedes Sein ein Sein an sich und ein Sein für sich: zum Sein für sich wird jedes Sein an sich aber eben, indem es sich über sein Sein für Anderes selbst tatsächlich begreift und letztendlich selbst ergreifen kann. Nur durch den negativen Spiegel, den es sich vermittels des Nicht-Ich vorhält, kann es seine eigenen Konturen schließlich erkennen. Ich habe die Gewißheit durch ein Anderes, nämlich die Sache; und diese ist ebenso in der Gewißheit durch ein Anderes, nämlich durch Ich. (Phänomenologie des Geistes S.83) Das Ding ist hiernach für sich und auch ein Anderes, ein gedoppeltes verschiedenes Sein, aber es ist auch Eins …. Das Ding ist also wohl an und für sich, sich selbst gleich, aber diese Einheit mit sich selbst wird durch andere Dinge gestört; so ist die Einheit des Dings erhalten und zugleich das Anderssein außer ihm sowie außer dem Bewußtsein. (ebenda S.102) – Ja, das mit dem Anderen! Auch das kenne ich sehr gut! Meine eigene Philosophie kommt bekanntlich aus dem Heavy Metal – der gegenüber der Normalität ein Anderes darstellt, etwas Seltsames, eine surrealistische Übertreibung; eine Musik, die scheinbar von einem anderen Planeten kommt. Ich setzte mich zeitlebens gerne mit „dem Anderen“ auseinander. Und darum bin ich jetzt, so scheint es, so vielfältig, so groß und so dick; gewaltig im Umfang: der jedoch eben gar nicht feststellbar ist, aufgrund meiner diffusen, genau gesagt, immer erweiterbaren Begrenzungen. Die eben wiederum deswegen so sind, weil sie für das Andere offen sind und ihm gegenüber einladend. Ich kann gar nicht genug Anderes, gar nicht genug Nicht-Ich in mich aufnehmen, in meinen Kreis ziehen, der gleichzeitig ein Kreis um die Welt ist, ein Kreis ist, in dem ich mich in die Welt hinein auflöse und als Ego zu existieren aufhöre. Hegel scheint was Ähnliches zu sagen bzw. zum Prinzip zu erheben: Das Begreifen eines Gegenstandes besteht in der Tat in nichts anderem, als daß Ich denselben sich zu eigen macht, ihn durchdringt und ihn in seine eigene Form, d.i. in die Allgemeinheit, welche unmittelbar Bestimmtheit, oder Bestimmtheit, welche unmittelbar Allgemeinheit ist, bringt. Der Gegenstand in der Anschauung oder auch in der Vorstellung ist noch ein Äußerliches, Fremdes. Durch das Begreifen wird das Anundfürsichsein, das er im Anschauen und Vorstellen hat, in ein Gesetztsein verwandelt; das Ich durchdringt ihn denkend. (Wissenschaft der Logik II S.255) Wenn ich mir das recht überlege, scheine den Gegenstand dabei ganzheitlicher durchdringen zu wollen, empfindender, empathisch-sympathetischer … aber eben auch, und vor allen Dingen: denkend. Es geht mir ja darum, dass ich das Andere begreife – und vor allem, dass die anderen es begreifen. Ich will richtige Verständnisse herstellen, bzw. durch meine Art des Denkens und Empfindens helfen, wie man zu richtigen Verständnissen hoffentlich selbst gelangen kann. Das ist meine Innerlichkeit, und das ist meine Äußerlichkeit. Also: die letzte Spitze der Innerlichkeit ist das Denken. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.521) Hegel hingegen wird immer wieder für das, was hier z.B. durchscheint, angegriffen: Das Begreifen eines Gegenstandes besteht in der Tat in nichts anderem, als daß Ich denselben sich zu eigen macht … (wobei da freilich weiter steht: und ihn durchdringt und ihn in seine eigene Form, d.i. in die Allgemeinheit, welche unmittelbar Bestimmtheit, oder Bestimmtheit, welche unmittelbar Allgemeinheit ist, bringt.) Aufgrund des possessiven Charakters der meisten Menschen besteht die Gefahr, dass sie sich das Andere zu eigen machen, indem sie dies tatsächlich genau so tun: also sich das Andere unterordnen; das andere unter sich subsumieren; dem Anderen die eigene Form überstülpen etc. (und es auch in seiner allgemeinen Bestimmheit dann eben in einer solchen Weise allgemein bestimmen). Hegels System selbst wird immer wieder gern der Vorwurf gemacht, dass es so verfährt: dass es – undialektisch – etwas als Allgemeines bestimmt, und das andere mehr oder weniger nur als Aberration auffasst; dass es das Subjektive/Andere zugunsten einer allumfassenden „Logik“ negiere; dass es totalitär sei… das ist vielleicht nicht ganz gerecht – hat aber gleichermaßen Interessantes in der Philosophie hervorgebracht. Allgemein wäre es wahrscheinlich gut, wenn man sich als Mensch bei der Betrachtung einer Sache nicht fragen würde: was bringt das mir bzw. wie lässt sich hier eine Kontinuität zu meinem bisherigen Denken herstellen, sondern: was ist der allgemeine Schaden und Nutzen von einer Sache? Wie gut ist die Sache empirisch und logisch begründet? Es gibt da Menschen, die alles vorwiegend aus einem objektiven Gesichtspunkt heraus betrachten, sich selbst in diese Objektivität hinein auflösen. Ich selber will – wie Duchamp – von mir selbst weg: daher vielleicht mein natürliches Verhältnis zum „Anderen“. Meine Identität ist, hegelsch gesprochen, eine Identität von Identität und Nicht-Identität. Mein „Ich ist ein Anderer“. In meiner Entwicklung werde ich aber gerade deswegen immer mehr zu mir selbst (was auch das Ziel der Hegelschen Entwicklung ist); es ist weniger eine Entwicklung als eine Vertiefung und eine innere Auffächerung und Ausdifferenzierung. Paradoxerweise genau deswegen, weil es mich immer schon zum Anderen zieht, und zur Objektivität, bleibe ich gleichermaßen, in meiner Entwicklung, vergleichsweise statisch und unbewegt. – Bei Hegel ist aber eben nichts statisch und unbewegt. Überall sieht er den Widerspruch, den er gleichsam zu einer transzendentalen Kategorie erhebt. Etwas ist also lebendig, nur insofern es den Widerspruch in sich enthält, und zwar diese Kraft ist, den Widerspruch in sich zu fassen und auszuhalten. Was aber ein Existierendes nicht in seiner positiven Bestimmung zugleich über seine negative überzugreifen und eine in der anderen festzuhalten, den Widerspruch nicht in ihm selbst zu haben vermag, so ist es nicht die lebendige Einheit selbst, nicht Grund, sondern geht in dem Widerspruche zugrunde. – Das spekulative Denken besteht nur darin, daß das Denken den Widerspruch und in ihm sich selbst festhält, nicht aber, daß es sich, wie es dem Vorstellen geht, von ihm beherrschen und durch ihn sich seine Bestimmungen nur in andere oder in nichts auflösen läßt. (Wissenschaft der Logik II S.76) Den Widerspruch hier überall sehen zu wollen, ist aber weniger etwas, was sich zwingenderweise und notwendig aus empirischen und/oder logischen Gründen ergibt, sondern eher eine Annahme, eine Vorentscheidung, eine willkürliche Setzung seitens Hegel: über die er dann all seine Pracht entfaltet – und über die allein es ihm gelingt, all seine Pracht zu entfalten. Empirisch z.B. stellt es sich eher so da, dass nur weniges, von dem, was lebendig ist, sich großartig für den Widerspruch interessiert. Es will vielmehr bleiben, wie es ist, und sich darin wohlfühlen. In seinen Beobachtungen und Kommentaren zu den Verhandlungen in der Versammlung der Landstände des Königreichs Württemberg im Jahre 1815 und 1816 bemerkt Hegel, dass es Menschen politisch vorwiegend um sie selbst und ihr eigenes Wohl geht, und um nichts Objektives, und dass sie zur Arbeit am Widerspruch hauptsächlich über die Adressierung an ihre eigene Gestaltungsmacht und an ihre Eitelkeit gebracht werden können: … denn es liegt tief in der menschlichen Natur, sich nur für das zu interessieren, wofür man handeln, wofür man mitbeschließen und mitwirken, wobei der Wille sein kann. Es müßte den Ländern eine Art der Mitwirkung fürs Allgemeine verschafft werden. (Politische Schriften S.135) Natürlich kann man sagen, dass das nicht die lebendige Einheit selbst, nicht Grund darstellt, sondern in dem Widerspruche zugrunde geht, in der (unbequemen und widersprüchlichen) Nische zugrunde geht, in dem es immer lebt: anstatt dass es die Welt erobert und befreit hat. Es ist dann ein gleichsam vegetatives Leben. – Logisch hat das mit dem Widerspruch allerdings schon mehr für sich. Die Entwicklung von Einheit, Schlussfolgerung aus Gegensätzlichem heraus, verlangt, dass das Gegensätzliche auch als solches erkannt und ernst genommen werden muss. Und es gibt Gegensätze und Antithesen in der Welt, die sich nicht im Rahmen einer postmodernen Buntheit organisieren (lassen). Bei Schelling entwickelt sich alles aus einer „Potenz“ heraus (also aus einem singulären Agens heraus). Das scheint nicht schlecht. Aber es gibt Bereiche, da eignet sich die dialektische Logik von Hegel einfach besser, um was fortzutreiben, um was zu begreifen.

Die Gemälde von Murillo werden für ihre Authentizität und Wahrhaftigkeit und für die (innere und äußere) Schönheit der Figuren gelobt. Schönheit, kann man mit Hegel sagen, ist die Idee, in der sich das Wahre, Gute, Echte etc. ausdrückt; in der das Gute, Wahre, Echte mit der Wirklichkeit zusammenfallen. Sie ist das Wirklichwerden und Zum Ausdruck Kommen von innerer Schönheit und Harmonie. Mit seiner spezifischen Darstellung von Schönheit nahm Murillo damit gleichsam den Rokoko vorweg – ohne allerdings in dessen Formalismen zu verfallen.

Eine der großen Innovationen der Hegelschen Philosophie ist der dynamische, sich in der Zeit entwickelnde Begriff. Von alters her werden Begriffe eher als etwas Statisches gedacht, bzw. versucht eben die Philosophie zu allgemeinen, vom Zeitlichen und Zufälligen gereinigten und entschlackten (idealen) Begriffen zu kommen. Bei Hegel entwickelt sich der Begriff aber in und mit der Zeit. Es heißt bei Hegel sogar: Die Zeit ist der da-seiende Begriff und Geist ist Zeit (vgl. Kojève S.96ff.) Der Begriff ist etwas ganz Wesentliches in der Philosophie Hegels. Leider ist aber gar nicht einmal erschöpfend klar, was mit dem Begriff bei Hegel eigentlich gemeint ist. Mit Kojéve könnte man vermuten: Begriff (oder „das Wahre“) stehen für nichts endgültig Wahres und Begriffenes, sondern für eine einstweilen begriffene Wirklichkeit (ebenda S.113). Deswegen entfaltet sich der Begriff (und das Wahre) dann eben auch in und über die Zeit. Mithilfe von Begriffen, die einen gewissen Wahrheitsgehalt haben, prägt der Geist differenziertere Verständnisse vom Begriff aus bzw. entwickelt neue Begriffe. Man könnte hier also die Frage, warum wir nicht mit dem Höchsten, das heißt mit dem konkret Wahren beginnen. Die Antwort wird sein, weil wir eben das Wahre in Form eines Resultates sehen wollen und dazu wesentlich gehört, zuerst den abstrakten Begriff selbst zu begreifen. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.86/87)Der Begriff ist deswegen eine so zentrale (bzw. emphatisch betonte) Kategorie bei Hegel, weil er damit ausdrücken will, dass sich unsere Verständnisse von der Welt gemäß seiner Philosophie nicht – wie bei seinem damaligen Freund/Kollegen/Rivalen Schelling – über Anschauungen herstellen, sondern eben über Begriffe. Anschauungen bleiben letztendlich obskur und können sich selbst nicht analytisch durchdringen und begreifen; sie sind zwar immersiv und scheinen auf tiefere, eindringlichere Verständnisse bzw. Verständnismöglichkeiten hinzuweisen, aber sie sind eher und vorwiegend Erkenntnismodi von Künstlerinnen bzw. stehen in einem Zusammenhang mit einem mystischem Verständnis. Sie verweisen auf was Genialisches: Und so bleibt als höchste Form von Erkenntnis bei Schelling dann, zu einer Anschauung vom Absoluten zu kommen – was dann aber mehr oder weniger Privileg des künstlerischen Genies sei (das dabei aber über seine Kunst seine Anschauungen vom Absoluten für die Allgemeinheit übersetzt). Hegel ist da demokratischer: bei ihm vollzieht sich Erkenntnis über die (dialektische, rationale, logische) Entwicklung eines (analytischen) Begriffs, die für „jeden“/“jede“ möglich sei. (Schopenhauer betont dann wieder, dass das anschauende Denken und Vorstellen das Charakteristikum des Genies sei, das (bloß) begriffliche hingegen das der Alltagsköpfe.) Die Anschauung kann sich selbst nicht analytisch durchdringen und Klarheit über sich gewinnen, der Begriff aber schon. Bei Hegel hat die Welt selbst (anders als bei eben dann auch Schopenhauer und Schelling) eine rationale, logische Struktur, in die der Mensch über die (dialektische) Entwicklung von (rationalen, analytischen, logischen) Begriffen Einsicht gewinnt, und mithilfe derer er dann in der Lage ist, die Welt umso rationaler und logischer auszugestalten: das ist dann eben die Essenz des (philosophischen) Idealismus. Diese Substanz aber, die der Geist ist, ist das Werden seiner zu dem, was er an sich ist; und erst als dies sich in sich reflektierende Werden ist er an sich in Wahrheit der Geist. Er ist an sich die Bewegung, die das Erkennen ist, – die Verwandlung jenes Ansich in das Fürsich, der Substanz in das Subjekt, des Gegenstandes des Bewußtseins in Gegenstand des Selbstbewußtseins, d.h in ebensosehr augehobenen Gegenstand oder in den Begriff. Sie ist der in sich zurückgehende Kreis, der seinen Anfang voraussetzt und ihn nur am Ende erreicht. (Phänomenologie des Geistes S.585) Wiederum wird der Begriff zu etwas dem Menschen und der Welt Enthobenen, zu einer eigenständigen – und zur eigentlichen – Macht. So wie gleichsam nicht der Mensch die Philosophie und den Geist entwickelt, sondern sich der Geist und die Philosophie via des Menschen entwickeln, entfaltet nicht der Mensch den Begriff, sondern entfaltet sich der Begriff via des Menschen (weswegen bei Hegel auch der Begriff dann wiederum dazu tendiert, von etwas Nüchternem und Greifbarem zu etwas Entrückt-Metaphysischem zu werden). Dabei ist der Begriff aber bei Hegel nicht die höchste Kategorie: der (im und über den Geist) entwickelte Begriff will auf die Wirklichkeit wirken, mit der Wirklichkeit zur Deckung kommen, die Wirklichkeit umgestalten. Das Kongruentwerden des Begriffs mit der Wirklichkeit ist bei Hegel dann die Idee: Es muß nun allerdings zugegeben werden, daß der Begriff als solcher noch nicht vollständig ist, sondern in die Idee sich erheben muß, welche erst die Einheit des Begriffs und der Realität ist… (Wissenschaft der Logik II S.258) All diese Entwicklung – die vollständige Durchdringung der Welt durch den Geist – kommt schließlich im „Wahren“ und „Ganzen“, im Absoluten an. Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen. Es ist von dem Absoluten zu sagen, daß es wesentlich Resultat, daß es erst am Ende das ist, was es in Wahrheit ist; und hierin eben besteht seine Natur, Wirkliches, Subjekt oder Sichselbstwerden zu sein. So widersprechend es scheinen mag, daß das Absolute wesentlich als Resultat zu begreifen sei, so stellt doch eine geringe Überlegung diesen Schein von Widerspruch zurecht. (Phänomenologie des Geistes S.24) Bei Schelling bleibt das Absolute etwas Ur-Anfängliches und Undifferenziertes, vom Menschen Getrenntes, das vom Menschen letztendlich nicht begriffen werden kann und das ihm fremd, ihm gegenüber eine andere Ordnung bleibt; von dem er sich höchstens eine Anschauung bilden kann. Bei Hegel hingegen kann es ein Undifferenziertes gar nicht geben, da sich aus ihm nichts entwickeln kann. Das Absolute ist bei ihm etwas, das sich über fortwährende Ausdifferenzierung erst entwickelt – und das vom Menschen dann eben auch begriffen und nachvollzogen werden kann, an dem Teilhabe möglich ist, bzw. das als letzte Möglichkeit und Finalität in der Entwicklung des Geistes (über den Begriff) selbst liegt – und nicht in einem Außerhalb. Aber das Absolute kann nicht ein Erstes, Unmittelbares sein, sondern das Absolute ist wesentlich sein Resultat. (Wissenschaft der Logik II S.196) – Hegels spezifische Logik (von der Entfaltung des Begriffs als einer dynamischen Kategorie) wollte ein neues Verständnis von Logik eröffnen: Seit Aristoteles habe es keine neue philosophische Logik gegeben. Die aristotelische Logik operiert aber in starren Begriffen und sei deswegen der modernen Entwicklungsstufe, auf der der Weltgeist sich befindet, nicht mehr angemessen. Diese verlange vielmehr ein dynamisches Verständnis vom Begriff. (Ironischerweise fungiert Aristoteles aber nicht nur als Gegenpol zu Hegel, sondern auch als Vorläufer: Gegenüber dem von seinem Zeitalter irritierten und abgestoßenen Ordnungsfanatiker Platon, dem es zum Ursprünglichen und Ewigen und zu den (ursprünglichen und ewigen) „Ideen“ zieht, ist Aristoteles, aus seinem naturwissenschaftlichen Interesse am Organischen, Biologischen und Lebendigen, vielmehr an Entelechie und Teleologie, an Entwicklung und Entfaltung und am Dynamischen – also an Ähnlichem wie Hegel – interessiert.) Großen Einfluss auf die philosophische Logik hatte die Hegelsche dann aber nicht. Die philosophische Logik wurde um die Wende zum 20. Jahrhundert von Frege und Russell entscheidend entwickelt – und operierte wiederum mit „starren“ Begriffen und Eindeutigkeiten (weswegen, kann man vielleicht auch sagen, sie dann auch gegen die Wand des Russellschen Paradoxons gefahren ist; unter anderem). Sie fuhr dann auch gegen die Wand, die Wittgenstein im Tractatus angedeutet hat: dass Logik nur beschränkt und selbstreferenziell/tautologisch Aussagen über die Welt machen kann; nicht aber über die „eigentlichen“ Daseinsqualitäten, das „Mystische“ der menschlichen Lebenswelt; dass sich logische Sätze nicht in ethische Sätze überführen lassen etc. Schweigend hat Wittgenstein dabei noch sein Unbehagen allein zu formulieren gewusst, da er damals noch keine Einsicht in dessen Grund hatte. In seiner Spätphilosophie verabschiedet sich Wittgenstein dann von der Idee einer Idealsprache, mit der die Logik operiere, zugunsten von einer Alltagssprache, die sich sozial, in Abstimmung der Sprechenden untereinander und über den Gebrauch entwickle – und der es einer definitiven Eindeutigkeit und Folgerichtigkeit vielfach ermangle. „Begriffe“ werden so wieder zu was Dynamischen. Sellars und Findlay kritisieren an der Russellschen Logik, dass sie in einer „Objektsprache“ spreche, die aber einer „Metasprache“ bedarf, um sich selbst zu begreifen. Der metasprachliche Diskurs diskutiere, kommentiere, analysiere, konkretisiere und entwickle, was die Begriffe innerhalb der logischen Sprache überhaupt bedeuten würden, die aus sich selbst heraus letztendlich nicht (widerspruchsfrei) entwickelt und begründet werden können. Hier hat man wieder eine Anlehnung an die „dynamische“ Logik Hegels, wenn man so will. Der analytische Philosoph Robert Brandom hat jetzt auch ein 800-Seiten-Buch zu Hegel veröffentlicht. Ich hoffe, ich kann es mal lesen; und auch verstehen: denn zeitlebens waren mir Brandoms Schriften und Gedankengänge mindestens ebenso unverständlich wie die Hegels.

In neueren Zeiten ist das Bewußtsein entstanden, daß es eine Schwierigkeit sei, einen Anfang in der Philosophie zu finden, und der Grund dieser Schwierigkeit sowie die Möglichkeit, sie zu lösen, ist vielfältig besprochen worden. Der Anfang der Philosophie muß entweder ein Vermitteltes oder Unmittelbares sein, und es ist leicht zu zeigen, daß er weder das eine noch das andere sein könne; somit findet die eine oder die andere Weise des Anfangens ihre Widerlegung. (Wissenschaft der Logik I S.65) Wenn ein Anfang (durch was anderes) vermittelt ist: wie kann er dann echter Anfang sein? Und wenn er unmittelbar ist: wer oder was hat ihn dann trotzdem hervorgebracht? All das führt die Logik dabei aber nicht an ihre Grenzen: denn ein Anfang muss kein echter, primordialer Anfang sein; vielmehr wird er das Erscheinen einer Qualität sein, die durch etwas anderes, eventuell einer Vielzahl von Faktoren, die diese Qualität noch nicht besitzen, angestoßen wird. Das Universum entstammt eventuell einer Transformation eines Energiefeldes; höherwertiges eukaryotisches Leben hat sich offenbar aus einer (extrem unwahrscheinlichen und daher wohl extrem selten stattfindenden) Kreuzung eines prokaryotischen Bakteriums und eines Archaeons entwickelt etc. Ein Anfang ist das Erscheinen einer Qualität, der andere Qualitäten vorgelagert sind, die für uns nicht mehr unmittelbar ersichtlich und für uns möglicherweise auch nicht mehr analysierbar sind. Was tatsächlich, empirisch der Anfang ist, ist nur auf empirischem, wissenschaftlichem Wege feststellbar. Die Logik hilft uns da weniger weit, als man vielleicht glaubt. Mithilfe der Logik lassen sich alle möglichen Schlussfolgerungen und auch Rückschlüsse ziehen, die aber empirisch verifiziert werden müssen. Hegel standen solche wissenschaftlichen Erkenntnisse größtenteils noch nicht zur Verfügung; und Aufgabe der Philosophie ist es ohnehin, ideale, abstrakte Vorstellungen von konkreten Prozessen in der Welt zu geben. Auch Hegel wollte gerne wissen, von welchem Anfange die dialektische Entwicklung des Weltprozesses ausgehe. Es scheint (irrtümlicherweise?) auf der Hand zu liegen, dass man, um zum Anfang zu gelangen, die Qualitäten, die sich im dialektischen Prozess ergeben (als etwas Gemachtes) wegrechnen und man reinen Tisch machen müsse, bis dass man an nichts mehr gelange, was nicht doch noch auf einen weiteren Ursprung zurückgeführt werden könne: Was den Anfang macht, der Anfang selbst, ist daher als ein Nichtanalysierbares, in seiner einfachen unerfüllten Unmittelbarkeit, also als Sein, als das ganz Leere zu nehmen. (ebenda S.75) Das ganz Leere kann aber nicht Anfang sein, da es kein dialektisches Potenzial enthält: aus der reinen Leere kann nichts entstehen. Daher setzt Hegel also das reine Sein an den Anfang: Der Anfang ist also das reine Sein. (ebenda S.69) Hegel wäre aber nicht Hegel, wenn bei ihm nicht das „reine Sein“ selbst etwas Unreines, von Dialektik Durchzogenes wäre: in diesem Fall von der Dialektik zwischen Sein und Nichts. Es ist noch Nichts, und es soll Etwas werden. Der Anfang ist nicht das reine Nichts, sondern ein Nichts, von dem Etwas ausgehen soll: das Sein ist also auch schon im Anfang enthalten. Der Anfang enthält also beides, Sein und Nichts; ist die Einheit von Sein und Nichts, – oder ist Nichtsein, das zugleich Sein, und Sein, das zugleich Nichtsein ist. (ebenda S.73) Damit scheint sich Hegel mit fernöstlicher Weisheit zu treffen, denn auch z.B. das Tao wird als ein Sein gedacht, das auch ein Nichts ist bzw. ein Nichts, das auch ein Sein ist (genau gesagt: als ein Nichts, dem ein Potenzial zum Ontischen innewohnt). Hegel denkt dabei aber nicht aus dem Mystischen, sondern dem Dialektischen heraus: wonach jede dialektische Einheit aus einem Ding und dessen Negation besteht. Indem da Sein ist und Nichts ergebe sich die Möglichkeit zum Werden; Werden liege in der dialektischen Vermittlung zwischen Sein und Nichts. – Dabei erscheint, genau betrachtet, Werden aber nicht als Vermittlung zwischen Sein und Nichts, sondern höchstens zwischen einem Sein und einem Noch-Nicht; einem Zustand, den es noch nicht erreicht hat. Das ist dann eher die Vorstellung von Werden wie man sie bei Schelling hat: innerhalb derer sich das Sein nicht in eine bestimmte Richtung hin entwickelt (wie bei Hegel) und nicht in eine bestimmte (antithetische, dann synthetische) Richtung hin gezogen wird, sondern Freisetzung eines innewohnenden Potenzials ist. Alleine schon einmal indem man Werden als eine „Vermittlung“ zwischen was begreift, räumt man dem zukünftigen Zustand eine gleichwertige Macht wie dem gegenwärtigen und rückwirkende Gestaltungskraft diesem gegenüber ein, die er aber so nicht besitzt. In seiner Vorstellung vom Werden erscheint Hegel als zu zukunftsorientiert. – Hegel kommt darüber hinaus dann auch noch mit seinem berüchtigten Diktum, wonach reines Sein und reines Nichts dasselbe seien: Das Sein, das unbestimmte Unmittelbare ist in der Tat Nichts und nicht mehr noch weniger als Nichts … Das reine Sein und das reine Nichts ist also dasselbe. (ebenda S.83) Tatsächlich haben weder das reine Sein noch das reine Nichts irgendwelche Qualitäten (weswegen sie also ineinander fielen). Das aber erscheint als eine Verwirrung der Begriffe: da das Sein sich eben zumindest über die Qualität des Seins auszeichnet, und das Nichts über die Qualität des Nicht-seins; sie also zumindest darüber eindeutig voneinander geschieden sind. Warum ist Seiendes und nicht vielmehr Nichts? als Grundfrage der Philosophie würde dann wegfallen, wenn reines Sein und reines Nichts dasselbe wären – genau gesagt: unsere gesamte Existenz. Wenn das reine Sein und das reine Nichts überhaupt dasselbe seien, hat man ja keine dialektische Einheit von einem Ding und dessen Negation mehr, sondern eine reine Identität, aus der sich dialektisch nichts entwickeln kann. Und wenn Sein und Nicht-sein ineinander fielen, wäre jede Aussage und ihr Gegenteil war, die Struktur der Welt damit unlogisch und daher die Welt auch unmöglich. – Im Denken so radikal zu sein, dass man – alles sonstige hinterfragend – zum reinen Sein, zum nicht mehr hintergehbaren Grund vorstoßen will, um von dort aus dann erneut aufzusteigen, ist eine gute, eine ehrliche Sache. Eine Sache der wahren Philosophie. Auf so eine Idee kommen viele nicht, stattdessen nehmen sie irgendein Lieblingsobjekt als Ausgangspunkt ihres Räsonierens (zu dem das Denken dann eben in der Regel auch wieder zurückführt). Zum reinen Sein vorzustoßen gelingt auch kaum jemand. Von Zehntausenden, die sich da auf den Weg machen, gelangen vielleicht zwei oder drei tatsächlich durch das Tor. Und auch die wissen niemals genau, ob sie nicht vielleicht einem Schelmenstreich zum Opfer gefallen sind. Das reine Sein ist wissenschaftlich womöglich nicht erfassbar, und daher auch letztendlich auch keine handhabbare Kategorie. Das reine Sein und das reine Nichts wären so was wie reine Präsenzen. Mit Derrida kann man aber vielleicht sagen, dass es reine Präsenzen nicht gibt: es gibt nur Verweisungszusammenhänge und Spuren von Verweisungszusammenhängen (wobei diese Verweisungszusammenhänge aber eben auch für eine höhere Stabilität der Verflechtungen, in die die Dinge eingelassen sind, sorgen, als Derrida mit seiner vielleicht zu leichtfertig (und selbstzweckhaft) betriebenen Dekonstruktion uns das gemeinhin glauben machen will). Dialektisches Schließen, die Logik des Weltprozesses stoßen sich nicht vom „reinen Sein/Nichts“ ab, sondern von Gegebenheiten und Verweisungszusammenhängen, die bis zu einem gewissen Grad zufällig und kontingent sind. Daher bringen sie, in erheblichem Grad, weitere Zufälligkeiten und Kontingenzen hervor. Das ist dann aber nur bedingt eine Hervorbringung von „Geist“ oder einer Logik. Der Frage nach dem Ursprung und warum da ist Sein und nicht vielmehr Nichts versucht die Menschheit von alters her auf den Grund zu gehen: und entwickelte so die meiste Zeit über Schöpfungsmythen und Religionen – die in ihrer jeweiligen Form den Geist unterschiedlicher Kulturräume bis heute unterschiedlich prägen und ihn auch jeweils unterschiedlich gefangen halten. Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden (Marx) – und so scheint die große Frage von wegen woher wir kommen und wohin wir gehen nicht so einfach beantwortbar und der Versuch ihrer Beantwortung findet kaum in einem Reich der reinen Ideen und Begriffe statt, sondern inmitten von Verweisungszusammenhängen. Das Problem sind dabei nicht die vielen Absonderlichkeiten und Sackgassen, die der Weltprozess hervorgebracht hat (oder die wieder mehr oder weniger spurlos in ihm verschwunden sind), sondern ist dass wir nicht genau wissen, inwieweit unser derzeitiger Weltzustand und Zustand des Weltgeistes nicht auch hauptsächlich eine Kontingenz oder Zufälligkeit – oder Sackgasse – ist, und Hegels Geschichtsidealismus somit nicht eventuell bloß einen charmanter Irrtum darstellt.  Aber vor dieser Schwierigkeit zu kapitulieren kann ja nicht Sache der Wissenschaft und der Philosophie sein! Wissenschaft und Philosophie sind dazu da, den Dingen auf den Grund zu gehen, und ihre Erklärungen im Lichte neuer Erkenntnisse gegebenenfalls zu revidieren. Die Philosophie soll ihre Erklärungen dabei so allgemein halten wie möglich und in idealen Begriffen und Anschauungen, die (hoffentlich korrekt) vom Empirischen abstrahieren. Wenn Hegel sein Programm formuliert als: Man muß zugeben, daß es eine wesentliche Betrachtung ist – die sich innerhalb der Logik selbst näher ergeben wird –, daß das Vorwärtsgehen ein Rückgang in den Grund, zu dem Ursprünglichen und Wahrhaften ist, von dem das, womit der Anfang gemacht wurde, abhängt und in der Tat hervorgebracht wird (…) Das Wesentliche für die Wissenschaft ist nicht so sehr, daß ein rein Unmittelbares der Anfang sei, sondern daß das Ganze derselben ein Kreislauf in sich selbst ist, worin das Erste auch das Letzte und das Letzte auch das Erste wird. (ebenda S.70) – so kann man darin heißestes Bemühen identifizieren, zum korrekten Urgrund der Welt vorzustoßen, deren Anfang und Ende festzustellen und das Unwandelbare, das unter dem Chaos des Weltprozesses verborgen liegt, dessen innere Wahrheit als solches freizulegen. Man kann aber ein weiteres Mal die Einladung zu einem Zirkelschluss, innerhalb dessen alles in Harmlosigkeit und Trivialität aufgeht darin erblicken. (Im Hinblick auf die Emanation des Geistes kann man vielleicht von einer Art kindlichem, unschuldigem, unbelastetem Urzustand des Geistes ausgehen, in dem der Geist einem reinen Perzeptionsvermögen und reiner Aufnahmefähigkeit zu gleichen scheint, und der Geist dann idealerweise, durch gewaltige Bildung, Introspektion und Ich-Kasteiung schließlich in einen erneuten, erleuchteten Zustand der reinen Perzeption gelangt – allerdings auf einem viel höheren Level der Kompetenz. Eine solche Introspektionsleistung des Geistes ist aber was anderes als der Gang der Weltgeschichte.) Louis Althusser zum Beispiel stößt sich in marxistischer Manier daran, dass Hegel innerhalb seiner Philosophie von einem einfachen Ausgangspunkt zu einem einfachen Endpunkt gelange, und alles in Harmonie und Einfachheit aufgehen lasse: aufgrund seiner immer schon harmonisierenden (herrschaftsunkritischen) Annahmen und den entsprechenden Folgerungen, die er dann daraus ziehe … und deshalb ist bei Hegel auch niemals ein bestimmter Widerspruch dominant. Das heißt, dass das Hegelsche Ganze eine Einheit „geistigen“ Typs besitzt, in der alle Differenzen nur gesetzt werden, um negiert zu werden, also indifferent bleiben. Und in der sie also niemals für sich selbst existieren, sondern nur den Anschein einer unabhängigen Existenz haben, und in der sie, da sie immer nur die Einheit des inneren, einfachen Prinzips manifestieren, das sich ihnen entfremdet, praktisch untereinander, als entfremdete Erscheinung dieses Prinzips, ganz gleich bleiben. Das heißt also auch zu behaupten, dass die Hegelsche Totalität 1. nicht wirklich, sondern nur dem Anschein nach in „Sphären“ gegliedert ist, 2. als  Einheit nicht ihre Komplexität als solche besitzt, das heißt nicht die Struktur dieser Komplexität aufweist, und 3. also ganz ohne diese „Struktur mit Dominante“ bleibt, die die absolute Bedingung dafür bildet, dass es einer wirklichen Komplexität überhaupt erst möglich macht, Einheit zu sein und wirklich Gegenstand einer Praxis zu werden, die es sich vornimmt, diese Struktur zu verändern, nämlich als politische Praxis. Es ist daher auch kein Zufall, dass die Hegelsche Theorie der gesellschaftlichen Totalität niemals eine Politik begründet hat, dass es keine Hegelsche Politik gibt und es sie auch nicht geben kann. (Althusser S.258f.) Das könnte man, vor allem vom Standpunkt einer marxistischen Kritik, an Hegel durchaus monieren. Kritisch zurückschlagen kann man dagegen dann aber auch: Ein gewisses Unwohlsein löst Althussers Charakterisierung Hegels als „unpolitisch“ nämlich hoffentlich schon aus. Das scheint einem eminent politischen Denker wie Hegel Unrecht zu tun. Allerdings: was ist überhaupt Politik? Vielleicht haben ja der eine und die andere grundsätzlich andere Vorstellungen schon einmal davon. Politik bedeutet, ganz allgemein, die Regelung der Angelegenheiten des Gemeinwesens. Nach Hannah Arendt ist Politik das Management von menschlicher Diversität. Politik wird von Einzelnen, Gruppierungen, Institutionen und Parteien betrieben in dem Anliegen, Interessen durchzusetzen; entweder die eigenen oder Interessen, mit denen man sich identifiziert oder deren Durchsetzung man als wünschenswert erachtet; und dem Ziel, das Gemeinwesen auf die Garantie der damit verbundenen Ansprüche auszurichten. Parteien vertreten bestimmte, in der Gesellschaft bestehende Interessen oder bestimmte Interessensgruppen, und tun das hoffentlich auch im Hinblick auf den Ausgleich mit den Interessen anderer Gruppen. Wenn Parteien Interessenspolitik und Interessensausgleich betreiben, hat man ein gutes Gemeinwesen. Wenn Parteien ganz vorrangig ihre eigenen Interessen verfolgen und hauptsächlich darauf aus sind, in der Gesellschaft vorhandene Pfründe in ihrem Sinn (neu) zu verteilen, hat man ein schlechtes Gemeinwesen. Hegels gesamtes Denken kreist darum, wie es möglich sei, das Einzelne mit dem Allgemeinen zu versöhnen und beides ineinander aufgehen zu lassen. Er ist also Denker und Advokat eines, in dem Sinn, guten Gemeinwesens, das von einem guten, die Einzelinteressen austarierenden Staat (als nicht nur empirischer Realität sondern auch (bei Hegel gleichsam mystisch-philosophischer und leidenschaftlich erhöhter) höchster Idee des Gemeinwesens) in (seine endgültige) Form gebracht wird. – Jetzt kann man das als naiv und unkritisch betrachten, wenn nicht als schleimerisch und unterwürfig gegenüber real bestehender Macht, die man damit auch noch idealisiere; und Marxisten wie Althusser werden Hegel gegenüber geneigt sein, genau das zu tun. Im Allgemeinen ist es letztendlich eine Entscheidung, die man trifft, ob man die Politik, das Gemeinwesen, den Staat, das Wirtschaftssystem als eine rationale Einrichtung betrachtet, oder als eine irrationale; ob es sich dabei um funktionale und (pro)soziale Zusammenhänge handle, oder aber um antisoziale Zusammenhänge der Macht und der Herrschaft; ob die Gesellschaft durch Konflikt bestimmt sei oder durch Harmonie etc. All diese Zusammenhänge können tatsächlich mal eher das eine sein, und dann wieder vorwiegend das andere und damit durch die eine Heuristik besser erfasst und dann wieder durch die andere. Was speziell die Marxisten anlangt, so haben die eine deutlich agonalere Auffassung von Politik (genau gesagt: der derzeit bestehenden Politik) als Hegel. Für sie gibt es eine gesellschaftliche Dominante, und einen dominanten (Haupt)Widerspruch innerhalb von Gesellschaft und Politik: und das ist der Klassenkampf. Marxisten betrachten das Gemeinwesen an sich dabei als etwas durchaus (penetrant) Harmonisches, das in seiner Idylle aber durch ein Wirtschaftssystem nachhaltig gestört und pervertiert werde: was einen Klassenkampf provoziere, bei dem nur der revolutionäre Endsieg des Proletariats gesamtgesellschaftliche Harmonie (wieder) herstellen könne (und durch sonst nichts). Die Geschichte ist bei Marx eine Geschichte von Klassenkämpfen. So mag für einen geeichten Marxisten dann auch alles, was nicht Klassenkampf ist, tatsächlich nicht wirklich als Politik erscheinen, sondern als bloßer Wurmfortsatz von Politik, wenn nicht als Täuschungsmanöver, als Lulu-Angelegenheit oder als „was für Überbauwichteln“. Der Staat ist im marxistischen Verständnis keine „höchste Idee“ sondern ein Repressionsapparat im Dienste der herrschenden Klasse. Schreibt Lenin in Staat und Revolution: Der Staat ist das Produkt und die Äußerung der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze. Der Staat entsteht dort, dann und insofern, wo, wann und insofern die Klassengegensätze objektiv nicht versöhnt werden können. Und umgekehrt: Das Bestehen des Staates beweist, dass die Klassengegensätze unversöhnlich sind. (Lenin S.10) Der Kommunismus hingegen wird als geradezu/schlechthin unpolitische Utopie gefasst: Als Endziel setzen wir uns die Abschaffung des Staates, d.h. jeder organisierten und systematischen Gewalt, jeder Gewaltanwendung gegen Menschen überhaupt. (ebenda S.63) – Jetzt sind aber Klassenkämpfe wohl dann doch nicht die Dominante innerhalb der Geschichte, sondern eher ein Moment unter auch noch anderen; außerdem sind Klassenkämpfe dermaßen weitläufig und komplex und treten in zu vielen verschiedenen Kontexten auf als dass man irgendeinen empirischen geschichtlichen Verlauf daraus ableiten könnte. In der Geschichte gibt es möglicherweise keine Dominante (was dann natürlich eben auch Hegel auf den Kopf fällt, der in ihr ja die Entfaltung einer Logik erkennt). (Und die Menschen, und mit ihnen der geschichtliche Verlauf, sind ja auch nicht so politisch, wie die Marxisten immer wieder gerne glauben.) Die Ursprünge des Staates liegen möglicherweise darin, dass urzeitliche Ansiedelungen bzw. Urstädte sich gegen räuberische Nomaden sichern wollten, für die sie aufgrund ihres relativen Reichtums ein beliebtes Angriffsziel waren – eventuell indem sie den Nomaden, als Kriegerkaste, selbst die Regierungsgewalt (oder Teile davon) übertrugen, damit sie das Gemeinwesen vor anderen Nomaden schützten (die Konfliktlinie zwischen Sesshaften und Nomaden ist dabei eine sich weit durch die Geschichte ziehende und die Geschichte formende – und das, was die Verständnisse und mentalen Gefängnisse vieler Kulturräume anlangt – und ziemlich unmarxistisch –, bis heute). Den Schrecken, den der Staat bei Lenin hatte, hat er, im weiteren geschichtlichen Verlauf als liberale Demokratie – zumindest bei nüchterner Betrachtung – weitgehend verloren. Seine Entwicklung war (in unserem Teil der Welt) eher die, die Hegel vorgezeichnet hat, und nicht die, die Marx prophezeit hat. Hegel seinerseits war kein blinder Apologet des Kapitalismus, sondern erkannte an, dass das Wirtschaftssystem seiner Zeit zu Spitzen und Ausläufern von exzessiver Armut und exzessivem Reichtum führt. Beides sei gleichermaßen schädlich und beides führe gleichermaßen – beim „Lumpenproletatiat“ wie bei den Steinreichen – zu seelischer Verwahrlosung und einem Verlust an Gemeinsinn: zu Asozialität. Ein Sozial- und Transferstaat biete sich aber als Versuch einer Lösung an, Besteuerung und rechtliche Regulierung. Also eine Kompromisslösung innerhalb des staatlichen Rahmens. Das westliche Staatswesen hat sich seit der Zeit Hegels stark verändert; seine Entwicklung könnte man jedoch begreifen als innerhalb der Hegelschen Philosophie vorgezeichnet. Eine Abschaffung des Staates, d.h. jeder organisierten und systematischen Gewalt, jeder Gewaltanwendung gegen Menschen überhaupt hat es unter Lenin gerade nicht gegeben, und überhaupt utopisch auf eine solche zu hoffen dünkt bemerkenswert wenig durchdacht. Hinsichtlich des Kommunismus scheint es schwer vorstellbar, wie eine klassenlose Gesellschaft anders aufrechterhalten bzw. wie Individuen und Gruppen davon abgehalten werden können, Macht und Assets zu akkumulieren wenn da keine repressive Staatsgewalt sei. Überhaupt sind solche politischen Utopien gleichsam eminent unpolitisch – indem sie die Grundlage für Politik: die Verschiedenheit unter den Menschen, das menschliche Wollen und die Verschiedenheit des menschlichen Wollens verkennen. Die Idee des Platonischen Staates enthält das Unrecht, gegen die Person, des Privateigentums unfähig zu sein, als allgemeines Prinzip. Die Vorstellung von einer frommen oder freundschaftlichen und selbst erzwungenen Verbrüderung der Menschen mit Gemeinschaft der Güter und der Verbannung des privateigentümlichen Prinzips kann sich der Gesinnung leicht darbieten, welche die Natur der Freiheit des Geistes und des Rechts verkennt und sie nicht in ihren bestimmten Momenten erfaßt. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.108) Bei Hegel ist nicht die Abschaffung des Eigentums der Weg zum rechten (Individual- und) Gemeinwohl, sondern dessen Anerkennung und dessen Beschützung durch den Staat. Marx setzt dem dann (unter anderem) seine Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie entgegen; genauer gesagt, arbeiten sich seine Frühschriften an Hegel ziemlich durchgehend ab. Lenin hat gemeint, ohne ein Verständnis der Hegelschen Philosophie man könne Marx gar nicht begreifen. Und tatsächlich kann man Hegel nicht ohne Marx diskutieren, und Marx nicht ohne Hegel.  Einer erscheint gleichsam als die Nemesis des anderen, oder aber der eine als These, der andere als Antithese, die beide einer glorreichen, triumphalen Synthese entgegenstreben. Wie viel Hegel steckt dabei allerdings tatsächlich in Marx? Gerade z.B. Althusser will in Hegel nur einen scheinbaren Verwandten von Marx erblicken: das Trennende zwischen Marx und Hegel überwiege in Wahrheit und bei genauerer Betrachtung. Und so machte Althusser sich seinerseits daran, einen strukturalistischen Marxismus, einen auf strukturalistischer Basis ruhenden Marxismus zu entwickeln. – Damit nähern wir uns dann schon wieder dem Poststrukturalismus und der Postmoderne – die dem Marxismus eher feindlich gegenüberstehen: und vor allem umgekehrt. Noch feindlicher gegenüber stehen sie freilich Hegel. Wobei sie dabei aber dann doch nach einem Hegel und der Geschlossenheit eines Hegel verlangen. Du siehst, Scheherezade, ein endlos geflochtenes Band, das alles. Wer ist der Held, der es weiter flechtet?

Ebensowenig, als von beständigen Verbesserungen, kann von „eigentümlichen Ansichten“ der Philosophie die Rede sein. Wie sollte das Vernünftige eigentümlich sein? … Wenn ein Eigentümliches wirklich das Wesen einer Philosophie ausmachte, so würde es keine Philosophie sein … Wer von einer Eigentümlichkeit befangen ist, sieht in anderen nichts als Eigentümlichkeiten. (Jenaer Schriften S.10) Hegel wird es gerne als Eigentümlichkeit vorgeworfen, dass er der Subjektivität und der Individualität zu wenig Raum gebe; vielmehr bestrebt sei, sie unter ein (heteronomes) Allgemeines zu subsumieren (und sie dadurch zum Staatsbürger zu degradieren, zu entmenschlichen etc.). Kierkegaard entwickelt seine (Art von) Philosophie aus sich einer daran abstoßenden Bewegung, Adorno setzt Hegel seine negative Dialektik (und mehr) entgegen. Popper, in einem Klimax von Eigentümlichkeit, die zwar eine rationale Grundlage hat, in ihrer Ausformung dann aber philosophisch nicht mehr tatsächlich nachvollziehbar ist, hält Hegel bestenfalls (sofern er, der vermeintliche Scharlatan, überhaupt was sei) für einen Faschisten. In einer Beleidigtheit darüber, dass bei Hegel die Subjektivität zu kurz komme und unter ein Allgemeines untergeordnet werde, wird so eine subjektive Einschätzung auf eine Spitze getrieben, die kaum mehr verallgemeinerbar ist: was nicht heißt, dass sie sich nicht, gerade deswegen, umso mehr selbst will – so tritt die ganze Zufälligkeit des Meinens, seine Unwissenheit und Verkehrung, falsche Kenntnis und Beurteilung ein. Indem es dabei um das Bewußtsein der Eigentümlichkeit der Ansicht und Kenntnis zu tun ist, so ist eine Meinung, je schlechter ihr Inhalt ist, desto eigentümlicher; denn das Schlechte ist das in seinem Inhalte ganz Besondere und Eigentümliche, das Vernünftige dagegen das an und für sich Allgemeine, und das Eigentümliche ist das, worauf das Meinen sich etwas einbildet. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.484) (Oder war Popper, der Propagandist der offenen, freien Gesellschaft, neidisch, weil Hegel das schon vor ihm – und philosophisch und geistesgeschichtlich noch viel gewaltiger – war? Der freie Mensch ist nicht neidisch, sondern anerkennt das gern, was groß und erhaben ist, und freut sich, daß es ist. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.47) Persönlich bekannt war Popper als schwieriger, autoritärer Mensch, der anderen (freilich auch berechtigterweise) nicht sonderlich viel Denkfreiheit gewährleistet hat.) Man hüte sich eventuell vor zu viel (querdenkerischer) Subjektivität, denn: Dies scheint zufälligen Meinungen Tür und Tor zu öffnen, wenn der Gedanke über das Recht kommen soll; aber der wahrhaftige Gedanke ist keine Meinung über eine Sache, sondern der Begriff der Sache selbst. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.17) Die recht prononcierten, mehr Subjektivität einfordernden Kritiker an Hegel, hatten, neben ihrer Brillanz, so dann auch recht deutliche Eigentümlichkeiten. Kierkegaard hat geradezu in einem (für seine Familie typischen) melancholischen religiösen Wahn gelebt; und war offensichtlich in erheblichem Maße selbstzentriert und unkollegial (was er (partiell) (über sich als vermeintlich hochkriminellen, diabolischen „Verführer“ von Regine Olsen) ebenso manisch schriftstellerisch aufgearbeitet hat wie das Thema der rechten Religiosität, und in einem grellen Mix aus übersteigerter fiktionaler Selbstbewunderung und Selbstbestrafung). Adorno (Im schroffen Gegensatz zum üblichen Wissenschaftsideal bedarf die Objektivität dialektischer Erkenntnis nicht eines Weniger sondern eines Mehr an Subjekt. Sonst verkümmert philosophische Erfahrung. Aber der positivistische Zeitgeist ist allergisch dagegen (Negative Dialektik S.50) … Subjektivität, die sich selbst verleugnet, schlägt um in Objektivismus (S.78) … Befreites Bewußtsein, das freilich im Unfreien keiner hat … (S.102) (und weiter: … eines, das seiner mächtig wäre, wirklich so autonom, wie es bisher immer nur sich aufspielte, müßte nicht immerzu fürchten, an ein Anderes – insgeheim, die Mächte, die es beherrschen – sich zu verlieren) … Identität ist eine Urform von Ideologie. Sie wird als Adäquanz an die darin unterdrückte Sache genossen … Identität wird zur Instanz einer Anpassungslehre, in welcher das Objekt, nach dem das Subjekt sich zu richten habe, diesem zurückzahlt, was das Subjekt ihm zugefügt hat (S.151) … Die Unmündigkeit, die das verursachte, ist nicht so, wie Kant dachte, von der Menschheit selbst verschuldet. Mittlerweile zumindest wird sie planvoll reproduziert von den Machthabern (S.204) … (Hegels) Philosophie hat kein Interesse daran, daß eigentlich Individualität sei (S.336) … Die einzelmenschlichen Spontaneitäten, mittlerweile auch weithin die vermeintlich oppositionellen, sind zur Pseudoaktivität, potentiell zum Schwachsinn verurteilt (S.341) hat den Fimmel, dauernd eine (gleichsam ziellose, eigentümliche) Spontaneität des Individuums zu beschwören, die er aber in allem nicht allein unterdrückt sondern geradezu zerquetscht und vernichtet vorfinden will (so dass es billig wäre, hinter diesem (Quasi-) Neurotikertum der frühen Kritischen Theorie sexuelle Verklemmtheit zu vermuten). In ihrer Mischung aus Rationalität und Neurose sind aber natürlich die Beiträge von Kierkegaard oder Adorno ihrerseits von größter Relevanz. Kierkegaard hat das Subjekt und hat seine Philosophie äußerst kraftvoll und für immer lebendig an das Absolute gespannt (anders als die tatsächlichen späteren Existenzialisten, die das, vergleichsweise schlaff und vorübergehend, an das „Nichts“ getan haben). Adorno et al. hat mit seiner Negativen Dialektik der Aufklärung, in all eben deren Hermetik, nebst aller wertvoller kritischen Einsichten, wie mit einer Saugglocke einen umso riesigeren Raum des befreiten gesellschaftlichen Imaginären geöffnet, was wichtig und notwendig ist/war. Von größter Relevanz also das, auch wenn es in seiner (allerdings eben nicht unberechtigten, sondern sich aus einen bestimmten Blickwinkel aus durchaus anbietenden) Kritik an Hegel eventuell am Kern der Sache vorbeigeht. Hegel will ja die Subjektivität gar nicht ins Zentrum stellen, sondern das Ganze betrachten, von dem die Subjektivität nur ein – wenngleich wesentliches – Element ist. Das Ganze (aber) ist die sich bewegende Durchdringung der Individualität und des Allgemeinen; … (Phänomenologie des Geistes S.308) Durch diese sich bewegende Durchdringung von Individualität und Allgemeinen stellt sich eben her der Geist. Das Ziel ist die Einsicht des Geistes in das, was das Wissen ist. (ebendaS.33) Wissen stellt sich aber nicht über bloße Subjektivität in ihrer Spontaneität her, sondern indem das Subjekt versucht, das Objekt zu begreifen, indem … der Geist aber nichts Einzelnes ist, sondern Einheit des Einzelnen und Allgemeinen. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.305) Dass das Subjekt nur dann Subjekt sein kann – und in seiner Subjektivität kompetent und autonom – wenn es Einsicht in das Objektive und Allgemeingültige hat; wenn es also ein vernünftiges Subjekt ist; ist wohl eine Binsenweisheit – die aber trotzdem gerne immer wieder unterschlagen wird. Bzw. tendieren besonders subjektzentrierte und (herrschafts)kritische DenkerInnen immer wieder dazu, im Objektiven und Allgemeinen ganz hauptsächlich eine Heteronomie zu erblicken; etwas, das der Subjektivität feindlich und unterdrückend – und eben angeblich übermächtig – gegenüberstehe. Man würde solchen KritikerInnen dann und wann mehr Einsicht wünschen, dass eine solche Gewichtung bis zu einem gewissen Grade tatsächlich offenbar zu subjektiv ist und wenig verallgemeinerbar – und dass sie den Terror, den sie der Objektivität zuschreiben, in Wirklichkeit selbst mit der Überbetonung und dem Verallgemeinerungsversuch ihrer subjektiven Idiosynkrasien implizit oder eben auch explizit (und beabsichtigterweise oder auch unbeabsichtigt) ausüben oder ausüben wollen. Vielleicht sollten sie Hegel und seine Versuche, das Ganze und das Allgemeine zu denken und zu berücksichtigen anstatt das Subjektive, Idiosynkratische etc. genauer untersuchen und verinnerlichen, anstatt ihn in erster Linie zu kritisieren, wenn nicht zu verabscheuen. Das Subjektive bewegt sich in einer objektiven Welt. Die menschliche Natur ist eine duale: indem der Mensch gleichermaßen ein Einzel- wie ein Kollektivwesen ist (das, mit Kant gesprochen, in ungeselliger Geselligkeit lebt und daher seine Lebenswelt dementsprechend auszugestalten hat). Genau das wirft dann eben das Problem der Moral auf und der moralischen Ausgestaltung der menschlichen Lebenswelt. Ob das Moralische bzw. dessen Impliziertheit/Implizierungen etwas vom Menschen gemachtes oder etwas tatsächlich in der Welt vorhandenes sind (also ob Moral etwas subjektiv oder objektiv Impliziertes ist), ist im Übrigen bis heute eine lebhaft diskutierte philosophische Streitfrage – da sie keineswegs leicht zu entscheiden ist. Womöglich auch gar nicht: da sich in ihr Subjektives und Objektives fast untrennbar miteinander vermengen (weswegen man vielleicht andere Verständnisse von beiden benötigt). Klar ist, dass moralische Systeme, sittliche Verständnisse u. dergl. innerhalb von jeweiligen (und insgesamt in allen) Zeiten und Kulturen dem Menschen als objektiver Geist gegenübertreten. Moral und Sitte nehmen auch klarerweise für sich in Anspruch, objektiv und allgemein gültig zu sein. Und ja: es ist schwierig bis unmöglich, sich das Moralische (die tiefer gehenden Inhalte und Implikationen seiner, nicht die einzelnen kulturrelativen sozialen Etiketten) als etwas anderes als etwas objektiv Verankertes, aus dem Objektiven kommendes und den Menschen dorthin wieder zurückführendes vorzustellen. Schon der junge Hegel hat sich, eben in seiner Harmoniesüchtigkeit, mit Fragen nach dem moralischen Charakter der Welt bzw. der moralischen Ausgestaltung der Welt beschäftigt. Wenngleich er stark aus einer religiösen Empfindung heraus denkt, und sich stark damit beschäftigt, wie sich der Einzelne in ein Allgemeines einordnen kann, sind ihm ein obstruktives Christentum bzw. eine übermächtig tradierte Sittlichkeit ein Gräuel: da sie dem Menschen die sittliche Autonomie, und überhaupt seine Individualität rauben. Ebenso wendet er sich gegen die (abstrakt bleibende) Pflichtethik Kants: Menschen seien keine Pflichtlinge oder ausführende Organe von abstrakten Prinzipien – sie seien in ihrer Ganzheit, und in der Ganzheit ihrer Bedürfnisse und in der Vielfalt ihrer Eigenschaften zu nehmen, der Mensch habe eine konkrete und leibliche Existenz. Indem die Moral sowohl objektiven wie subjektiven Ursprungs zu sein scheint, scheint sie, von Grund auf, als etwas Widersprüchliches: Die moralische Weltanschauung ist daher in der Tat nichts anderes als die Ausbildung  dieses zum Grunde liegenden Widerspruchs nach seinen verschiedenen Seiten; sie ist, um einen kantischen Ausdruck hier, wo er am passendsten ist, zu gebrauchen, ein ganzes Nest gedankenloser Widersprüche. (Phänomenologie des Geistes S.453) Widersprüchlich zunächst indem das „Reich“ der Moral als jenseitig und allgemein erscheint; als etwas, das objektiv vorhanden ist (bei Gott, oder aber in einem Reich der „Ideen“), aber gleichzeitig IN der Welt ist und in ihr wirksam wird (oder kraftlos bleibt). Wenn die Moral als etwas rein Objektives überbestimmt wird, als eine Vorschrift, an die sich der Mensch zu halten habe, bleibt dadurch der Mensch moralisch unterbestimmt: er muss sich dann nur an Regeln halten, hat aber selber keine sittliche Substanz und Autonomie; eine Vakanz, aus welcher in ihm dann wieder umso mehr das Bedürfnis nach einer objektiven moralischen Instanz entstehen möge: … das abstrakte Gute verflüchtigt sich zu einem vollkommenen Kraftlosen, in das ich allen Inhalt bringen kann, und die Subjektivität des Geistes wird nicht minder gehaltlos, indem ihr die objektive Bedeutung abgeht. Es kann daher die Sehnsucht nach einer Objektivität entstehen, in welcher der Mensch sich lieber zum Knechte und zur vollendeten Abhängigkeit erniedrigt, nur um der Qual der Leerheit und der Negativität zu entgehen. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.290) Umgekehrt sind Tugendhaftigkeit und Herzlichkeit gewisse Formen der moralischen Innerlichkeit; allerdings keine an sich vollendeten: die Tugendhaftigkeit kann auch innerlich relativ leer und unbeteiligt bleiben, und ein tugendhaftes Individuum ist allein noch kein schöpferisches und autonomes moralisches Subjekt; die Herzlichkeit ist zunächst ein subjektives (oder kulturell angelerntes) Temperament, das aber nicht notwendigerweise mit abstrakter Einsicht und der Fähigkeit, vernünftige moralische Unterscheidungen zu treffen, einhergeht. Die abstrakte, abstrahierende Vernunft ist ebenso Komponente der moralischen Existenz wie das moralische Empfinden. Tatsächlich beschäftigt sich die Vernunft mit demselben wie die Moral: Mit der Frage, was ist richtig und was ist falsch, was ist angemessen und was nicht, was ist wünschenswert und was nicht; bzw. was sind die Gradabstufungen und Wahrheitsgehalte innerhalb von Gegebenheiten und Zusammenhängen. Die unbestechliche und folgerichtige Vernunft wird dann, in der Regel, auch moralisch folgerichtig und unbestechlich sein. Bei Hegel liegt die Lösung des Nests von Widersprüchen innerhalb des Moralischen dann darin, dass das Sittliche dann eben aus dem (autonom) Vernünftigen folgt: eine sittliche Ausgestaltung der Welt basiert auf vernünftigen Unterscheidungen und auf Implikationen, die aus der Vernunft kommen. Die Gesetze der Sittlichkeit sind nicht zufällig, sondern das Vernünftige selbst. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.56) Die Gesetze der Sittlichkeit sind also abermals nicht eigentümlich. Und das autonome sittliche Subjekt ist also auch nichts Eigentümliches und keine exzentrisch herausragende Subjektivität, sondern eine geistige Entität, die Einsicht in das Allgemeine (und daher auch in das Wahre und Ganze) hat. Indem das einzelne Subjekt Einsicht in das objektiv Allgemeine erlangt und diese verinnerlicht und dynamisch ausprägt, wird es abermals zum Geist, der dann eben auch: Wahrheit, Ganzheit, Vernunft und Sittlichkeit ist. Der Geist fügt zusammen, der Geist trennt: das liegt im Geist und gleicht dem Sittlichen, das auf denselben Prinzipien beruht. Sein geistiges Wesen ist schon als sittliche Substanz bezeichnet worden; der Geist aber ist die sittliche Wirklichkeit … Der Geist ist hiermit das sich selbst tragende, absolut reale Wesen. (Phänomenologie des Geistes S.325) Dieses absolut reale Wesen ist dann gleichsam der Koordinatenursprung der dualen Existenz des Menschen als Einzel- wie Kollektivwesen. In diesem Koordinatenursprung, in den der vollkommene Mensch dann zurückkehrt und zur Ruhe kommt, wird die Subjektivität und die Einzelheit so allgemein, umfassend und transparent, dass sie eben eine das Objektive ausdrückende und befördernde Subjektivität wird. In seiner sittlichen Autonomie ist ein solches Subjekt dann zwar hochgradig beweglich und exzentrisch/eigentümlich, in seiner Einsicht in das Allgemeine ist es aber vielmehr hyper-normal. Es erlebt dann die Moral als etwas zwar Objektives, aber eben als nicht heteronom Objektives, sondern als etwas objektiv Richtiges, dem es dann natürlicherweise folgt, und das (das objektiv Richtige) auch immer wieder Veränderungen unterworfen ist (da es sich bei ihm um Qualitäten handelt, die eben als solche immer nur annährungsweise bestimmbar sind). Seine Moralität wird zur Gewissenhaftigkeit. Das Gewissen erkennt keinen Inhalt für es als absolut, denn es ist absolute Negativität alles Bestimmten. Es bestimmt aus sich selbst(ebenda S.473) Dieses Aus sich selbst passiert aber eben nicht aus etwas rein Subjektivem und Einzelnen heraus, sondern ist eines, das das Allgemeine und auch das Andere in sich zu tragen versucht;  das aus einer Gemeinschaft nicht allein mit dem Allgemeinen sondern auch mit dem Anderen heraus passiert. Denn … es ist die moralische Genialität, welche die innere Stimme ihres unmittelbaren Wissens als göttliche Stimme weiß, und indem sie an diesem Wissen ebenso unmittelbar das Dasein weiß, ist sie die göttliche Schöpferkraft, die in ihrem Begriffe die Lebendigkeit hat. Sie ist ebenso der Gottesdienst in sich selbst; denn ihr Handeln ist das Anschauen dieser ihr eigenen Göttlichkeit. Dieser einsame Gottesdienst ist zugleich wesentlich der Gottesdienst einer Gemeinde(ebenda S.481) Das autonome sittliche Subjekt trägt nicht allein die Einsicht in das Allgemeine (der vernünftigen Sittlichkeit) in sich: es trägt auch das Andere in sich. Das Andere, das sind dann aber die anderen Subjektivitäten – und die anderen Subjektivitäten (harmonisierend) zusammengefasst bilden dann: die Gemeinde. Das wahrhaft moralische Individuum, das im Koordinatenursprung der dualen Natur des Menschen als Einzel- wie als Kollektivwesen ruht, als das sich selbst tragende, absolut reale Wesen, ist ein Versammlungsort: in ihm versammelt sich die Menschheit – als Gemeinde. Das ist die Basis, auf der es operiert.

Bartolomé Esteban Murillo starb an den Folgen eines Sturzes von einem Gerüst während dem er in einer Kapuzinerkirche malte; in relativer Armut. Der Legende nach gab er viel für karitative Zwecke aus. Sein Biograph Palonimo beschrieb Murillo als einen Menschen, der … nicht nur vom Himmel begünstigt war durch die Erhabenheit seiner Kunst, sondern auch durch die Gaben seiner Natur, als ein guter Mensch, von liebenswürdigem Charakter, demütig und bescheiden.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel kommt am 27. August 1770 in Stuttgart als Spross einer Juristen- und Beamtenfamilie zur Welt. Er durchlebt eine relativ unbeschwerte Kindheit und Jugend und beginnt sich früh für die Wissenschaften, die Geschichte (insbesondere die Antike), die Mathematik und die Philosophie zu interessieren. Seiner Begabung gemäß studiert er am elitären Tübinger Stift und schließt dort mit einem Magister der Philosophie ab, es wurde ihm auch das theologische Lizenziat verliehen. Zwei seiner Kommilitonen und auch engsten Freunde dieser Zeit sind Hölderlin und Schelling, mit denen er ein geistiges Triumvirat bildet. Übertroffen sehen sich diese drei Geister höchsten Ranges dann im Übrigen trotzdem durch den Primus des Stifts: Carl Christoph Renz, einen Erzkantianer und oppositionellen Geist – aus dem später jedoch aus rätselhaften Gründen nichts weiter werden sollte als ein Landpfarrer. Hegel arbeitet zunächst als Hauslehrer, bevor er 1801 in Jena seine Universitätskarriere beginnt – die er dort mit der Veröffentlichung der Phänomenologie des Geistes 1807 beschließt, bevor er nach Bamberg übersiedelt. Darauf folgen Professuren in Nürnberg, Heidelberg und schließlich Berlin, wo er zum Star- (und Staats) Philosophen avanciert. 1811 heiratet Hegel Marie von Tucher, mit der er zwei Söhne zur Welt bringt (ein unehelicher Sohn, Ludwig, kam bereits 1807 zur Welt). Hegel ist von ausgeglichenem Charakter und gilt als lustig und umgänglich, nicht zuletzt gegenüber Kindern. Er liebt Brat- und Knackwürste und guten Wein, und wird in Gesellschaften als geistvoller Unterhalter gern gesehen. Er pflegt Freundschaften oder gute Beziehungen zu etlichen der hervorragendsten Geister seiner Zeit, nicht zuletzt zu Goethe. Trotz seiner mangelnden rhetorischen Begabung weiß er seine Zuhörerschaft über die Tiefe seiner ausgesprochenen Gedanken in seinen Bann zu ziehen. Zug seines nach außen hin täuschend einfachen Wesens, hinter dem sich große Tiefen verbergen, scheint auch eine gewisse „Bauernschläue“ zu sein, über die es ihm gelingt, vor den Mächtigen harmlos, wenn nicht kratzbuckelnd zu scheinen, obwohl er in Wirklichkeit subversiv gegenüber sie eingestellt ist (?) (vgl. Adorno, Drei Studien zu Hegel S.45f.) Ende 1831 stirbt Hegel nach kurzer (nicht einwandfrei geklärter) Krankheit, als in Berlin die Cholera wütet. Letzte Worte sind von ihm keine überliefert. Neben einem Bruder, Georg Ludwig, hat Hegel auch eine Schwester: die offenbar hochbegabte Christiane Luise Hegel hatte ein mittelprächtiges Leben. Vielleicht wäre es besser verlaufen, wenn sie ein Mann gewesen wäre. Allzu viel ist über diese (eventuell) interessante Frau nicht bekannt, unter anderem, weil Hegels Hinterbliebene aufgrund eines kompromittierenden Konflikts zwischen den beiden Geschwistern deren Briefwechsel vernichtet haben. Einige Informationen lassen sich über Christiane Luise Hegel finden. Ich werde sie aber nicht dienstleisterisch hier servieren. Nach denen kannst du schon selbst ein wenig recherchieren, du Arschloch.

Sie (Die zweite Bestimmung, die negative oder vermittelte, welche ferner zugleich die vermittelnde ist, Anm.) ist also das Andere nicht als von einem, wogegen sie gleichgültig ist – so wäre sie kein Anderes, noch eine Beziehung oder Verhältnis … (Wissenschaft der Logik II S.562) Also, anders als offenbar Hegel und die meisten Dialektiker setze ich mich gerne in Verbindung zu Sachen, wogegen „ich“ gleichgültig sein könnte, und die den meisten Menschen gleichgültig sind. Ich habe, wie gesagt, Interesse am „Anderen“, und wenn man mit dem Anderen Kontakt herstellen will, muss man das – und vor allen Dingen auch – mit dem Gleichgültigen tun. Das ist gut, denn so ziehe ich meinen gewaltigen Kreis nicht allein um das Meinige und um das Andere, sondern auch um das Gleichgültige und beherrsche es geistig. Es ist ein loserer, aber totalerer Zusammenhang als der der Dialektik, der da gestiftet wird. Lose, aber demokratisch, ist mein Geist gerade überall: er ist gerade im hinteren Busch in Afrika, in der Ecke neben einem Herd in Bangladesch und entlang des dreißigsten Breitengrades am atlantischen Ozean. Das macht mir eventuell auch ein Hegel nicht so schnell nach. Sich mit dem Gleichgültigen auseinanderzusetzen, bedeutet auch, sich mit tatsächlich anderen Milieus, tatsächlich anderen Lebenswelten als der eigenen auseinanderzusetzen und versuchen, zu denen Kontakt herzustellen. Das passiert unter Menschen vielleicht eher selten. In dem Roman Nächtliche Wege von Gaito Gasdanow meint einer: Es komme kaum vor unter Menschen (vor allem auch nicht unter so genannten Gebildeten), dass sie sich tatsächlich mit anderen Milieus, anderen Lebenswelten als den eigenen auseinandersetzen würden – dass sie sich tatsächlich in sie hineinzuversetzen suchten (ohne welche eine Auseinandersetzung ja oberflächlich bleibt) – vielleicht tun das letztendlich nur die Schriftsteller. Und so sind die Schriftsteller vielleicht die einzigen, die die Gesellschaft tatsächlich verstehen. Die Poeten (womit ich alle Künstler meine) sind letztendlich die einzigen, die die Wahrheit über uns wissen. Soldaten wissen sie nicht. Staatsmänner wissen sie nicht. Priester wissen sie nicht. Gewerkschaftsführer wissen sie nicht. Nur die Poeten kennen sie. (James Baldwin) – Sterne war der ungewöhnlichste unter den Schriftstellern. Bei ihm hat man dauernd Auseinandersetzungen mit dem scheinbar Gleichgültigen und Abwegigen; dem, was eigentlich gar nicht entlang der Bahn liegt. Wie dürfte in einem Buche für freie Geister Lorenz Sterne ungenannt bleiben, er, den Goethe als den freiesten Geist seines Jahrhunderts geehrt hat, fragt Nietzsche in Menschliches, Allzumenschliches (Vermischte Meinungen und Sprüche 113: Der freieste Schriftsteller): Möge er hier mit der Ehre fürlieb nehmen, der freieste Schriftsteller aller Zeiten genannt zu werden … Sterne ist der große Meister der Zweideutigkeit … Der Leser ist verloren zu geben, der jederzeit genau wissen will, was Sterne eigentlich über eine Sache denkt, ob er bei ihr ein ernsthaftes oder ein lächelndes Gesicht macht: denn er versteht sich auf beides in einer Faltung seines Gesichts; er versteht es ebenfalls und will es sogar, zugleich recht und unrecht zu haben, den Tiefsinn und die Posse zu verknäueln. Seine Abschweifungen sind zugleich Forterzählungen und Weiterentwicklungen der Geschichte; seine Sentenzen enthalten zugleich eine Ironie auf alles Sentenziöse, sein Widerwille gegen das Ernsthafte ist einem Hange angeknüpft, keine Seite nur flach und äußerlich nehmen zu können. So bringt er bei dem rechten Leser ein Gefühl von Unsicherheit darüber hervor, ob man gehe, stehe oder liege: ein Gefühl, welches dem des Schwebens am verwandtesten ist. Das Wesen des Geistes ist, laut Hegel, Freiheit – und Sterne möge bei Nietzsche also gar mit der Ehre fürlieb nehmen, der freieste Schriftsteller aller Zeiten genannt zu werden. Hat man bei Sterne also den Geist der höchsten Stufe, das Ideal des Geistes? Und ist der Geist von Sterne überhaupt ein dialektischer Geist, oder halt einfach ein assoziationswütiger? Auch Hegel hat Sterne sehr geschätzt – wo aber Hegel dialektisch ist, da ist Sterne ultradialektisch. Der Kristallpalast seines Geistes ist ein beweglicher Kristallpalast, wo sich die lichten Räume, Keller oder Treppen ständig verschieben – in freilich harmloser Weise, ein Wunderland, das; während Sterne beziehungsweise der Träger des ultradialektischen Geistes knapp darunter sitzt und kindlich-lächelnd dieses eigene Spiel genießt. Der ultradialektische Geist von Sterne ist vielleicht nicht der göttliche Geist, aber eben wohl jener engelhafte Verstand, von dem Kojève spricht. Mit der Assoziationsfähigkeit, die den Künstler spezifisch ausmacht, ja: aber mit der Rationalität und dem dialektischen Vermögen des Philosophen ausgestattet gleichermaßen. Man könnte Sterne als einen radikalen Ausdruck dessen sehen, was Hegel als die „geniale göttliche Ironie“ bezeichnet und beschreibt als: Wer auf solchem Standpunkte göttlicher Genialität steht, blickt dann vornehm auf alle übrigen Menschen nieder, die für beschränkt und platt erklärt sind, insofern ihnen Recht, Sittlichkeit usf. noch als fest, verpflichtend und wesentlich gelten. So gibt sich denn das Individuum, das so als Künstler lebt, wohl Verhältnisse zu anderen, es lebt mit Freunden, Geliebten usf., aber als Genie ist ihm dies Verhältnis zu seiner bestimmten Wirklichkeit, seinen besonderen Handlungen wie zum an und für sich Allgemeinen zugleich ein Nichtiges, und es verhält sich ironisch dagegen. (Vorlesungen über Ästhetik 1 S.95) Tatsächlich ist ein solch, zumindest impliziter, Hochmut aber dann doch nicht das eigentliche Wesen des Sterneschen, des wahrhaft ultradialektischen Geistes (inwieweit Sterne tatsächlich ein wahrhaftiger Träger eines solchen Geistes war, sondern in der Praxis nicht einigermaßen unter dem Geist seines Werkes stand, bezweifelt zum Beispiel Lichtenberg (dem ich hierbei bekanntermaßen den wohl wichtigsten Anstoß in meinem Leben verdanke) – und auch Nietzsche scheint der Mann Sterne letztendlich eine komische Figur). Das Anrührende bei Sterne ist nämlich, wie sich die gleichsam chaotische Mannigfaltigkeit seines Charakters und Sensoriums aus einer starken, genuinen humanen und humanistischen Wurzel heraus entfaltet (was man z.B. bei seinem Epigonen Jean Paul – der auch viel unerträglicher zu lesen ist – so nicht empfindet), aufgrund derer er – in all seinem Sichverlieren – auch immer bei sich bleibt. Die Ironie bei Sterne ist auch eine sehr milde Ironie – und überhaupt eben ist sie Ironie; und nicht Sarkasmus oder Zynismus. Im Gegensatz zum Zynismus, der zwischen sich und dem Gegenstand, auf den er sich bezieht, die Verachtung schiebt, nimmt die Ironie ihren Gegenstand ernster, als sie vorgibt es zu tun. Der Ironiker kümmert sich um seinen Gegenstand und will ihn bilden – er will ihm sein eigenes Verfahren vorführen, ihm demonstrieren, wie man es anwendet, um ihm aus seiner Verstrickung zu helfen. Der Ironiker ist verbunden, die Ironikerin hat Kontakt. Und Verbundenheit ist gut und Kontakt ist gut. Es ist ein sinnvolles Verhältnis zur Welt. Ironie ist der vortrefflichste Zustand des Geistes und der Weisheit, wie auch Kierkegaard sagt – und Humor ist die letztendliche Weisheit der Lebensführung, wie Kierkegaard ebenfalls sagt. Bei Sterne hat man – so Nietzsche – einen Überhumor. Vielleicht keinen göttlichen Humor (denn dieser ist sowieso unbekannt), aber eben einen engelhaften Humor… Bei Sterne hat man ein ständiges Heben und Senken der Welt: denn das ist, wie der bewegliche und der ultradialektische – der gute Geist, der seinen Platz kennt – sich selbst und die Welt ansieht. Der gute Geist, der seinen Platz kennt, weiß, dass seine Subjektivität das Zentrum der Welt und was ungeheuer Wichtiges ist – als auch, dass er ein kleiner Punkt ist, der nur aufgrund von äußeren Kräften in der Welt haften bleiben darf und nicht ins ortlose Nirgendwo geschleudert wird, in seiner Masselosigkeit und ihrer Irrelevanz. Durch die Kunst wird das Gemüt also durch alle Gefühle hindurchgezogen, (dies ist) eine wesentliche Macht und Wirksamkeit der Kunst. Dieses wird im allgemeinen als Endzweck der Kunst angesehen. (Philosophie der Kunst S.56) Sterne wird nicht nur wegen seiner Gedankenexperimente gerühmt, sondern auch wegen seiner Empfindsamkeit. In seinen ultradialektischen Abschweifungen zieht er einen auch durch Gefühle hindurch. Was aber überhaupt sind eigentlich Gefühle? Unsublimierte Gedanken (bzw. spiegelbildlich dazu also Gedanken allein sublimierte Gefühle)? Oder sind Gedanken und Gefühle voneinander in erster Linie getrennt? Sind Gefühle etwas Eindeutiges und Beständiges – oder nicht etwa eher was Flatterhaftes und Unklares? Beim reifsten Menschen finden all diese Komplexitäten wohl ineinander verwoben und zu einem einzigen nicht-dichotomischen Innenleben integriert, wo man zwischen Eher-Gedanken und Eher-Gefühlen durch offene Räume herumwandern kann. So wie die höchsten Gedanken (ultra)dialektisch sind, sind auch die reifsten Gefühle fröhlich und traurig zugleich, und zeichnen sich durch die größte Komplexität aus. So zum Beispiel beschreibt han unter Koreanerinnen eine Akzeptanz des Schmerzes bei gleichzeitiger Hoffnung auf Besserung. Der Llongot Stamm auf den Philippinen versteht unter liget eine wütende Energie, die aber auch zu produktiver Arbeit motiviert. Awumbuk bezeichnet unter den Baining auf Papua-Neuguinea die gemischten/paradoxen Gefühle, die das Verlassen geliebter Gäste bei den Zurückgebliebenen hinterlässt. Bei Sterne hat man insgesamt: Empfindsamkeit. – Angesichts von einem solchen Bewusstsein/Denken etc. Wahrnehmung bleibt der Postmoderne da eventuell glatt die Spucke weg! Hier hat man in der Vielheit Einheit, im Relativen einen absoluten Zusammenhang. Das Absolute ist da der ultradialektische Geist, dem nichts fremd und gleichgültig bleibt – weil er eben aus einer genuinen humanen und humanistischen Wurzel heraus sich entfaltet. Das ist die Weltwährung, der Schlüssel, der Türen öffnet, der Schlüssel, der die Tür zum Gesetz öffnet. Ganz aktuell scheinen wir zu leben – an und für sich in einem Traumzeitalter für Marxisten: – in einem Zeitalter sich ständig zuspitzender Widersprüche. Wenngleich halt nur nicht ganz, wie die Marxisten das gemeint haben (also sich ständig zuspitzender objektiver ökonomischer Widersprüche): sondern eher im Sinne von Identitätspolitik und wie gut repräsentiert verschiedene gesellschaftliche Gruppen in Politik und Gesellschaft sind oder sich fühlen. Die fade Gleichgültigkeit und Gleichheit der Epoche des letzten Menschen (wie man den Eindruck hatte) scheint zu Ende. Widerstreit ist wieder angesagt. Die Gesellschaft scheint wieder in streitende Parteien zu zerfallen, die Kultur in lauter Einzelkulturen. Die Frage nach der Vermittlung zwischen diesen Parteien und zwischen diesen Kulturen stellt sich dadurch wieder. Gemäß Schiller ist es Aufgabe des Genies (und kann es allein sein), zwischen verschiedenen Kulturen, bzw. zwischen dem Klassischen und dem Profanen zu mediieren (dabei hatte er Goethe im Auge). Das kann schon sein, dass das Genie allein die entsprechende innere Flexibilität für so was hat. Aber dabei können wir es nicht bewenden lassen, denn wir wollen ja, dass ALLEN so eine Flexibilität und jubilierende innere Freiheit, die daraus folgt, zur Verfügung steht. Der Sternesche ultradialektische Geist erscheint somit in jeder Hinsicht als guter Geist für unser Zeitalter. Eines Tages werden diese Jahrhunderte vielleicht yorickianisch sein. Allerdings: … eine solche Freigeisterei … besaß vielleicht kein anderer Mensch, urteilt Nietzsche letztendlich über Sterne. Wenn aber eine solche Freigeisterei kein anderer Mensch besitzt, sondern diese singulär ist: wie kann es dann Modell werden? Naja, außer ständigen Erklärungen, Anleitungen und Anschauungen dazu kann ich auch nichts offerieren. Allerdings ist das schon eine ganze Menge. Dieser Hegeltext liefert schon wieder allerhand Erklärungen, Anleitungen und Anschauungen in diese Richtung.

Die kleine Obsthändlerin von Bartolomé Esteban Murillo war ein Lieblingsgemälde Hegels.

Die Kunst gehört in das Gebiet des Absoluten, Hohen; in diesem Gebiete des absoluten Geistes ist ein Wissen von absoluten Geiste … Das Bewußtsein seiner selbst, diese Subjektivität ist der endliche Geist, der absolute Geist ist eben absoluter Geist, indem er sich als solcher bewußt wird. Die Religion, Wissenschaft, Philosophie ist auch die Beschäftigung des endlichen Geistes mit der absoluten Wahrheit … Das Verhältnis ist also in allen diesen drei Weisen dasselbe, sie sind nur der Form nach unterschieden … Die Kunst aber ist das anschauende Bewußtsein der Natur, so daß es das Bewußtsein auf eine sinnliche Weise sinnlich unmittelbarer Gestaltungen überhaupt hat… (Philosophie der Kunst S.72) Der absolute Geist ist der Geist, der sich selbst, reflektierend, durchdringt und ergreift und so vermag, die Welt geistig, über den Geist zu formen. Er ist der Geist, der sich selbst mit seinem Begriff kongruent macht. Und er fächert sich (bei Hegel) auf in Kunst, Philosophie und Religion: diese sind Modi, über die der Geist gestaltend in die Welt eingreift (und sie „vergeistigt“) und sich gleichzeitig selbst ausgestaltet und innerlich differenziert. Kunst ist die Selbstanschauung des Geistes in Werken der freien Produktion; deshalb gehört sie als unmittelbarer Selbstvollzug zu den Momenten des absoluten Geistes, steht im Hegel-Lexikon (S.295). Ungleich der Philosophie, die sich am Begriff abarbeitet, realisiert sich die Kunst in der Anschauung. Sie geht von der Anschauung aus und wieder in die Offerierung einer Anschauung (im höchsten Fall: vom Absoluten) zurück: das ist dann das Kunstwerk. Im Kunstwerk drückt sich – anschauungsmäßig – eine Wahrheit aus; wird eine Wahrheit – zwar nicht (begrifflich) erklärt, aber (anschauungsmäßig) – dargestellt: Hiergegen steht zu behaupten, daß die Kunst die Wahrheit in Form der sinnlichen Kunstgestaltung zu enthüllen, jenen versöhnten Gegensatz darzustellen berufen sei und damit ihren Endzweck in sich, in dieser Darstellung und Enthüllung selber habe. Denn andere Zwecke, wie Belehrung, Reinigung, Besserung, Gelderwerb, Streben nach Ruhm und Ehre, gehen das Kunstwerk als solches nichts an und bestimmen nicht den Begriff desselben. (Vorlesungen über Ästhetik 1 S.82) Insofern die Kunst aus der Anschauung kommt und in der Offerierung einer Anschauung ihren Ausdruck findet, hat sie gleichsam ein „irrationales“ Element, eine irrationale, außerlogische und daher auch außerzeitliche, außergeschichtliche (und außerbegriffliche) Komponente (wenngleich die Schaffung eines substantiellen Kunstwerks vox dex (genderfluiden) Künstler:in/X+ freilich sehr viel begriffliche Arbeit und ein solches Verständnis, viel rationale Denkarbeit erfordert: keinen verschwommenen sondern einen luziden Geist – der jedoch seine eigenen Luzidität so auf die Spitze treibt, dass sie zu verschwimmen scheint; genauer gesagt, in einer pulsierenden Farbenprächtigkeit aufgeht. Deswegen kann man vielleicht auch sagen: die Kunst bringe den Begriff zur Anschauung). Trotzdem entwickelt sich die Kunst in und mit der Geschichte. In der Kunst kommt, gemäß Hegel, ein Volksgeist, eine Volksseele zum Ausdruck. Von alters her in Form von einer typischen Symbolistik: altägyptische Kunst sei beispielsweise in erster Linie symbolisch. In der griechischen Antike hat man eine gewisse Verselbstständigung der Kunst und (gemäß Hegel) eine Kunst-Religion. Im Mittelalter stehe die Kunst im Dienste der Religion; in der Neuzeit findet eine weitere Verselbstständigung der Kunst (analog zu der der Vernunft) statt. Die „klassische“ Kunst erhebt den Anspruch, das Allgemeine vernünftig darzustellen (inklusive der ethischen Aspekte und hinsichtlich des Wahren, Guten, Schönen), die Romantik verlagert den Schwerpunkt in die subjektive Seite (das Irrationale, das Fragment, das Obskur-Nächtliche etc.). Hegel selbst vertritt das Ideal einer „klassischen“ Kunst, die die „Wahrheit“ des „Ganzen“ ausdrückt; das Subjektive, wie es in einen objektiven Zusammenhang eingelassen ist und in ihm aufgeht; die „höchste Wahrheit“ des Allgemeinen gegenüber dem Partikularen usw. Aufgabe der Kunst, insbesondere der Literatur, sei es, den „Charakter“ darzustellen: dieser wiederum ist, idealerweise, eine (facettenreiche) Vielheit (von Persönlichkeitsaspekten), die vom kompetenten Charakter eben vereinheitlicht und in sich harmonisiert wird. Das ist dann der starke und folgerichtige, einheitliche und „klassische“ Charakter (dessen Ausbildung Ziel der Philosophie Hegels ist). Die Romantik stößt sich bekanntlich daran ab, und arbeitet sich an der „Zerrissenheit“ des Charakters ab. Die Romantik mit ihren unauflöslichen, undialektischen Irrungen und Wirrungen – oder die Literatur von Kleist – sind so das Ideal Hegels nicht. Der pflegt, bekanntlich, eine weniger verstörende Sicht auf die Dinge. – Die kleine Obsthändlerin von Bartolomé Esteban Murillo war, zum Beispiel, ein Lieblingsgemälde Hegels. Natürlich trifft es auch mein kindliches Herz wie mit einem Pfeil, mit all der Anmutigkeit und der inneren Reinheit und Güte, die in der spezifischen Anschauung und der Kunst von Murillo zum Ausdruck kommen: So dass ich diese herrliche Gelegenheit doch nutzen will, um ein kleines Denkmal für diesen heute nicht mehr sehr bekannten Mann aufzurichten. Bartolomé Esteban Murillo (1617 – 1682), ein Vertreter des Goldenen Zeitalters Spaniens, malte hauptsächlich religiöse Motive, aber auch Genrebilder. Gleichermaßen werden beide für ihre Authentizität und Wahrhaftigkeit und für die (innere und äußere) Schönheit der Figuren gelobt. Schönheit, kann man mit Hegel sagen, ist die Idee, in der sich das Wahre, Gute, Echte etc. ausdrückt; in der das Gute, Wahre, Echte mit der Wirklichkeit zusammenfallen. Sie ist das Wirklichwerden und Zum Ausdruck Kommen von innerer Schönheit und Harmonie. Mit seiner spezifischen Darstellung von Schönheit nahm Murillo damit gleichsam den Rokoko vorweg – ohne allerdings in dessen Formalismen zu verfallen: da die Feinfühligkeit und Geziertheit Murillos nichts ihm Äußerliches, sondern Kern seines Wesens waren. Aus dieser gesunden Wurzel heraus war er wendig genug, das Allgemeine (die Schönheit, Wahrheit, Authentizität etc.) immer wieder in höchst individueller Weise darzustellen. Das Genie spiritualisiert alles, so Salvador Dali, und so mischt sich bei Murillo die Anschauung von irdischer und himmlischer Realität immer wieder mit einem mystischen Erleben: Es ist eine spiritualisierte Wirklichkeit, die er anschaut und empfindet. Diesem Menschen ist Alles zugänglich: sowohl die tiefste, verborgenste Mystik der Seele als auch das einfache, alltägliche Leben…; alles stellt er in erstaunlicher Wahrheit und Realität dar … urteilte Wassili Botkin im 19. Jahrhundert über Murillo. Mit der Heraufkunft der modernen Kunst beginnt der Stern von Murillo zu verblassen – dafür steigt der seines bis dato vergessenen Landsmannes El Greco auf. Bei Velazquez und El Greco scheint die metaphysische Aufgabe der Kunst, das innere Wesen einer Sache zum Ausdruck zu bringen, in modernerer Weise – und mit mehr Bezugnahme auf die Schrecken der Moderne und der modernen Hermeneutik des Verdachts hinsichtlich der Monstrosität des Menschlichen – gelöst. Obwohl auch Murillo eine jener metaphysischen Künstlerinnen war, in deren Darstellung der Welt auch noch eine (rätselhafte, verklärte) andere Welt zum Vorschein zu kommen scheint. Aufgrund der inneren Versautheit und Vergesslichkeit des Menschen scheinen dem Menschen in der modernen Ausprägung die Gefühlswelten von Murillo aber weniger zugänglich. Bartolomé Esteban Murillo starb an den Folgen eines Sturzes von einem Gerüst während dem er in einer Kapuzinerkirche malte; in relativer Armut. Der Legende nach gab er viel für karitative Zwecke aus. Sein Biograph Palonimo beschrieb Murillo als einen Menschen, der … nicht nur vom Himmel begünstigt war durch die Erhabenheit seiner Kunst, sondern auch durch die Gaben seiner Natur, als ein guter Mensch, von liebenswürdigem Charakter, demütig und bescheiden. – Um den Faden wieder aufzunehmen, ist allerdings das, was in der Romantik zum Ausdruck kommt – die undialektische Zerrissenheit des Daseins – etwas, was es in der Welt tatsächlich gibt. Und der Dialektik zufolge ist das Romantische, das Subjektive, Abgetrennte, Verlassene etwas, was danach schreit, in einer Geborgenheit anzukommen, in einer neuen Klassik (von der sie sich dereinst wieder abspalten und verselbstständigen wird). Streng genommen ist alle Kunst eine Dialektik zwischen Klassik und Romantik, Vereinzelung und Synthese. Zu Hegels Lebzeiten – im Zeitalter des deutschen Idealismus – findet diese Dialektik ihre wohl höchsten Ausdrücke. In der Kunst von Haydn oder Mozart hat man das Schöne, Gute, Wahre (wenngleich kurz vor dem frühen Ende und dem daher unterbrochenen Leben, der unterbrochenen künstlerischen Karriere von Mozart sich dann bekanntlich das Abgründige – beim Requiem, beim Don Giovanni – recht weit gähnend öffnet). In der Kunst von Beethoven tritt das Klassisch-Schöne und Harmonische im Tandem mit dem Romantisch-Erhabenen, Disharmonischen und Unergründlichen auf. Das Erhabene entzieht sich der Dialektik. Es ist was Transzendentes – das allerdings auf ein letztendiges, letztgültiges Transzendentales hinweist. Und zu diesem Transzendentalen, zum Absoluten, zieht es die Dialektik (oder zumindest die Philosophie Hegels) hin. (Genau gesagt, ist diese Vereinheitlichung von Klassik und Romantik dann auch nur im Transzendentalen möglich – genauso wie die endgültige dialektische Vereinigung der Gegensätze: der dialektische Prozess, die Logik, sind bei Hegel und so wie Hegel sie letztendlich fasst, idealisierte Wahrheiten seiner/ihrer selbst; sind, so wie Hegel das fasst, die geistige Wahrheit seiner/ihrer selbst: und Hegel tendiert dann dazu, die Wirklichkeit und ihren Gang mit dieser geistigen Wahrheit zu verwechseln.) Auf jeden Fall scheint es der Kunst inhärent zu sein, das Klassische und das Romantische immer wieder neu zu verhandeln, zu vergleichen, das Klassische und das Romantische in Kunst und Leben immer wieder neu einander gegenüberzustellen (zumindest, sofern sie Ausdruck des absoluten Geistes sein will). – Die Gegenwartskunst scheint dann schließlich weder klassisch noch romantisch zu sein. Wenn man mit einem besonders zersetzenden Wesen begabt ist, könnte man sagen: Weil die Gegenwartskunst auch keine wirkliche Kunst ist, sondern eher eine Simulation von Kunst! Ein Parasit am Fell der echten Kunst! etc. Tatsächlich wohnt ein selbstzerstörerisches Potenzial der modernen Kunst aber bereits von selbst inne: in ihrem analytischen Bedürfnis nach neuen Ausdrucksformen und deren ständiger Befragung und Neuevaluierung; ihrer Intellektualität; ihrem rational-theoretisierenden Selbstverständnis; vor allem aber in Hinblick auf ihre extreme Ausdifferenzierung und Relativierung, die freilich eine der modernen Lebenswelt selbst ist: da scheinen die Sphären eingestürzt. Und auch die Subjektivität scheint mittlerweile zu ausdifferenziert, als dass sie sich in etwas so Vereinfachendem wie der großen Synthese innerhalb einer „klassischen“ Kunst ausdrücken könnte. (Oder sie ist halt nicht gescheit genug; der Anspruch ist etwas, was sie überfordert.)  Ja, die heutige Subjektivität scheint so ausdifferenziert und voller Ironie, dass das Ideal des homo universalis als etwas – eben – Renaissancehaftes dazustehen scheint. Aber Renaissance bedeutet: Wiedergeburt. Wer kann die ausdifferenzierten Sphären wieder integrieren? (Die Antwort mit Hegel lautet natürlich: der Geist! Der Geist ist es, wo sich das Einzelne und das Allgemeine zu treffen und sich unauflöslich, in höchster Synthese, ineinander zu verschlingen, und sich gegenseitig zu bestimmen vermögen … die Originalität ist die wahrhafte Objektivität des Kunstwerks … Die wahrhafte Originalität zeigt sich darin, daß das Kunstwerk die Schöpfung eines Geistes ist. (Philosophie der Kunst  S.109)) Freilich ist auch die Verwalterin des Geistes, die Philosophie, heute vielleicht in keiner so guten Verfassung mehr. Habermas meint unlängst angesichts seines neuzigsten Geburtstages, dass generalisierende Intellektuelle wie er eine vom Aussterben begriffene Spezies seien; sich auch die Philosophie in ihre eigenen Ausdifferenzierungen und Spezialisierungen hinein verliere. Und die analytische, unpoetische Philosophie hat die Philosophie, meint man, sowieso fest und im eisernen Griff. Ein alter weißer Mann wie Hegel dachte da (zumindest in seiner Jugend) noch anders und programmatisierte: Der Philosoph muß ebensoviel ästhetische Kraft besitzen als der Dichter. Die Menschen ohne ästhetischen Sinn sind unsere Buchstabenphilosophen. Die Philosophie des Geistes ist eine ästhetische Philosophie. Man kann in nichts geistreich sein, selbst über Geschichte kann man nicht geistreich raisonieren – ohne ästhetischen Sinn. Hier soll offenbar werden, woran es eigentlich Menschen fehlt, die keine Ideen verstehen – und treuherzig genug gestehen, daß ihnen alles dunkel ist, sobald es über Tabellen und Register hinausgeht (Frühe Schriften S.235) Das sagt man freilich so (und allem Zeitgeist trotzend dann auch wieder), und man sagt es leichtfertig und, vor allem, gerne. Es hat was Beruhigendes, so was zu sagen; wenn so was gesagt wird. Ist Hegel dabei übrigens selbst diese Aufgabe geglückt und konnte er diesem Anspruch beikommen? Hegel wird gemeinhin für einen der anti-ästhetischsten Stilisten der Philosophiegeschichte gehalten. Das, allerdings, ist er dann gar nicht. In Hegels Sprache durchdringt sich das Denken selbst, in ihr manifestiert sich eine genuine Introspektionsleistung (also etwas gleichsam „Künstlerisches“). Seine Sprache, sein Stil (der im Übrigen auch nicht allezeit hermetisch ist: hauptsächlich ist er das in der Phänomenologie des Geistes und der Wissenschaft der Logik, die Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte am anderen Ende des Spektrums hingegen sind leicht lesbar) sind hochgradig philosophisch und erheben sich ins Metaphysische. Wenn man sich so universale Geister – die auch in etwa dasselbe wollten wie Hegel – wie Auguste Comte oder John Stuart Mill ansieht, so drücken sich die viel prosaischer und deutlicher aus, als Hegel es tut. Eine gleichsam endlose Faszination geht von ihnen aber nicht aus, eine abgründige Sogwirkung, eine ständig aufrechterhalten bleibende metaphysische „Ahnung“. Ihre Schriften sind Niederlegungen von vernünftigen Gedanken. In Hegels Schriften kommt aber vielmehr das Denken selbst zum Ausdruck und zum Vorschein: in seiner ewigen Unabgeschlossenheit und Rätselhaftigkeit, im ständigen Werfen von Licht und Schatten, in seinem ständigen Kampf zwischen Licht und Schatten, in seinem Potenzial zum Metaphysischen also. Kunst ist die wahre metaphysische Tätigkeit, so Nietzsche (in Rekurs auf Schopenhauer): und die das Metaphysische ergreifende Sprache Hegels ist Kunst (allerdings – und ganz im Sinn davon, dass Hegel das dunkle Metaphysische ja auf das Niveau der hellen und rationalen Logik heben wollte – darin nicht rasend künstlerisch: denn das trocken Rationale überwiegt darin dann doch. Auch Hegels Kunstbetrachtungen und –vorträge sind weitläufiger und akademischer als die genialisch-intuitiv-plastischen von Schopenhauer.) – Oder nähern wir uns, nicht zuletzt über die vollständige Akademisierung der Philosophie, in Wahrheit schon dem Ende der Zeiten? Bricht dann vielleicht die eigentliche Epoche des Poetischen an? Die Poesie bekommt dadurch eine höhere Würde, sie wird am Ende wieder, was sie am Anfang war – Lehrerin der Menschheit; denn es gibt keine Philosophie, keine Geschichte mehr, die Dichtkunst allein wird alle übrigen Wissenschaften und Künste überleben, so eine verstörende Prophezeiung Hegels an derselben Stelle(ebenda) (freilich ist das eben nur eine, vielleicht launisch gemeinte Bemerkung in den allerfrühesten Schriften: so dass man sie für die überlegteste Sache von der Welt besser nicht hält). – Ich könnte nun nicht sagen, dass die Kunst so substantiell sei wie die Philosophie und diese übersteige. Ich habe drei Bücher gebraucht, um die Literatur in allen ihren Möglichkeiten zu durchleuchten und durchmessen. Und habe dadurch immerhin den Durchbruch  – endlich – zur Kunst im Allgemeinen und zur Philosophie geschafft. Und jetzt studiere ich die Philosophie und den Geist: und es scheint mir eine größere Aufgabe und ein weiteres Feld. Maler und Schriftsteller hat man schneller durchstudiert als Philosophinnen wie Hegel. Zwar hoffe ich, dass ich auch mit der Philosophie in einigen Jahren fertig sein werde, um mich dann der Ökonomie, der Entomologie, der Mineralogie oder auch der Geophysik widmen zu können. Wenngleich ich diesbezüglich pessimistischer bin (und außerdem nicht glaube, dass ich in der Molekularbiologie, der Geodäsie oder der Botanik irgendwelche relevanten Beiträge leisten könnte – so gescheit bin ich nämlich doch nicht). Die Durchmessung der Philosophie und der ihr zuzurechnenden Fragen ist aber offensichtlich eine viel größere Aufgabe als die Durchmessung der Kunst. Auch laut Schopenhauer steht der Philosoph am obersten Ende der Hierarchie, über dem Dichter. Dass aber die Kunst, die Poesie, am Ende der Zeiten, nach dem Ende der Geschichte, nach dem Ende der Philosophie allein übrig bleiben und allein wirksam bleiben könnte, könnte man der Hoffnung zurechnen, dass der Begriff, sein Zur Deckung Kommen mit der Wirklichkeit als Idee, die Entwicklung der Rationalität etc. zu einem eben rationalen Abschluss kommen sollten: die Anschauung, aus der die Kunst heraus tätig wird, aber eben etwas Ewiges und Außerzeitliches ist. Und Poesie bedeutet: Schöpfung/Entbergung. Das sollte immer möglich bleiben (allerdings wie, sofern sie sinnvoll sein soll: wenn es keine rationale Basis mehr für sie gibt?) Mit „absolutem“ Idealismus ist nicht die magische Fähigkeit des Geistes gemeint, jeden Inhalt hervorzubringen, sondern die völlige Passivität des Geistes. Indem es die Haltung des „absoluten Wissens“ übernimmt, fragt das Subjekt nicht, ob der Inhalt (…) apriorischen Standards (…) entspricht; es lässt den Inhalt sich selbst beurteilen, nach dessen eigenen immanenten Maßstäben, und ermächtigt sich somit selbst. (Zizek S.532) Das ist der Endzustand des Subjekts, das am absoluten Wissen teilhat, das absolutes Wissen generiert, laut Hegel. Es hat etwas Meditativ-Künstlerisches. Es hat etwas vollkommen Rationales und Luzides. Es hat die Dichotomie von Subjekt und Objekt unter sich gelassen. Es hat, trotz des oder gerade in dem Kontemplativ-Meditativen etwas Poetisch-Generierendes, bzw. ist so poetisch-generierend, dass es das Poetische und das Generieren gleichsam der Sache selbst überlässt. Es ist der Geist. Es ist das Künstlerische und das Philosophische, als Ausdrücke des absoluten Geistes. Im höchsten Stadium verschmelzen die Auffächerungen des absoluten Geistes – Kunst, Philosophie (Wissenschaft) und Religion – dann zum absoluten Geist in der absoluten Form.

Die Philosophie Hegels trägt ein Bild mit sich von einem ewigen, unabschließbaren Denk- und Weltprozess, vermittelt andererseits aber auch eines von einem glorreichen Abschluss allen Denkens und eines Zu sich Kommens des geschichtlichen Verlaufs, eines der finalen Vereinigung aller Gegensätze. Sie ist/begreift sich als eine späte Philosophie, als eine Eule der Minerva, die in der Dämmerung zum Flug ansetzt, kurz vor Tagesende, bei dem dann auf Gleich gemacht wird, wo dann aber überhaupt auch erst aus der Vergangenheit echter Sinn abgeleitet werden kann. Sie ist einerseits entelechisch, andererseits teleologisch; und entfaltet ihr Charisma in der Betonung des einen wie des anderen – und ihr Charisma des Rätsel- und Sphinxhaften eben über beides zugleich (bzw., da beides letztendlich inkompatibel erscheint (wie auch jedes für sich genommen zweifelhaft ist), verliert sie ihr Charisma für den einen oder anderen besonders kritischen Kritiker dann eben wieder). Das denkende Individuum erscheint bei Hegel zum einen auf beinahe verlorenem Posten: es ist im Rahmen seiner Philosophie dazu verdammt, immer weiter zu denken und nie zu einem Abschluss zu kommen. Die Vollendung ist darum nicht wirklich zu erreichen, sondern nur als eine absolute Aufgabe zu denken; d.h. als eine solche, welche schlechthin Aufgabe bleibt. (Phänomenologie des Geistes S.447) Andererseits besteht die Möglichkeit, Vollendung zu erreichen, dann eben darin, indem es mit dieser Aufgabe, indem es mit dem Imperativ, den es sich selbst setzt, identisch wird. Das denkende Individuum wird dann identisch mit seinem Potenzial zu denken, mit der Möglichkeit, jegliches Resultat zu denken, auch wenn das tatsächlich erst in ferner Zukunft, mit dem Fortschritt der Wissenschaften, dann auch wirklich erreicht werden kann. Dadurch kann das Resultat, das immer in der unendlichen Zukunft liegt, gleichsam schon ins Zeitliche, ins Jetzt gezogen werden. Und darüber wird das im Zeitlichen denkende Individuum dann gleichzeitig ins Ewige transferiert und denkt gleichzeitig (außerdem) im Ewigen – und ist dort zur Ruhe gekommen: rotierend, wirbelnd, rastlos und unruhig, aber im Auge des Tornados. Das so denkende Individuum ist somit Bewohnerin zweier Sphären: der Sphäre des Zeitlichen, wo Abschluss und Versöhnung angestrebt werden, aber erst in unendlicher Zukunft und im Rahmen eines ewigen Prozesses der Annäherung erreicht werden können (oder eben, und vor allem auch, nicht); und eine Sphäre des Ewigen, wo, in Vollendung, alle Gegensätze und endliche Qualitäten in eine transzendentale Qualität hinein überwunden werden, und die in einer gleichsam anderen Welt beheimatet ist als in der herkömmlichen raumzeitlichen Lebenswelt.  Die Welt des Geistes zerfällt in die gedoppelte: die erste ist die Welt der Wirklichkeit oder seiner Entfremdung selbst; die andere aber die, welche er, über die erste sich erhebend, im Äther des reinen Bewußtseins sich erbaut. (ebenda S.362) Das eine ist eine Sphäre des Immanenten und des Transzendierens und Transzendierenwollens über Dialektik und den Verlauf der Dialektik; das andere ist eine Sphäre des Transzendentalen, in dem die Dialektik identisch wird mit ihrem eigenen Ideal bzw. eine Art Phasenraum der Dialektik, der die Menge aller möglichen Zustände des dialektischen Prozesses beschreibt. Dass das Denken nie zu einem Abschluss kommen kann, ist im Übrigen ja auch nicht sein Elend, sondern vielmehr eben Ideal des Denkens, Idee des Denkens, transzendentale Bestimmung des Denkens. Das nie aufhörende Denken ist gleichsam identisch mit einer eigenen Transzendentalie. Indem es nie zu einem Abschluss kommt, aber bereit ist, stets weiter zu denken, und das durch Denken erworbene Wissen so ausgeprägt und kompetent ist, dass es in der Lage ist, jeden Abschluss bereits zu antizipieren, ist das Denken (bzw. die Trägerin des Denkens) zwar nicht zum Abschluss, aber zur Vollendung gelangt (Vollendung bedeutet auch nicht dasselbe wie Abschluss; sie bezieht sich vielmehr auf eine vollständige Entfaltung von inhärenten Qualitäten). Dieses vollendete denkende Individuum hat daher eine Art Feldcharakter: es ist ein Denk- und Wahrnehmungsfeld, das sich, zwar an seinen Rändern klarerweise schwächer werdend, ins potenziell Unendliche erstreckt.  Das Denken, so hat es von sich selbst den Eindruck, wird, obwohl es hochprozessiv ist, gleichsam zu einer ruhigen, mimetischen Anschauung der Dinge bzw. seiner Inhalte, die gleichsam im Geistigen aufgehen, geborgen werden, tatsächlich erkannt werden. Das ist dann gleichsam die transzendentale Anschauung: In der transzendentalen Anschauung ist alle Entgegensetzung aufgehoben, aller Unterschied der Konstruktion des Universums durch und für die Intelligenz und seiner als ein Objektives angeschauten, unabhängig erscheinenden Organisation vernichtet. Das Produzieren des Bewußtseins dieser Identität ist die Spekulation, und weil Idealität und Realität in ihr eins sind, ist sie Anschauung. (Jenaer Schriften S.34) Spekulierend und in Selbstgenuss bewegt sich das Denken hier durch sein eigenes, originäres Reich, in völliger Freiheit, da es in diesem Reich herrscht. Genau gesagt: da in diesem Reich niemand herrscht, sondern alles in einer freundlichen Kopräsenz aufgeht und existiert, selbst was Wirklichkeit und Möglichkeit anlangt. So … spricht (sich) die Idee der Vernunft, bestimmter als in dem vorigen Begriff eines harmonischen Spiels von Erkenntniskräften, nämlich in der Idee eines „anschauenden Verstandes“ aus, in welchen „Möglichkeit und Wirklichkeit Eins sind“, für welchen „Begriffe“ … und sinnliche Anschauungen … beide wegfallen (…) Die transzendentale Einbildungskraft ist also selbst anschauender Verstand. (ebenda S.161f.) Man bemerkt: diese transzendentale Einbildungskraft und transzendentale Subjektivität hat beklemmende Gemeinsamkeiten mit dem fernöstlichen Satori, eines ewigen, erleuchteten Zustandes, in dem der Geist sich selbst ansieht …. Obwohl als kindlicher, urtümlicher Zustand, als ein gleichsam embryonales Bewusstsein propagiert, kann auch dieses Satori nur durch einen langwierigen, gleichsam dialektischen Prozess erreicht werden, innerhalb dessen man Widersprüchlichkeiten durchdenkt (bzw. denkend empfindet) – dabei handelt es sich aber weniger um rational auflösbare und dialektisch vermittelte Widersprüchlichkeiten und Gegensätze, sondern eher um den Umgang mit harten Paradoxien und Aporien, auf die man an den Rändern unserer Existenz, unseres Denkens und Begreifens, eben tatsächlich trifft. Eine dialektische, logische, rationale Lösung dieser Paradoxien und Aporien ist dabei nicht möglich. Es geht in der Zen-Übung, in der Bearbeitung des paradoxen Koans auch vielmehr darum, diese harten Paradoxien sich geschmeidig zu machen bzw. eine Geschmeidigkeit des Geistes – und der ganzen Persönlichkeit –  im Umgang mit dem, was jenseits des Vermögens des rationalen Verstehens liegt, zu erreichen. Es geht um die Ausprägung einer Art Meta-Rationalität und Meta-Dialektik. Genau gesehen ist der Kern des Satori vielleicht der, dass man im Denken und Wahrnehmen ständig zwischen Motiv und Hintergrund switchen kann. Das Widerspiel zwischen Motiv und Hintergrund ist die wohl grundlegendste Struktur der Welt, ihr transzendentales Wesen bzw. transzendentale Erscheinung. Jedes Ding erscheint in einem Hintergrund und muss aus dem heraus begriffen werden; gleichzeitig stiftet es einen neuen Zusammenhang (erhöht also die Textur des Hintergrundes) und beleuchtet den Hintergrund in eigentümlicher Weise (neu). Eine um Transzendenz bemühte Wahrnehmung strebt gemeinhin eine größere Vollständigkeit, Reichhaltigkeit, Farbigkeit, Beweglichkeit u. dergl. an. Sie strebt, eventuell, eine Anschauung der „Unendlichkeit“ an, des Letztgültigen, Göttlichen, oder Absoluten. Eine solche Anschauung ist (rational) unmöglich (allerdings intuitiv möglich). Das Absolute, Letztgültige, Transzendentale und auch Göttliche ist aber das Erscheinen von einem Motiv in einem Hintergrund („Am Anfang war das Wort“). Und die Anschauung des Letztgültigen, Absoluten, Unendlichen, ist dann eine flackernde Anschauung von sich gegenseitig widerspiegelndem Motiv und Hintergrund. Das ist dann, hat man den fast untrüglichen Eindruck, die transzendentale Anschauung. Die Anschauung der Unendlichkeit ist dann die Anschauung einer quasi fraktalen Struktur, einer quasi fraktalen Gestaffeltheit von Motiven und Hintergründen. Wobei es dem traditionellen fernöstlichen Satori aber eher nicht einfallen würde, sich so zu erklären (tatsächlich hat es erhebliche Schwierigkeiten, sich zu erklären). Denn das traditionelle fernöstliche Satori bleibt gleichsam tatsächlich ein embryonales Vor-Bewusstsein vor dem rationalen Bewusstsein und Denken. Es bleibt intuitiv und irrational. Innerhalb seiner liegt das Verständnis von Erleuchtung darin, dass man alle Qualitäten der Welt als bloße Erscheinungen, genau gesagt (nutzlose) Illusionen erkennt (und als solche verwirft). Daher bleibt es also passiv und unwissenschaftlich: es will die Welt nicht umgestalten und verbessern. Westliches Denken aber will das, und eine Hegelsche Philosophie will das: und sie versucht das zu vollziehen, indem sie rational und dialektisch ist. Jetzt wirft man der Dialektik vor, dass sie ein vereinfachendes Modell des Denkens ist, in dem die Möglichkeiten der unnötigen Zuspitzung oder der Verarmung des Denkens liegen. Aber wie anschlussfähig die Hegelsche Philosophie an anderes Denken ist, zeigt sich an diesem kulturübergreifenden Beispiel. – Der Sinn von Erleuchtung und Satori ist Freiheit; und die Ermöglichung von Freiheit bzw. die Bestimmung des Geistes als sich in Freiheit entwickelnd ist Sinn der Philosophie Hegels. Wenn der Geist vollständig ausdifferenziert ist und wissend ist, indem er die die Begrenzungen der Theorien und Ideologien durchstoßen hat, indem er über die Reflexion der Reflexion (also als absoluter Geist) die materiale Hyle der Dinge gesprengt hat, gelangt der Geist schließlich tatsächlich in den Besitz von sich selbst. Er wird (vollkommen) vergeistigter Geist, spiritualisierter Geist und spürt seine ungeheure Schwere dann in seiner Federleichtigkeit. Er operiert dann tatsächlich in einer noumenalen Sphäre – und diese ist dann seine urtümliche urtümliche Heimat. In diesem inneren Wahren … schließt sich erst über der sinnlichen als der erscheinenden Welt nunmehr eine übersinnliche als die wahre Welt auf, über dem verschwindenden Diesseits das bleibende Jenseits; ein Ansich, welches die erste und darum selbst unvollkommene Erscheinung der Vernunft oder nur das reine Element ist, worin die Wahrheit ihr Wesen hat. (Phänomenologie des Geistes S.117) Diese noumenale Sphäre ist das REICH, dessen Zentrum die Sphäre der transzendentalen Einbildungskraft ist: dort haust der Imperator, eine gleichzeitig fast verschwindende, verschwimmende Person, einsiedlerisch und radiierend. Das REICH ist weniger eine Sphäre der Herrschaft als eine der Kopräsenz und des Gleitens. Seine Strukturen sind scharf, eindeutig und luzide, und gleichzeitig abfallend in einen Saum der mannigfachen, nie vollständig erschließbaren Qualitäten und Bedeutungen. Es ist ein Reich, in dem es laut ist und kracht, in dem geschrien wird und die Türen zuknallen; und eines, in dem der Lärm verhallt und halluzinatorische Qualitäten hat, vielleicht eine Täuschung ist. Man kann sich relativ beliebig in einen Lärm oder eine Stille dort reinzoomen und wieder raus. In seinem eigenen REICH hat der Geist volle Manövrierfähigkeit und bewegt sich dort in aller Freiheit; in Anerkennung der Gesetzmäßigkeiten: Die übersinnliche Welt ist hiermit ein ruhiges Reich von Gesetzen, zwar jenseits der wahrgenommenen Welt, denn diese stellt das Gesetz nur durch beständige Veränderung dar, aber in ihr ebenso gegenwärtig und ihr unmittelbares stilles Abbild. (ebenda S.120) Freiheit macht nur Sinn bezogen auf Gesetzmäßigkeiten, die da sind; ansonsten an so einem Ort nämlich herrscht Chaos und Unordnung, aus der nichts entstehen kann, auf Grundlage derer sich nichts errichten kann. Der Geist bei Hegel selber entwickelt sich ja einerseits in Freiheit, andererseits nur im Zusammenhang mit dem Gesetzmäßigen der Dialektik. Er ist einerseits Freiheit, andererseits Logos – beziehungsweise (und nur eben darin!) sowohl als auch: Die Freiheit liegt also weder in der Unbestimmtheit noch in der Bestimmtheit, sondern sie ist beides. (Grundlinien der Philosophie des Rechts S.57) Der Geist entwickelt sich nicht in sinnlos wuchernder Anarchie seiner selbst, sondern in zunehmender Einsicht darin, wo Freiheit ist und wo Gesetz (anders wäre er ja auch nicht Vernunft oder Intelligenz – also eben nicht Geist). Und das REICH ist ein Reich der luziden Einsicht in die Gesetzmäßigkeiten, in die gleichsam Platonischen Ideen. Darin liegt Freiheit und Harmonie, Endzweck des Geistes, seine eigentliche Freiheit. Das REICH ist eine Sphäre, die mit sich selbst identisch ist; es gibt „dahinter“ (oder sonstwo) nichts mehr. Und, damit der Geist vollständig und seinem transzendentalen Bild entspricht, darf es nichts mehr geben: der Geist muss, durch Selbstdurchdringung, sich selbst in Besitz nehmen: Wie die Substanz der Materie die Schwere ist, so, müssen wir sagen, ist die Substanz, das Wesen des Geistes die Freiheit … Die Materie hat ihre Substanz außer ihr; der Geist ist das Bei-sich-selbst-Sein. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.30) Wenn der Geist oder wenn das REICH identisch sind mit sich selbst, bei-sich-selbst sind, sind sie in ihrer Erscheinung auch identisch mit ihrem Ding an sich. Indem sie erscheinen, sind sie dann reine Erscheinung. Das Übersinnliche ist das Sinnliche und Wahrgenommene, gesetzt, wie es in Wahrheit ist; die Wahrheit des Sinnlichen und Wahrgenommenen aber ist, Erscheinung zu sein. Das Übersinnliche ist also die Erscheinung als Erscheinung. (Phänomenologie des Geistes S.118) Das bedeutet dann auch, dass das „Absolute“ (das Hegel – und im wesentlichen die ganze prä-postmoderne Philosophie – zu fassen anstrebt) in seiner reinen Erscheinung aufgeht – oder, wenn man so will, sich auf eine „reine Erscheinung“ reduziert. Slavoj Zizek kreist in seinem Hegelbuch unter anderem um die Vorstellung, dass „das Absolute“ oder die Platonischen Ideen, das Letztgültige, Höchste etc. nichts seien, wohinter sich irgendetwas, irgendeine geheimnisvolle, ungeteilte Substanz oder eben ein finales Ding an sich verberge, sondern etwas, das über die Arbeit des Geistes bzw. der transzendentalen Einbildungskraft endlich „in Erscheinung trete“ – und dann auch „reine Erscheinung“ sei. Das einzige „Sein“ des Absoluten ist sein Erscheinen, und die Illusion ist zu glauben, dieses Erscheinen sei nur ein „Bild“, hinter dem es ein transzendentes wahres Sein gibt. … Das „Absolute“ jenseits der Erscheinungen deckt sich mit einer „absoluten Erscheinung“, einer Erscheinung, hinter der es kein substanzielles Sein gibt. (Zizek S.200) Schon Hegel selbst interessiert sich bekanntlich nicht für das Ding an sich. Was ihn interessiert ist die Erscheinung; bzw. für ihn tritt das Wesen einer Sache in seiner Erscheinung vollständig zutage. Allerdings tut es das eben auch nicht, da das Wesen sich fortwährend dialektisch entfaltet und nie vollständig gegeben ist, also auch bei Hegel „hinter“ der Erscheinung ein Sog, ein Malstrom des Unbekannten charismatisch sich verbirgt. Das Absolute muss dann aber eben sein, wo Erscheinung und Ding an sich in eins fallen bzw. wo die dialektische Entfaltung ihr Ende findet oder aufgehoben wird. Ja, es ist schon hilfreich, sich das Absolute als „reine Erscheinung“, „hinter der es kein substanzielles Sein gibt“ vorzustellen. Da es das substanzielle Sein eben auch selbst ist. Ich für meinen Teil habe reine Erscheinungen sehr gerne. Sie tragen scheinbar eine Menge Bedeutung in sich (und sind, so gesehen, daher auch keine reine Erscheinungen, sondern vielmehr Referenzen an andere Erscheinungen), versuchen aber, das zu vertuschen und sich hinsichtlich aller Referenzen unterbestimmt zu machen. Sie verschieben den Sinn, und scheinen gleichsam Monaden von reinem, selbstständigen Sinn zu sein. In ihnen scheint ein geheimnisvoller Sinn, genauer: in ihnen scheint der Sinn selbst zutage zu treten, eben: in Erscheinung zu treten (gemäß der Wittgensteinschen Weisheit, wonach sich der Sinn nicht sagen lässt – er zeige sich). Die reinen Erscheinungen treten uns entgegen und schauen uns augenlos an. Sie sind unheimlich und harmlos zugleich; geisterhaft und manifest präsent etc. Sie sind ein Ding an sich, das uns entgegentritt, mit dem wir unerwartet konfrontiert werden, und die uns an die Unerwartetheit unserer eigenen Präsenz und Existenz gemahnen. Der transzendentale Geist liebt die reinen Erscheinungen. Der Genius ist das als rein anschauend Vorgestellte: was schaut der Genius an? Die Wand der Erscheinungen, rein als Erscheinungen. Der Mensch, der Nicht-Genius, schaut die Erscheinung als Realität an oder wird so vorgestellt: die vorgestellte Realität – als das vorgestellte Seiende – übt eine ähnliche Kraft wie das absolute Sein: Schmerz und Widerspruch. (Nietzsche Nachlass Ende 1870 – April 1971, 7(172)) Kurz vor seinem geistigen Tod, in seinem höchstgradig luzid-entrückten Ecce Homo-Zustand, hat Nietzsche seine Dionysos-Dithyramben finalisiert. Bei denen ist die poetische Vermittlung von Form und Inhalt so sublimiert, so ausgereift, dass sie als reine Feuerzeichen in einer dreiviertel Höhe über uns zu stehen kommen und dort, als augenlose Augen, ewig verharren. Da hast du Beispiele für reine Erscheinungen.

Bartolomé Esteban Murillo (1617 – 1682), ein Vertreter des Goldenen Zeitalters Spaniens, malte hauptsächlich religiöse Motive, aber auch Genrebilder. Gleichermaßen werden beide für ihre Authentizität und Wahrhaftigkeit und für die (innere und äußere) Schönheit der Figuren gelobt.

Hegel geht aus von der Entfremdung (logisch: dem Unendlichen, abstrakt Allgemeinen), der Substanz, der absoluten und fixierten Abstraktion – d.h. populär ausgedrückt: er geht von der Religion und Theologie aus. / Zweitens: Er hebt das Unendliche auf, setzt das Wirkliche, Sinnliche, Reale, Endliche, Besondre (Philosophie, Aufhebung der Religion und Theologie.) / Drittens: Er hebt das Positive wieder auf, stellt die Abstraktion, das Unendliche wieder her. Wiederherstellung der Religion und Theologie, moniert Marx (in Bezug auf Feuerbachs Kritik an Hegel) in seinen Ökonomisch-Philosophischen Manuskripten (Marx S.324), und glaubt dadurch ein weiteres Mal einen grundlegenden „Widerspruch“ bei Hegel entdeckt zu haben. Diese scheinbaren Zirkularitäten kennt man bei Hegel ja eben zur Genüge. Allerdings sind es ja keine Zirkularitäten, sondern Entwicklungen, wo etwas, was ursprünglich ist, durch progressive Anreicherung mit Realitätsaspekten (zunächst als objektiver Geist) sich entfaltet und durch Selbstreflexion (über den absoluten Geist) sich durchdringt und dadurch aufklärt, transparent macht. Sich rational und vernünftig macht. Etwas Dunkles wird ans Licht gehoben. Freilich hat Marx Recht, wenn er sich darüber irritiert und wundert, wie sehr Hegel in seiner eigenen Denke, seiner idealistischen Philosophie und Geschichtsauffassung gefangen bleibt – obwohl zu seiner Zeit den dialektischen Materialismus ja gleichsam die Spatzen von den Dächern pfeifen; zum Beispiel von den Dächern Berlins, Hegels letzter Wirkstätte, in der Glanz und Elend der damals zeitgenössischen Welt exemplarisch und schroff sich gegenüberstanden. Diese Irritation bildet gleichsam die philosophische Grundlage für das Frühwerk von Marx (einem großen geistigen Triumph seinerseits und, bei aller Massivität der Gedanken und Stringenz der Gedankenführung, viel leichter zu lesen und transparenter nachzuvollziehen als die Werke Hegels). Immer wieder stößt sich Marx daran, wie bei Hegel dessen ideale Kategorien – wie der Geist, der Staat, die Sitte, die Religion etc. – sich gleichsam aus sich selbst entwickeln, ja, die eigentlichen Entwicklungslogiken und Entwicklungsträger sind, obwohl sie über eine solche Potenz ja gar nicht verfügen: vielmehr werden sie vom Menschen in seinen Versuchen, die Welt zu ordnen entwickelt und weiterentwickelt. Allerdings scheint Marx dann doch irgendwie zu entgehen, was Hegel mit Religion und mit Religion als Ausdruck des absoluten Geistes eigentlich meint und worauf er hinaus will. Religion bedeutet ursprünglich: die gewissenhafte Beachtung der Vorschriften. Sie bindet sich also an ein(e Art) metaphysisches Gesetz. Dies sind die rätselhaften Gesetzmäßigkeiten der Natur, des menschlichen Zusammenlebens und der Möglichkeiten der Beherrschung der Natur durch den Menschen. Die ursprünglichen Religionen sind Naturreligionen, in denen der Mensch sich mit den rätselhaften Gesetzmäßigkeiten in der Welt mit ausgeklügelten eigenen Gesetzmäßigkeiten – in Form von Ritualen – in Verbindung setzt und sich diese gefügig machen will. Die komplizierten Gesetzmäßigkeiten der menschengemachten Rituale erscheinen so als eine Mimesis der undurchschaubaren Gesetzmäßigkeiten in der Natur. Mit dem Zoroastrismus erscheint zum ersten Mal in der Geschichte eine Religion, in der zwischen Gut und Böse im Sinn von abstrakten Prinzipien und Unterscheidungs- und Entscheidungsmöglichkeiten für den Menschen differenziert wird. Religionen der geistigen Individualität sind dann die jüdische Religion, die altgriechische und die römische. Dennoch bleibt in diesen Religionen das Göttliche dem Menschen relativ fremd und etwas, mit dem man nicht innerlich kommunizieren kann (und das Verhalten Jahves oder der griechisch-römischen Götter bleibt immer wieder einigermaßen unheilig; irrational, kindisch und impulsiv). Im Christentum steigt Gott als Christus zum Menschen herab, erscheint in Menschengestalt. Damit begründet sich im Christentum eine neue Form von Innerlichkeit und die Möglichkeit eines inneren Dialoges und einer Kommunion mit dem Göttlichen: schließlich die einer Annäherung des Menschen an Gott über Heiligkeit; einer Gottwerdung des Menschen des Menschen dann in der spezifischen Auffassung des Christentums bei Hegel. Gott ist bei Hegel: der Geist! Und je geistiger und einsichtiger in die wahren Gesetze der Welt der Mensch im geschichtlichen Verlauf wird, desto mehr nähert er sich dem Göttlichen an: und desto mehr erscheint das Göttliche in der Geschichte. Gott und das Erscheinen Gottes und die Gottwerdung des Menschen ist ein Prozess: und die Realisierung dieser mit dem Erscheinen Christi abstrakt ausgesprochenen Möglichkeit ist bei Hegel Aufgabe und Möglichkeit der freien germanischen Völker. Das sei ihr Auftrag in der Weltgeschichte. Deren ganzer Zustand gleicht daher der Geburtsstätte und ihr Schmerz den Geburtswehen von einem anderen höheren Geist, der mit der christlichen Religion geoffenbart worden. Dieser höhere Geist enthält die Versöhnung und die Befreiung des Geistes, indem der Mensch das Bewußtsein vom Geiste in seiner Allgemeinheit und Unendlichkeit erhält. Das absolute Objekt, die Wahrheit, ist der Geist, und weil der Mensch selbst Geist ist, so ist er sich in diesem Objekte gegenwärtig und hat so in seinem absoluten Gegenstande das Wesen und sein Wesen gefunden. (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte S.386) Der Mensch ist ein Einzelwesen und hat als solches die Möglichkeit zum Bösen: dem Beharren auf dem Einzelwillen und der Abspaltung vom Allgemeinen. Gott ist das absolute Antidot dazu, indem er der Geist des Allgemeinen, des Umfassenden und Umgreifenden ist. Indem der Mensch Geist in sich ausprägt, das Allgemeine in sich aufnimmt, erkennt er, dass darin die Möglichkeit der Einsicht in das Göttliche begründet liegt, und die Möglichkeit seiner eigenen Annäherung an das Göttliche. So ist der Mensch also selbst in dem Begriffe Gottes enthalten, und dies Enthaltensein kann so ausgedrückt werden, daß die Einheit des Menschen und Gottes in der christlichen Religion gesetzt sei. Diese Einheit darf nicht flach aufgefaßt werden, als ob Gott nur Mensch und der Mensch ebenso Gott sei, sondern der Mensch ist nur insofern Gott, als er die Natürlichkeit und Endlichkeit seines Geistes aufhebt und sich zu Gott erhebt. Für den Menschen nämlich, der der Wahrheit teilhaftig ist und das weiß, daß er selbst Moment der göttlichen Idee ist, ist zugleich das Aufgeben seiner Natürlichkeit gesetzt, denn das Natürliche ist das Unfreie und Ungeistige. In dieser Idee Gottes liegt nun auch die Versöhnung des Schmerzes und des Unglücks des Menschen in sich. Denn das Unglück ist selbst nunmehr als ein notwendiges gewußt, zur Vermittlung der Einheit des Menschen mit Gott. (ebenda S.392) Im Christentum tritt der Mensch und tritt auch Gott im geschichtlichen Verlauf progressiv hervor und beide gewinnen immer mehr an Substanz und Identität. Gott, bzw. das sittliche Gesetz, ist bei Hegel bekanntlich eine an sich heteronome und substanzarme, wenn nicht sogar lebensfeindliche, unmenschliche, allzu abstrakte Instanz. Erst indem der Mensch das Gesetz in sich aufnimmt und mit Leben erfüllt wird das Gesetz vermenschlicht und gleichzeitig der Mensch autonom und kompetent. Aber das Übersinnliche, Ewige, oder wie man es sonst nennen mag, ist selbstlos; es ist nur erst das Allgemeine, das noch weit entfernt ist, der sich als Geist wissende Geist zu sein. (Phänomenologie des Geistes S.495) Umgekehrt nimmt dann aber die Subjektivität, die das Gesetz ergreift – die am Ende absoluter Geist wird – Qualitäten des Ewigen und der Selbstlosigkeit an. Geist bedeutet, dass das kein Ich ist (kein so genanntes Ego, oder religiös gesprochen eine Triebseele), das den Geist in seinem Bestreben, die Welt und sich selbst zu durchdringen, mal hierhin, mal dorthin zieht und dadurch seine Wahrnehmung verzerrt, seine Arbeit im schlimmsten Fall zunichte macht und stattdessen, aus Egoismus, den Ungeist triumphieren lässt. Das Ich wird durch die korrekte Arbeit des Geistes progressiv abgebaut; es wird, indem es gegen sich selbst ständig das Negative, Andere, das Nicht-Ich stellt, gleichermaßen mit neuen Anteilen und Anteilen des vormaligen Nicht-Ich angereichert, wie es ebenso dialektisch zermalmt und zerbröselt wird, hinsichtlich der Egozentrik seiner Perspektive. Das Ich wird welthaltiger und Ich-ärmer; der Kreis, den es in der Welt zieht, wird immer umfangreicher, seine innere Härte verflüssigt sich und wird zuletzt gasförmig: indem sein Aufenthaltsort progressiv im Überall wird. Das Ich wird dann eben: zum Geist – und dadurch viel aussagekräftiger und nachhaltiger als ein bloßes Ich das überhaupt sein kann. So erlangt der Geist seine volle Handlungsfreiheit und wird identisch mit seinem eigenen Ideal – und damit transzendental und absolut. Er wird allgemein, obwohl von einem Individuum verkörpert (denn: das Sein des Geistes (ist) ein Knochen (Phänomenologie des Geistes S.260)). Der Geist ist schließlich ein Selbst, aber das selbstlose Selbst. Das Christentum ist die Versöhnung der Welt mit Gott, des Einzelnen mit dem Allgemeinen. Der christliche Gott ist (neben universellem Geist) Liebe, und beinhaltet daher die Möglichkeit einer universellen Versöhnung von Gegensätzen (und: nur Gott vermag es eben, alle Gegensätze zu vereinigen; das Göttliche ist eben die Vorstellung, die wir von einer effektiven Planierung der Gegensätze im Absoluten haben, und allein haben können: denn praktisch und im Diesseits ist das ja nicht möglich; nur in einem Jenseits, des Geistes und eines Reichs der Werte: aber dieses Jenseits ist im Diesseits auch immer vorhanden und prägt unser Denken). Religion bzw. das Christentum ist bei Hegel kein Opium, das man sich zur Beruhigung reinzieht, um auf eskapistisch und weltflüchtig zu machen. Es ist eine Überwindung der Welt durch die absolute Beschäftigung mit der Welt, eine rastlose Aktivität des Geistes – der dadurch freilich einen gleichzeitig unendlich beruhigten und seligen, tranceähnlichen Zustand einnimmt; denn im absoluten Geist/Wissen sind Verhärtungen und Starrsinnigkeiten aufgehoben (was zum Beispiel im Geist von Marx NICHT der Fall war). Und das ist der höchste Zweck und ist die höchste Vollendung des Geistes – dessen höchste Vollendung und Identischwerden (oder zumindest Mimetischwerden) mit dem göttlichen Geist dessen letzter und daher Selbstzweck ist.  Noch mehr aber ist der Mensch Zweck – das eine Mal als lebendiger, das andere Mal als Denken, denn eben Denken, alles was in demselben liegt und seine Wurzel darin hat, als in sich unendlicher Selbstzweck. Formell und objektiv auch dem Inhalt nach; der absolute Zweck seiner Subjektivität aber ist die absolute Objektivität des Selbstbewusstseins, UNENDLICHER, letzter Endzweck in sich selbst; wir mögen sie als sittliche Vollkommenheit, Religiosität, ewiges Leben, d.i. göttliches, seliges Leben bestimmen. / Dieser Zweck ist kein endlicher; er ist Zweck des absoluten Geistes – ihr sollt vollkommen sein wie Er –, denn es ist Leben in Gott, Ähnlichkeit mit ihm – die Weise, wie Gott selbst als Geist in seiner Gemeinde, dem subjektiven Selbstbewusstsein realisiert wird. (Vorlesungen über die Philosophie der Religion Teil 2 S.?) Die Bewegung innerhalb der Hegelschen Philosophie gilt der Versöhnung des Einzelnen mit dem Allgemeinen. Gott ist das lebendige, das beseelte Allgemein, mit dem man (im Gegensatz zum starren Gesetz) in einen Dialog treten kann. Und Gott ist das lebendige, das beseelte Unendliche. Bei Hegel können das Endliche und das Unendliche nur dialektisch, nur aufeinander bezogen auftreten. Im Christentum endlich wird der Mensch zu einem Endlichen, das einen unendlichen Inhalt repräsentiert. Wenn das jetzt zu als zu widersprüchlich erscheint, dann sollte die mal versuchen, das reine Unendliche (oder das reine Endliche) zu denken. Die wird schnell feststellen, dass das viel komplizierter ist; die wird sehen, dass das geradezu unmöglich ist.

Am Ende dann die höchste Stufe des Geistes und das absolute Wissen: das Kongruentwerden des Geistes mit dem Absoluten. Diese Stufe wird erreicht, wenn das Subjekt und die Substanz zusammenfallen: Wenn das Subjekt Substanz wird, und die (stumme, namenlose) Substanz sich versubjektiviert. Oder Ich ist nicht nur das Selbst, sondern es ist die vollkommene und unmittelbare Einheit mit sich selbst, oder dies Subjekt ist ebenso die Substanz. (Phänomenologie des Geistes S.587)Die Substanz ist zunächst das Seyn in allem Seyn, stumme Primärmaterie. Die Substanz ist das, was sie ist, weil sie ist. Sie ist die Identität und das Ganze und die absolute Macht gegenüber den Akzidenzien, in die sie sich auffächert. Die Substanz ist keinesfalls Geist, sondern die primordiale Grundlage dafür, dass da überhaupt Geist sein kann. Gleichzeitig ist auch das Subjekt Substanz, da es immer schon unteilbar und  unhintergehbar ist. Es ist aber von sich aus nicht wissend. Wissend wird es erst, wenn es Träger von Geist wird. Sowohl das Subjekt als auch die Substanz haben was Absolutes an sich, aber es ist ein vergleichsweise leeres, inhaltsloses Absolutes – ohne den Geist. Der Geist ist an sich überhaupt nicht absolut, der Geist ist ursprünglich fragil. Aber er wird mehr und mehr zum Inhalt. Wenn der Geist das absolute Wissen erlangt hat, ist er dann eben gestättigster Inhalt. Das absolute Wissen erscheint, an und für sich, am Ende aller Zeiten – das jederzeit sein kann: und das absolute Wissen wäre dann eben gerade einmal das, was es zu jenem Zeitpunkt ist. Es – das absolute Wissen – ist daher in der Praxis kontingent. Daher ist das absolute Wissen jener geistige Zustand, wo das Wissen am Ende aller Zeiten bereits ins Jetzt gezogen wird, jener geistige Zustand, in dem das Wissen am Ende aller Zeiten bereits virtuell enthalten ist. Es ist, wie wir gesehen haben, der Geist, der identisch ist mit seiner eigenen Transzendentalie. Es ist ein Tätigkeitswissen, absolutes Wissen über den Gebrauch des Geistes. Als Trägerin dieses Tätigkeitswissens ist das Subjekt gleichsam identisch mit der stummen, absoluten Substanz der Welt, auf Grundlage derer die Akzidenzien erscheinen. Umgekehrt wird die Substanz, bzw. deren stumme, namen- und identitätslose Absolutheit über das Subjekt entborgen und ans Licht gebracht. Das Absolute, das zunächst in der Substanz liegt, legt sich durch seine Versubjektivierung zunehmend selbst aus und begreift sich selbst (wenn es von einem fremden Geist und einer fremden Subjektivität ausgelegt werden würde, würde es ja auch fremd bleiben und keine Teilhabe an sich ermöglichen). Da hat das Absolute bei Hegel das Charisma des einerseits Tätigen und Unabgeschlossenen, andererseits des Beruhigten und Abgeschlossenen. Wahlweise sorgt das bei Rezipientinnen für Ärger und Verwirrung. Jetzt kann man mit diesem Bild eines zur Ruhe gekommenen Geistes in der absoluten Idee, in der alle Widersprüche aufgehoben sind, seine Probleme haben, weil man damit – eben – ein eher religiöses Bild assoziiert als ein kritisch-philosophisches. Allerdings ist es ja die gesamte Essenz der Philosophie Hegels, dass man zu einer solchen quasireligiösen Pazifiziertheit im Absoluten nur komme durch eben kritisch-philosophisches Denken. Die höchste Stufe des Denkens und das Stadium der wahren Religion erreiche man allein durch dialektisches Denken. Die Philosophie steht vor der von Hegel selbst formulierten Aufgabe, mindestens 77-mal den logischen Gang der Denkbewegung vom reinen Sein bis hin zur absoluten Idee neu durchzuarbeiten und auf seine Konsistenz hin zu überprüfen. (vgl. Vieweg S.413) Es geht also darum, dermaßen kritisch-philosophisch zu denken, dass der Geist ausgefegt wird, von Dingen und Gerümpel gereinigt – und dadurch eben zu Wahrheiten zu gelangen, in denen man dann konsequenterweise eben, ganz von selbst, zur Ruhe kommt (und wer das beim siebenundsiebzigsten Mal immer noch nicht geschafft hat, dessen Sache ist es wohl überhaupt nicht, ein Bild vom funktionierenden Geist abzugeben). Durch die Reflexion über die Reflexion (über die Reflexion) – also über das Walten des absoluten Geistes – wird die begrenzende Hülle selbst des Geistes gesprengt und der Geist wird schließlich der offene Raum – in dem sich dann die Materie, frei flottierend, gleichzeitig gebunden an Gesetze, in die der Geist (zumindest virtuelle) Einsicht hat, bewegt und deren Bewegungen der Geist dann ruhig beobachtet. Der absolute Geist ruht überhaupt nicht, sondern ist höchst tätig. Er ruht allerdings in sich selbst und ist zur Ruhe gekommen seiner eigenen Kompetenz, die ein wissender Zustand, ein wissendes Wissen über das Wissen ist. Das absolute Wissen ist ein Tätigkeitswissen; kein faktisches Wissen, sondern eine Fähigkeit zum Prozessieren und Generieren von Wissen. Die absolute Fähigkeit zum Generieren und Prozessieren von Wissen liegt im Zusammenführen und im Trennen von geistigen Inhalten, im Anhäufen und Aussortieren. Wenn wir uns den vollkommenen Geist vorstellen, so erscheint da eventuell eine Scheibe, vertikal darauf eine schnell schwingende Art Feder. Der vollkommene, transzendentale Geist attrahiert alles, lädt alles ein auf seine Ebene, und differenziert dann zwischen allem, facettiert, unterscheidet, fächert auf. Das ist das endgültige Bild vom Innersten des transzendentalen Geistes, dessen Tätigkeit absolut ist. Der absolut gewordene Geist zieht alles – vor allem das Andere – an, verbindet alles Mögliche und trennt alles Weitere: und bewahrt alles gleichermaßen in seinem Speicher der Empathie und der Sympathie. Ähnlich wie (gemäß Whitehead) Gott: und wer dermaßen kritisch denkt und umfassend, macht im Übrigen auch ohne Weiteres religiöse Erfahrungen. Weswegen sein Denken und seine Rede dann mit religiösen Metaphern (genauer gesagt: mit eigentlichen religiösen Inhalten, Empfindungen und Bildern) durchtränkt sein wird: und so wie es eben bei Hegel der Fall ist. So wie der Geist immer absoluter wird, wird auch die Trägerin des Geistes, das subjektive Individuum, immer absoluter: indem es gleichzeitig immer subjektiver und immer objektiver gültig wird und an Schwere gewinnt. Bei Hegel ist das absolute Verhältnis das, dass Menschen keine starre, fixierte Identität haben – aber durch Arbeit an sich selbst mehr und mehr zu einer solchen kommen können: zu ihrem „wahren“ Selbst. Bei Hegel kommt das Individuum immer mehr in sich selbst zu ruhen und nähert sich seinem inneren Kern an. Ein „Perspektivenpluralismus“ oder ein „Ich bin vieles!“ im Sinne von Nietzsche oder der Postmoderne ist seine Sache nicht. Durch geistigen Fortschritt und vertiefte Selbstkenntnis fächert sich das Individuum einerseits auf, gelangt aber gleichzeitig zu einem inneren, unveränderlichen und wahren Kern. (Nietzsche gibt in seinen unveröffentlichten Schriften übrigens zu, nie viel über sich selbst nachgedacht zu haben, und wenig Selbsterkenntnis betrieben zu haben: mit der äußerlichen Begründung, wonach Dinge, die wir erkannt haben, aufhören uns etwas anzugehen; aus dem inneren Grund vielleicht, da der innerste Kern von Nietzsche neurotisch gespalten ist, und jeweils nicht so ist wie er scheint.) Durch und in Selbsterkenntnis ergreift der absolute Geist Besitz von sich selbst, und ergreift die Trägerin des absoluten Geistes von sich selbst Besitz. Die höchste, zugeschärfteste Spitze ist die reine Persönlichkeit, die allein durch die absolute Dialektik, die ihre Natur ist, ebensosehr alles in sich befaßt und hält, weil sie sich zum Freiesten macht – zur Einfachheit, welche die erste Unmittelbarkeit und Allgemeinheit ist. (Wissenschaft der Logik II S.570) – Das ist dann eigentlich das, was man seit tausenden von Jahren als Weisheit bezeichnet, und Hegel-Exeget Alexandre Kojève schreibt über den Menschen des absoluten Wissens: Der Weise hingegen ist mit allem, was ist, völlig und endgültig versöhnt: er vertraut sich rückhaltslos dem Sein an und öffnet sich gänzlich dem Wirklichen, ohne ihm Widerstand entgegenzusetzen. Seine Rolle ist die eines vollkommen ebenen und unendlich ausgedehnten Spiegels: er reflektiert nicht über das Wirkliche, sondern das Wirkliche reflektiert sich auf ihm, reflektiert sich in seinem Bewußtsein und offenbart sich in seiner eigenen dialektischen Struktur durch die Rede des Weisen, der es beschreibt, ohne es zu entstellen. (Kojève S.117) Freilich, ein „göttlicher“ Verstand ist für den Menschen unmöglich, aber Einsichtigkeiten in die höchsten Plateaus der Philosophie – von Platons Einsicht in die Ideen bis eben Hegels absoluter Idee – gleichen dann aber zumindest einem „engelhaften“ Verstand (ebenda S.91), und damit einer Art Reinheit bei gleichzeitiger Getrenntheit vom Göttlichen. Wenn man, wie Hegel, sagt, am Ende sei das Subjekt Substanz geworden, so bedeutet das auch umgekehrt, dass die Substanz auch wesentlich Subjekt ist: und dem Subjekt ist die absolute Erkenntnis verweigert. Es kann, durch sein Tätigkeitswissen und seine Weisheit, die Tätigkeitswissen ist, nur zu einer Mimesis der absoluten Erkenntnis kommen (nie zum „Ding an sich“ der absoluten Erkenntnis … wobei das „Ding an sich“ der absoluten Erkenntnis allerdings (gemäß Hegel) eher als ein Phantasma des Erkennenwollens fungiert und nichts, was tatsächlich vorhanden wäre). Wenn aber das Absolute praktisch sich auf eine Mimesis des Absoluten beschränkt: wie kann es dann das Absolute sein? Das mag dann wieder die kritischen Kritiker auf den Plan rufen. Slavoj Zizek hat ein gargantueskes, eineinhalbtausendseitiges Buch über Hegel verfasst (in dem es, wie immer, freilich in erster Linie um Lacan geht, und halt dann in zweiter Linie um Hegel). In seiner üblichen Fixiertheit auf Paradoxien und Rechnungen, die nicht aufgehen wandelt er in seinem Hegelbuch das Absolute dann um; bei Zizek wird das Absolute „die Differenz … die Unmöglichkeit für ein X, ganz „es selbst“ zu sein“ (Zizek S.522) Das Absolute wird dann eine erhabene Schranke, die den Geist vom (ultimativen) Absoluten trennt (ähnlich vielleicht wie Kierkegaards Erbaulichkeit, die in dem Gedanken liegt, dass wir gegen Gott immer Unrecht haben). Allerdings gibt wohl so einige X, für die es gar nicht unmöglich ist, „ganz es selbst“ zu – oder nehmen wir zumindest an, dass es solche X gibt. Vor allem der Geist der höchsten Stufe ist ja selbstlos – und sollte daher gar keine Probleme haben identisch mit sich selbst zu sein. Problematisch ist für ihn vielleicht eher, sich vorzustellen, was es überhaupt heißen könnte, „ganz es selbst“ oder „nicht ganz es selbst“ sein zu können. Wenn der Geist auf einer solchen Stufe operiert, dann verdunsten die drei Register des Realen, des Imaginären und des Symbolischen und fallen in eins zusammen, in eine Komplexität, die gleichzeitig ein begehbarer Raum und eine höchste Einfachheit ist. Das Fundamentalphantasma wird durchquert, die Täuschungen aufgehoben, das Subjekt wird sein eigener Ursprung. Das Menschenbild von Lacan – und dieses gleichsam performativ vollziehend, indem sich Zizek irritierenderweise nie davon lösen kann – betrachtet den Menschen, bis ins Unbewusste hinein, als im Wesentlichen von äußeren Kräften und Mächten bestimmt. Die Trägerin des absoluten Wissens/Geistes ist das aber eben nicht mehr: da der transzendentale Geist originär ist. Nehmen wir also an, es gibt zumindest ein X, das ganz „es selbst“ ist, und diese Trägerin des absoluten Wissens/Geistes sei dieses X. Sie sitzt in der Kommandozentrale des Wissens, in der Kommandozentrale der Philosophie. Es ist gut, in der Kommandozentrale der Philosophie zu sitzen! Da kaum eine in der Kommandozentrale des Wissens und der Philosophie sitzt, ist es außerdem gut, gleichsam für die Wissenschaften und die Philosophie notwendig, dass die dann von ihren Erfahrungen berichtet und versucht, den Zustand ihres Geistes zu beschreiben. In der Kommandozentrale der Philosophie zu sitzen ist dann auch die ultimative Verwirklichung der Freiheit des Geistes, die Hegel ja die ganze Zeit beschwört. Diese Freiheit ist dann die absolute Navigationsfähigkeit durch den Geist, und durch die geistige Welt. Er (der Geist, Anm.) ist (sich) seiner reinen Persönlichkeit und darin aller geistigen Realität bewußt, und alle Realität ist nur Geistiges; die Welt ist ihm schlechthin sein Wille, und dieser ist allgemeiner WilleDiese ungeteilte Substanz der absoluten Freiheit erhebt sich auf dem Thron der Welt, ohne daß irgendeine Macht ihr Widerstand zu leisten vermöchte. (Phänomenologie des Geistes S.432f.) Das Denken der Kommandozentralensitzerin ist kein relatives Denken mehr, sondern absolutes Denken. Dadurch bewegt sich die Kommandozentralensitzerin aber womöglich in einem Gegensatz zur Welt: denn das, was man in der Welt fast überall hat, ist relatives Denken (kein absolutes!). In der Welt sind die Menschen, so gut wie alle, in Tagesgeschäfte verstrickt, nicht zuletzt in Tagesgeschäfte des Denkens. Die Tagesgeschäfte sind aber das Relative. Die Kommandozentralensitzerin und die Welt finden sich (womöglich absoluterweise) in verschiedenen Sphären wieder, die eventuell kaum miteinander kommunizieren können, unterschiedliche Kommunikationssphären sind. Damit lebt die Kommandozentralensitzerin eventuell in abgetrennter Einsamkeit, und die Welt fortwährend in ihrem Dunkel. Das „bei uns sein“ gehört zur Absolutheit des Absoluten. Ohne dieses „bei uns“ wäre das Absolute das Einsame, das sich nicht erscheinen könnte im Erscheinenden. Es könnte nicht aufgehen in seine Unverborgenheit. (Heidegger S.187) Die Kommandozentralensitzerin aber ist „bei uns“, bei der Welt: ohne diese Präsenz in der Welt, ohne dieses geistige Bearbeiten der Welt und ohne die geistige Teilnahme an der Welt wäre die Kommandozentralensitzerin ja auch nicht die Kommandozentralensitzerin. Ihr Wissen aus der Verborgenheit ins Unverborgene zu bringen, es in der Welt erscheinen zu lassen, ist dann Sache der Welt. Damit ist die Kommandozentralensitzerin von der Welt abhängig und scheinbar nicht absolut. Ihr Geist mag es zwar, für sich genommen, absolut sein, aber nicht für andere genommen. Das alte Problem der Hegelphilosophie, das Problem … diese(s) Grundcharakter(s) der Entgegensetzung in dem Göttlichen, das allein im Bewußtsein, nie im Leben vorhanden sein soll(Frühe Schriften S. 418) hat man dann wieder. Es ist eben das Problem von Geist und Welt, Philosophie und profaner Realität. Die Philosophie ist ihrer Natur nach etwas Esoterisches, für sich weder für den Pöbel gemacht, noch einer Zubereitung für den Pöbel fähig; sie ist nur dadurch Philosophie, daß sie dem Verstande; und damit noch mehr dem gesunden Menschenverstande, worunter man die lokale und temporäre Beschränktheit eines Geschlechtes der Menschen versteht, gerade entgegengesetzt ist; im Verhältnis zu diesem ist an und für sich die Welt der Philosophie eine verkehrte Welt. (Jenaer Schriften S.275) Wenn die Philosophie und die Welt einander schon verkehrt sind: wie muss dann erst dieses Verhältnis von der Kommandozentrale der Philosophie aus betrachtet sich darstellen? Die Welt des Geistes ist eine der Einheit, wo sich Gedanken nur so aneinanderschmiegen, und die Ideen, wie man Einheit in der Welt herstellen könnte, sich wohltuend osmotisch vereinigen und in einem großen, herrlichen Ganzen aufgehen, das sich dann seinerseits wieder in lauter Interessantheiten im Einzelnen auffächert. Die Welt der Welt ist aber die Sphäre der tatsächlichen Vielheit und der hartnäckigen, bisweilen unerbittlichen Diversität und voneinander Getrenntheit, der mit keiner Philosophie beizukommen ist. Hegels Philosophie ist eine des Geistes, des Individuums, wie der Gesellschaft und der Geschichte. Gesellschaft und Geschichte aber sind verfluchte Rätsel, die niemand lösen kann. Sie sind zwar nicht, wie das absolute Denken, unendlich, aber endlos, und sie unterliegen der Chaos-Einwirkung. Daher wollen wir dazu – zur Verhältnis zwischen Philosophie und Gesellschaft und Geschichte – vielleicht am Besten nicht so viel sagen. Ein Schelm aber dann natürlich doch, wer nicht behaupten würde, dass die Welt im Lauf der Zeit nicht doch besser und philosophischer geworden sei. Getrennt von der Welt, oben als Kuppeldach, haust und wirkt die Philosophie, und zieht die Elemente der Welt langsam und unerbittlich zu sich hinauf. Langsames Mahlen der Mühle, unnachgiebig und unveränderbar dann aber zuletzt: die Erhabenheit von allem hörst du in diesem stummen Ächzen der nie ruhenden Bewegung. Welt und Philosophie werden einander ähnlich, bleiben aber auch voneinander getrennt. Aufgabe des Geistes, ist es (geistige) Einheit zu stiften im Anschauen und Begreifen der von ihm getrennt bleibenden Welt. Dieses ist die Funktionalität des Geistes, und dieses ist die Funktion der Philosophie. Sie aber – die (unerbittlichen, kritischen, männlichen) Philosophen (sicher aber nicht die wohltuenden, sanften, die große Einheit anvisierenden weiblichen Philosophinnen!) – mögen skeptisch sein, dass die Einheit des Absoluten je erreicht werden könne, die Geschlossenheit – sofern es sich dann nicht irgendwie religiös verschwurbelt oder faschistisch oder als eine linke Träumerei erweise – eine tatsächliche sein könne. Aber vielleicht ist es ja so, dass nicht das Absolute ein Problem hat, sondern eben die Philosophie. Wissen sie, Frau Schwester,  zur Zeit studiere ich zum Beispiel Haydn, da mir dessen heiliges Gemüt, seine große, zärtliche ethische Persönlichkeit in seiner Musik stets mitklingen will, dort vielleicht besser zum Ausdruck kommt als in der ausformulierteren, geschlosseneren, aber eben auch rokokohafteren und sich einschleimenden Mozarts, und ich deswegen alles darüber in Erfahrung bringen will. Außerdem werde ich heute zum Konzert von Nunslaughter gehen (bei dem die Vorband 3 Tog Nimma Gackn Gwesn es sogar auf einen noch beschisseneren und ekelhafteren – und eine noch größere Inkompetenz ausstrahlenden – Namen bringt). Nunslaughter sind dabei eine 1987 gegründete Underground Death Metal Band, die in dieser Zeit gerade einmal weniger als ein Dutzend Alben, dafür aber zwei Dutzend Livealben, drei Dutzend EPs und eine unüberschaubare Menge an Split-Veröffentlichungen herausgebracht hat. Das ist ihre Art, mit der Welt zu kommunizieren und sie tun das in Form einer Mischung aus rauem, primitiven, gewalttätigen (und nicht besonders guten) Death, Thrash und Black Metal. Dass die Band bis heute, in 35 Jahren kaum einen Bekanntheitsgrad erreicht hat, sei laut Bandchef Don of the Dead gewollt, da man nur „wahre“ Metaller im Publikum haben wolle und keine Opportunisten, die nach ein paar Jahren das Interesse an der Musik wieder verlieren. Jetzt kann ich mir schon vorstellen, dass einige Philosophen durchaus ein Konzert von einer im Vergleich dazu relativ kommerziellen Band wie, sagen wir, Napalm Death besuchen könnten – dass sie auch zu einem Konzert von Nunslaughter gehen, glaube ich dann aber eher nicht. Ob die innere Schönheit und ausgeglichene Harmonie von Joseph Haydn auf sie einen solch nachhaltigen Eindruck machen wie sie das auf mich tun, weiß ich auch nicht. So aber, Schwestern, fügt man die äußeren Enden, die Gegensätze und Thesen und Antithesen zusammen! Ohne dass sie wahrscheinlich als Gegensätze und Antithesen etc. empfunden werden. Denke man sich eine Entität – Yorick Wilhelmine Friedericke „Nunslaughter“ Haydn – so hat diese Entität einen Geist: und in dem laufen die Gegensätze zusammen; gibt es vielleicht keine echten Gegensätze; in seiner sphärischen Kugel wird halt einfach die Welt (inklusive der Hinterwelt) umrundet, und das beliebig. Er ist, wahrscheinlich, von größerem Umfang als die Welt, und passt nicht in die von ihr und in ihr vorgegebenen Formen. Wenn ein solcher Geist prozessiert, ist es vielleicht keine Philosophie, sondern wahrhaft absolutes Wissen als Resultat eines absoluten, radikalen Erkennens und Willens zum Erkennen; und dem Willen zum Erkennen ist es zu eigen, Formen zu sprengen. Wenn die Philosophie kein absolutes Wissen und keine Einheit der „Gegensätze“ garantiert, ist es vielleicht angebracht, den Rahmen der Philosophie zu sprengen. – Das eine ist das eine, und das andere ist das andere. Hegel wirft man vor, dass er das Andere nur denkt, um umso mehr das Eine (und Ursprüngliche) bestätigen zu können (und das Andere auszusortieren) (und also: dass Hegels Denken implizit totalitär sei).  Aber in dem hier vorgeschlagenen Denken ist das Denken primär vom Anderen angezogen um so zum Einen zu gelangen (und es dann wieder, wo notwendig, in das Eine und in das Andere hinein aufzulösen). Wenn Hegel setzt: das Absolute ist die Identität der Identität und der Nichtidentität, so setzen wir noch drauf: das Absolute sei die Identität und die Nichtidentität der Identität und der Nichtidentität (oh ja, so müsste das gehen!) – und haben so einen beträchtlichen philosophischen Fortschritt erzielt, wenn nicht sogar überhaupt die Philosophie unter uns gelassen: zumindest aber ein Außen gegenüber der herkömmlichen Philosophie erobert, die Grenzen weiter (wenn nicht sogar absolut) hinaus ins Unbekannte verschoben. Weil die reine Idee des Erkennens insofern in die Subjektivität eingeschlossen ist, ist sie Trieb, diese (Sphäre der Wissenschaft, Anm.) aufzuheben, und die reine Wahrheit wird als letztes Resultat auch der Anfang einer anderen Sphäre der Wissenschaft. (Wissenschaft der Logik II S.572f.) Diese andere Sphäre der Wissenschaft ist dann die des absoluten Geistes in der absoluten Form. Die Wissenschaften sind disziplinär organisiert und segmentiert. Selbst der absolute Geist fächert sich auf in Kunst, Philosophie, (Wissenschaft) und Religion. Das Universalgenie beherrscht mehrere Auffächerungen des absoluten Geistes gleichermaßen. Das heißt aber noch nicht, dass es osmotisch zwischen ihnen vermittelt. Denken wir uns einen höheren geistigen Zustand als den des Universalgenies: So gelangen wir zum hochgradig erleuchteten Einheits-Bewusstsein – in dem Wissenschaft, Kunst, Philosophie und Religion/Ethik zu einer einzigen Rede und zu einer einzigen, demokratischen, halluzinatorischen Totalwahrnehmung der Welt – und aller möglichen Welten – im Geist verschmelzen. Möglichkeitssinn trifft auf Wirklichkeitssinn in gleichem Maße, und wird durch Sinn für das Ethische zusammengehalten und austariert. Das Einheits-Bewusstsein ist sich selbst Ursprung und Ende und ist wahrscheinlich umfangreicher als das physikalische Universum. Es gleicht dem tiefsten Prinzip der Welt, dem Chaosmos. So sollte das außerdem gehen: das mit dem authentischen, „interkulturellen“ Bewusstsein innerhalb des Globalisierungszeitalters. Das ist dann der absolute Geist in der absoluten Form. – Und damit schießt sich die Geschichte von Hegel und dem absoluten Geist, der absoluten Idee etc. ab und kommt, in ihrer Überwindung, zur Vollendung, und eine neue Ordnung beginnt: die vom absoluten Geist in der absoluten Form, und mit ihr eine glorreiche, magnifiziente Zukunft einer funkelnden, leuchtenden planetarischen Intelligenz, als einer neuen Stufe des Weltgeistes.

Angeführte Literatur

Von GFW Hegel:

Frühe Schriften, Frankfurt/Main, Suhrkamp 1971

Grundlinien der Philosophie des Rechts, Berlin, Suhrkamp 2020

Jenaer Schriften, Berlin, Akademie Verlag 1972

Phänomenologie des Geistes, Berlin, Suhrkamp 2020

Philosophie der Kunst Vorlesung von 1826, Frankfurt/Main, Suhrkamp 2004

Politische Schriften, Berlin, Suhrkamp 2020

Vorlesungen über Ästhetik 1, Frankfurt/Main, Suhrkamp 1970

Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Berlin, Suhrkamp 2020

Vorlesungen über die Philosophie der Religion Teil 2 Die bestimmte Religion Hamburg, Felix Meiner Verlag 1985

Wissenschaft der Logik I + II, Berlin, Suhrkamp 2020

+

Adorno, Theodor W.: Drei Studien zu Hegel, Frankfurt/Main, Suhrkamp 1974

Adorno, Theodor W.: Negative Dialektik, Frankfurt/Main, Suhrkamp 1975

Althusser, Louis: Für Marx, Berlin, Suhrkamp 2011

Cobben, Paul u.a. (Hrsg.): Hegel-Lexikon, Darmstadt, WBG 2006

Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt/Main, Fischer 1998

Heidegger, Martin: Holzwege, Frankfurt/Main, Klostermann 1972

Nietzsche, Friedrich:Nachlass Ende 1870 – April 1971, editiert von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, erschienen bei de Gruyter

Nietzsche, Friedrich: Menschliches, Allzumenschliches, Stuttgart, Alfred Gröner Verlag 1993

Kant, Immanuel: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht in: Werke XI, Frankfurt/Main, Insel Verlag 1964

Kojève, Alexandre: Hegel. Eine Vergegenwärtigung seines Denkens, Stuttgart, W. Kohlhammer Verlag 1958

Lenin, W.I.: Staat und Revolution, Wien, Eigenverlag 2014

Marx, Karl: Die Frühschriften, herausgegeben von Siegfried Landshut, Stuttgart, Alfred Gröner Verlag 2004

Vieweg, Klaus: Hegel. Der Philosoph der Freiheit, München, C.H. Beck 2020

Zizek, Slavoj: Weniger als nichts. Hegel und der Schatten des dialektischen Materialismus, Berlin, Suhrkamp 2012

La Cruz del Sur

En nuestro crucero por el Nilo, cuando tenía 12 años, en 1989, mi padre me mostró la constelación y dijo: ¡Esta es la Cruz del Sur! No estábamos en el hemisferio sur, pero la cruz del sur ya era visible en Egipto. Eso es lo que aprendí en ese entonces: la Cruz del Sur, y que existe la Cruz del Sur, que solo es visible en el hemisferio sur (y un poco más allá). Así que en otra región de la tierra que se encuentra más allá del ecuador, que está efectivamente separada de nuestra región. Todos vivimos bajo el mismo cielo, nos decimos a nosotros mismos, pero luego no lo hacemos del todo. Cuando ves la Cruz del Sur, sabes (como centroeuropeo): en realidad estás en otro lugar, en una región que también está en nuestra tierra, pero en realidad separada de la nuestra. Una cultura diferente, un idioma, con una historia diferente y una hora diferente del día. El alma sensible siente una leve fascinación por el hecho de que hay otros extremos de la tierra, espacios globalmente conectados pero separados regionalmente. E pluribus unum. Siente una suave fascinación por el ecuador, un umbral más allá del cual se encuentra otro rincón del mundo, más allá de nuestro círculo visual inmediato. Entonces, cuando ves la Cruz del Sur, estás en una región tan diferente. Uno ve a través de esto la coordenada existencial de que hay unidad en este mundo y diversidad; contexto y separación, etc. Existe este lado del mundo, y hay otro lado del mundo. Las constelaciones, vistas de esta manera, también representan una coordenada o la aclaran. Ligeramente sublimes, cuelgan en el cielo, inmutables, y nos miran, como ojos sin ojos, aparentemente. Proporcionan estructura en el espacio, proporcionan orientación. Parecen, por así decirlo, gimiendo para abarcar el espacio que nos alberga, gimiendo, estructuras rígidas que son, inmutables. El hemisferio sur y las constelaciones nos enfrentan a condiciones irrefutables que son más antiguas que nosotros, y que durarán mucho más que nosotros. Quienes son indiferentes a nosotros, y en su leve diferencia hacia nosotros permanecen y alploman. La dinámica y el ajetreo y el bullicio de nuestro mundo humano se yuxtaponen con las constelaciones con su rígida estática. La gente generalmente se pregunta qué mundos albergan. Pero posiblemente ninguno, al menos no en nuestro sentido. El hombre y la creación viviente sólo pueden ser vistos una y otra vez como un gran milagro. Y tal vez realmente lo sea. Tal vez estemos solos en todo el espacio, en nuestra frágil y extrema aleatoriedad e improbabilidad. Entonces parece un poco extraño que cuando miramos al cielo bueno, bueno, a las constelaciones fieles, entonces podamos mirar a nada tan sublime, sino a algo frágil, a algo estúpido, subcomplejo y vacío, sin comunicación. En puntos muertos, en mundos sin mundo. Las constelaciones no son entonces nada fieles, sino un producto de desecho, lepra luminosa en el cielo. . Pero si realmente estamos solos en el universo, representamos el fenómeno de la más alta calidad en el universo. Así que contrastamos la mayor cantidad de la inmensidad del espacio con la más alta calidad de la inteligencia más alta del universo, que puede explorar el espacio, posiblemente incluso manipularlo y hacerlo de mayor alcance. Contrastamos la inmensidad de la naturaleza del espacio con el único fenómeno de una cultura en el espacio. ¡Si eso no es algo! Así que no somos frágiles, sino en realidad más poderosos que sistemas estelares enteros, si no cúmulos de galaxias. Somos quizás incluso más poderosos que la Gran Muralla, la superestructura de mayor alcance en el universo conocido. Pero no somos omnipotentes. Y eso, a su vez, es una coordenada de toda la existencia. Nada puede ser todopoderoso; ya que la omnipotencia se enreda en contradicciones lógicas. Así que todo el poder y la fuerza también son leves. La Cruz del Sur, el fenómeno de los hemisferios, la presencia de otros espacios en un gran espacio general, etc., todo esto ejerce una leve fascinación en el alma sensible. Es bueno que nada de esto sea una sensación persistente y agotadora, sino algo leve. Para que todo se funda en una suavidad general… y nos recuerda que, además de lo sensacional, lo suave y lo suave también son cualidades en este mundo… — Desafortunadamente, no he logrado describir la situación con la Cruz del Sur exactamente como la quería en mi preconsciente. Pero incluso el fracaso leve es una cualidad en el mundo. Tal vez estaré mejor otras veces.

También me doy cuenta: soy muy diferente de casi todas las demás personas. No tengo un centro real, pero me gusta lidiar con lo que es “diferente”. Investigar si puede haber la verdad o más verdad que en lo inmediato dado y en lo conocido. El núcleo de mi ser es resolver problemas intelectuales o encontrar mejores respuestas a las preguntas. Por lo tanto, mi centro está en todas partes, y todo el cielo es lo que veo. Y también el cielo invisible: porque este es el que está en mi espíritu; que, para ser precisos, ya está preparado en mi mente. Y veo que eso es bueno. Por lo tanto, también sé que si alguna vez encuentro a una mujer, será algo completamente impredecible e impredecible, algo realmente “diferente”. Ahora estoy en el hemisferio sur, bajo la cruz del sur, con mi Diosa. La relación entre mi Diosa y yo era algo completamente impredecible, un encuentro que nadie podría haber previsto, pero que consiste en que es completamente natural. Todo lo que existe entre nosotros es consentimiento natural; en lo que somos, en lo que hacemos. Por lo tanto, este vínculo natural se extiende por continentes, sobre el todopoderoso y silencioso ecuador, y mantiene unidas regiones separadas del mundo. Mi Diosa, esta persona gorda, pequeña y tambaleandose cuando se camina, es muy mona. Dije hace años que no podía describir completamente a mi Diosa y descifrar racionalmente nuestra relación – ¡yo! Maestro de un lenguaje altamente diferenciado – y me doy cuenta: ¡todavía no puedo hacerlo! Pero eso es lo bueno, y la cualidad especial; cuya peculiaridad radica precisamente en el hecho de que no se puede describir completamente y, a pesar del uso de todos los medios posibles, se puede capturar. Así que es este mágico “más” sobre lo racional. Y no es “más”, porque es completamente natural, y combina amor y amistad. Nietzsche dijo: El mejor matrimonio (amor) es como una buena amistad. Also sprach Zarathustra. Lo más crucial que une a las personas es probablemente el humor. Y tenemos el mismo sentido del humor. Tanto mi Diosa como yo tenemos una percepción especial del mundo, y de las ambigüedades del mundo. Esto nos une y nos hace a ambos completamente naturales. Esta vez estuvimos en Bariloche, 1000 kilómetros más al oeste. En una región diferente de Argentina, pero bajo el mismo cielo. Se dice que Bariloche es el lugar más hermoso de Argentina, o, como dicen los argentinos en su patriotismo: el lugar más hermoso del mundo! De hecho, montañas, lagos y bosques se encuentran allí, lo cual es inusual. De lo contrario, la naturaleza, en este otro rincón de la tierra, volverá a parecerse a Austria; porque allí también tienes montañas, bosques y lagos. Los siete lagos de la región son lagos glaciares e inusualmente claros y puros. Creo que se puede beber de él muchos litros. Bebí un poco de un lago glaciar cuando estábamos en el parque nacional de Ushuaia, otra vez. Ya había estado allí con mi tío Peter y mi tía Klara, en el año 2000. Hicimos una circunnavegación de Sudamérica, un crucero de Argentina a Chile, vía Tierra del Fuego. Cuando era niño, tenía un globo terráqueo. Allí siempre me ha fascinado: Tierra del Fuego. ¿Qué puede ser este rincón completamente diferente y casi definitivamente último de la tierra? ¿Qué es una Tierra del Fuego? ¿Arden las últimas luces allí, brillando, tal vez como aberraciones, antes de que uno se pierda en algo definitivo, en un área de existencia realmente diferente, en la dimensión plana de la finalidad (el océano, el hielo)? En el año 2000 estuve allí; y, casi exactamente, 20 años después de nuevo, con mi Diosa. Cómo vuela el tiempo. En Ushuaia, la naturaleza es similar a Bariloche. La ventaja de Ushuaia es que te sientes allí en el fin del mundo, ya que también se anuncia turísticamente. Hay algo ligeramente romántico y fascinante en sentirse en el fin del mundo. Durante varios años ha habido un enorme Hard Rock Cafe allí. Tanto a mi Diosa como a mí nos gusta el hard rock. Fue mejor cuando estuvimos allí, y tocaron Kiss Them For Me de Siouxsie and the Banshees allí (y también algunas otras cosas buenas, y no tan cotidianas). Se trata de una canción muy bonita, un poco de otro mundo (que al parecer alude a la muerte de Jayne Mansfield), que así nos dio estancia en el Hard Rock Cafe más remoto (como la rama de nuestra conocida civilización occidental) del mundo, a una hora tardía, cuando ya estaba bastante vacía, algo a la vez muy real y conocido – pero en él inesperado –, así como algo ulterior, algo de otro mundo y como un fuego fatuo. Ese fue un momento en el tiempo que tiene muchas cosas en él, y que probablemente recordaré para siempre; lo cual me queda claro. Por supuesto, también había cuatro jóvenes chinas en una mesa auxiliar, y por una vez mi Diosa ni siquiera estaba fatalmente celosa de ella. Aparentemente, todo este paisaje de trance también la ha calmado y ha hecho que su interior flote ligeramente. En Ushuaia estábamos muy unidos. En Ushuaia se unen los hilos, las coordenadas de nuestra existencia, quizás incluso más que en Londres o Nueva York. Otra canción que me gusta de Siouxsie and the Banshees es Stargazer. Esto, también, tiene algo irritante, de otro mundo, como si fuera una extraña danza en las últimas regiones del mundo conocidas por nosotros o en las ramificaciones trascendentes de nuestras mentes, nuestra imaginación.

Así que ya hemos vuelto a las estrellas y las constelaciones que ordenan el cielo ilimitado. Las estrellas parecen estar mirándonos y construyendo perspectivas inamovibles sobre nosotros. Mi Diosa, también, en su percepción muy especial, tiene una perspectiva inamovible y absoluta del mundo. Ayer cocinó Zwiebelrostbraten para cocinar algo austriaco. Me encantan sus movimientos lentos y silenciosos cuando cocina o trabaja en su jardín. Ella parece estar de alguna manera completamente de su parte, e inmersa en el momento, es decir, lo que las mujeres asiáticas están tratando de lograr con su taoísmo y cosas similares, pero que rara vez tienen éxito. En tales situaciones cotidianas, siempre noto que mona es mi Diosa. Una vez que se haya ido, se habrá perdido una perspectiva única, una visión única del mundo. Pero es precisamente por eso que se conservará, en el ámbito de las cualidades, mucho tiempo hasta que haya pasado el tiempo humano; y despreciarnos desde allí, rígidos e inmutables. Y mi relación con ella también es tan rígida e inmutable como la de Acrux y Becrux entre sí, que abarcan la Cruz del Sur. Eventualmente, Acrux y Becrux también saldrán; pero entonces al menos sus restos estelares permanecerán y permanecerán en relación entre sí. Todo esto está más allá del tiempo humano, esto es casi en la eternidad, donde tiene lugar la relación entre mi Diosa y yo. En algún momento, más allá de todo el tiempo humano, la eternidad y la imagen de la eternidad también cambiarán. Luego solo hay rastros abstractos de estructuras que alguna vez estuvieron presentes. Me gustan estas estructuras abstractas. Y me gusta que algún día seremos un rastro abstracto de una estructura que una vez existió: mi Diosa y yo. Toda la vida un sueño, ininterpretable.

Liliana MedinaSoy muy afortunada ,que mas puedo decir ,conocerte y poder acompañarte ,tenemos una conexion que nadie podria entender ,y no se que designio nos unio pero asi fue ,ahora entiendo tu fascinacion por las estrellas la Cruz del Sur y tus recuerdos ,estoy muy conmovida y lamento que te tengas que ir y mi ignorancia para describir lo que siento ,pero no necesito explicarte nada ,vos sabes ,mas que yo de mi y te agradezco tanto tu paciencia ,te amo pero no fisicamente ,es algo ,que no se puede explicar …

The Wokeness of Emily Dickinson

Emily Dickinson was the strangest poet who ever lived. If the doors of perception were cleansed every thing would appear to man as it is, infinite; says Blake, another poet. Emily Dickinson had the Master Perception. She raises her head and gazes, and permanently windows slam open, window after window, into the indefinite. Her perception is way faster than the stickiness and inflexibility of them processes in the world — devilshly fast thinker she was, incandescent — so it seems, her perception is experimental per se, as she establishes multiple perspectives on each and every thing, including her own perception, calculates them through – and possibly discards them: —- all that emanates from her —- occassionally very tiny —- poems.

I dwell in Possibility

A fairer House than Prose

So – if you look at her poetry, you seem to get offered a glimpse into what – Enlightenment, means —: the comparative to Wokeness. Wokeness means that you are able to deconstruct identities — in order to – possibly – get to the „real thing“ of stuff, the enigmatic core, the Ding an sich. And to naturally adress it, to establish authentic communion with it. It means to develop a Naturalness that adresses given identities in a natural way. The Authenticity thing. / Wokeness sees through identities and deconstructs them – them identities do not persist — or they get reaffirmed in a better way. In a more authentic way. You may finally reach the Platonic Ideas behind identities. You confront your own identity. Most lucidly, you transgress your identity and become intellect and perceptiveness. Finally, your intellect and perceptiveness encounters itself. That is, then, the transcendental place. That – nevertheless – necessitates a bumby ride: — Wokeness is – of course – something ironic: since we do not know what given identities – and what they possibly reveal and conceal – actually are. So, if we take Wokeness seriously, we dwell in possibilities (yet – usually – to establish a House of Prose: of the Possibility of final Belonging). Irony, in itself — and opposed to sarcasm of cynicism — means that you are willing that take things more seriously than you seem to do (with cynicism it is the other way round): Wokeness  means heightened Awareness :: Wokeness means taking stuff seriously. Irony means taking stuff seriously, and more serious than it appears. Both Wokeness and Irony mean a perception upon the World that includes the Possibility for Change, for Transformation, for Becoming. With maximium Wokeness – you finally dwell in Possibilities. This is the „experimental“ nature of Emily Dickinson´s poetry; and of the transcendental mind. How unquiet!

One need not be a Chamber – to be Haunted –

One need not be a House –

The Brain has Corridors – surpassing

Material Place –

That´s fucking spooky! It is true: Emily Dickinson and her poetry seem somehow uncanny, and like a Haunted place. (She/it radiates unpredictability, and people that appear unpredictable appear creepy. Apperaring unpredictable is characteristic No. 1 that makes individuals appear creepy to others! So, their unpredictability isolates them. Yet it also means that they are able t)o establish their own territory.

Best Things dwell out of Sight

The Pearl – the Just – Our Thought –

Most shun the Public Air

Legitimate, and Rare –

The Capsule of the Wind

The Capsule of the Mind

Exhibit here, as doth a Burr –

Germ´s Germ be where?

We said there above: The goal of the Wokeride would actually be considered establishing a final House of Prose: a House of final Belonging. The goal and the meaning of life seems not identical with Dwelling in Possbilities all the time – you finally will want to settle the score and move into a pacified House of Prose. Einzug der Götter in Walhall. / Yet: Germ´s Germ be where? Oddly enough, the supernomadic poet Emily Dickinson never left her house and ground as she reached artistic maturity. Nevertheless —- in stark contrast to her hermit-like lifestyle where she was profoundly „at home“ and „agoraphobic“ to the other extreme —- in the expressions of her artistic maturity (her poetry; and letters) Emily Dickinson appears driven by frenzy, appears as always being on the run, nomadic, and dislocated — her poetry appears as fragmented, with no beginning and no end. Wherever I may roam. —- Her poems are considered „unstable“ [You have to understand – however – that true poetry and art (and reflection) appears unstable always: since it is about switching between motif and background. All the world is motif and background! Such is the structure of the world. A motif appears from, emanates from a background / and the background is illuminated by the motif. Enlightenment, Satori means that you are able to switch between motif and background instantly – and therefore mimic „the Real Thing“] Yes, in a way they both seem to erect and collapse in themselves …  That accounts both for the style and for the message —- there is as well Joy and Satisfaction in her poetry, as well as an – unusual amount of – Morbidity and insight into Vanitas…

I reason, Earth is short –

And Anguish – absolute –

And many hurt,

But, what of that?

I reason, we could die –

The best Vitality

Cannot excel Decay,

But, what of that?

I reason, that in Heaven –

Somehow, it will be even –

Some new Equation, given –

But, what of that?

Yet, strangely — and as you can see in there — also Morbidity and Vanitas seem to get left behind and thrown to the garden dump in the Dickinson Universe. Sister, is your Wheel spinning so fast that even the things supposed to have the final say, the eventuality of decay – that escatology itself seems to get left behind? Existence – it is all a „Cosmic Joke“, as they say. Yet, actually, in the Dickinson universe, stuff is neither, then, „cosmic“, nor a „joke“. Is this a place where you want to be? Emily is ghostly! – Finally – and how it has often been considered – Emily Dickinon´s poetry seem to come to — nothing. And she herself reduced to a ghost-like Nobody.

I`m Nobody! Who are you?

Are you – Nobody – too?

Then there´s a pair of us!

Don´t tell! they´d advertise – you know!

How dreary – to be – Somebody!

How public – like a Frog –

To tell one´s name – the livelong June –

To an admiring Bog!

Nothing and feeling like being nobody is – of course but – a sentiment that is not too uncommon for anyone – notably not for the true poet. Occasionally feeling so is a part of the human experience. And when you finally reach the center of the mind, plunge deep into the feelings, you arrive at a state of Nothing, or of convulsion, or whatever it may be. Some strange state. — Nothingness, however, is also attributed to a most elevated state of mind. It is linked – again – to Enlightenment and to Satori. Nothingness and being Nobody means purification of the mind and maximum spiritualisedness and refinedness. Nothingness is what people try to achieve who want to emanate Somehing – the most pure and most underivative of Somehing. Nothing stands in relation to a pure Somehing, and to a pure Everything. Nothingness and being Nobody is having achieved pure perceptiveness.

By homely gifts and hindered words

The human heart is told

Of nothing –

„Nothing“ is the force

That renovates the World –

Nothing is the opposite of Everything, of the All. And the Enlightened Mind, the Woke Mind, means the Consolidation of the Opposites. By being Nothing and Nobody, you let the world in – you´re on top of becoming Somebody. By letting Reality in, you become the most Real / Authentic of all – and Wokeness, as we reiterate, is about letting Authenticity in. Being Nobody is the Negative of being Somebody, i.e. an Identity. I.e. it is a necessary complement within the dialectics of establishing, transforming, reaffirming identities. Being Woke so is being aware of the Nothing and Nobody component. Else, there´s no true Wokeness. Being woke about being (partially) Nobody is good. – Poets usually carry inferiority complexes, hidden underneath. That is because they usually refer to themselves as Somebody – therein they are slaves to the principium individuationis. They want to achieve perfection – without knowing what is „perfection“, respectively, how it looks like. Perfection usually refers to some ideal of classic stability, something erect and frozen :: Yet the final thing is a dual mix of stability and instability – such as you have it in the poetry of Emily Dickinson -> Emily Dickinson – to a considerable degree – therefore had no inferiority complexes. / The poets – they want to get to the „Real Thing“, want to take away the curtain and reveal and unmask the Master Pupeteer behind it. Heck, what is the Real Thing? The Platonic Ideas? Is there a Master Pupeteer principle that governs reality? (Provisional answer: Authenticity is the Real Thing.) Fuck, this easily goes over the head. That many things! They seem to dissolve in a giant Whiteness.

A Spider sewed at Night

Without a Light

Opon an Arc of White –

It is considered that Emily Dickinson dwelled opon that Arc of White. An extreme border crosser between the Rational and the Irrational, between what can be said and what dissolves into silence or becomes muted as feeble human intellect tries to catch it, a Wanderer between the worlds, that blinding Whiteness is also referred to as a „danger zone“ (between genius/sanity and madness). Whiteness refers to all-encompassing light and vision, yet also to a destructive undifferentiatedness and loss of intellectual and mental capability. It seems to symbolise a primordial beginning, an end, and an intermediary, transitional state. — Also, for the most practical part, Emily Dickinson maintained a most privileged relation to Whiteness: As she matured, she would only dress in white clothing. As she died, she carefully had her funeral orchestrated in advance, including her being buried in a white coffin. — White – again – is the Nothing, and the All. White is the zone of (enlightened) indifference. / Fernando Pessoa once said that having all the opinions at once means being a poet. Pessoa was a very great and transcendent poet as well — therefore got equally ignored during his lifetime — though probably has not ascended to equal level of perception as did Emily. / When you have all the opinions and viewpoints at once, you are enlightened; and when you are enlightened, that means that you see the White Light (the White Light from the Mouth of Infinity)

Publication – is the Auction

Of the Mind of Men –

Poverty – be justifying

For so foul a thing

Possibly – but We – would rather

From Our Garret go

White – unto the White Creator –

Than invest – Our Snow

The Garret: —– That is – likely – the highest state of the elevation of the mind. We referred to this as the White Lodge. Once you learned a lot, tried to sort everything out (carefully!), tried to understand all the opinions and viewpoints at once, you (hopefully) enter the White Lodge. The White Lodge is a state of the intellect (and of the soul) where everything you have learned and gone through, all those traditions and ideologies finally dissolve/add up to a pleasant whiteness. It is a state of intellectual and mental bliss. You see, a wave comes around: that is some circumstance, or an element of a theory or an ideology, you recognise it, it passes by, leaving you both affected and unaffected. The White Lodge is a state of permanent questions and wonder as well as of permanent solutions and answers. When I was younger I used to wonder: What is deeper down inside the White Lodge? What is – possibly – at its center? Is the world´s secret? Must it be the world´s secret? Emily Dickinson clearly was a creature inhabitating the White Lodge as well. All the signs are clear. A case of Whiteness and Clearness, again. So what would she investigate about it? :: You have the immense vast extent of her thinking – time and again. Yet is her thinking – and feeling – time and again and forever —- puzzled, without orientation, and disjointed? (Also implying: IS there orientation and a final connectedness — an Absolute — in the World – or is the World itself only an addition of disjointed histories (held together, if ever, at best by a delusional Paranoia?)) Is she/are we cursed to dwell in Possibility forever (or is there a House of Prose)? What is at the center of the White Lodge? Germ´s Germ be where?

Experiment escorts us last –

His pungent company

Will not allow an Axiom

An Opportunity –

—– There she seems to go again: Dwelling in Possibilities, seemingly forever, a floating ghost, an Unbeliever. – Yet – behold! – as every thing that emanates from Emily is of extreme compactness, directedness and rigidity all alike! She is just the opposite of anything underdetermined and contourless as well as she is the Master Fog. Her poems appear unstable, inherently experimental, fragment-like. But! – they also strike to be and shine as extremely robust! They say her mind and her poetry seems like fleeing in all directions, yet her poems much rather seem (extremely) tight knots that keep it all together. They seal everything tight – from the top left corner not only to the Finale, and not only from the opposite viewpoint all alike: Every dot in her poems seems inherently tied to any other of them. Masterworks of density they are, seemingly held together by some extremely potent gluons. – Emily Dickinson, Lady of Steel. –  It even seems they are so packaged and packed in themselves that they want to reach the shape of a minimal surface, if not collapse into a black hole and a singularity itself (Ah! That seems what I´ve been doing and what I wanted to do all my life, Emily probably would say – Heureka!, if she got introduced to modern mathematics and physics). () The more intelligent people are, the more telegram-like their communication style gets. And Emily Dickinson surely had the intelligence of Christian Heinrich Heineken or Abu Rayhan Muhammad ibn Ahmad al-Biruni. Very extremely intelligent people, who are beyond this world, even use to – consequently – communciate in some apparently insular style, I notice. They bring up things, reflect them, and conclude about them, all at once. And Emily Dickinson´s poetry is quasi the most insular. ³² Creativity means being able to blow things up, and intelligence means that you are able to keep them together. Creativity means that you are able to create and inspire Truth, intelligence means that you are able to find and have insight into a Truth, that is out there.

This World is not conclusion.

A Species stands beyond –

Invisible, as Music –

But positive, as Sound –

It beckons, and it baffles –

Philosophy, don´t know –

And through a Riddle, at the last –

Sagacity, must go –

To guess it, puzzles scholars –

To gain it, Men have borne

Contempt of Generations

And Crucifixion, shown –

Faith slips – and laughs, and rallies –

Blushes, if any see –

Plucks at a twig of Evidence –

And asks a Vane, the way –

Much Gesture, from the Pulpit –

Strong Hallelujahs roll –

Narcotics cannot still the Tooth

That nibbles at the soul

Due to its ability to reflect, the intellect is constructed in a way to look for further truth, and to assume that there is further truth than woMan encounters in the given world. We use to be attracted – at least – to some Absolute, some Conclusion that lies beyond this visible world and mortal coil. Truth is out there, and is primodial and eternal, she reasons (at least under the premise that there is a God).

Truth – is as old as God –

His Twin identity

And will endure as long as He

A Co-eternity

Enlightenment means that you want to find out Truth. Truth, however, also means that this world is finite. That is to say, your Enlightenment and your Wokeness probably isn´t so flashy and so full of endless Possibilities as you would´ve imagined. After all, Enlightenment only means that you see the same things like common woMan – solely from a perspective from about one meter above. So teach us the Masters of Zen. Yet with an understatement of course. Enlightenment means that your mind serves as a flashlight that illuminates this world. And that illuminates what is right and what is wrong, and what are the possibilities in this world and what are the limitations. The specific quality of Emily Dickinson´s poetry probably is that it lets the world shine, reveals this world in this flashing light. Her mind became that flashing light, that source of White. A flashing light that sees through identities, deconstructs them or reaffirms them. That dwells in Possibilities – and in limitations. In her Dwelling in Possibilities, Emily Dickinson was well aware of the limitations of this world (which is what makes her oeuvre so uncomfortable at times). – Quasi-infinite or quasi-limitless are the Possibilities however once you´ve reached a fixed point in the Transcendental. The Transcendental – the Possibility that there can be Possibility – is like a source from which it all stems out. The Transcendental is a simple structure, like a corner in a room, from where it all comes out, all the Possibilities… /&%{[8}\²__________@µµZ    – As you sense, Emily Dickinson managed to reach the Transcendental. It is not likely that her specific poetry could be trangressed. That there are Possibilities beyond its horizon. – In terms of identity politics, Truth is reached when one has reached true identity and is at peace with that. One has to be glad to be oneself, and not someone else, Emily Dickinson told T.W. Higginson in a private conversation. Identity politics means reaching an identity that is at peace with itself and with society; respectively that you become somehow independent from society. Emily Dickinson´s specific identity – as a transcendental creature – was that she was no creature of Society; but floated above it. — And then, yet – what would be a final say – the Transcendental – about life?

To be alive – is Power –

Existence – in itself –

Without a further function –

Omnipotence – Enough –

To be alive – and will! –

`Tis able as a God –

The Maker – of Ourselves – be what –

Such being Finitude!

The transcendental thing about our existence is – Existence itself. There can be reflection about Truth and Possibilities, and there can be poetry, and there can be identity politics only because there is – Existence. The primary metaphysical question is: Why is there Something and not just Nothing? Emily Dickinson´s state of Enlightenment and her poetry is different from the state of Eastern Enlightenment and the poetry of the Zen Masters. In the Eastern tradition of Enlightenment, the principle of Nothing somehow triumphs over the principle of Something – and the Somethings in this world are considered an illusion/delusion (about which one should not be too worried and preoccupied: that is, then: Enlightenment). Yet Emily Dickinson is – also therein – profoundly American and Western. In her eschatology, it is Something that triumphs over Nothing. It is Being that triumphs over Nothingness. Being > Nothingness. <> Emily Dickinson´s poetry is about displaying the vibrations of the Somethings. Her poetry is analytical. Eastern Enlightenment is (passive and) unscientific. Behind Emily Dickinson´s poetry there is a scientific mind, and her poetry is – not pacified, but – agitated.

In more earthly terms, Emily Dickinson´s poetry and the state of her mind displays a maximum of Vergeistigtheit (refinedness). A maximum state of Vergeistigtheit inherently means a floating state over the material world. Therein, it may appear „ironic“, dwelling in Possibilities, or deconstructive about identities. Such an elevated mind apparently can take nothing truly serious – although, of course, it tries to, and strives to. It´s too big for this small world. And that´s ok, since it is: Mind over Matter. Mind > Matter. <> Perhaps humans on Earth are the only intelligent species in the universe. The universe is extremely vast – yet being the only intelligent species in all this vast universe makes you – not only feel lost but – a phenomenon of highest quality – that somehow rules in the universe. Being the highest among human intellects tops that again. – The irony is that – not only that this phenomenon of quality happens in isolation – but that the powerful mind of quality needs a body, needs the material world. Therein, the mind is prone to decay and it sooner or later ceases to be. It falls prey to the stupidity and indifference of matter. On occasions, the mind may produce something of transcendence, something of value, that then seems „eternal“ and overpowering the decay of matter – partially at least. Actually, any mind somehow has a sense of being robust and „eternal“ and overpowering the purely material. That´s the gravity of the mind, that is the gravity of the human soul. At the maximum level of Vergeistigtheit, you sort out that the mind is an extremely powerful and eternal thing; as well as a feeble one. It can change something in the universe and make an impact – and yet there are also limitations to it. The thing is that -> mind and matter are different orders. They run alongside each other, or their paths run in distinctly different directions on other occasions. Emily Dickinson´s poems are both powerful and – in some ways – feeble. Feeble, in their ellipsis, their fragmentedness, and their seeming indifference and their double nature of seeming eternal insights and then also occasional and temporary ad hoc ruminations from the kitchen board. (Feeble – in that Emily Dickinson had – when being terminally ill – her funeral orchestrated carefully in advance, but made no preperations about how to handle her oeuvre over to posterity. Powerful – as she probably was convinced enough that her oeuvre would manage to hand itself over to posterity and to great glory by its (so called) own means.) __ The most refined mind will be able to gaze into the so called realm of Platonic ideas (- or whatever it (the Absolute, or so) may be). Yet, these ideas, these apparitions of the Absolute, are mere – ideas. They are virtual entities. They are high abstractions from perceptions, done by the refined mind. They are – refined and vergeistigt. That is to say – there is nothing, anymore, „behind“ them. Nothing to be further sorted out. That makes them appear both heavily present, as well as „flat“. Emily Dickinson´s poetry is a vision of the last things that the human mind can capture. Respectively, of the last true state of the world – oscillating between cosmos and chaos, stasis and dynamics, creation vs decay, etc. – that one can have insight to. Her poetry is a vision of the Chaosmos. And they are – finally – refined Visions. (i.e. present, and evasive)

In order to truly have vision of the Chaosmos, you need to be a negatively curved entity. Emily Dickinson happened to be a negatively curved entitiy. A positively curved universe means that it is curved like a sphere. When somehing is shot off from its place and being put on the run, that means it will finally return to its initial place. A negatively curved universe is curved like a saddle. Alongside such a trajectory, things forever flee and evade, once they are set in motion. They get out of sight. They are on a Line of Flight. Some day their centuries will possibly be called Deleuzian. All my life I tried to get away from myself, confessed Duchamp, the Holy Ghost of 20th century art. The eternally open universe – and the eternally open intellect and soul – are of negative curvature. It is difficult to envision and bring to mind a curved universe. Even more it is difficult to envision and bring to mind stuff of negative curvature. That confuses people. There are no true Anschaungsformen for that. Emily Dickinson was of negative curvature – and her poetry may serve as an Anschauungsform for the negatively curved intellect. That makes it difficult to decypher. Although it is not too difficult to decypher at all. It´s just the negative curvature, stupid!

Emily Dickinson´s very idiosyncratic writing style – and also way of living – probably stemmed out from a schizotypal personality disorder. Mary, the wife of T.W. Higginson – a literary critic, with whom Emily managed to be in contact with over the years – lamented about why „all the lunatics would feel so attracted to him“ (therein indicating that she considered Emily Dickinson to be a lunatic). – T.W. Higginson was well aware of the eccentric lifestyle of Emily; though maybe not necessarily considered her a „lunatic“, probably would not go that far. Yet his wife, Mary, naturally did. T.W. Higginson probably did not consider Emily Dickinson to be a lunatic, but his wife – Mary – did! T.W. Higginson was a prolific literary scholar (and today we use to saturatedly agree with him), but his wife (Mary) was a woman – i.e. she got the faculty and spoke out of female intuition. And as they say, female intuition tops everthing else. So possibly Mary had a more profound – had the true – insight into Emily Dickinson´s very nature. – Maybe Emily Dickinson was – apart from her genius – actually somehow off her rocker! Emily Dickinson would implicitely deny that, as she also told T.W. Higginson that one must be glad to be oneself, and not someone else. Mary considered that to be an erroneous assumption if Emily related that statement to herself. And again: hers is the female intuition! But then: Also Emily´s would be the female intuition! So, it ends up being -> female intuition vs female intuition! That, of course, happens quite often. Women talk; men stay silent: Therefore women are anathema to me –T.W. Higginson noted from a private conversation with Emily Dickinson.

I fear a Man of frugal speech –

I fear a Silent Man –

Haranguer – I can overtake –

Or Babbler – entertain –

But He who weigheth – While the Rest –

Expend their furthest pound –

Of this Man – I am wary –

I fear that He is Grand –

Then there are also – as other part of her oeuvre – Emily Dickinson´s letters; which are held in almost equal esteem as her poems (nowadays). I still do not know what to think about them. They confuse me a lotta more than does her poetry. Although they are – by nature – much more intimate – I find them distinctly more evasive and abstract. Of course, they are not written to me. Yet – I wonder to whom they are, finally, written. Naturally, her letters are highly intelligent. But, above, they deem me aloof. I actually ask myself how much Emily Dickinson had a relation to herself, and to others. Indeed, her letters deem me weird and autistic, and difficult to decypher. Writing letters was one of the few forms bourgeoise women could express themselves artistically. Therefore you may expect a mixture of high sophistication and neurotic extravagance in them. And this is also what I seem to get from the letters of My Dear Emily. There she seems to go, Dwelling in her Possibilities, again. Or: above all. Maybe also she was a creature of a Will to Power, and wanted to overpower the recipients of her letters (or at least impress them). T.W. Higginson found her „very attentive“ and caring about other people´s needs – yet also talking a lot, and not too often interrupting herself. Never, he admitted, he had encountered a person whose presence alone was so demanding and exhausting as Emily Dickinson´s. I think her letters also are quite wry and dry as concerns their power of expression. In the usual bombast language of literary criticism some scholars admit that they´d like to „quote sentence by sentence out from these letters…“ – yet I have to say that I did not find a single quotable expression in her anthology of letters. Therein, she also seems somehow detached from herself. – I repeatedly ruminated that there is hardly any good poetry: as it is commonly considered the most condensed expression of the human soul – and the human soul simply is not that extensive. The poetry of Emily Dickinson is a notable exception. Yet I notice that there also are hardly any good letters, even if we look at the letters of the greats; since humans, as it seems, are actually not that romantic inside. Maybe, at least here: Emily Dickinson seems to fit the bill.

This is my letter to the world,

That never wrote to me, —

The simple news that Nature told,

With tender majesty.

Her message is commited

To hands I cannot see;

For love of her, sweet countrymen,

Judge tenderly of me!

—— And do you know what?? I wanted to write about Emily Dickinson before, already a while ago. But when I read her poems again (at that time for the fouth time in my life), on that behalf —- I suddenly found them to be uncannily dull and without true substance nor message – apart from some exceptions. When I read them again – now for the fifth time – they were A-okay for me again, like before. – It is strange, but such things happen. Reading stuff again (and again) should make you receive somehow different impressions from it – although not on such a level of divergence. Alas, yet also that may happen. It also happened to me when I read Kierkegaard for the fourth time – when I happened to find Kierkegaard relatively pointless (-> in my Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken). I admit I was somehow confused by Emily Dickinson´s poetry (and also by Kierkegaard) initially. — I am also confused about why a shitty band like Cannibal Corpse is held to be the leading band of the death metal genre, or what would be so cool about Rush. — I try to overcome that by giving it second, third, or even many more tries. Maybe, in doing so, I might also come to terms with her letters.

I also want to mention that this was a complicated text to write – starting from the scratch of sewing the selected Emily poems somehow together. It took me about a month to finalise this rather tiny piece.

The Destructiveness of Adolf Hitler

Adolf Hitler had a paranoid personality disorder. He feared and felt persecuted by Jews and Bolshevikes and, therein, projected his own hatred and anger and need to dominate over others into them. He externalised and inflated his inner psychological dynamics of feeling persecuted by others and need to subjugate others (in the first place) into the idea of a black-and-white race struggle and war of mythic proportions. He projected his ego and his need for grandeur into Germany, respectively the Reich, and tried to establish German/“Aryan“ hegemony over Eurasia, if not over the entire world. He did not have actual practical political goals, but tried to achieve a national „redemption“, a mythological Erlösung – out of feeling deeply uncomfortable inside. He did so out of a sentiment of (Germany) being undeservedly weak, constricted and humiliated, being a victim of treason, whereas he would bring justice in establishing proper balance again. He was both a capable politician, if not a political „genius“, an inexperienced person who could nevertheless outmaneuver others and his countless opponents, a gambler with a distinct sense of how to play out his cards at the right moment, and he achieved triumphant successes; yet his nemesis was his distinct inflexibility and unimaginativeness in seeing or accepting alternatives once the tide had turned against him, his bloated ego, spoiled by his successes, and him being a gambler and adventurer – instead of a strategist – until the last. Like many paranoid people he had an uncanny insight into human nature, but, in his hubris, was far better in detecting the weaknesses in others than their strengths (therein underestimating them). He prided himself of his willpower and caused millions of deaths and destruction when, after his waging of war had become defensive, he claimed that the war still could be won by „willpower“ alone – whereas in reality he was much of a lazy drifter, unable to change much about his situation by his own means, and his „willpower“ was his blatant egoism and psychological inflexibility. He became persecuted and obsessed by his own ideas and defense mechanisms and could not establish any critical distance to them, while at the same time he was cynical and did not really and truly stick to anything, apart from the integritiy of his own ego. According to Erich Fromm, who psychologically evaluated Hitler in his Anatomy of Human Destructiveness, Hitler lived in a world where nothing was completely true and nothing was completely false or wrong either – apart from the need to preserve the integrity of his own ego, as we might add.

When we look at Adolf Hitler as a person, we observe that he had been a very narcissistic individual, dreaming of grandeur and seeking to be a (dominant) „leader“, along with an obviously strong sense of entitlement from early on. His favorite – if not only – activities in his earlier childhood were playing war and adventure games with other children (with him being the leader) and daydreaming. From early on, and throughout his life, ne never liked to work, he never liked to learn and he never organised his life into a routine that is also accomodating to others. When he encountered authority, he reacted spitefully. Hitler´s father was an authoritatian and unfeeling man, yet also a talented social climber from humble beginnings and not without qualities. His mother was soft and loved and supported Adolf. He had a hard time coming by with his father, but he did not suffer childhood traumas or anything that would explain his (later) behaviour. Rather it seems that in the case of Hitler the genetic loading by his father was taken to something much worse. Most outstandingly, Hitler could not tolerate setbacks or being played or dominated by others. In such cases he would become very revengeful and bear longstanding grudges. In the case of paranoid people it´s as if they feel virtually annhiliated when they experience setbacks; they both have a grossly inflated ego as well as an ego almost reduced to zero. The wickedness of their psychology is that they cannot mediate between these disparities, and moreover, that they want to reduce their offenders to nothing – and they are easily offended. The vacancy of their ego is an indication that they do not have a true self. And they do not have a true self since they lack much of a constructive emotionality. Anger, envy, megalomania, paranoia, callousness and lack of attachment to others are the their defining emotions. Since they lack a true self, they easily project them into someone or something else. Hitler, from early on, hardly had any friends, nor the desire for attachment to others. He liked to look down on others. It is not even clear how much he truly felt for his mother.

In his youth he discovered some interest and talent for painting and wanted to become a painter, respectively an artist, and developed grandiose fantasies about that. He especially admired, or almost projected himself into Richard Wagner (a paranoid character himself) and his missionary vision of an all-encompassing art that would spiritualise and rejuvenate Germany and lead to „salvation“ and „redemption“ (that specific desire for Erlösung could be interpreted as a desire for a person feeling uncomfortable and constrained in herself, to finally get released from the incubus they experience in themselves). Unfortunately for the world, Hitler lacked the talent of Wagner and failed to become an artist. Having left school prematurely (due to his disdain for other´s authority over him), having lost his father and his mother and, finally, financial support, he degenerated into a drifter, living as a humble painter in a residential home in Vienna, unable to improve much about his situation. That he was not accepted at the academy of arts was a huge setback for him, draining his (little) energy; in the residential home he nevertheless could feel intellectually superior to most of the other stranded individuals; in way he had accomotated himself and would probably have drifted through life in a similar fashion forever, had circumstances not changed. When the war broke out he volunteered, finally seeing a possibility to alter the course of his life and, moreover, to fight for the glory of the Reich. He was a commited soldier and enjoyed the Kameradschaft in his batallion, although he remained a distant and eccentric loner to his comrades all the same. His superiors did not promote him too much and prevented him from becoming a superior over others as they noted his arrogant – and actually not leader-like – character. The creature that mattered most to him during the war was Foxi, a dog.

The defeat of the Achse in the war came as a devastating blow to him, causing immense feelings of „shame“ inside him. Like many others he escaped into the fantasy of the Dolchstoßlegende, that Germany had only been defeated by treason commited by socialists, by a shady enemy inside. After the war he tried to remain in the army as long as possible, since he did not know what to do else, making him all the more desperate and upset. After the short-lived communist putsch and the Räteregime in Bajuvaria in 1919, most parts of the army had become vigilant and obsessed with the danger posed by socialism and communism and so they promoted the anticommunist Hitler and others as observers and contact men between the army and the political scene. During seminars Hitler (and his superiors) discovered his talent for being an agitator and being able to quickly defeat others rhetorically (paranoid people like to be argumentative and are able to invest a lot of energy in it). The proto-NSDAP discovered that talent in Hitler as well. He became a member and soon indispensable as he quickly attracted large growds that would listen to the eccentric, very unusal agitator. The fierceness of his speeches and his behaviour impressed many people. They saw his furious dedication as a sign of honesty and sincerity. In reality, Hitler´s speeches largely were about the sentiment that Germany had been betrayed and humiliated, a sentiment that many people shared. Hitler´s talent as an agitator was based on this own bubbling paranoid resentments – that made him become so furious and desperate about allegedly having been betrayed and scaled down by others and trying to seek revenge, respectively „justice“, that, in his rage, he appeared „authentic“ and true to others.

In the early 1920s Hitler, despite being a right-wing agitator, was much of a bohemian and much of his behaviour was awkward and clumsy – which nevertheless fascinated all the more conservatives and nationalists from the upper class who tried to promote and educate Hitler (including the Bayreuth circle which saw some kind of Siegfried in him). His manner of being superficially polite and calm, modest and even diffident in the encounters with others, and apparently being somehow unworldy and naive (therein all the more authentically quixotic) made him appear much more approachable and easy to be influenced – and human – than he was. To women, he used to be superficially galant and impress them by displaying typical „Viennese charme“. His odd chaplinesque looks made him appear not only singular, unmistakably and iconic but also, in a way, harmless and likeable. Yet he was rhetorically brutal and fieverish when it came to expessing his political aims and his ideology. Out of a pathological feeling that Germany had been humiliated and betrayed, he ardently opposed the Treaty of Versailles and promoted the reinstallment of German national glory (and imperialistic expansionism); therein suggesting that he would only bring justice to the national destiny (which is a much more motivating force concerning attracting the populace than nationalism per se). He was anticommunist and promoted fear from Bolshevism. He would introduce a „national socialism“ designed to balance the interests between not only labour and capital, but between all the different social strata and milieus of German society, therein offering a harmonious and pridefull vision of broad appeal. He promoted authoritarianism and strong hand rule that would defeat the present „chaos“ (and release ordinary citizens from the resposibility to engage in politics, apart from being obedient to the benevolent leader). And he promoted antisemitism and sought to trace back all the current misery to the malicious impact of „the Jews“. What made Hitler so attractive was that he formulated his political goals and his political struggle (which actually was all the more his idiosyncratic inner struggle) in mythical and eschatological terms – since, in his paranoia and megalomania, he actually experienced it as a quasi-cosmic struggle between archetypical principles. He made an overreaching ideology out of it, implicitely and explicitely carrying missionary zeal. He constructed not only „Jews“ but also „Aryans“. He promoted not only an eschatological and heroic struggle between good and evil but a vision of purity and redemption. National socialism was an all-encompassing philosophy and a lookalike to a religion. What distinguished Hitler from all the other Nazis and legitimately made him their leader was that he was a visionary, moreover, that he was consumed by his vision and enlivened it. Antisemitic philosopher and member of the Bayreuth circle Houston Steward Chamberlain saw in Hitler a singular individual that would not only talk like an antisemite – like so many others – but also dare to act and lash out. The Beer Hall Putsch of 1923 also demonstrated that Hitler was willing to act and to cross red lines. After the Beer Hall Putsch and after Hitler being released from prison in 1925 the fascination for the Nazis had ebbed. It was the Great Economic Depression ignited in 1929 that catapulted the NSDAP in strong positions and ultimately into power.

Despite his bragging about having had original insights into the wicked nature of Jews (being not a different religion, but a different, and antagonistic, race) from early on, historians note that Hitler´s hateful and commited antisemitism only emerged when he had already been a mature man, notably after the defeat of Germany in the Great War. His antisemitism is seen to have remained more under the surface in his days in Vienna, where antisemitic remarks by him did happen, but remained more anectodal (he would even say positive things about „Jews“ all alike back then, for instance that they had superior cultural taste). Yet this does not mean that he already had strong antisemitic tendencies back then. Most recently, evidence was traced that Hitler had already been more or less commited in this antisemtism in the days of his youth in Linz. (There once was a book by Australian author Kimberly Cornish that claimed that the young Ludwig Wittgenstein (who was Jewish) was to blame for Hitler´s antisemitism; both went to the same school and Wittgenstein allegedly irritated Hitler with his intellectual supremacy, triggering deep resentments inside him. Yet those claims did not have much impact in the scientific community.) Antisemitism is a paranoid scheme that stems out of fear and envy, and from anxiety from some „other“ that is alien, chaotic and cannot be integrated into one´s proper society and territory. Yet it was Hitler´s extreme paranoia that sought to identify Jewishness with a destructive and evil antagonistic world principle per se that needs to be aggressively confronted, that finally needs to be rooted out. It´s as if Hitler had projected his own evil and megalomania, he himself being an embodiment of evil, into others, because that´s all he could honestly see in the mirror. The most uncanny thing is how this most obvious paranoid delusion was widely accepted or shared by much of Hitler´s surroundings and within society, regardless of how crazy it became. The most uncanny thing was that hardly anyone noticed the most obvious thing: that Hitler was a deadly madman.

Yet he never was a madman all along. Having a personality disorder means that you are partially mad, but not that you lose your entire sanity and accountability (which also never happened to Hitler). Hitler´s entire inner life revolved around seeking to dominate over others and being admired by them, and feeling afraid and paranoid about being dominated by others or failing at dominating others and rising to narcissistic grandeur. The latter would ignite pathological and longstanding grudges, outbursts of rage and revengefulness. It revolved around persecution, being engaged and entangled in the world of mutual persecution. Therefore he naturally was afraid of anything that could make him fall prey to persecution or reduce his capacity to persecute and dominate others. He was afraid of weakness and sought strength. His antisemitism and contempt for socialism and communism, which sympathised with the underclass and the proletariat, stemmed out of his psychological need to feel „superior“. Therein, he also had a disdain for „the weaker sex“, for women. Individuals with the psychology of Hitler do not feel motivated to lift someone up who is „weak“ or in need; much rather they desire to put them down even further, so that they can feel superior themselves in relation to them all the more. It is tempting to think that Hitler also felt so much despise for „the weak“ as he was aware of his own inner shallowness and therefore, in a way, human weakness and inauthenticity. Hitler was also afraid of anything „unclean“ and „unhealthy“ and longing for great „purity“ instead (involving the concept that „purity“ can only be achieved by (ethical and moral) „cleansing“). Erich Fromm, in his Anatomy of Human Destructivenss, suggested that Hitler was the extreme case of a „necrophiliac“ person: a person with a shallow inner life, yet attracted to death, destruction, decay, morbidity, foul language and excrements; an, if you may, personification of the Freudian death drive; which he therefore tried to hide from himself and from others. Hitler also was probably well aware of the evil and the destructiveness inside him, and possibly was very afraid of it. At least it would not match with his grandiose narcisstic ego ideal of being the good guy, respectively a heroic saviour. So, apart from projecting it into others in a conscious or unconscious fashion, he tried to avoid being identified with his own malevolent tendencies. Hitler never personally killed someone. He tried to be nice and polite to people. He liked dogs. His vegetarianism probably was about demonstrating to him and to others that he cannot even hurt a fly (other explanations for his (idosyncratic and unhealthy) vegetarian diet are remorse about Geli Raubal´s death and his tendency, again, to be afraid of meat as something unclean and unhealthy). So you have an actually dubious psychology. Erich Fromm suggests that Hitler was living in a world where nothing was completely true and stable, and nothing was completely false or wrong neither (apart from the need to assure the integrity of his ego, as we might add).

Solipsistic was Hitler also in relation to others. Even those closest to him, and his personal entourage over the years, found him difficult to approach, let alone developing friendship with him. From a more theoretical viewpoint they could not sort out a clear portrait of his personality, experiencing it as disparate and not fitting together. The same thing happens to historians and biographers when they try to capture Hitler. Yet a (paranoid) personality disorder basically means an incoherent personality; which is, nevertheless, not that weird or singular, but, in its patterns and behaviour, possible to identify. The specific paranoid Urkonflikt seems like a dominant and expansive individual experiencing dominance and restriction from an outside force that threatens to overpower him. Such might easily be a toxic relationship pattern in early childhood, which is then deeply and at its roots integrated into the child´s psyche which is therefore impossible to overcome that disparity and to develop and mature. Nevertheless (and since there obviously have not been that deep frustrations in Hitler´s early childhood), the root of such a personality disposition might also lie in the individual´s genes (or both). People close to Hitler would, above all, notice the shallowness and vacancy within Hitler´s personality, that he did not only have little passion for people (of both sexes) but also little passion for things. Probably he was so good at turning him into an oversized public, political figure since he hardly harboured a private person. Illustrative also seems the way Hitler communicated with others. The conversation between Hitler and any others usually came in the morbid way of Hitler engaging in hours-long monologues, often revolving about always the same subjects, that would greatly annoy even his closest admirers, like Magda Goebbles. Therein, his monad-like personality and pathological self-referentiality and him being unable to actually socialise even with individuals closest to him – and actually also to establish a meaningful relation to himself –  became apparent in another uncanny fashion (in his final days, when doom had become imminent, he would admit to his doctor that these monologues served to him like a drug, as a means to calm him and to escape reality). From an intellectual standpoint his talks – a selection of them written down and later published by Henry Picker as Hitler´s Table Talk –  were not that undistinguished, they could be remarkable; at least if you not got exposed to often to them. Hitler was a reasonably educated and cultivated man, although his ability to frequently display impressive knowledge more likely rather stemmed out from his excellent memory than from his education. According to the internet, Hitler had an IQ of 141. In fact, it never got tested, but that seems adequate guess about his cognitive abilities.

People with a paranoid personality disorder do not necessarily carry paranoid (or any) ideologies. More commonly, they tend to develop a pathological jealousy concerning their loved ones and the people that matter to them, becoming paranoid about their alleged infidelity, and therefore develop a need to control over them. Hitler practically had no loved ones in his life nor people that mattered to him. Yet when he developed a twisted affection for his half-niece, Geli Raubal, he turned into what she saw as a „monster“, and became very jealous, possessive and controling. Details are unknown, yet obviously during the affair aspects of Hitler´s personality became apparent to Geli that were shocking enough so as that she killed herself. Hitler later claimed that Geli Raubal had been the only woman he had ever loved; after her death he fell into a deep depression, yet recovered soon thereafter and became consumed by politics and being an agitator again (the other woman in his life he likely had a genuine affection for was his mother, to whose passing he reacted in the same way – devastated when she died, yet distracted soon thereafter). (The whole affair remained dubious, and it is nor even clear whether Geli actually died by suicide or was killed – there was even a rumour that she was expecting a child from Hitler, a fact that had enraged him – yet the suicide is the most plausible scenario.) Joseph Goebbles and Albert Speer came closest to being „friends“ with Hitler and people that personally mattered to him (Speer would later claim that actual friendship was impossible with Hitler). Both had distinct qualities that Hitler had himself or desired to have and so, in a way, they functioned as an extension of his own ego. Goebbles was a talented demagogue and propagandist himself as well as an intelligent man with a broader perspective with whom Hitler could discuss and sort out his politics; above all, he was a complementary narcissist who was completely devout to Hitler as he longed for his affection. Speer was the architect that Hitler desired to be – until the end Hitler liked to see himself primarily as an artist, and only secondarily as a political leader. In his youth, Hitler had a single „friend“, August Kubizek, who was a bit younger, easy to impress, and who shared Hitler´s passion for music, respectively Wagner. As a rather weak personality he had an admiration for the self-confident and pretentious Hitler, who, in reverse, appreciated Kubizek mostly as a follower and listener. When they were living together in Vienna later, he tried to isolate Kubizek from others, notably from women, and keep him to himself nevertheless. The relationship ended when Hitler left Kubizek without a note, obviously because he had been ashamed by the fact that he had failed to get approved at the academy of arts again. They would only see each other again when Hitler had become Reichskanzler and then occasionally meet at the Bayreuther Festspiele. After the war, Kubizek published his memoirs on Hitler, Alfred Hitler, mein Jugendfreund. His memoirs had been considered to a signifcant degree untrustworthy, yet more recently they are held in higher esteem and are largely considered to be correct by historians.

Hitler´s sexuality remains dubious, and he did not have much, if any, sexual life involving others. Yet we do not even know much about his fantasies either. Despite not being attractive, many women were fascinated about him. In an odd and enigmatic fashion Hitler recurrently attracted very young women, oscillating between girlhood and womanhood (like Geli Raubal). He (obviously) did not have much interest in them but would temporarily integrate them into his circle of personal admirers. The fact that he likely only had one testicle alone must have made him too ashamed to easily seek sexual encounters with others. More importantly, it was the vacancy and lovelessness of Hitler´s personality that seems to run counter any afffirmative sexuality. In his youth, and later on, he would feel repelled by sexuality, considering it as something unclean and unhealthy. Later, when he became the Führer, he would consider him „above“ such earthly and low desires as sexual ones. Not only in the present puritan spirit of his time but also according to his paranoid psychological scheme he valued „purity“ and abstention over „unclean“ and „vulgar“ sexuality. It does not come as a surprise that Hitler nevertheless felt attracted specifically to vulgar and profligate sexuality as a voyeur. Kubizek reports how in their young days in Vienna Hitler had a fascination for prostitution and often wanted to roam the brothel districts – for voyeuristic purposes, nevertheless. There are rumours (and also confirmed cases) that Hitler longed to be dominated by women, considering himself as someone very low. In the 1920s, someone tried to blackmail Hitler with being in possession of nude portraits of Geli Raubal in sexually explicit poses fabricated by Hitler. Again, this was a dubious affair, but seems plausible. Erich Fromm, in the Anatomy of Human Destructiveness, suggests that Hitler, in his fantasies at least, was submissive (and aware of his lack of any good qualities inside him) concerning women of higher social status and anal-voyeuristic concerning women of lower social status than his own.

Hitler was promoted by parts of the conservative establishment, notably the Junkers, the landowning aristocracy, and the military. Yet other parts of the conservatives also tried to avoid and prevent him. After 1929, in the great economic crisis, President Hindenburg and other conservatives opted to abandon democracy and sought to introduce an authoritarian conservative regime, since they did not know how to rule with democratic means anymore. Yet Hindenburg also tried to avoid an unpredictable and dangerous demagogue like Hitler to become chancellor. Finally, Hindenburg had run out of other options, hoping that Hitler´s traditionally conservative coalition partner was capable of taming him and keeping him under control when Hitler had finally become chancellor in early 1933. Also, contrary to some popular notions, big business had not been so much in favor of Hitler, but tried to stick to its own traditional parties. The NSDAP had a broad base throughout different strata of German society, notably in the middle class and petty bourgeoisie. Contrary to traditional leftist notions, workers and proletarians were not that underrepresented in the Nazi electorate either. Underrepresented in the Nazi electorate were (despite that) workers, Catholics and women.

Yet the hopes that Hitler could be contained, used as an instrument or would soon stumple over his own ineptitude and lack of experience soon became dashed. The Reichstag fire gave a pretext of introducing an authoritarian rule and granting Hitler extralegal possibilities to knock out political oppenents, notably on the left. Yet Hitler would also speed up the Gleichschaltung, i.e. bringing the state, the media, as well as large parts of civil society under personal and ideological control of the Nazis. He would outmaneuver conservatives as well as dissident fractions in his own party, notably the SA in the Röhm purge of 1934. Yet his ruthlessness had appeal to the masses (who hated the frequent rowdyism of the SA men) as well as within the establishment. When Hindenburg died in 1934, Hitler met no opposition in becoming president of Germany as well, therein a leader with truly cemented dictatorial powers – the Führer. Within one year and a half, Germany had become a Führerstaat. The entire politics within the Reich became subordinated to frenzy armament and military buildup and bringing Germany back into a more convenient strategic position. Hazardous coups like remilitarising the Rhineland or annexing Austria proved successful and further increased Hitler´s popularity. After all, they seemed as somehow legitimate defensive moves. The army approved Hitler´s politics, thinking that it would rejuvenate its former glory and high status in German society. Neither the army, nor big business, nor other parts of the establishment and of the entire population had envisaged that they would – despite all the possible collusion – ultimately become reduced to mere tools for Hitler´s personal ambitions. The most uncanny thing was how not only conservatives but finally large parts of German society were willing to quite quickly grant Hitler dictatorial powers once they noticed that he acted „decisively“ and „forward going“ – and, above all, seemingly in their interest – although he did little else than demonstrating shocking brutality and subordinating the entire country to his own needs.

Hitler was fantasising about gaining Lebensraum im Osten and destroying „Bolshevism“ and the Soviet Union from early on. Yet he himself did not imagine that German expansionism was possible at such a scale in his lifetime. He considered that as national goals in the longer run and envisaged his politics as making Germany fit for such undertakings. Hitler was obsessed with gaining Lebensraum for Germany. He experienced Germany as squeezed, scaled down and cut off from resources, as a people inhabitating a space too narrow and therefore impossible to flourish – such was the projection of Hitler´s own uncomfortable and neurotic inner life into the outside world.  What is true is that Germany lacked strategic depth in the case of a military attack, and Hitler was obsessed with Germany being under threat from the outside. Yet Hitler´s aggressive and frantic buildup of defense potentials was deeply and in a psychologically twisted way intertwined with an appetite to attack others, for imperialism and expansionism. It´s the paranoid scheme. His ultimate goal was to seize territory, Lebensraum, deep into Eastern Europe and Russia, depopulate it or reduce its native population to slaves for the arriving German settlers. Germany would so establish its own empire, become self-sufficient on resources, impossible to attack and therein the hegemon over Eurasia.

It was the most brutal and shocking plan anyone had ever had in history at such a grand scale. Hitler, Göring and others were casually engaging in plans to deport 30 million Russians into uninhabitable places in Siberia, most likely leaving them to die there, in the following thirty years once they had achieved victory over the Soviet Union. 27 million Soviet citizens already died in the Second World War. The ruthless waging of war, being a Vernichtungskrieg, was motivated by creating Lebensraum for Germany, as well as saving German resources – by avoiding to feed people in occupied territory, respectively to take away their means to feed the German army. Millions of people were killed by the Germans or left to die by starvation in famines, being not an accident but meticulously planned by Nazi official Herbert Backe, most notoriously in Belarus and the Ukraine.

Yet what initiated the Second World War was the Molotov-Ribbentrop Pact, enabling both the German as the Soviet invasion in Poland and causing England and France to declare war on Germany. The war against Poland was ruthless and the Nazi regime imposed was extremely brutal and racist. Hitler had not been hostile against Poland and the Poles before, he had sought their alliance. When Poland turned him down and dared to show its muscle against Hitler, Hitler again felt deeply humiliated and lashed out with frenzy, from then on seeing Poles as Untermenschen, to be oppressed and treated as slaves. In a similar way, yet not to such extremes, he had treated Czechoslovakia before. The successful Blitzkrieg against France was Hitler´s most spectacular achievement. Hitler had, then, most of Europe at his feet. Countries like Hungary of Romania sought his alliance, in countries like Norway he introduced puppet regimes. Spoiled by his truly spectacular successes, his ego became all the more bloated. He began to see himself as an envoy of and being protected by providence.

Yet England did not not succumb. Afraid that England and the Soviet Union could found an alliance and attack Germany sooner or later, Hitler decided to do what he wanted to do in the first place and invade and conquer the Soviet Union. The logic of war had implicitely turned against the hitherto triumphant aggressor. It had created all the more potential enemies, notably in the paranoid mind of Hitler. He had to turn quickly against them or lose his temporary advantages notably if the USA would enter the conflict. The fatal mistake not only of Hitler but also of his military men was that they greatly underestimated the Soviet Union by thinking they could conquer it in the hitherto Blitzkrieg-like manner. Yet the steamrolling and horrendous offensive came to a halt, deep inside the Soviet Union, in late 1941. The Wehrmacht carried out new offensives in the USSR in spring 1942, as well as it tried to get North Africa and the Middle East under control. Germany´s waging of war and operations in North Africa and the Middle East were motivated by cutting off Great Britian from its Empire and its resources and kicking it out of strategic positions and trying to create a circle-like German influence sphere around Europe, notably also serving as a bulwark against the USA. Yet after being successful in the first place, also those offensives came to a halt. Hitler had – like always – acted like a gambler taking great risks by launching offensives and expanding the war within a short timewindow of opportunity; yet at this time he had lost. And also the USA had entered the conflict.

With the war becoming a world war, Hitler became ever more obsessed in his personal paranoid „war“ against „the Jews“. Despite his violent rhetoric, Hitler did initially not plan to exterminate the Jews. He had wanted to oust them and make them emigrate. Yet the more territory he conquered in the war, the more Jewish people came under his sway. And the more aggressive his waging of war and megalomaniac his war goals had become the more he became obsessed with the idea that he was waging a race war against „the Jews“ and – to shift the blame – that the war had been caused by „the Jews“. Again, possibly afraid of his own hatred and destructiveness and projecting it into a Jewish conspiracy he became commited in exterminating all the Jews. Eichmann´s obsession to use trains and infrastructure to transport Jewish people to death camps even when the war had become distinctly defensive and the infrastructure would have been needed otherwise was, in fact, also Hitler´s obsession, and that of commited Nazis. While there is no direct evidence that Hitler officially ordered the Endlösung or even knew about the Wannsee Konferenz, the indirect evidence is sufficient that it came top-down (and again, that he tried to shun the possibility of any evidence of the Holocaust being ultimately traced back to him was just his usual behaviour). The Holocaust is a singular crime in history and ultimately beyond even sophisticated comprehension. Despite many Nazis engaging in it and fostering it, the singularity also rests on the Holocaust probably ultimately being the brainchild of a singular mind, of Hitler´s. It is not even that apparent that the Holocaust and the antisemitic cataclysm in Germany would have happened had Himmler, Heydrich or Eichmann been the Führer (most of the leading Nazis were frail and sadistic beta-type personalities and not paranoid/megalomaniac visionaries). The extermination of the Jewish people, and the methods used in it, had a precedent in the killing of mentally disabled persons. The extermination of the mentally disabled had its roots in the lethal ideology of „racial purity“ and the extinction of lebensunwertem Leben, yet primarily followed the practical purpose of gaining medical and hospital capacities for wounded soldiers in the war. It was the protest of the church that finally stopped the campaign in which an estimated 70.000 people lost their lives. Peter Longerich claims that, above all, the Holocaust had a practical purpose: By involving his allies in such a heinous crime – and, for instance, Hitler did grow very angry and nervous about Hungary´s leader Horthy´s stubborn resistance to engage in it – he would make them complicit and cross a point of no return. Such a crime could not be forgiven and by being complicit in it, Hitler´s allied leaders had all the more intention not to lose the war or to terminate the alliance with him or to switch the sides – they would have been brought to justice for engaging in the Holocaust.

In autumn of 1942 it became apparent that the war could not be won anymore. A politics of limiting the damage would have become obvious. Millions of lives could have been spared if Hitler had capitulated (or killed himself) earlier. From then on there was an ongoing conflict between Hitler and his generals who usually voted for retreat from positions that could not be kept. Hitler, by contrast, wanted to hold any position and keep it as point from where a new offensive could be unleashed when the luck within the war again would have fallen unto him (Hitler also permanently meddled into the war planning because he wanted to feel intellectually superior over the generals). Stalingrad and the annihilating defeat of his army due to Hitler´s order to fight until the last man instead of retreating in time became emblematic for his whole waging of war – and disrespect for the additional damage and human tragedy he inflicted – once it had become defensive. Although well aware of the fact that the odds had distinctly turned against him, he still liked to fantasise about a glorious Endsieg and claimed that victory is still possible when there is enough willpower. Again, his „willpower“ was little else than unwillingness to surrender or to seek alternatives to one´s own grandiose goals, blatant egoism, completely careless about the suffering he inflicted on millions of others. His inflexible logic was Sieg oder Untergang. Either the Reich would win the conflict or, in a way equally gloriously and triumphantly in its autonomousness, vanish; the Untergang was, in a morbid way, as resolutely a narcissistic phantasma as the Endsieg (Hitler also carried the idea that only a complete doom and tabula rasa would make a glorious rise of the Aryan race and principle possible again somewhere in the future).

Hitler declined and aged physically a lot in these final years. He did not appear in public all to often anymore as he had become distinctly unpopular. His furious speeches did not have substance anymore as he had less and less to actually offer to his people; so he left the demagoguery more and more to Goebbles. In gradually losing the war, Hitler all the more felt betrayed by his generals, to whom he shifted the blame, and he felt betrayed by the entire world. Yet he remained staunch and unforgiving in keeping up the war effort and waging the „race war“ against „the Jews“. He did foresee the Allied invasion on the continent, but when the D-Day finally came he underestimated it. Also in 1944 an assassination attempt had been carried out against Hitler by a circle of military men under the leadership of Oberst von Stauffenberg, which he survived (seeing it as a sign of „providence“ once again). It had become difficult to potentially assassinate or overthrow Hitler because he had become all the more difficult to approach. He shunned away in his shelters and refuges in the mountains and did not let many individuals come close (an assassintation attempt that came close to success was carried out by Georg Elser, a left leaning loner, in 1939). The more the Allied forces were steamrolling over Europe and, finally, Germany, the more Hitler engaged in fantasies about the Alliance breaking up due to internal rivelries and sparing Germany. In his final weeks he would become obsessed with architectural projects about creating the town of his youth, Linz, anew after the Endsieg. Ultimately he would give a „Nero-order“, to have all the remaining infrastructure and industry and the livelihood in Germany destroyed, thinking that a people who got defeated by others does not have a right to exist and to flourish anymore. At least that order was not carried out (because of the secret intervention by Speer and others, including the industry captains; other Nazis probably would also have gone that far).

It was in the very final moments, and when he was still ordering defensive fights over Berlin involving many casualties, before the Soviets entered his bunker that Hitler decided to kill himself and release the world from his ominous presence. History had distinctly unfolded otherwise had he never lived, or died before.

Vladimir Putin

People with a paranoid personality disorder want to dominate over others. They are greedy, authoritarian, megalomaniac and they long to accumulate assets, as they give them a sense of superiority and security. When they cannot dominate over others, they feel threatened and persecuted and react with paranoia. Their paranoia – thinking that there are oh so grand schemes plotted against them – is the reverse side of their megalomania; their projection of hostility into others is their own hostility and envy against them. When they feel frustrated in their sense of superiority and their sense of entitlement, they develop longstanding and inflexible grudges; and they easily feel offended and provoked. Their ego is both bloated and inflated, as well as very frail, and they feel reduced to nothing when they view someone else as more dominant than themselves. And so they may lash out with violence, since they consider themselves under a violent, actually lethal attack. This lashing out may become self-destructive; as they distinctly lack personal circuit and constructive emotionality they have actually not very much else to defend than the integrity of their ego which becomes self-referential. Mass shooters and people that run amok frequently are people with a paranoid personality disorder seeing themselves being driven over the edge by others. The ugliest aspect is that the more violent and hostile they become, the more they are about to blame the other and feel under siege of their supposed violence and inherent evil; it seems they cannot stand and fear their own hostility inside them, obviously not least as it runs counter their splendid ego-ideal of seeing themselves as basically the „good guy“. Their paranoia then becomes madness-like, although, for the other part of their personality, they remain sober and sane; this hybrid between sanity and insanity becomes more dangerous and uncanny than insanity itself; it is an emotional and moral insanity, not an allover mental breakdown. The „Russian soul“ is prone to paranoid toxicity as it carries a (somehow justified) sense of cultural superiority and a cultural saviour mentality together with an acute sense of its own shortcomings and impracticality; Russia is both very potent and very impotent on every level; the resulting toxic mix of a superiority complex and an inferiority complex being in place at the same time is not a phantasma, but is firmly rooted in material reality. Russia is the greatest paradox in the world. It dominates and connects the Eurasian landmass, yet it is neither particularly European nor Asian; it is, according to Mackinder, the „Heartland“ of the world, yet it is quite different from most of the rest of the world and isolated. It must be difficult to govern Russia. When paranoid people lash out, it may well be that the environment (in that case US/EU, Nato…) had their fair share in driving them over the edge; yet all in all, it is paranoid people making it quite impossible to get by with them over the long run, as they feel easily offended, permanently need reassurance, only have superficial bonds to others, lack humanity, want to take more from others than they offer to others, and, in general, can´t get their shit together. People with a paranoid personality disorder are potentially more dangerous than psychopaths; for psychopaths are more erratic, whereas paranoid people are inflexible and commited once they walk their destructive paths (although they may be appeased when their superiority and dominance is reinstalled, yet that will forever be a precarious matter). Paranoid people are, likely, the most dangerous of leaders. That is the essence of „Moby Dick“.

Alex Katz and David Hockney

Right now, there is an exhibition on David Hockney in Vienna. I only had a vague knowledge about David Hockney before (now it is somehow less vague), yet on the spot I alluded Hockney´s paintings to those of Alex Katz. That is what, vaguely, came to my mind before joining the exhibition. What also came to my mind is that Alex Katz must be somehow more profound than David Hockney. Yet why would Alex Katz be more profound than David Hockney? That is not a mean question. And therefore this reflection should be about rolling out, collecting ideas, why someone like Alex Katz would be more profound than someone than David Hockney.

Both Alex Katz and David Hockney stem out, or had a distinct encounter with poop art. The style of painting and the use of colour is bold and simple. Katz` portrayal of humans is close-up and distinctly flat, almost two-dimensional; Hockney portrays people in a reduced but less idiosyncratic and recurrent fashion … Why would Alex Katz be more profound and make more sense than David Hockney?

(Right now I realise that I just mistyped pop art as „poop art“! Lolroflmao! I am not negative about pop art; on the contrary, I consider it the last movement in modern art that actually had a brain – yet for comedic reasons I do not want to correct it but leave it as it is, there above.)

A possibility may lie in Clement Greenberg stating that the original problem of painting is how to depict a three-dimensional, spatial world (or, as we might add, a four-dimensional spacetime) on a two-dimensional canvas. We might add that artistic genius somehow seems to gaze into additional dimensions. These additional dimensions cannot, by human measure, exactly be quantified and located, unlike our three-dimensional space/four-dimensional spacetime. Distinguished works of art seem to offer glimpses into these higher dimensions, present an imprint of how higher-dimensional objects would reveal themselves in three-dimensional space/four-dimensional spacetime. They are mysterious imprints, related to the capabilities of genius and genius insight being usually referred to as „mysterious“. Due to this mysterious, dimensional insight it is possible to reveal – or offer a glimpse – at an inner, actual „essence“ of that which is portrayed. That is, then, a „metaphysical“ insight, and the highest point of art – to be the „actual metaphysical activity“ (as says Nietzsche, with reference to Schopenhauer).

We also might think of the blank canvas confronting us with the „deep structure“ of painting/art. The „deep structure“ of art is the Experimentierfeld ihrer Möglichkeiten, the field of experimentation in order to bring out new possibilities of expression that make sense in the universe. This field of experimentation, this deep structure, is necessarily additionally-dimensioned. It is a space of apprehension and intuition of additional dimensions and of both lucid and enigmatic signals that stem out from those dimensions. To bring out this lucid and enigmatic signals of additional dimensions is the noblest goal of art. (We may also say that this deep structure and field of experimentation is the space of imagination itself. Yet products of imagination do not necessarily make sense in the universe; they can be stupid, or bad art, all alike. The deep structure and field of experimentation is, in a way, a space of transcendence, yet referring to the finally and ultimately meanigful, the transcendental. It is a framed space.)

Alex Katz, nevertheless, reduces three-dimensional humans to two-dimensional ones. That´s the gag. And he does so in a highly distinctive and expressive manner. Probably this came as a reflection on the Greenberg dictum, probably not. Yet you sense that he had experienced the dimensionality of the deep structure, the field of experimentation, and managed to come up with a solution that tames the deep structure´s abysmal dimensionality, that he had managed to come up with a new signifier – for a signified that, necessarily, remains obscure (that concerns both for the signified of the imaginative space of painting or the Greenberg dictum as well as of the humans portrayed – in their enigmatic, both deep and flat, hidden and revealed etc. presence and essence). You sense that Katz had gone through and seen through something. He has come up with something, with an erect signifier, that makes sense in the universe.

Reduction is, of course, nothing new to painting and art. Reduction and reducedness are parts of existence and, when entertained properly, have their own specific charisma in art. Think of Minimal Art! Objects/sculptures of Minimal Art usually have an enigmatic, allusive, evocative presence. Although they, first and foremost, usually are nothing but – present. They are silent, artificial, uncommon yet all-too-common, elaborated as well as primordial. They are unterdetermined. They are, sheerly, present, and signify presece. And therefore they adress man´s/woman´s/diverse´s faculty to derive meaning and arrangement from that sheer presence. Are we, or do we prefer, to live seperated and unterinterested, maybe hostile to that which is present around us, or do we try to establish communion, etc.? In their unterdeterminedness and silence, these objects are usually mildly uncanny. Alex Katz` flat, unterdetermined figures are mildly uncanny too. This unterdeterminedness is a condition within existence. We, for the most part, live in a world that is unterdetermined and silent, full of opaque and intransparent people and objects. When investigating them, or when trying to establish communion, they may provide insufficient response, getting us nowhere, because they are opaque and intransparent to themselves too. And then again, it may be otherwise again. Alex Katz´ paintings are profound because they confront us with that with that character of the world, and of humans, oscillating between flatness and depth, lack of imagination and provoking imagination in the eye of the beholder. Therefore they have metaphysical quality.

Hockney seems not that profound. His style is not a stylistic innovation, his style is more a personal style/Personalstil. An artistic style of high order is a theoretical achievement trying to be a foundation of how artistic expression can (ultimately) be meaningful and definitive (like science). Therefore stylistic innovations of high order, like Cubism, Surrealism, Dadaism, etc. usually come in with theoretical manifestos. (It is pleasant that the exclusiveness with which masters of modern art treated such styles as absolute (i.e. thinking that true art is exclusively Cubist/Surrealist/de Stijl etc., or it is not) is now rather a thing of the past – yet it is unpleasant that their heroic endavours of producing an art that is profoundly rooted in some meanigfulness and whose creativity had undergone a hard-to-achieve actual transformation is now a thing of the past too and has given way to, well, a more democratic but lighthearted and noncommital opportunism that rather characterises the present state of the art.) Katz has achieved a personal style that nevertheless is of theoretical quality and stands as a landmark in painting. His stylistic innovation makes sense in the universe. Hockney´s style is not that profound and remains, if you may, a personal style (maybe because of this Hockney is actually quite a diverse painter).

Hockney is, however, let us reiterate, a quite diverse painter. He is also famous for his landscapes. He touched upon many, and diverse, genres throughout his career. He is autonomous (to say he has always been avant-garde may be an overstatement, since, e.g. painting in a figurative way at a time when abstraction ruled the place, as he did, reveals some autonomy, but not necessarily avant-gardeness). He came out with his homosexuality and tried to find artistic means for expressing it at a time when homosexuality was still considered a crime in England and could be persecuted by law. His Portrait of an Artist (Pool with Two Figures) from 1972 has been auctioned for 90 million Dollars in 2018 and is therefore the most expensive artwork of any living artist. I do not know, however, how such a reverence is justified in that case. Alex Katz` paintings are rarely auctioned for more than a million dollars, more commonly, the best selling ones go away for half a million dollars. He does not only portray humans but is also often painting flowers, landscapes and architecture.

Once in my life, in 2005, I have been to the prominent art fair in Basel. Alex Katz was quite prominent at that Art Basel (also prominent was Tom Wesselmann who had passed away before). Before me, there was an elderly couple who had come across a Katz. She said to him: „Alex Katz. We should have ourselves portrayed by Alex Katz as well.“ They must have been filthy rich. It immediately struck me that they´re flat, as in the portraits of Katz, as well. Probably with not very much knowledge about the glorious deep structure of art. Although, as I realised, that would be not their fault. I became remorseful. I do not like to think lowly of people, I prefer to see only Buddhas and so the space of imagination opened whether they are actually quite ok guys, yet the encounter was, although somehow seemingly revelatory, too brief and so the space of imagination seemed to become blurred and fading away almost in an instant. Found my way upstairs and had a smoke. Then somebody spoke and I went into a dream.

Addentum: Probably it was that couple from Basel that paid 90 million Dollars for the lackluster Portrait of an Artist (Pool with Two Figures). Yet, that could be. HA! Hahahahahaha.

Zur Psychodynamik von Verschwörungstheoretikern, Covidiotinnen und Impfgegnerx

Das Kleinkind, das in der Lage ist, seine ersten selbstständigen Handlungen zu setzen, von seinen Eltern dafür bewundert wird und Zuspruch erfährt und das seine Eltern dazu bringt, auf seine Wünsche und Bedürfnisse einzugehen, erlebt sich als allmächtig und prägt eine absolut selbstbezogene, unrealistische psychische Instanz aus, die zudem dem Lustprinzip unterworfen ist – das Größen-Selbst; eine Imago, innerhalb derer sich das Kind als allmächtig und bewundernswert phantasiert. Im Lauf der Zeit nimmt die Handlungsfähigkeit des Kindes zu, gleichzeitig erfährt es, dass seiner Allmacht in der Welt Grenzen gesetzt sind und nicht alles, was es tut oder für was die Eltern – als Spiegel-Instanz zum Größen-Selbst – stehen, bewundernswert ist. Das Größen-Selbst wird abgebaut, es kommt zu einer realistischeren Selbst- und Fremdeinschätzung als Basis für eine gesunde und  gelungene Persönlichkeitsentwicklung. Werden die narzisstischen Bedürfnisse und das Größen-Selbst des Kleinkindes zu oft frustriert oder verletzt (oder ist das Größen-Selbst des Kindes zu ausgeprägt), besteht die Gefahr, dass es die Außenwelt bzw. Autoritäten in der Außenwelt als frustriertend, verletzend, vereinnahmend, verfolgend, chaotisch oder überhaupt als gefährlich und bösartig wahrnimmt, während es sich selbst als hilflos und ohnmächtig; mehr aber noch: in seinem primären, archaischen Narzissmus und in seinem Größen-Selbst gekränkt erlebt (in das es sich, als Quelle von Lustempfinden oder Möglichkeit, Empfindungen von der eigenen Minderwertigkeit und Bedeutungslosigkeit zu entkommen, umso intensiver flüchtet). Bei Verschwörungstheoretikern oder „Querdenkern“ fällt auf, dass sie sich an Konflikten mit Autoritäten abarbeiten, die in der Realität so keine Grundlage haben. Sie erleben diese Autoritäten in unrealistischer Weise als übergriffig, ihre Grenzen verletzend, invasiv, wenn nicht überhaupt als absolut bösartig; gleichzeitig fällt auf, wie sie die Macht und die Handlungsfähigkeiten der Autorität und ihre Möglichkeiten, die Welt ganz nach ihrem Belieben zu manipulieren, überschätzen – und das offenbar auch wollen: Je allmächtiger sie die böse Autorität deklarieren, umso grandios-kongenialer können sie sich selbst als deren heroischen Widersacher wahrnehmen, was ihrem Größen-Selbst als Verursacher von all dem entgegenkommt. Da es sich um einen Konflikt aus einer archaisch-kindlichen, narzisstischen bzw. pränarzisstischen Vorstellungswelt handelt, in der das Kind noch nicht in einer tatsächlichen Welt lebt, sondern in einer Quasi-Symbiose mit den Eltern/der „Autorität“, kommt es nicht von ungefähr, dass im psychischen Erleben der Betreffenden und im Fall von narzisstischer Wut die Außenwelt und ihre etwaigen Bedürfnisse und Dynamiken geradezu gänzlich ausgeblendet werden. Die Betreffenden erleben die Welt primär als einen Konflikt zwischen sich selbst und der Autorität, der Rest sind Kulisse oder Statisten; das nicht allein aus Hochmut und Selbstbezogenheit heraus, sondern weil sie emotional zu eingeschränkt sind, um einen größeren Facettenreichtum und eine größere Nuanciertheit in der Welt wahrzunehmen und zu empfinden. Die Disposition, die „breiten Massen“ als „unkritische Schafe“ wahrzunehmen, hat mit dieser Weltarmut und Beziehungslosigkeit zu tun, außerdem eben mit narzisstischem Hochmut und damit, dass Gedankenlosigkeit, Unfähigkeit zum kritischen oder logischen Denken, Angst, sich mit der Realität zu konfrontieren und eine damit einhergehende Disposition, sich heteronomen Mächten (wie eben verschwörungstheoretischen Erzählungen) bereitwillig zu unterwerfen, da diese vermeintlich Schutz bieten, alles das ist, was sie von sich selbst kennen (dabei aber eben an sich verleugnen). Da es sich um einen narzisstischen Konflikt handelt, fehlt der Weltbezug und es fehlt weiters die Fähigkeit zur Empathie mit anderen. Daher die erstaunliche Egozentrik und Resistenz gegenüber anderslautenden Argumenten bei solchen Individuen. Der imaginierte Konflikt mit der Autorität scheint fast weniger aus der Defensive heraus und weil sich die Betroffenen hilflos fühlen, er scheint fast eher absichtlich gewollt und provoziert, um in die Offensive gehen zu können, da das als lustvoll empfunden wird; insbesondere bei paranoid oder antisozial gestörten Individuen ist das Schüren von Streitigkeiten weitgehender Lebensinhalt. Im Fall von Verschwörungstheoretikern fällt so immer wieder auf, dass sie Autoritäten eine (absolut starre und unflexible) Bösartigkeit zuschreiben, die irrational und an und für sich sinnlos, unergründlich und obskur ist – und die, wie es leicht zu erkennen ist, eine Spiegelung ihrer eigenen hartnäckigen und irrationalen, archaischen Egozentrik ist, die sie als solche natürlich nicht durchschauen, da sie sie als unbeirrbare und unbestechliche Streitbarkeit für „das Gute“ narzisstisch besetzen. Die Frage, warum Verschwörungs- und Querdenker so entschlossen an ihren Konfliktphantasien festhalten, hat primär zur Antwort, dass sie das eben auch wollen. Sie können sich als mächtig erleben oder austesten, indem sie diese Konflikte anzetteln, die sie dann eben umso unbedingter gewinnen wollen. Hinter dieser Disposition steht ein narzisstischer Konflikt, und daher etwas mehr oder weniger Schlechtes und Böses, Irrationales, Selbstbezogenes und wenig Verhandlungsfähiges, ein Lustprinzip, das ohne weiteres über das Realitätsprinzip triumphieren mag. Verschwörungstheoretiker haben wenig Interesse daran, ihre Feindbilder aufzugeben. Wenn ihr Feindbild wegfällt, müssen sie sich damit konfrontieren, dass sie an ihrem Versagen in ihrem Leben selbst schuld sind. Das würde ihr Größen-Selbst beschädigen, und damit das Fundament ihrer gesamten Persönlichkeit.

Ängste und Misstrauen gegen Impfstoffe und staatliche Impfkampagnen sind so alt wie Impfungen selbst. Abgesehen von einem teilweise berechtigen Misstrauen scheint diese Art von Angst daher zu kommen, indem die Impfung gefühlsmäßig primär mit der Gefahr identifiziert wird, gegen die sie eigentlich schützen soll – also mit der Bedrohung durch eine neuartige Krankheit, die plötzlich und unvorbereitet von außen kommt. Es handelt sich um eine gefühlsmäßige Vertauschung einer Gefahr mit dem, was diese Gefahr eigentlich abwehren soll. Tatsächlich ist es so, dass im Falle einer Impfung ein Impfstoff, den man nicht versteht – und bei dem eine gewisse Möglichkeit vorhanden ist, dass er tatsächlich für einen gefährlich sein könnte – , in den eigenen Körper injiziert wird und in diesem etwas verursacht, was man ebenfalls nicht versteht. Das mag bei einer nicht unwesentlichen Anzahl von Menschen Panikreaktionen auslösen, die sie rational nicht kontrollieren können – weswegen sie sich dann umso leichter in falsche Rationalisierungen und selektive Wahrnehmungen (bis hin zu Verschwörungstheorien) versteigen, die die Abwehrhaltung noch undurchdringlicher machen. Eine (neuartige) Impfung mag als etwas Fremdes wahrgenommen werden, das in das Eigenste eindringt, und die noch dazu von einer Instanz „von oben“ kommt, gegen die man misstrauisch oder gegenüber der man neidisch ist, weil man selber nicht „von oben“ kommt, gegen die man also ein Ressentiment pflegt. So ist es nicht verwunderlich, dass solche Impfungen speziell bei xenophoben Personen und Parteien und deren Wählerschaft auf Misstrauen und Ablehnung stoßen. Kulturelles Umfeld und geschichtliche Erfahrungen tragen zu den Haltungen, die Menschen einnehmen, entschieden bei. Die Abwehrhaltung gegen die Corona-Schutzimpfung ist vielleicht sogar hauptsächlich darin begründet, dass man mit ihr seine jeweilige Stammeszugehörigkeit und Identität demonstrieren kann, und man so in den Genuss des Erlebens von Gemeinschaftlichkeit und Solidarität (innerhalb der eigenen Gruppe) kommt, sowie des Gefühls, zu einem Milieu zu gehören, das „das Richtige“ tut. Insbesondere das christlich-fundamentalistische Milieu (in den USA) oder das Alternativmedizin- und Esoterik-Milieu erweisen sich in dem Zusammenhang immer wieder als toxisch. Esoterik beruht im Großen und Ganzen auf Lügen, die dem eigenen Ego schmeicheln und mit denen die Grenzen des Alltäglichen erweitert werden sollen, bis hin zu Vorstellungen von der eigenen Unbezwingbarkeit. Zwischen dem Esoterik- und dem linksalternativen Milieu gibt es zwar Gemeinsamkeiten; anders als die politische Linke ist das Esoterik-Milieu aber wissenschaftsfeindlich, es nimmt den Menschen stark als Individual- und nicht als Kollektivwesen wahr, Werte wie gesamtgesellschaftliche Solidarität werden dort nicht hochgehalten, vielmehr geht es um eine individualistische Selbstverwirklichung im Sinne eines individuellen über-die-Gesellschaft-Hinauswachsens. Daher die latente Verlogenheit und die latente Größenwahnsinnigkeit und Selbstüberschätzung im Esoterik-Milieu. Allgemeiner mögen die zahlloseren individuellen Abwehrhaltungen gegen Impfungen diese und jene Gründe haben. Schlechte Gründe müssen nicht dazu führen, dass man sich von ihnen distanziert; vielmehr können sie dazu führen, dass man sich umso mehr an ihnen festhält; und das, je stärker man sich in der Defensive damit befindet. Menschen geht es im Fall von Meinungsverschiedenheiten immer wieder nicht so sehr darum, objektiv im Recht zu sein. Dass ihre eigenen Positionen zweifelhaft oder gar falsch sind, mögen sie auch einsehen. Was sie primär wollen, ist sich (gegenüber dem anderen) als Helden fühlen; und das umso mehr, je schwächer sie selbst und ihre Positionen sind. Daher ihre Rechthaberei. Im Fall von Covid-19 haben die meisten Menschen außerhalb der Risikogruppen zugegebenermaßen auch Recht mit der Annahme, dass im Fall einer Erkrankung diese wohl kaum einen schweren Verlauf bei ihnen nehmen würde; sie also durch den Verzicht auf die Impfung weder für sich noch für andere ein großes Risiko eingehen. Allerdings ist das keine korrekte staatsbürgerliche Haltung. Die wohl einigende Klammer unter den Impfgegnern ist, dass sie intellektuell sehr oberflächlich sind. Man würde annehmen, dass sich intellektuell oberflächliche Haltungen umso leichter austauschen lassen, es kann aber genauso gut das Gegenteil der Fall sein, vor allem, wenn sich diese intellektuelle Oberflächlichkeit mit psychologisch tiefsitzenden DIspositionen bezieht. Eine Impfung ist tatsächlich ein Eingriff in das Eigenste und in die körperliche Unversehrtheit und eine Impfpflicht kann, je nach psychologischer Disposition, als ein nebensächlicher oder positiver Eingriff in die körperliche Unversehrtheit angesehen werden oder aber als ein Gravierender und Erheblicher. Es ist daher dann Sache einer rationalen Abwägung, welcher Pol stärker betont werden und sich durchsetzen soll. Was die Impfgegner dabei ignorieren, ist dass ihre Individual- und Grundrechte in Ausnahmesituationen im Konflikt mit anderen Rechten stehen können und daher nicht absolut sind. Für Impfgegner sind Impfungen und eine Impfpflicht ein schwerer Eingriff in seine Identität und in seine psychologische Integrität und Unversehrtheit. Daher wehren sie sich, als wie wenn ihre körperliche Unversehrtheit auf dem Spiel stünde.

Die entschlossenen Protestbewegungen gegen die Eindämmung der Coronapandemie, in der Teile der Bevölkerung eine gesellschaftliche Katastrophe dazu ausnutzen, um ihre Eitelkeit und ihren Eigensinn frei flottieren zu lassen bzw. die eine Position der Schwäche der Gesamtgesellschaft noch verschlimmern, um selbst ein Gefühl des Triumphes verspüren zu können, indem sie „den Mächtigen“ – allerdings auch und vor allem eben der Gesamtgesellschaft – auf der Nase herumtanzen können, gehören zum Grindigsten und Irritierendsten, was ich je gesehen habe. Zugegebenermaßen besteht der besonders harte und unheimliche Kern der demonstrierenden Impfgegner nicht aus Impfgegnern, sondern aus als solchen getarnten Faschisten, die eigentlich eine andere, zerstörerische und disruptive Agenda verfolgen bzw. die auf Stimmenfang gehen. Aber um sie herum tanzen eben die Esoterik-Hippies und Angehörige der normalen Gesellschaft. Der Mensch ist ein Individual- und gleichzeitig ein Kollektivwesen. Wenn er – zugunsten eines neurotischen oder soziopathischen individuellen „Freiheits“-Empfindens – seine Verantwortung als Kollektivwesen aufgibt, verliert er tatsächlich seine Menschlichkeit, was ja die Bedrohung ist, gegen die die Impfgegner etc. eigentlich ankämpfen wollen. Für seine Gefühle der eigenen Unvollständigkeit oder der Bedrohtheit seiner Integrität, aus denen heraus er protestiert und „quer denkt“, ist er daher selber verantwortlich. Das ist eine Suppe, die er sich selbst eingebrockt hat. Es bestätigt aber meine Philosophie und Heilslehre, wonach das Ego aber am Besten zerstört werden soll, um den Geist vollständig zu realisieren und in tatsächlicher Freiheit und Unabhängigkeit und in großem Reichtum – und frei von Neurotizismus – leben zu können. Das ist eine der vielen Nützlichkeiten meiner Philosophie und Heilslehre.

Heidegger und ich

Heidegger macht uns keine Illusionen und gaukelt uns nicht vor. Man hat bei ihm nicht das Aufgehen des Menschen in einem großen Ganzen, in einem sinnvollen Logos und Weltprozess (wie bei Hegel), einem All-Leben und Weltgeist (wie bei Scheler), einer materialistischen Eschatologie (wie bei Marx), einer sadomasochistischen ewigen Wiederkehr des Gleichen (wie bei Nietzsche) oder einem „summenden“, geschäftigen Universum (wie bei Whitehead). Nein, man hat bei ihm die bloße Geworfenheit des Menschen in ein nacktes Sein. Heideggers Sein hat keine wirklichen Qualitäten. Es ist vorwiegend indifferent. Verlassen und einsam findet sich der Mensch im Sein in seiner bloßen Existenz wieder. Auf unbeschriebene Blätter jedoch kann man die schönsten Schriftzeichen setzen, meinte dereinst der Welterschütter (und Philosoph) Mao Tse-tung. Indifferenz des Seins und bloße Existenz sind gleichsam solche unbeschriebenen, daher beschreibbaren Blätter. Existenz kann das Passivste sein von der Welt – oder das Aktivste. Das Sein, zu dem sich der Mensch in Heideggers Philosophie ins Verhältnis setzt, ist das Ärmste und Nichtigste und das Vollste und Reichhaltigste gleichermaßen. Zwischen beiden Polen des Leersten und des Erfülltesten ist bei Heidegger aufgespannt der Mensch. Den Existenzialismus gleichsam vorweg nehmend hat man Heidegger die Geworfenheit in ein rätselhaftes, genauer gesagt, ein eigentlich geheimnisloses und uncharismatisches Dasein und eine existenzielle Verlassenheit und Isoliertheit des Menschen, eine Art existenzielles Ennui als Grundstimmung, wie sie zu Zeiten des Höhepunktes des Existenzialismus in den 1950er Jahren empfunden wurde. Der Existenzialismus fordert aus dem heraus eine Verantwortlichkeit des Menschen, sich zu entwerfen; bei Heidegger hat man das auch, aber in viel größerem Umfang – der dann freilich in Gefahr läuft, darin gar nicht verstanden zu werden. So erscheint Heidegger, wie auch der Existenzialismus, aus heutiger Sicht als „irgendwie trivial“ und als Weisheit von gestern, die im Heute keinen Platz mehr hat. Ja, das kenne ich. Dieses Verkennen von Heidegger ist mir auch teilweise passiert – damals, als mein Geist sich noch nicht vollständig zusammen- und ineinander gefügt hatte. Da war ich noch jung. Ja, man mag Heidegger entsetzlich banal finden; auch davon unabhängig mag man es sich schwer vorstellen können, wieso Heidegger und Sein und Zeit seinerzeit so hohe Wellen geschlagen haben – ähnlich aber freilich wie der französische Existenzialismus 20 Jahre später (bei dem dies leichter verständlich ist). Aber das – dass man ihn banal findet – wird vorwiegend dann der Fall sein, wenn man selbst noch kein höheres Bewusstsein entwickelt hat, keine Zeitlichkeit angereichert hat, man sich aus dem nivellierenden Man noch nicht ordentlich herausgeschält hat – dann kann man mit Heideggers Kategorien und seinem Niveau des Denkens vielleicht nicht viel anfangen. Heidegger mag man banal finden, wenn man mit der eigenen Existenz noch tief in die Banalität verstrickt ist. Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch? (Georg Christoph Lichtenberg) Ein Buch ist wie ein Spiegel, wenn ein Affe hineinsieht, so kann kein Apostel heraus gucken. (Georg Christoph Lichtenberg) Natürlich kann man Heidegger auch spontan banal finden, einfach, weil man immer schon eine Art höheres Wesen ist, das immer schon eigentlich und nach seinen selbst ergriffenen Möglichkeiten lebt und schwer begreifen mag, ja, es als die eigentliche Raffinesse empfinden mag dass es auch andere geben sollte. Auch ein dermaßen eigentliches Wesen wird sich aber der Ernsthaftigkeit des Heideggerschen Strebens und seiner Schriften und dem absolut hohen – und absolut authentisch-philosophischen – Niveau seiner Auseinandersetzungen gewahr werden und sich dem darüber ausgeübten Sog nicht entziehen können. Auch ein solches Wesen – oder eben vor allem ein solches Wesen – wird in Heidegger einen authentischen, einen großen Philosophen erkennen und ihn deswegen lieben. Vielleicht sind wird heute alle solche Wesen (weswegen uns auch der französische Existenzialismus heute fremd und überholt erscheint). Vielleicht aber auch nicht; vielleicht bleiben wir praktisch hinter diesen Möglichkeiten zurück. Heil dem, der sich dafür überhaupt interessiert. – Eine Philosophie des lebendigen Lebens wolle er anstellen, hat Heidegger schon 1916 seiner Elfride anvertraut. Stets sei es ihm darum gegangen, zwischen einem gelehrten Gegenstand und einer gedachten Sache zu unterscheiden, wird Hannah Arendt in ihrer späten Hommage an ihn feststellen. In seiner bohrenden, einkreisenden, sich besinnenden, besinnlichen Qualität wird sich dieses Denken auch seinen eigenen Resultaten gegenüber stets kritisch bis destruktiv verhalten. Heidegger bohrt Löcher in das Sein, gräbt Mulden in das Sein und verschafft uns so Zonen des geistigen Aufenthalts im Sein. Ein umfassender, das heißt dann also auch ein selbstreflexiver, selbstkritischer, wenn man so will, „widersprüchlicher“ Denker – Heidegger, ein Philosoph der Freiheit, der Möglichkeiten, des Ekstatischen, Überschreitenden, der Emergenz – als auch des Unheimlichen und Unheimeligen im Sein, der Geworfenheit (also Bedingtheit und Unfreiheit und Orientierungslosigkeit und des Wunsches, im entfremdenden Man aufzugehen). Ein Vordenker des Existenzialismus, der hinwiederum das Ekstatische, Ek-sistierende wenig kennt; bei dem man einen Humanismus hat, aber kein Übermenschentum – bei Heidegger hat man das schon. Ein abgeschwächter, realistischerer Kierkegaard, bei dem man nichtsdestotrotz ein Ringen mit dem Absoluten hat, nur das sein Absolutes nichts Göttliches an sich hat (sein Absolutes, mit dem der Mensch unleugbar konfrontiert ist, ist der Tod und das Dasein als Sein zum Tode) Heidegger dann wieder als Philosoph des Ungeborgenen, des Ennui, der Entfremdung, des Zweifels an der Zivilisation, der Technophobie – und nicht zuletzt auch kurzzeitig des Nationalsozialismus. Angesichts von einem solchen Umfang und Aktionsradius scheint es kaum verwunderlich, dass Paradoxien und Unverständlichkeiten auftreten und mit im Gepäck geführt werden. Eine Philosophie des lebendigen Lebens wolle er anstellen… Man hat Heidegger gerühmt und bewundert, weil er mit einer Philosophie daher kam, die ohne Abstraktionen auskommt, genauer gesagt, die viel konkreter und mit mehr Bezug zur Lebenswelt ist als die sonstige Philosophie seiner Zeit. Gleichzeitig schafft er mit seiner Philosophie bzw. in ihr neue offenkundige Abstraktionen, die dann ihrerseits verdinglichend walten und zu Fetischen werden. Viele seiner Kategorien wie „Herrschaft der Technik“, „rechnendes Denken“, „Besinnung“ oder eben „Sein“ sind solche, die vielleicht eher etwas symbolisieren oder als Metapher fungieren, als das sie etwas analysieren. Heidegger verliert sich dann zu einem Teil darin, in solchen Symbolisierungen zu denken und, wie er meint, zu analysieren: er wird von seiner eigenen Terminologie übermannt. Man kann ihm dann ankreiden: das („rechnende“) bzw. zeitgenössische Denken „ist ja nicht so“, wie er es stets behauptet, der Universitätsbetrieb „ist ja nicht so“ etc. Gleichzeitig ist all das aber eben schon so, und in der Leitbedeutung hat Heidegger vielleicht den Nagel auf den Kopf getroffen – oder eben auch nicht: diese Irritation, dass man nie ganz sicher ist, inwieweit Heidegger von den Gegenständen, die er analysiert deren Leitbedeutung getroffen hat, ist aber eine persistente. Freilich geschieht das in der Philosophie häufig und Heidegger ist da kein Einzelfall. Genau gesagt, ist das in der Philosophie dauernd so; indem das bei Heidegger also auch so scheint, offenbart sich vielleicht eben nur, wie sehr er Philosoph denn ist. Wie bei jedem Philosophen, der bedeutend genug ist, dass er popularisiert wird, hat man bei Heidegger natürlich eine deutlich höhere Intelligenz und deutlich raffiniertere Analyse und Abwägen, als man es von den Popularisierungen kennen würde. So erschließen sich bei der genaueren Lektüre hochgradige Differenzierungsleistungen innerhalb seines Denkens. Überhaupt ist seine Lektüre zu empfehlen. Sein angenehmes, stetiges Einkreisen des Gegenstandes, die Originalität der Wahl seiner Gegenstände; die Meditationen, die er über andere Philosophen unternimmt – und die, trotz der peniblen Zitation, nichts wirklich Akademisches an sich hat. Man hat in diesen Meditationen die Begegnungen zwischen großen und größten Philosophen – denn Heidegger ist ein solcher, ist einer von ihnen. Dass seine Sprache dunkel ist, ist ein verdunkelnder Mythos. Zwar berechtigt, wenn man Heidegger zum ersten Mal lesen mag: dann erscheint er dunkel bis grotesk – was aber genau das ist, was man bei tatsächlichen Philosophen hat: dass sie einem zunächst einmal dunkel und grotesk erscheinen, als klar und eindeutig. Im Lauf der Zeit aber tritt Klarheit ein, geschieht die Lichtung. Heidegger drückt sich klar und – nicht gekünstelt sondern – natürlich, in seiner jeseinigen Sprache aus. Eine Stelle im Gebiet, wo echtes Philosophieren stattfindet. Eine weitere Kuriosität ist, dass Heidegger stets über das Sein meditiert, und dabei das Seiende scheinbar nur mit einem Auge sieht. Der Seinsfrage nachzugehen bedeutet: Auf dem höchsten Abstraktionsniveau zu arbeiten, um so gleichzeitig das Konkrete am konkretesten und am umfangreichsten bestimmen zu können. Das wäre Sinn und Zweck der Unternehmung. Bei Heidegger hat man aber das Problem dass er vor lauter Seinsfrage die seienden Gegenstände in der Welt unterbestimmt lässt: die Technik kennt er zu wenig genau, die Politik, eigentlich auch den Menschen. Auch wenn Heidegger nicht so weltfremd sein mag, wie man das glauben mag, ist er doch wieder weltfremder und esoterischer als einem das lieb sein mag. Ein Philosoph, der über das Sein bzw. über die Welt philosophiert, muss auch welthaltig sein. Heidegger war das nicht unbedingt. All das ist aber schwieriger aufzulösen, als einem wiederum das lieb sein mag. – Heidegger ist auf der Suche nach einer authentischen „Einkehr“. Er fühlt sich in der Gegenwart nicht wohl. Einkehr erhofft er sich von einem Neubeginn, der im Geist einer fernen Vergangenheit geschieht oder der in einer sehr fernen Zukunft geschieht, deren Geist und deren Verständnisse so weit weg sind, dass man sie eben kaum angeben kann, und die daher geradezu außerhalb alles zeitgenössischen Philosophierens zu liegen kommen. Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen, so der andere große Philosoph des letzten Jahrhunderts, Wittgenstein, der daraufhin tatsächlich mit dem Philosophieren aufhörte (bzw. sich eine Auszeit nahm). Heidegger hingegen spricht besinnlich, bohrt ein Loch in das Sein, gräbt Mulden in das Sein und befragt so, in einer nicht alltäglichen Sprache, das Sein. Er wirft sich gleichzeitig in eine ferne (archaische) Vergangenheit und in eine ferne, kaum in ihren Umrissen erkennbare Zukunft, jenseits des Aufklärungszeitalters, jenseits aller Moderne. Er wartet auf das „Ereignis“ und glaubt es dann in der Machtergreifung des Nationalsozialismus zu erkennen – freilich nur kurz. Bis an sein Lebensende jedoch wird es keine handfeste Distanzierung davon geben. Er will etwas „ganz anderes“ als die Zeiten, in denen er lebt, zeichnet sich dann aber aus durch eine „Wut des Dableibens“ (Peter Sloterdijk), die als solche beinahe eigentümlicher ist als jeder Konservatismus. Es ist nicht Aufgabe des Philosophen, jeder Modeerscheinung hinterherzulaufen; gleichzeitig darf er nicht versuchen, die Zeit anzuhalten. Als Philosoph hat er das dann auch nicht wirklich getan, in seinem Lebensvollzug und seiner Hüttenbewohnerexistenz aber schon viel eher. Man fragt sich, wo Heidegger eigentlich hin will und warum? Wo drückt der Schuh? Wer fragt wohl stets nach der „Eigentlichkeit“ und der Authentizität? Na, einer der nicht authentisch ist. Heideggers Philosophieren ist neurotisch, wenngleich es eine produktive Neurose ist. Andersrum ist er vielleicht viel eher der einzige, der korrekt und antineurotisch empfindet – eben indem er dauernd um die Frage nach dem Sein und nach der Authentizität in einer Welt mit gewissem Entfremdungspotenzial kreist und dieses versucht, zu reduzieren. Heidegger, zuletzt, und ich. Ich kann letztendlich feststellen: Heidegger und ich sind bisweilen durchaus eines Schlages. Heidegger will den Menschen in seinem In-der-Welt-sein erforschen – so wie ich mich! Das In-der-Welt-sein ist mein urtümlichstes Empfinden, und sein Erforschen mein urtümlichstes Drängen. Heidegger will, dass wir bewusster leben und achtsamer – das schlage ich auch vor! Heidegger will ein neues Bewusstsein, ein neues Denken propagieren – ich kann sogar ein konkretes Modell davon anbieten! Heidegger hofft, im technologischen Zeitalter, dass es zu neuen Sinnstiftungen durch die Kunst kommt – so wie ich! Er sieht das Ende der Metaphysik und der Philosophie, hofft jedoch auf neue Formen, die das Denken dereinst annehmen wird – ich offeriere den absoluten Geist in der absoluten Form! Heidegger liebt die Philosophie und ihre Gegenstände – so wie ich es tue! Wir begegnen uns, einsam, auf dem Holzweg, in der ewigen Dämmerung, und erkennen uns.

Und so tue ich dann eben Kunde – über Heidegger und mich.

Wir behaupten nun: Das Sein ist das echte und einzige Thema der Philosophie. Das ist keine Erfindung von mir, sondern diese Themenstellung wird mit dem Anfang der Philosophie in der Antike lebendig und wirkt sich in der grandiosesten Form in der Hegelschen Logik aus. Jetzt behaupten wir lediglich, das Sein sei das echte und einzige Thema der Philosophie … Philosophie ist die theoretisch-begriffliche Interpretation des Seins, seiner Struktur und seiner Möglichkeiten. (Die Grundprobleme der Phänomenologie S.15) Und überhaupt: Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts? Das ist die Frage. (Einführung in die Metaphysik) – das sei, genau gesagt, die Grundfrage der Metaphysik. Heideggers gesamte Philosophie kreist um die Entfaltung der Seinsfrage, der Frage nach dem „Sein“. Laut eigener Aussage habe ihn diese Frage bereits als Gymnasiast beschäftigt: Unbestimmt genug bewegte mich die Überlegung: Wenn das Seiende in mannigfacher Bedeutung gesagt wird, welches ist dann die leitende Grundbedeutung? Was heißt Sein? (Mein Weg in die Phänomenologie in Zur Sache des Denkens S.81) Aus einem vulgären, spontanen Verständnis heraus möchte man vielleicht geneigt sein, Heideggers gesamte Philosophie darum zu verwerfen: „Sein“ sei schließlich ein unbestimmter, ein leerer, oder eben ein bloßer Begriff, eine Kategorie unseres Denkens, eine Abstraktion über die Wirklichkeit, jedoch keine Wirklichkeit selbst. Man jage einem Phantom hinterher. Allerdings: so schlau ist das dann auch wieder nicht; eine solche Cleverness ist vielleicht eine, sie hat allerdings ihre Grenzen. Heidegger wäre kein Philosoph, wenn er sein Hauptwerk nicht mit einer Meditation über die Eigentümlichkeit und Problematik des Seinsbegriffs einleiten würde: Man sagt: „Sein“ ist der allgemeinste und leerste Begriff. Als solcher widersteht er jedem Definitionsversuch. (Sein und Zeit S.2) Wenn etwas nicht definiert werden könne, wie kann es dann Gegenstand eines systematischen Denkens sein? Nun, das systematische Denken könnte dann darum ringen, eine solche Definition zu geben. Oder aber, den Begriff einzukreisen und ihn auf seine Qualitäten hin zu überprüfen, um eine genauere Vorstellung, ein genaueres Verständnis von ihm zu erlangen. Ohne weiteres kann diese Aufforderung zur Einkreisung und Überprüfung auch eine unendliche sein, solange sie nur dadurch am Laufen gehalten wird, indem sie ständig neue Ergebnisse und Erkenntnisse produziert. Oder aber: Dieser allgemeinste und daher undefinierbare Begriff bedarf auch keiner Definition. Jeder gebraucht ihn ständig und versteht auch schon, was er damit meint. (ebenda) Das Sein ist zugleich uns am Nächsten und am Fernsten: eine problematische Angelegenheit also. Das Sein hat gleichzeitig offenbar die höchste Präsenz, wie auch eine sich entziehende Absenz. Es ist unmittelbar gegeben und es ist ein sich verflüchtigender Rauch, oder aber ein schnell verblassende Halluzination von etwas, was vielleicht immer schon verflüchtigt war. Aber das Sein bleibt unauffindbar, fast so wie das Nichts oder am Ende ganz so. Das Wort „Sein“ ist dann schließlich nur ein leeres Wort. Es meint nichts Wirkliches, Greifbares, Reales. Seine Bedeutung ist ein unwirklicher Dunst. So hatte Nietzsche ganz recht, wenn er solche „höchste Begriffe“ wie Sein „den letzten Rauch der verdunstenden Realität“ nennt. (Einführung in die Metaphysik S.27) Hegel setzt das Sein überhaupt mit dem Nichts gleich (aufgrund seiner leeren Allgemeinheit, während Realität das hat, und Realität das ist, was sich als Seiendes dialektisch entfaltet) – allerdings ist das Sein, ganz offensichtlich, nicht das Nichts, sondern eben das Gegenteil von Nichts – daher eben auch: Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts? Eine problematische Angelegenheit also; eine so problematische, dass man eben am Grundproblem der Metaphysik wiederum anlangt. Genau aber indem der Seinsbegriff ein problematischer ist, eignet er sich ja zum philosophischen Problem. Der Spruch: Das Seyn ist das Nichts, sagt die höchste Zweideutigkeit, sofern er zumal das Seyn als das Nichtswürdigste ausgibt und sein Wesen als das Fragwürdigste vorgibt. Der Spruch ist das Eingeständnis aller Philosophie, sofern sie als Denken des Seins gilt. (Besinnung S.58) Die Seinsfrage ist durchaus gleichbedeutend mit der tiefsten philosophischen Frage. In ihrer Frage nach den ersten und letzten Gründen will die Philosophie das Reich der Erscheinung durchdringen und hinter sich lassen, um zu irgendeiner allgemeinen Wurzel hinter diesen Erscheinungen zu gelangen. Sie will durch das bloße Dasein, das bloße Seiende hindurch, um zu einem Urgrund des Seienden vorzustoßen: welcher dann eben ist: das Sein. Nietzsches Denken geht in der langen Bahn der alten Leitfrage der Philosophie: „Was ist das Seiende?“ (…) Dagegen soll der Hinweis darauf, daß Nietzsche in der Bahn des Fragens der abendländischen Philosophie steht, nur deutlich machen, daß Nietzsche wußte, was Philosophie ist. Dieses Wissen ist selten. Nur die großen Denker besitzen es. Die größten besitzen es am reinsten in der Gestalt einer ständigen Frage. Die Grundfrage als eigentlich gründende, als die Frage nach dem Wesen des Seins, ist als solche in der Geschichte der Philosophie nicht entfaltet, auch Nietzsche bleibt in der Leitfrage. (Nietzsche 1. Band S.2) Obwohl die Seinsfrage, so gesehen, die allgemeinste philosophische Frage ist, dringen nur die wenigsten Philosophen zu ihr vor. Das sind dann die echten Metaphysiker. Heidegger weist sich über seine Einsicht in die Seinsfrage als ein solcher aus. Der Seinsfrage nachzugehen bedeutet: Auf dem höchsten Abstraktionsniveau zu arbeiten, um so gleichzeitig das Konkrete am konkretesten und am umfangreichsten bestimmen zu können. Die „Allgemeinheit“ des Seins „übersteigt“ alle gattungsmäßige Allgemeinheit. „Sein“ ist nach der Bezeichnung der mittelalterlichen Ontologie ein „transcendens“. Die Einheit dieses transzendental „Allgemeinen“ gegenüber der Mannigfaltigkeit der sachhaltigen obersten Gattungsbegriffe hat schon Aristoteles als die Einheit der Analogie erkannt. (Sein und Zeit S.3) Das Sein ist gleichzeitig das Abstrakteste als auch das Konkreteste … es geht darum, das Konkrete, das Seiende als „im Sein“ oder eben „als Sein“ zu erleben: so gelangt man zu einer reichhaltigeren Anschauung des bloßen Seienden. Die Seinsfrage verlangt nach dem größten Tiefsinn, der größten Immersion. Sie verlangt nach einer transzendierenden Betrachtung gegenüber dem bloßen Seienden, um zu einer allgemeineren, tieferen Qualität – eben dem Sein – vorzustoßen. Es ist eine transzendentierende Bewegung, die endlich im Voraussetzungslosen und im Letztgültigen – im Transzendentalen – ankommen will. Wir können die Wissenschaft vom Sein als kritische Wissenschaft auch die transzendentale Wissenschaft nennen. Dabei übernehmen wir nicht ohne weiteres den Begriff des Transzendentalen bei Kant, wohl aber seinen ursprünglicheren Sinn und die eigentliche, Kant vielleicht noch verborgene Tendenz. Wir übersteigen das Seiende, um zum Sein zu gelangen. Bei diesem Überstieg versteigen wir uns nicht wiederum zu einem Seienden, das etwa hinter dem bekannten Seienden läge als irgendeine Hinterwelt. Die transzendentale Wissenschaft vom Sein hat nichts zu tun mit der vulgären Metaphysik,…. (Die Grundprobleme der Phänomenologie S.23) Das Seiende zu übersteigen, um zu Sein zu gelangen, ist eine Sache nicht allein des Denkens, sondern auch des Empfindens und des Erfahrens, und damit etwas Umfangreicheres als bloßes wissenschaftliches Denken, als eine bloße wissenschaftliche, unmittelbar rationale Herangehensweise. Das Sein ist eine reine Qualität – im Gegensatz zum Seienden, das ebenfalls über Qualitäten erscheint, die aber eventuell quantifizierbar (mathematisierbar) sind und somit zu Gegenständen der Wissenschaften werden können. Wie aber könnte das Sein, als reine Qualität, zu einem (ausschließlichen) Gegenstand der Wissenschaften werden? Heidegger verteidigt die Philosophie gegenüber den „nicht denkenden“ Wissenschaften mit gewissem Recht: Denn die Seinsfrage, und die Frage nach der Eingelassenheit des Menschen in das Sein, ist eine teilweise irrationale Frage, da sie sowohl Anteile des Subjektiven wie des Objektiven hat. Das Sein, grundsätzlich, ist etwas Paradoxes. Aber an den Grenzen des Denkens, und an den Grenzen der Welt, gelangt man zu keinen einfachen Erklärungen mehr: Wohin man gelangt, sind Zustände und Kategorien, die sich bestenfalls eben als Paradoxa beschreiben lassen – und, eventuell, auch nur über Paradoxa bestimmen lassen.  Wenn Heidegger sagt: Man dürfe sich das nicht so vorstellen, dass hinter dem Sein eine „Hinterwelt“ läge, so geht er einher mit Leibniz: Die höchste Monade ist die reflektierteste. Und sie gelangt durch ihre Reflexion auch zu keiner „Hinterwelt“. Wozu sie gelangt, ist eine Ausleuchtung, ein reicheres Erleben und Erfahren des Seins, einen reicheren Kontakt zum Sein, der den üblichen menschlichen Kontakt zum Sein qualitativ überschreitet. Durch die Reflexion über die Reflexion, durch tiefsinniges Eintauchen in Seiendes und Sein, sprengt sie schließlich die materiale Hyle der Dinge, des Seienden. Damit wird diese Monade selbst zu einem reichhaltigeren und präsenteren, verankerteren Sein innerhalb des Seins. Und das ist das, was Heidegger will. Das ist das, worauf die Philosophie von Heidegger abzielt.

Das Sein ist offener als das Seiende. Das Seiende ist begrenzt, endlich, steht herum und im Weg, verdeckt den Blick auf anderes Seiendes, verdeckt, unmittelbar, den Blick auf das Sein. Das Sein hingegen ist grenzenlos, öffnet Blick und Herz und eröffnet uns, dass es etwas jenseits unserer Tagesgeschäfte gibt; es eröffnet uns eine grenzenlose Weite. Den Blick zu erweitern ist Aufgabe der Philosophie. Den Blick auf das Sein hin zu erweitern, ist Intention der Heideggerschen Philosophie. Das Seiende soll in das Offene des Seins selbst und das Sein soll in das Offene seines Wesens gebracht werden. Die Offenheit von Seiendem nennen wir die Unverborgenheit: Wahrheit. (Nietzsche 1. Band S. 64) Was ist Wahrheit wiederum? Wir wissen es nicht. Am ehesten aber ist Wahrheit, und liegt Wahrheit dort, wo Offenheit für Wahrheit herrscht: das heißt, im unbedingt wahrheitsliebenden, wahrheitssuchenden Subjekt, das der Wahrheit gegenüber eine aufrechte Haltung hat. Dieses wahrheitssuchende Subjekt wird die Welt als etwas erleben, was Wahrheit enthält: Diese Wahrheit zwar gerne verbirgt, aber, wenn man sich in ein entsprechendes Verhältnis zu ihr setzt, auch entbirgt und offenbart. Wahrheit, im ursprünglichen Sinn verstanden, gehört zur Grundverfassung des Daseins. (Sein und Zeit S.226) Ein solches wahrheitssuchendes Subjekt wird nicht allein die Wahrheit hinter Seiendem zu entbergen suchen, sondern des Seins selbst: was dann eben „die“ Wahrheit ist. Heidegger spricht davon, dass der Mensch, in dieser Eigenschaft, Hüter des Seins ist. Er allein ist in der Lage, Sein und die Wahrheit des Seins zu entbergen. Heidegger spricht vom Entbergen der Wahrheit als einer Lichtung des Seins; einer Lichtung, die gleichsam im Sein vorhanden ist und sich auftut, die allerdings auch als solche aufgesucht und als solche begriffen werden muss. Inmitten des Seienden im Ganzen west eine offene Stelle. Eine Lichtung ist. Sie ist, vom Seienden her gedacht, seiender als das Seiende. Diese offene Mitte ist daher nicht vom Seienden umschlossen, sondern die lichtende Mitte selbst umkreist, wie das Nichts, das wir kaum kennen, alles Seiende. (Der Ursprung des Kunstwerkes in Holzwege S.41) In der Lichtung entbirgt sich das Sein selbst. Das Sein selbst ist lichtend. An diese Lichtung will uns Heidegger heranführen: denn es müssen diese Möglichkeiten, die im Sein liegen, auch als solche ergriffen werden. – Und Heidegger ist gleichsam der Denker, der vor Holzwegen warnt, auf denen sich Mensch und Seinswahrheit nicht begegnen. Insofern er der Denker der „Eigentlichkeit“ ist, ist er auch Reflektierer und Warner vor der „Uneigentlichkeit“. Die Möglichkeit; ja, die dringende, drängende Wirklichkeit der Uneigentlichkeit liegen wiederum im Sein und im Dasein selbst. Die Un-eigentlichkeit wird als Verfallen an das Seiende begriffen, … Das Verfallen an das Seiende ist die sich selbst verhüllte Zustimmung zur Machenschaft .. Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit sind … Existenzialien…  (Besinnung S.324) Uneigentlichkeit bedeutet: Die Flucht vor dem Dasein selbst und die Verschüttung seiner Begegnismöglichkeiten für es. (Einführung in die phänomenologische Forschung  S.284) Uneigentlichkeit liegt darin, dass es sehr schwer ist, „eigentlich“ zu sein, und zu Seinswahrheit vorzudringen. Es ist im Dasein selbst begründet, in dem sich die menschliche Sorge hauptsächlich darum bemüht, Auskommen im Dasein zu finden. Mitsein ist ein Existenzial: Um „eigentlich“ zu sein, und um Wahrheit herauszufinden, braucht man andere Menschen. Dieses Mitsein mit anderen Menschen, das Lernen von anderen Menschen, führt jedoch primär dazu, dass Menschen einander kopieren und sich aneinander anpassen. Die Einzelne tut dann nicht, was sie tut, denkt und empfindet nicht, was sie denkt und empfindet, sondern tut, denkt und empfindet, was man tut, denkt und empfindet. Das ist dann das beklemmende Reich des Man (eine von Heideggers stärksten und bekanntesten kategorialen Schöpfungen). Alles Ursprüngliche ist über Nacht als längst bekannt geglättet. Alles Erkämpfte wird handlich. Jedes Geheimnis verliert seine Kraft. Die Sorge der Durchschnittlichkeit enthüllt wieder eine wesenhafte Tendenz des Daseins, die wir die Einebnung aller Seinsmöglichkeiten nennen: so charakterisiert Heidegger die Sphäre der nivellierenden Alltäglichkeit, die Sphäre des Man.(Sein und Zeit S.127) Die Mimesis an das Man verhindert, dass der Mensch „zu sich kommt“ und „er selbst ist“. „Uneigentlich“ heißt hier nicht, es sei kein wirkliches Verstehen, sondern es meint ein solches Verstehen, worin das existierende Dasein primär sich nicht aus der eigensten selbstergriffenen Möglichkeit versteht. (Die Grundprobleme der Phänomenologie S. 395) Die Uneigentlichkeit, und überhaupt die Täuschung und die Irre, seien zunächst der eigentliche Normalzustand. In de anima betont Aristoteles, dass die früheren Philosophen viel zu wenig den Tatbestand beachtet hätten, dass der Mensch den größten Teil seiner Zeit sich in der Täuschung bewege. Weil der Trug beim Menschen viel mehr zu Hause ist, als man gemeinhin glaubt, genügt es nicht, den Trug nur nebenbei und nicht prinzipiell zum Problem zu machen. (Einführung in die phänomenologische Forschung S.25) Abgesehen davon, dass es die Wurzel des Wesens von dem einen und anderen Menschen ist, mehr oder weniger im Man aufzugehen, sind es Mächte und Ohnmächte, die uns davon abhalten, uns in unseren eigensten selbstergriffenen Möglichkeiten zu ergreifen und begreifen. Unkenntnis, Unwissen, Sorge, Angst etc. mögen vom Ergreifen der Eigentlichkeit abhalten. Die Unkenntnis und das Unwissen, das Unterbestimmte der Welt, sind weniger etwas subjektiv Verschuldetes, sondern liegen in der Natur selbst, die es liebt, sich zu verbergen. Umgekehrt wurzelt die Undurchsichtigkeit des Daseins nicht einzig und primär in je „egozentrischen“ Selbsttäuschungen, sondern ebensosehr in der Unkenntnis der Welt. (Sein und Zeit S.146) Die Welt, das Sein, ist eine Heimat, die auch unheimlich ist. Angst ist demgemäß eine Grundbefindlichkeit des In-der-Welt-Seins; Angst vor den Seinsmöglichkeiten zunächst, wegen derer man sich ins Man zurückzieht, Angst aber auch vor der Unheimlichkeit des Seins, die in der Unterbestimmtheit und latenten Rätselhaftigkeit der Welt liegt. Diese Unterbestimmtheit ist gleichsam nichts Dringendes und Drängendes, einem an die Gurgel Springendes: es ist eher die eherne Neutralität der Welt: Die Welt hat den Charakter völliger Unbedeutsamkeit (Sein und Zeit S.186) Auch und nicht zuletzt von daher entspringt der Appell der Seinsfrage: Das Sein zu bestimmen, um dem Dasein die Unheimlichkeit zu nehmen, und im Sein heimisch zu werden. (Der spätere Heidegger verabschiedet sich hinwiederum von der starken Betonung der Angst als Grundbefindlichkeit: Die Vorlesung erhebt eine vereinzelte und dazu noch gedrückte Stimmung, die Angst, zu der einzigen Grundstimmung. Weil jedoch die Angst der seelische Zustand der „Ängstlichen“ und Feigen ist, verleugnet dieses Denken die hochgemute Haltung der Tapferkeit. Eine „Philosophie der Angst“ lähmt den Willen zur Tat. (Nachwort zu „Was ist Metaphysik?“ in Wegmarken S.305).) – Ja, das mit der Lichtung, der Entbergung, dem Hüten des Seins – das kenne ich nur allzu gut! In mir ist es ja auch so, als ob meine Wahrnehmungen und meine wahrheitssuchenden Prozesse aus meinem Körper nach oben schießen und dann auf einen Schirm stoßen, der, als Lampe, die Umgebung erhellt. In meinem fortwährenden Sortieren, Assoziieren, Umwälzen und Umpflügen, in meinem Synthetisieren und Amalgamieren und in meinem Unterscheidungen treffen fühle ich mich auch als Hüter des Seins; nicht zuletzt, weil ich einen so empathischen, nicht-rechnenden Bezug zum Sein habe. Als eine Lichtung empfinde ich – ganz unmittelbar und NICHT metaphorisch – meine Geistseele, die lichtend alle Umgebung und ihr Dunkel erhellt und das Erhellte, und das noch zu Erhellende, behütet und in seinen empathischen Kreis zieht. – Diese bildhaften Begrifflichkeiten, die Heidegger mit „Wahrheit“ assoziiert – Entbergung, Lichtung, Öffnung, Hüten etc. – erinnern nicht an wissenschaftliche Begrifflichkeiten; ja, erscheinen womöglich esoterisch und schwärmerisch und mögen Anlass zu Spott geben. Allerdings sind es empathische Begriffe; und sie stehen damit in Verbindung, dass sie sich auf keine naturwissenschaftlich-objektive Wahrheit beziehen, sondern auf eine künstlerisch-philosophisch-religiöse (oder eben: eine existenzielle) Wahrheit hinsichtlich der (subjektiven) Eingelassenheit des Menschen in eine (objektive) Welt. Die Wahrheit des Seins erscheint als eine Epiphanie. Das Sein selbst ist, wie erwähnt, eine paradoxe, subjektiv-objektive Kategorie. Das Sein ist eine viel allgemeinere Kategorie als die des Menschen, allerdings auch wieder eine Kategorie des Menschen, und eine Kategorie, die allein für den Menschen diesen und jenen Sinn macht. Die Seinsfrage ist eine Frage nach einer „objektiven“ Bestimmung des Seins, die allerdings allein „subjektiv“ für den Menschen Sinn macht. Und es geht darum, die „Seinswahrheit“ ständig neu herauszufinden, die Suche nach dieser Wahrheit ist ein unabschließbarer Prozess. Das Sein muss deshalb von Grund aus und in der ganzen Weite seines möglichen Wesens neu erfahren werden, wenn wir unser geschichtliches Dasein als ein geschichtliches ins Werk setzen wollen. Denn jene Mächte, die dem Sein entgegenstehen, die Scheidungen selbst bestimmen, beherrschen und durchsetzen in ihrer vielfachen Verflechtung seit langem unser Dasein und halten es in der Verwirrung des „Seins“. (Einführung in die Metaphysik S.155/6) Das Sein muss erfahren, und ständig neu erfahren werden. Dasein ist ständige Unabgeschlossenheit (Sein und Zeit S.236) und Unganzheit (ebenda S.242) Allein indem man ins Offene kommt, Freund, kann man diese Unabgeschlossenheit und Unganzheit, und damit das Sein adäquat erfassen, und in dieser Unabgeschlossenheit, Offenheit, Unbestimmtheit und Unganzheit heimisch werden. Diese Freundin ist eigentlich, und lebt nahe den selbstergriffenen Möglichkeiten, die das kann.

Auf Heidegger bin ich gekommen, weil Antonioni in seinen meisterhaften Filmen, in seiner künstlerischen Vision, den Menschen als Menschen in der Welt, als Menschen in seiner Umgebung und in seinem Wechselverhältnis zu seiner Umgebung darstellt. Als Menschen in seinem – wie man dann mit Heidegger sprechen könnte – „In-der-Welt-sein“. Seiner urtümlichen Eingelassenheit in die Welt. Im Wesentlichen ist das auch das, was ich versuche: ich empfinde mich als in der Welt, und alles, was ich tue, zielt darauf ab, mir über mein In-der-Welt-sein Klarheit zu verschaffen. Ich empfinde mich als sehr eingelassen in die Welt, und versuche, diese Eingelassenheit zu reflektieren, und also mein Territorium zu markieren. Dem Erkennenden kommt es darauf an, im Seienden heimisch zu werden, in ihm selbst zu Hause zu sein in der Weise des gesicherten Daseins, so drückt es, ähnlich, Heidegger aus (Einführung in die phänomenologische Forschung S.289). Die Frage nach dem Sein stellt sich immer von der urtümlichen Position des In-der-Welt-seins aus. Die Interpretationen des Ontischen geschehen immer von der Eingelassenheit des Menschen ist das Ontische aus. Heidegger verzichtet gleichermaßen auf einen Anspruch, man könnte in der Philosophie über das Ontische hinausgehen, einen archimedischen Standpunkt einnehmen und in eine Hinter- oder Überwelt zu blicken. Der archimedische Standpunkt ist das In-der-Welt-sein, und allein über die konzentrierte Reflexion wird man in diesem Sein heimisch und zu einem aktiv metaphysischen Wesen, das zu einer aktiv metaphysischen Schau des Daseins gelangen kann. Ausgangspunkt des Heideggerschen Philosophierens ist die Welt. Welt ist nicht etwas Nachträgliches, das wir als Resultat aus der Summe des Seienden errechnen. Die Welt ist nicht das Nachherige, sondern das Vorherige … Auf innerweltlich Seiendes können wir einzig deshalb stoßen, weil wir als Existierende je schon in einer Welt sind. (Die Grundprobleme der Phänomenologie S.235) Heidegger ist auch niemand, der sich in epistemologische (oder phänomenologische) Raffinessen vertieft. Er legt wenig Gewicht auf Analyse des Erkenntnisapparates; für ihn stellt sich Erkenntnis spontan über den Kontakt mit der Welt ein, und diese Erkenntnis wirkt dann wieder auf die Welt zurück und ist in der Lage, die Welt zu manipulieren. Die Arten und Weisen, wie das passieren kann, sind nur begrenzt vorhersehbar – und so wirkt Heidegger als erfrischender Kronzeuge gegen philosophische Versuche, einem als starr, grundlegend und unveränderlich angenommenen Erkenntnisapparat auf die Schliche zu kommen. Epistemologie ist im Wandel. Über neue Erkenntnisse (und über neue Erkenntnisapparaturen) verändert sich unser Erkenntnisapparat fortwährend, und dieser verändert dann wieder die Welt und den konkreten Status des In-der-Welt-seins: Ein weiterer Hinweis auf eine der Hauptthesen von Sein und Zeit, dass sich Dasein und Erkenntnis und In-der-Welt-sein eben in der Zeitlichkeit entfalten. Erst aus der Verwurzelung des Da-seins in der Zeitlichkeit wird die existenziale Möglichkeit des Phänomens einsichtig, das wir zu Beginn der Daseinsanalytik als Grundverfassung kenntlich machten: des In-der-Welt-seins. (ebenda S.351)Vor allen Dingen ist das Erkenntnisproblem ein Zirkelproblem: Das Verstehen betrifft als die Erschlossenheit des Da immer das Ganze des In-der-Welt-Seins. In jedem Verstehen von Welt ist Existenz mitverstanden und umgekehrt – das ist der Zirkel der Erkenntnis (Sein und Zeit S.153): Dieser Zirkel des Verstehens ist nicht ein Kreis, in dem sich eine beliebige Erkenntnisart bewegt, sondern er ist der Ausdruck der existenzialen Vor-Struktur des Daseins selbst. Der Zirkel darf nicht zu einem vitiosum und sei es auch nur zu einem geduldeten herabgezogen werden. In ihm verbirgt sich eine positive Möglichkeit ursprünglichen Erkennens … Seinendes, dem es als In-der-Welt-Sein um sein Sein selbst geht, hat eine ontologische Zirkelstruktur. (ebenda S.152) Genauer gesagt, hat sie die Struktur eines Hypercycle (eines von mir gerne gebrauchen Ausdrucks). – Entsprechend dem Sinnspruch, dass die meisten Menschen nur existieren, N.N. aber ein besonderer Mensch ist, der tatsächlich lebt, gibt es ein passives und ein aktives In-der-Welt-sein. Passiv, weil das In-der-Welt-sein die urtümliche Verfassung des Menschen und aller Lebewesen und Objekte ist. Zu diesem In-der-Welt-sein muss der Mensch gar nichts dazu tun. Aktives In-der-Welt-sein bedeutet dann, „tatsächlich zu leben“, also sich über sein In-der-Welt-sein im Klaren zu sein und seine Möglichkeiten und Grenzen auszuloten. Das ist dann also ein Transzendenzbestreben, und dadurch wird der Mensch zu einem genuin transzendenten Wesen. Ein solches Transzendenzbestreben mündet letztendlich in die Metaphysik. Philosophie ist Metaphysik. Diese denkt das Seiende im Ganzen – die Welt, den Menschen, Gott – hinsichtlich des Seins, hinsichtlich der Zusammengehörigkeit des Seienden im Sein. Die Metaphysik denkt das Seiende als das Seiende in der Weise des begründenden Vorstellens. (Zur Sache des Denkens S.61f.) Die Metaphysik unterscheidet sich von der Physik, indem sie ebenfalls eine Art Zirkelstruktur hat. Sie will eine objektive Antwort auf eine subjektive Frage: auf die Frage des Menschen nach seinem Status in der Welt und nach dem Status der Welt allgemein (den er allerdings immer nur von seinem subjektiven Standpunkt aus als so oder so begreifen kann). Metaphysik ist eine Art „Sinnfrage“, die also als solche primär für den Menschen Sinn macht. Natürlich ist es aber falsch, die Metaphysik daher als eben etwas rein Subjektives abzutun: denn ihr Streben geht ja ins Objektive, und letztendlich will sie die Welt erhellen und freilegen als das, was sie eben ist. Die Metaphysik ist sehr schwierig und sie erzeugt den Sog des Abgrundes wie den Rausch der Höhen. Metaphysik will Klarheit über den Status des Menschen in der Welt, und zwar eine objektive Klarheit (die freilich ihre subjektivistischen Grenzen hat). Sie ist Vertiefung, Introspektion und Besinnung, sie will – abstrahierend – eine Karte des Seins zeichnen und – konkretisierend – Gebiete des Daseins mit ihrer Hilfe verorten.  Eine (atheistische) Metaphysik öffnet keine Tore zu Hinterwelten; die Überwelt, die sie eröffnet, besteht in einer gleichzeitigen Superabstraktion und Superkonkretisierung des Daseins, einer umfassenden Verständlichmachung der conditio humana in der Welt. Das ist, wenn man den grundlegendsten Grund erreicht, dann die Fundamentalontologie. Metaphysik ist seltsam nicht allein, weil sie subjektiv und objektiv ist, sondern auch, weil sie gleichzeitig deskriptiv und konstruktiv (und/oder normativ) ist. Metaphysische Gebäude sind deskriptive Konstruktionen. Sie erscheinen nicht allein als Konstruktionen in etwas, in eine Welt, hinein, sondern auch in ein Nichts, in ein über die Welt hinaus hinein. In seiner Antrittsvorlesung Was ist Metaphysik? im Jahr 1929 formuliert Heidegger die Eigentümlichkeit des metaphysischen Strebens. Da-sein heißt: Hineingehaltenheit in das Nichts. (Was ist Metaphysik? S.35) Es finden sich auch Sätze darin über den Zusammenhang zwischen Metaphysik und der Langeweile des Daseins: Die tiefe Langeweile, in den Abgründen des Daseins wie ein schweigender Nebel hin- und herziehend, rückt alle Dinge, Menschen und einen selbst mit ihnen in eine merkwürdige Gleichheit zusammen. Diese Langeweile offenbart das Seiende im Ganzen. (ebenda S.31) Alle Dinge und wir selbst versinken in eine Gleichgültigkeit. (ebenda S.32) Auf jeden Fall aber bedeutet hier die Grundlage für die Metaphysik die Hineingehaltenheit des Menschen in ein Nichts. Die Hineingehaltenheit des Daseins in das Nichts auf dem Grunde der verborgenen Angst ist das Übersteigen des Seienden im Ganzen: die Transzendenz …. Metaphysik ist das Hinausfragen über das Seiende, um es als ein solches und im Ganzen für das Begreifen zurückzuerhalten. (ebenda S.38) Ja, dieses transzendente Hineinragen in das Nichts, das kenne ich nur allzu gut! Im obersten, im Bau befindlichen Stockwerk des riesigen Wolkenkratzers, der wie so einige Wolkenkratzer über die nächtliche, punktuell funkelnd erleuchtete Megalopole des 21. Jahrhunderts ragt – in diesem obersten, im Bau befindlichen Stockwerk, da bin und arbeite ich! Einsam, allein. Ich baue die Metaphysik des 21. Jahrhunderts, hoch oben. Über mir nur das Firmament, das paradoxerweise schirmt und das auch nicht tut. Ich bin, einigermaßen, im Nichts. Nur meine Metaphysik ist bei mir. Straßen- und Megalopolenlärm dringt verhalten zu mir hinauf. Ich richte meinen Blick eben auf das nächtliche 21. Jahrhundert, nachdenklich, bevor ich wieder weitermache und weiterbaue. Es ist ein großes Geheimnis. Ich bastle an der Metaphysik der kommenden Jahrhunderte. Wie sollte das anders als seltsam sein, und ein Pakt mit dem Nichts?

Es liegt, wie wir sehen werden, in der Idee des Seins so etwas wie Verbundenheit, ganz äußerlich genommen, und es ist kein Zufall, dass das „ist“ den Charakter der Kopula erhält. (Die Grundprobleme der Phänomenologie S.303) Paula ist die Schwester von Perla. Perla ist die Mutter von Noemi. Chong Ing Fo ist Chinesin. China ist in Asien. China und fast der gesamte Rest der Welt sind in einem spannungsreichen Verhältnis zueinander. Das ist/sind – mithin also das Sein – bestimmt Seiendes über die Verknüpfung und Zuweisung von Qualitäten (und Quantitäten, Lokalitäten…). Seiendes, bzw. Dinge, die einem im Sein begegnen, die durch das Sein entborgen werden, ist bzw. erscheint als über in bestimmte Verhältnisse verknüpft. Seiendes ist also wesentlich nicht isoliert, sondern erscheint urtümlich in Zusammenhang mit Anderem. Kopula bedeutet lateinisch „Band“. Das Sein, könnte man meinen, ist also etwas, innerhalb dessen Zusammenhänge möglich sind; und unter dem „Sein“ selbst versteht man etwas Zusammenhängendes oder Einheitliches. Es gehört zu den guten, wohltuenden menschlichen Gefühlen, wenn man das Sein als einen guten Zusammenhang erlebt. Der Erleuchtete sieht das Sein mithin als irgendeinen gloriosen Zusammenhang. Ich selber sehe und empfinde, über meine alles miteinander verknüpfende Wahrnehmung, das Sein als einen Zusammenhang; genauer gesagt: Ich sehe und empfinde dringend den SEINSZUSAMMENHANG. Dieser glorreiche SEINSZUSAMMENHANG ist für mich urtümlich das Sein, und das Studium des SEINSZUSAMMENHANGS ersetzt für mich von vornherein das Studium des Seins. Die Seinsfrage stellt sich für mich gar nicht so dringend, da ich den SEINSZUSAMMENHANG sehe. Über den SEINSZUSAMMENHANG ist das Sein für mich ausreichend, mehr als vollständig und zufriedenstellend bestimmt. Meine große Sorge gilt freilich der Frage, inwieweit das Sein überhaupt ein „Seinszusammenhang“ ist (oder nicht etwas eher Auseinanderfallendes) bzw. wie sich der Zusammenhang im Sein verbessern und robuster machen lässt (denn praktisch erscheint er mir mangelhaft). Was ich gut finde, ist auch, dass ich im Sein mit-sein kann; dass mir das Sein ein Dasein ermöglicht, das mit-seiend ist. Das authentische Mit-sein ist das große Geheimnis. Es geschieht über Empathie. Durch das Mitsein mit Anderem gleitet man durch das Dasein wie durch ein physikalisches Feld, über das alles mit allem verbunden ist. Wer das Dasein so erlebt, der wetteifert an Glückseligkeit mit den Göttern; und hat wohl auch deren Verstand. Dasein ist, in jedem Fall, Mit-sein. Das weiß natürlich auch Heidegger: Das Mitsein ist ein existenziales Konstituens des In-der-Welt-Seins … Das eigene Dasein ebenso wie das Mitdasein Anderer begegnet zunächst und zumeist aus der umweltlich besorgten Mitwelt. (Sein und Zeit S. 125) Allerdings ist Heidegger kein Philosoph, der über das Mitsein viel reflektiert. Seine Besinnungen dazu beschränken sich mehr oder weniger auf jenen §26 in Sein und Zeit. Wohl aus dem heraus stellt sich für ihn immer wieder die Seinsfrage: indem er das Dasein wenig als Mitsein zu erleben scheint und daher auch als unterbestimmt und sinndefizitär. Sein besinnliches Denken hat, insgesamt, das Charisma einer vorwiegend einsamen, solitären Beschäftigung; mit seiner spezifischen Besinnung bohrt er sich gleichsam in das Sein hinein (oder eben nur: in die Frage nach dem Sein ohne Antwort), gräbt er sich eine Mulde – damit erobert er einen eigenen Bezirk, aber, so hat man den Eindruck, nicht das Sein im Ganzen. Ich hingegen, mit meinen dauernden Verknüpfungen, tue das schon. Ich selber mag alles, was anders ist, und ich will mit dem Anderen eine symbiotische Beziehung eingehen. Durch das fortwährende Eingehen von symbiotischen Beziehungen bzw. über die Disposition dazu, symbiotische Beziehungen mit dem Anderen einzugehen, erweitere ich fortwährend meinen Wirkungskreis und reichere mein eigenes Sein an. Ich ziehe so große Kreise und Aktionsradien. Ich habe zu mir begegnendem Seienden ein offenes Verhältnis, und so ist auch das Sein für mich jene von Heidegger viel beschworene Offenheit. Das Sein ist somit für mich nicht wirklich ominös. Heidegger hat zum Seienden vielleicht keinen so tiefen empathischen Draht (und schon gar nicht zum Anderen: er bleibt eben am liebsten in seinem Wald und seiner Hütte – und eben auch im Rahmen seiner eigenen Philosophie). Er wirkt weltflüchtig. In seiner denkwürdigen Begegnung mit Cassirer verkörpert Cassirer die umfangreiche, enzyklopädische Bildung (als Welt-Aneignung); Heidegger hingegen ein sich von scheinbar überkommenem Bildungsballast frei machendes intellektuell-spirituelles „Zurück zum Ursprung“. Cassirer ist extravertiert und offen und will stets die Gemeinsamkeiten betonen. Heidegger betont die Gegensätzlichkeit der beiden Auffassungen und verweigert sich einer Fortsetzung des Gesprächs. Um das Sein zu erfassen, muss man dem Seienden begegnen; um auf die Seinsfrage Antwort zu geben, oder sie hinter sich zu lassen, muss man welthaltig sein. Umgekehrt ist bildungsmäßiges Denken und Wissen nicht notwendig empathisch und eine enzyklopädische Bildung kann der empathischen Qualitäten – und damit der eigentlichen Durchdringung ihrer Inhalte – ermangeln. Heideggers besinnliches, anti-enzyklopädisches Denken ist sehr wohl empathisch und „fühlend“; allerdings ist seine spezifische Empathie auf gewisse Bezirke beschränkt, und sie ist nicht wirklich Empathie mit dem Anderen, so dass sie eben auf sich selbst und eben auf die Seinsfrage beschränkt bleibt. Irgendeiner sollte daher kommen und die positiven Seiten der über Heidegger und Cassirer exemplifizierten Pole zusammenbringen. Das wäre dann wohl was. Ich trete vor einem zurück, der noch nicht da ist, und beuge mich, ein Jahrtausend ihm voraus, vor seinem Geiste, zitiert Heidegger Kleist im Interview mit Richard Wisser. Heideggers spezifische Philosophie gibt keine letztgültigen Antworten, sie hält aber die Seinsfrage für die Zukunft hin auf kommende Antworten offen. ——- Jetzt ist es freilich so, dass der glorreiche Seinszusammenhang zu erheblichen Teilen gar keiner ist. Im Sein ist Seiendes über Qualitäten miteinander verbunden, die völlig unterschiedlich sind, und teilweise inkompatibel. Und das Sein also etwas, in dem völlig unterschiedliche Qualitäten erscheinen, und teilweise inkompatible, wenn nicht gegeneinander gerichtete. Das Miteinandersein im Man ist ganz und gar nicht ein abgeschlossenes, gleichgültiges Miteinander, sondern ein gespanntes, zweideutiges, Aufeinander-aufpassen, ein heimliches Sich-gegenseitig-abhören. Unter der Maske des Füreinander spielt ein Gegeneinander. (Sein und Zeit S.175) Indem im Sein völlig unterschiedliche, vielfach schlechte Qualitäten erscheinen, erscheint das Sein selbst als ein gleichgültiger Behälter, zu dem man in keinem wirklichen Verhältnis steht: Das Sein ist dann etwas Gleichgültiges und Leeres, eben wieder gleichbedeutend mit dem Nichts – wenn nicht sogar etwas Maliziöses, in dem Gutes nur erscheint, um als Illusion zu täuschen. Das Sein ist nicht notwendigerweise ein guter Zusammenhang, eine gute Kopula. Mit Schelling, auf den Heidegger öfter Bezug nimmt, ist die Schöpfung etwas, das notwendigerweise in Einzelwesen zerfällt, deren Telos die Selbstbehauptung sei und die daher in einem Konkurrenzkampf zueinander stehen. Dasein ist nicht zuletzt Daseinskampf. Nietzsche zieht die Konsequenz daraus, indem er den selbstbehaupterischen Daseinskampf verabsolutiert und ihn als eigentliches Ziel des Daseins – in einem sadomasochistischen „ewig wiederkehrenden“, ansonsten ziellosen Sein – fasst und proklamiert. Allerdings hat die Philosophie Nietzsches hier keinen rechten Erfolg, und scheint vor allem widersprüchlich und in sich gebrochen. Das Telos von Philosophie kann kaum anders vorgestellt werden, als irgendwas Gutes und Erwärmendes über Sein und Dasein zu sagen. Der Sinn des Lebens, das Gute im Leben, besteht darin, dass man gute Bezüge herstellt, gute Verhältnisse zu irgendetwas anderem Seienden; schließlich ist es eben gut, wenn man zum Sein an sich einen guten Bezug hat. Der Mensch schließlich und vor allem ist Hüter des Seins, weil er vernünftig und moralisch ist und weil er in das Dasein eingreift: die Macht hat, Seiendes zusammenzuführen und Seiendes zu trennen. Aus dieser Fähigkeit und seiner Anlage zur Vernunft, und aus seinen prosozialen Gefühlen heraus, ergibt sich also für den Menschen die Aufgabe, ethisch zu sein und zu handeln. Der Mensch kann nicht Hüter des Seins sein, wenn er das nicht tut. Es ist Aufgabe der Philosophie, der Königsdisziplin, Seiendes in ethischer Weise zusammenzuführen (und zu trennen). Aufgabe der Philosophie ist die Konstruktivität. Sie muss Vorstellungen und Normen und Haltungen finden und formulieren, die solche der Konstruktivität sind. Daher ist es auch notwendig, den Charakter des Seins zu bestimmen: Als etwas, in dem Seiendes erscheint, das der Mensch als Hüter des Seins zusammenführen und trennen kann. Daraus ergibt sich das ethische GESETZ für den Menschen: Nämlich Seiendes in guter und konstruktiver Weise zusammenzuführen und zu trennen, um höheres Seiendes und ein höheres Sein zu schaffen. Dieses ethische GESETZ ist, als Apell, für den Hüter des Seins in das Sein gleichsam eingeschrieben. Das Sein – um es von der Seinsfrage her aufzuwerfen – lässt sich als etwas bestimmen, in dem das GESETZ eingeschrieben ist und als Apell wirkt. Und das ist wiederum ein Modus des SEINSZUSAMMENHANGS.

Heidegger wird manchmal als Existenzphilosoph gesehen, oder als Existenzialist. Das ist er nicht, wenngleich er wesentlicher Wegbereiter des Existenzialismus ist. Er ist aber deswegen kein Existenzialist, weil sein „Existenzialismus“ kein Humanismus ist. Heidegger will eigentlich eine Philosophie entwickeln, bei der der Mensch nicht im Zentrum steht – sondern eben das Sein. Und dass in der westlichen Philosophie der Mensch im Zentrum stehe, ist für ihn ein weiteres Merkmal ihrer Seinsvergessenheit. Der Beginn der Metaphysik im Denken Platons ist zugleich der Beginn des „Humanismus“ … Hiernach meint „Humanismus“ den mit dem Beginn, mit der Entfaltung und mit dem Ende der Metaphysik zusammengeschlossenen Vorgang, daß der Mensch nach je verschiedenen Hinsichten, jedesmal aber wissentlich in eine Mitte des Seienden rückt, ohne deshalb schon das höchste Seiende zu sein. (Platons Lehre von der Wahrheit S.38) Diese Fixiertheit auf den Menschen verstellt den Blick auf das höchste Seiende (bzw. das Sein), sie verstellt die Seinsfrage und die Frage nach dem grundlegendsten Grund. Die Unverborgenheit enthüllt sich dieser Erinnerung als der Grundzug des Seins selbst. Die Erinnerung an das anfängliche Wesen der Wahrheit muß jedoch dieses Wesen anfänglicher denken. Sie kann daher die Unverborgenheit niemals nur im Sinne Platons, d.h. in der Unterjochung unter die idea, übernehmen. Die platonisch begriffene Unverborgenheit bleibt eingespannt in den Bezug zum Erblicken, Vernehmen, Denken und Aussagen. Diesem Bezug folgen, heißt das Wesen der Unverborgenheit preisgeben. Kein Versuch, das Wesen der Unverborgenheit in der „Vernunft“, im „Geist“, im „Denken“, im „Logos“, in irgendeiner Art von „Subjektivität“ zu begründen, kann je das Wesen der Unverborgenheit retten. Denn das zu Begründende, das Wesen der Unverborgenheit selbst, ist hierbei noch gar nicht hinreichend erfragt. (S.39f.) Heraklit und Parmenides seien Denker gewesen, die – übersetzt gesehen – grundlegender gedacht hätten als deren Nachfolger Sokrates, Platon und Aristoteles, über die die Philosophie mehr und mehr zu einem Fragen nach dem Seienden geworden sei und weniger nach dem Sein. Freilich scheint eine Philosophie, die in dem Sinn nicht-humanistisch ist, vor großen Schwierigkeiten zu stehen. Wie lässt sich eine nicht-humanistische Philosophie, die den Menschen aus dem Zentrum und das Sein in das Zentrum rückt, überhaupt formulieren (ohne zum Denken Heraklits oder Parmenides, das schließlich auch archaisch ist, zurückzufallen)? Kann menschliches Denken und Erkennen überhaupt jemals anders verfahren als in einer ständigen Bezugnahme auf das menschliche Dasein? Folgt daraus, dass in diesem Sinne der Mensch „Maßstab“ bleibt, ohne weiteres eine Vermenschlichung alles Erkennbaren und Wissbaren? (Schellings Abhandlung Über das Wesen der menschlichen Freiheit S.197) (Ironischerweise drückt sich laut Schelling die Schöpfung notwendigerweise in der Schaffung von Einzelwesen aus, die miteinander kooperieren, nebeneinander existieren und vor allem – aus ihrem grundlegenden Telos der egoistischen Selbsterhaltung heraus – gegeneinander im Konkurrenz- und Daseinskampf stehen. Das ist nicht Thema von Heideggers Abhandlung über Schelling. Aber es lässt sich mit Schelling vielleicht sagen, dass seine Metaphysik über die menschliche Perspektive hinausgeht und auch auf Außerirdische – sofern sie ebenfalls Einzelwesen sind – anwendbar ist: Jene physischen und metaphysischen Beschränkungen gelten gleichermaßen auch für sie.) Fünfzehn Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes von Sein und Zeit (das tatsächlich ein unvollendetes Werk ist) gesteht Heidegger auf jeden Fall, warum es in einen zweiten Band hinein nicht fortgeführt wurde: Weil es der Philosophie in all der Zeit nach dessen Erscheinen nicht gelungen sei, eine Metaphysik zu entwickeln, innerhalb derer der Mensch nicht dergestalt Zentrum sei. Versteht man den in „Sein und Zeit“ genannten „Entwurf“ als ein vorstellendes Setzen, dann nimmt man ihn als Leistung der Subjektivität und denkt ihn nicht so, wie „das Seinsverständnis“ im Bereich der „existenzialen Analytik“ des „in-der-Welt-Seins“ allein gedacht werden kann, nämlich als der ekstatische Bezug zur Lichtung des Seins. (Brief über den „Humanismus“ in Wegmarken S.327) Der „Humanismusbrief“ wendet sich gegen den Existenzialismus; mit ihm will sich Heidegger abgrenzen gegenüber Sartre. Sartres Existenzialismus ist ein Humanismus; Heidegger strebt jedoch eine andere, die den Humanismus überschreitende Perspektive an. Aus heutiger Perspektive scheint Heidegger damit weitsichtiger zu sein: Während die 1950er Jahre das große Jahrzehnt des Existenzialismus waren, wirkt dieser, und wirken die Weisheiten Sartres bereits seit Jahrzehnten als verstaubt, unspektakulär und als eine Sache der Vergangenheit. Indem er den Entwurf der individuellen Existenz gegenüber dem Nichts anstellt, ist er gleichsam weniger ergiebig als wie wenn Heidegger das gegenüber dem Sein tut, und noch mehr gegenüber Kierkegaard, der das gegenüber dem Göttlich-Absoluten tut. (Dagegen hat Kierkegaard zu der entscheidenden Frage nach dem Wesen des Seins nicht das geringste Verhältnis, moniert Heidegger(Was heißt Denken? S.129), auch wenn es zwischen Kierkegaard und ihm entscheidende Berührungspunkte gibt – die er allerdings nicht explizit ausgearbeitet hat.) Heidegger geht dazu über, von der Ek-sistenz zu sprechen, als das, worauf es ankäme und als das, was ihn interessiert. Die Ek-sistenz, ekstatisch gedacht, deckt sich weder inhaltlich noch der Form nach mit der existentia. Ek-sistenz bedeutet inhaltlich Hin-aus-stehen in die Wahrheit des Seins … Ek-sistenz nennt die Bestimmung dessen, was der Mensch im Geschick der Wahrheit ist. (ebenda S.326) Dieses ekstatische Hinausstehen des Menschen in die Existenz hat man bei den Existenzialisten nicht: Sartres Pathos des menschlichen Selbstentwurfs scheint, was die Möglichkeiten des modernen Menschen anlangt, schal – bzw. keiner zu sein, sondern eher eine nüchterne Adresse an die moderne Menschheit der Nachkriegszeit. Heidegger hingegen verlautbart: … die Ek-sistenz des Menschen ist seine Substanz (ebenda S.329), da er den Menschen (und das Sein an sich) als etwas Ekstatisches begreift. Gegen den Humanismus wird gedacht, weil er die Humanitas des Menschen nicht hoch genug ansetzt … Der Mensch ist vielmehr vom Sein selbst in die Wahrheit des Seins „geworfen“, dass er, dergestalt ek-sistierend, die Wahrheit des Seins hüte, damit im Lichte des Seins das Seiende als das Seiende, das es ist, erscheine. (S.330) Heideggers ekstatischer, ek-sistierender Mensch hat etwas von einem Übermenschen an sich – worauf noch zurückzukommen sein wird.

Zum künftigen Denker taugt nur, wer solche verschwiegene lange Bahnen immer wieder neu zu durchschreiten vermag. Wer darin nie vorgedrungen ist und nie auf der Verwandlungsschwelle des Menschen in das Da-sein für die kurze Zeit starker Erschütterungen aller Wesenszeiträume gestanden hat, weiß nicht, was denken ist. Die Gänge in die Ergründung der Wahrheit des Seyns streifen an verlorenen Punkten zeitweilig die Grenzen menschlichen Vermögens und besitzen in dieser Eigenschaft die Gewähr, den Zeitspielraum des Seyns zu lichten, der durch kein Seiendes je abstützbar ist. (Besinnung S.41)Heidegger ist durch und durch Denker. Dass er sich der Seinsfrage widmet, weißt ihn als echten, tiefen Denker aus. In einer solche Tiefe des Denkens, auf einer solchen Abstraktionsebene, denkt im Wesentlichen keiner; die meisten sind in Tagesgeschäfte verstrickt oder zumindest darin, über Seiendes nachzudenken; über Erscheinungen nachzudenken, die einem im Sein begegnen. Ein Denken ist umso denkender, je radikaler es sich gebärdet, je mehr es an die radix, die Wurzel alles dessen geht, was ist. Immer bleibt das Fragen des Denkens das Suchen nach den ersten und letzten Gründen. (Unterwegs zur Sprache S.175) Heidegger mag allzu professoral wirken, in seinem beharrlichen Denken und Fragen nach dem Sein an sich, ist er radikal. An und für sich würden einem nur Heidegger und Wittgenstein einfallen, die im 20. Jahrhundert ähnlich radikal sind, und meistens wird entweder in dem einem oder dem anderen der größte Philosoph des 20. Jahrhunderts gesehen. Fast keiner sonst kommt in seinem Suchen nach den ersten und letzten Gründen den ersten und letzten Gründen tatsächlich so nahe; gelangt in seinem Denken tatsächlich an den grundlegendsten Grund. (Mit der Ausnahme von Otto Weininger, der sowohl Wittgenstein als auch Heidegger wohl an Tiefsinn überboten hätte, dessen kurze Karriere aber zu abrupt endete, um überhaupt eine zu sein. Über die letzten Dinge aber: Weininger hat sie tatsächlich erreicht, ist tatsächlich in ihrer (todbringenden) Arena angekommen – wenngleich der Grund für Weiningers Selbstmord weniger in seinem Genie zu suchen sei denn in seiner tatsächlichen, daneben bestehenden Verrücktheit.) An den grundlegendsten Grund kommt man – bzw. kann sich dort aufhalten – nur durch fortwährendes, ständiges Denken. (Das epistemologische Korrelat zum grundlegendsten Grund ist der Zustand einer Art permanenten intellektuellen Trance, in der sich der grundlegendste Denker meistens befindet.) Der grundlegendste Grund gleicht einem Quantenschaum, in dem ständig Frage-Antwort Teilchenpaare aus dem Nichts bzw. der grundlegenden Energie des Urgrundes heraus entstehen und sich sogleich wieder gegenseitig vernichten. Im grundlegendsten Grund ist das Fragen die Antwort. Vom grundlegendsten Grund des Seins scheiden sich die Erscheinungen des Seienden, fortwährend, und werfen somit Fragen auf, und stellen somit Antworten bereit. Der grundlegendste Grund ist sowohl leer als auch extrem dynamisch, er verweist auf eine Virtualität und daher auch auf das Denken, das sich ebenfalls im Virtuellen vollzieht. – Auch wenn man es nicht so grundlegend betrachtet und zu solchen Visionen gelangt, ist das Denken nichts Stationäres. Es gibt auch nicht notwendigerweise Antworten. Das Denken ist ständige Bewegung, ist ständiges Fragen. Die Bestimmung des Wesens des Menschen ist nie Antwort, sondern wesentlich Frage. (Einführung in die Metaphysik S.109) Indem der Mensch ein fragendes Tier ist in einer Welt, die hauptsächlich verborgen ist, einer Natur, die es liebt, sich zu verbergen, und die nur ungerne einfache und offenbare Antworten und Lösungen bereitstellt, ist es nur billig, wenn der Versuch seiner Bestimmung wesentlich der einer Frage ist (anti-human ist es vielmehr, bestimmte, kategorische, normative Antworten darauf zu geben oder geben zu wollen: Insofern Heidegger auch hier ständig das Fragen offenhält, ist er schon einmal von den Faschisten wesensverschieden). Das Denken und Fragen ist gut, denn es hält die Dinge offen und gibt ihnen Raum, sich zu entfalten; es wehrt sich gegen Geschlossenheit und ist demokratisch und antifaschistisch. Allerdings stößt das Denken, und das jemeinige Denken, auch an Grenzen, und an jemeinige Grenzen. (Jemeinige) Fragen bleiben ohne (jemeinige) Antworten. Das kann frustrierend sein. Denkersein heißt, den Mut zu einem Fragen besitzen, das fragt, um überfragt zu werden. (Überlegungen XII–XV (Schwarze Hefte 1939-1941) S.19) Und es kann sein, dass einem dieses Überfragtwerden zu enervierend wird, oder den jemeinigen Stolz verletzt und so der Mut verlorengeht. So mag sich der Denker sehr unbeliebt machen; oder aber eben: je höher sein Denken, desto weniger wird er „verstanden“: vielleicht weniger, weil man ihn tatsächlich „nicht versteht“, sondern weil die Lebenswelten der meisten Menschen andere sind, und vor allen Dingen weniger ausführlich. In der Tiefe seines Denkens fühlt sich Heidegger, der im Sein  und im Fragen nach dem Sein weilt, vom Seienden oft genug entfremdet: Wie viele von denen, die heute in der „Philosophie“ als Gelehrte sich hervortun, sind noch gemäß ihrer Herkunft getragen und gestoßen von den Notwendigkeiten der ursprünglichsten Entscheidungsfragen unserer abendländischen Geschichte? Ich kenne  keinen und weiß nur, daß die lediglich bildungsmäßig und „interessiert“ an die „Philosophie“ geraten sind … ohne jemals wirklich in die Notwendigkeit des Fragens der Grundfrage gestoßen zu werden. (Mein bisheriger Weg in Besinnung S.416) Oder: Der schärfste Einwand gegen (Jaspers, Anm.) ist die Umfänglichkeit seiner Schriftstellerei, in der sich nicht eine einzige wesentliche denkerische Frage findet (…) Und dennoch übertrifft der Ernst dieser Bemühung alle sonstige Gelehrsamkeit und vollends alle Weltanschauungs-scholastik. (Überlegungen II-IV (Schwarze Hefte 1931-1938) S.400) Oder: Die „Intellektuellen“ haben in Beziehung auf die „Metaphysik“ und in Beziehung auf die Menschenmasse eine zweideutige Stellung … (w)enn … die Angleichung und die Einschmelzung in das Massentum einsetzt … sind die „Intellektuellen“, und nicht etwa die dumpfe und dumme Masse, die ärgsten Feinde jeglicher Besinnung – sie, nicht diejenigen, die von ihnen lernen und sie nur nachmachen, sind die eigentlichen Träger der Zerstörung. (Überlegungen XII–XV (Schwarze Hefte 1939-1941) S.38) Das ist wohl zu plakativ. Aber diese Zweideutigkeit existiert in der Wirklichkeit: Und das eindeutiger, als man es hoffen mag. Aber eben: Der Durchschnitt in allem Seienden ist der schärfste Widersacher der Götter. (Überlegungen II-IV (Schwarze Hefte 1931-1938) S.511) Heidegger wendet sich wiederholt gegen den akademischen Philosophiebetrieb u.dergl., so wie er sich gegen alles wendet, was einen Widerstand oder urtümliche Hürde gegen das besinnliche Denken ausmacht, oder einen solchen zumindest symbolisiert (und Heideggers Denken wird immer wieder unscharf und selbstgerecht, indem er diese Symbolisierungen allzu mühelos mit der Sache selbst identifiziert: das ist sogar eine entscheidende Schwäche seines Denkens!) Als tiefer Denker ist er allem Zeitgemäßen abhold; Fragen wie die Seinsfrage können sich nur im Unzeitgemäßen entfalten: Alles wesentliche Fragen der Philosophie bleibt notwendig unzeitgemäß … Die Philosophie ist wesenhaft unzeitgemäß, weil sie zu jenen wenigen Dingen gehört, deren Schicksal es bleibt, nie einen unmittelbaren Widerklang in ihrem jeweiligen Heute finden zu können und auch nie finden zu dürfen. Wo solches scheinbar eintritt, wo eine Philosophie Mode wird, da ist entweder keine wirkliche Philosophie oder diese wird missdeutet und nach irgendwelchen ihr fremden Absichten für Tagesbedürfnisse vernutzt. (Einführung in die Metaphysik S.6) Was für ein Glück, könnte ich meinen, denn meine Philosophie ist ganz eindeutig keine Mode. Allerdings fühle ich mich auch weder zeitgemäß noch unzeitgemäß: Eher beides auf einmal, denn ich will in Ewigen und Universalen mit ihr ankommen. Das ist der höchste Sinn und ist die höchste Erscheinungsform von Philosophie. Wenn man zum Ewigen und zum Universalen vorstoßen will, ist man weder zeitgemäß noch unzeitgemäß: sondern eben ewig und universal. Es besteht dann aber das Problem des Kontakts zur Sphäre des Zeitlichen und Konkreten. Auch wenn das Ewige und das Universale in einem unmittelbaren Korrelationszusammenhang mit dem Zeitlichen und dem Konkreten stehen, scheinen sie doch in der Geschäftigkeit des Zeitlichen und Konkreten als von der geringsten Bedeutung. Das Zeitliche und das Konkrete beachtet das Ewige und das Universale hauptsächlich dilatorisch. Und das ist eine Erscheinungsform des relativen Scheiterns von Philosophie – was sie gerade aber dadurch als genuine Philosophie bestätigt – … denn jede Philosophie scheitert, das gehört zu ihrem Begriff. (Schellings Abhandlung Über das Wesen der menschlichen Freiheit S.118) Indem die Philosophie ständig fragt, macht man sich vielleicht falsche Vorstellungen von ihr oder richtet falsche Hoffnungen auf sie. Der genuine Philosoph ist nicht dazu da, um zu beruhigen oder zu coachen, sondern zunächst einmal um Unruhe zu stiften und aufzuwühlen: Aber – die Philosophie macht ihrem Wesen nach die Dinge nie leichter, sondern nur schwerer. (Einführung in die Metaphysik S.9) Das finde ich nicht, aber es kann sein, dass andere das so empfinden. Wenn ich mir meine eigenen Texte durchlese, verspüre ich manchmal, dass sie sehr nervig zu lesen sein müssen und überlege mir, ob ich nicht den Laden besser dichtmachen sollte. Nervig zu sein – ist allerdings eben das Merkmal eines jeden tatsächlichen Philosophen und Künstlers. Daran soll man sie erkennen. Ihr Geist und die Komplexität ihres Denkens und Empfindens – und eben ihre eigene nervliche Ausnahmesituation – sind zu ungewöhnlich, um nicht zu nerven. Liebe sei angeblich das Wichtigste von der Welt – aber jene kann man schwer lieben … denn die Großen Denker können nicht geliebt werden – die eisige Einsamkeit, die um sie sein muß und in die nur der fragende Kampf mit ihnen einbricht, versagt jeden ausruhenden und behüteten Bezug. (Überlegungen II-IV (Schwarze Hefte 1931-1938) S.481) Trotzdem kann ich als echter Künstler und Philosoph den Laden nicht einfach dichtmachen: denn ich habe dann einen Auftrag. Ich muss durch etwas hindurch. Der echte Künstler und Philosoph versucht, Komplexität zu bemeistern und differenziertere Verständnisse zu schaffen. Durch diese Mimesis der Komplexität wird er andere vor den Kopf stoßen. Was er aber will, und was geschieht, ist, dass er, indem er sich durch die Komplexität hindurcharbeitet, zu einer neuen Einfachheit gelangt. Einer neuen Trivialität vielleicht, wie man missgünstig monieren will. Erst in Zukunft wird sich seine Wühlarbeit mit dem Zeitlichen und Konkreten pazifiziert haben und dadurch harmonisiert werden. Dann kann der Philosoph beruhigen und coachen. – Heidegger sah, in der ihm eigentümlichen Art, für die Philosophie und die Metaphysik keine Zukunft. Sie würde von den Wissenschaften und der Technik überrollt werden, und ihren Anspruch auf Totalität nicht mehr einlösen können. Diese Nachrichten vom Tod der Philosophie sind übertrieben. Das Denken aber wird, laut Heidegger, sowieso bleiben. Er scheint zu hoffen, dass es einstmals in Formen stattfindet, die nicht mehr unbedingt Philosophie sind. Das totale Denken wird aber in Hinkunft sein: der absolute Geist in der absoluten Form.

Was mich interessiert, ist die Sache vom Sehr Tiefen Denker. Nietzsche gehört zu den wesentlichen Denkern. Mit dem Namen „Denker“ benennen wir jene Gezeichneten unter den Menschen, die einen einzigen Gedanken – und diesen immer „über“ das Seiende im Ganzen – zu denken bestimmt sind. Jeder Denker denkt nur einen einzigen Gedanken. (Nietzsche 1. Band S. 427) Na, das kann ich so nicht ganz bestätigen – wenn man so will, dreht sich bei mir aber tatsächlich alles um die Frage nach dem Sehr Tiefen Denker: Wenn ein Sehr Tiefer Denker daherkommt, der an der letzten Schicht arbeitet: Was würde der dann (heute) sagen? Wie würde er unser Zeitalter feststellen, und außerdem – eben aufgrund seines sehr penetrierenden Blicks – so durch alle Zeitalter hindurchblicken? Denn das ist es, was der Sehr Tiefe Denker macht, oder was man sich von einem Sehr Tiefen Denker erhofft. Der Sehr Tiefe Denker denkt über das Seiende im Ganzen nach und will zu den grundlegenden Dimensionen und Bestimmungen des Seienden im Ganzen vordringen, das grundlegende Koordinatensystem der (Lebens)Welt freilegen – also eben Fundamentalontologie machen. Er transzendentiert, um im Transzendentalen anzukommen, den letzten, unhintergehbaren Kategorien, die da sind. Er ist somit eher eschatologisch als philosophisch, und eventuell etwas anderes als ein Philosoph, insofern die Philosophie praktisch eher eine Koordinatenachse in der Bestimmung des Seins ist, aber nicht das Koordinatensystem selbst. Im Sehr Tiefen Denker treffen sich die Koordinaten, im mysteriösen Koordinatenursprung, der er dann eben ist, den er in sich ausbildet. Das ist entweder in einem Ursprung möglich, oder aber in einer zeitgemäßen Fassung und Wiedereinholung eines solchen Ursprungs. Heraklit und Parmenides waren noch keine „Philosophen“. Warum nicht? Weil sie die größeren Denker waren. „Größer“ meint hier nicht das Verrechnen einer Leistung, sondern zeigt in eine andere Dimension des Denkens. Heraklit und Parmenides waren „größer“ in dem Sinne, daß sie noch im Einklang standen mit dem logos.. (Was ist das – die Philosophie? In Identität und Differenz  S.15) (Das heißt in dem Fall: Heraklit und Parmenides dachten über das Sein an sich, das Sein im Ganzen nach; ab Sokrates-Platon-Aristoteles beginnt dann die Seinsvergessenheit in der Philosophie: denn diese dachten vielmehr über das Seiende im Sein nach und suchten es von anderem Seienden logisch zu unterscheiden). Heideggers Denken gilt eben einer solchen Wiedereinholung eines solchen Ursprungs. Und was mich interessiert, ist auch eine Wiedereinholung eines solchen Ursprungs (wenngleich ich mir das weniger in Ursprüngen in der Vergangenheit erwarte, sondern über eine penetrative Durchdringung der jeweiligen Gegenwart): das ist eben die Sache vom Sehr Tiefen Denker. Der Sehr Tiefe Denker blickt auf den Grund, und kommt schließlich am Grund an. Der Sehr Tiefe Denker will eine Schneise durch das Sein ziehen, er will das Sein umpflügen. Sein Denken ist so grundlegend und eine Grundlage für Konstruktivität, dass er sich gleichsam als gründend erlebt. Gründer sind jene, die, das Wesen des Seyns wandelnd, seine Wesung auf den Grund eines ursprünglichen Wesens der Wahrheit bringen. Schaffende dagegen erneuern und vermehren je nur das Seiende. Jeder Gründer ist – in einer ihm gleichgültigen Folge – auch ein Schaffender. Kein Schaffender ist schon ein Gründer. Die Gründer sind die Seltenen der Einsamen. Ihr Einziges „besitzen“ sie in dem, daß sie, was ihnen Stand und Halt gibt, nie vorfinden, sondern als das Fragwürdigste entwerfen und schutz- und stützenlos aushalten müssen. (Besinnung S.60) Wie anders soll es sein, dass er sich als gründend erlebt, wo doch auch alles aus diesem Grund, in dem er zuhause ist, aufsteigt? Als Gründer rammt der Sehr Tiefe Denker den Speer des Denkens, den Speer der Präsenz in den Urgrund. Der signalisiert: Aus dem ungeteilten, mystischen Urgrund ist was aufgestiegen, ist schließlich einer aufgestiegen, dessen Denken, Fühlen und Trachten, dessen Ethik nach dem Urgrund gestrebt hat, und der diesen schließlich auch wieder erreicht hat. Indem er mit Speer und Schwert die materialen Hylen, die gemachten Formen, die Täuschungen und die Ideologien durchschlagen hat, sich seinen Weg durch den Dschungel des Daseins gehauen und gebahnt hat. Jetzt steht er also am Urgrund, am Urfundament, und zeigt mit seinem Reinrammen des Speers in den Urgrund, dass eine solche Begegnung eines geteilten Wesens mit dem ungeteilten Urgrund möglich ist. Der stählerne, singuläre Held, der Sehr Tiefe Denker der Zukunft wird in der Lage sein, den Speer herauszuziehen und weiterzuschleudern, mit diesem Notung, mit diesem Artusschwert seinerseits die Täuschungen und Kategorien auf seinem Wege zu durchschlagen. Damit begründen die Sehr Tiefen Denker einen virtuellen Bund (der notwendig virtuell auch deshalb ist, weil das Ankommen im Urgrund mit dessen permanenter Befragung identisch ist – bzw. weil das Sehr Tiefe Denken eben fortwährend denkt). Die Jasagenden bleiben in ihrer eigentlichen Zukünftigkeit notwendig unerkannt und selbst unter ihresgleichen sich befremdlich. Das Echte, Wesensgerechte, ist nur bei den Jasagenden, sie verwahren Ursprünge, wenngleich sie nicht immer selbst sie zum Sprechen bringen. (ebenda S.119) Einen solchen Bund schmieden diese Jasagenden aber, weil sie Jasagende, Ihresgleichen sind. Sie denken, empfinden: Sie schmieden den Ring des Seins, in dem das Sein einen sinnvollen Zusammenhang ergibt, und das daher auch über einen Bund zusammengehalten wird, auch wenn er im profanen Seienden als lose oder gar nicht vorhanden, nicht echt erscheint. Ein einsames Geschäft ist das Sehr Tiefe Denken schon; und Heidegger spricht beredt von dieser Einsamkeit: Kein Denker ist je in die Einsamkeit eines anderen eingetreten. Gleichwohl spricht jedes Denken nur aus seiner Einsamkeit verborgener Weise in das folgende oder in das vorausgehende Denken. (Was heißt Denken? S.164) Freilich bringt er das Fragen noch nicht an jenen metaphysischen Ort, in den sich Hölderlin dichterisch hinauswerfen musste, um damit allerdings erst recht einsam zu bleiben. Die Geschichte der Einsamkeiten dieser Dichter und Denker wird nie geschrieben werden können; es ist auch nicht nötig. Genug, wenn wir immer etwas davon im Gedächtnis behalten. (Schellings Abhandlung Über das Wesen der menschlichen Freiheit S.4/5) In diesem Urteil zeigt sich die Grenze des Hegelschen Verstehens gegenüber Schelling, es zeigt sich darin aber – als an einem großen Beispiel – noch mehr: dass die größten Denker im Grunde einander nie verstehen, eben weil sie jeweils in Gestalt ihrer einzigen Größe dasselbe wollen. Wollten sie Verschiedenes, dann wäre die Verständigung, d.h. hier das Gewährenlassen, nicht so schwer. (ebenda S.15) Das Einsame und Bundlose, das Nicht-Begegnen überwiegt bei Heidegger; wenngleich er meint, dass sich die Fragenden, bewusst oder unbewusst, zumindest in der Frage einig sind. Aber der Bund der Sehr Tiefen Denker ist notwendigerweise ein Bund von Fragenden. Der Bund der Sehr Tiefen Denker ist notwendigerweise virtuell – in Bezug auf die Antworten – weil der Urgrund virtuell ist; letztendlich eine Kategorie des Denkens und Empfindens, die nicht dort erscheint, wo es notwendigerweise aufhört, sondern dort, wo es sich selbst begegnet. Das Sein selbst hat was Virtuelles. Am Ende des Denkens und des dringenden und drängenden Empfindens des Seins kommt man zu keiner eigentlichen Ruhe. Wohin man gelangt, sind Zustände und Erkenntnisse – Wirklichkeiten – die sich am Ehesten mithilfe von Paradoxien beschreiben lassen – also eben zum Beispiel zum Seinsbegriff, der ein solches Paradoxon ist. Die Sehr Tiefen Denker sind so gründlich, dass sie logischerweise abgründig sind, sich immer in einen Abgrund hineinwerfen und mit ihm ringen. Dies geschieht in notwendiger Mimesis mit dem Sein selbst: Das Seyn aber – ist der Abgrund. (Besinnung S.63) Die Sehr Tiefen Denker werden so vollständig sein, dass sie eine Aura des Paradoxen haben. Diese Aura des Paradoxen hat man bei Wittgenstein, Kierkegaard, Rimbaud oder Kleist. Aber hat man sie bei Heidegger? Ist Heidegger ein (sehr) Tiefer Denker oder ein Sehr Tiefer Denker? Er war nicht schlagfertig, noch weniger geistreich, eher schwerfällig, worüber ich mich nicht wunderte. Ursprüngliche Gedanken, wie er sie dachte, lassen sich nicht so leicht hin- und herschieben. (Emil Staiger in Neske (Hrsg.): Erinnerung an Martin Heidegger, S.229): erinnert sich Staiger an Heidegger, und das macht ihn schon einmal sympathisch. Bei Heidegger, so scheint es aber auf jeden Fall, hat man diese Aura des Paradoxen nicht unbedingt; allerdings treten seine Paradoxa äußerlich hervor: der Professor im Landmannanzug, seine „Weltfremdheit“, seine Begegnung mit dem Nationalsozialismus, und allgemein seine paradoxe Philosophie um die paradoxe Seinsfrage. Vielleicht weil Heidegger die ultrakomplexe Vollständigkeit nicht inkorporiert, hat er diese Aura des Paradoxen nicht, erscheint das Paradoxe dann aber folgerichtig im Äußerlichen. Heidegger ist auch kein Zertrümmerer und kein künstlerischer Chaot, wie es der Seht Tiefe Denker außerdem ist. Aber er hat den Speer, den er in den grundlegendsten Grund, oder besser: in den Begriff des grundlegendsten Grundes rammt. Er wartet dort auf Künftige, die ihn herausziehen. Ich trete vor einem zurück, der noch nicht da ist, und beuge mich, ein Jahrtausend ihm voraus, vor seinem Geiste, um Heidegger nochmal zu zitieren, wie er Kleist zitiert. Ist Heidegger ein (sehr) Tiefer Denker oder ein Sehr Tiefer Denker? Zumindest steht Heidegger als ein paradoxer Hüter an der Schwelle zum Sehr Tiefen Denken.

Es ist nach Hegel der innerste „Trieb“, „das Bedürfnis“ des Geistes, sich vom Abstrakten zu lösen, indem er sich in das Konkrete der absoluten Subjektivität absolviert und so sich zu sich selbst befreit. Daher kann Hegel sagen: „… die Philosophie ist dem Abstrakten am entgegengesetztesten; sie ist gerade der Kampf gegen das Abstrakte, der stete Krieg mit der Verstandesreflexion“ … Wahrheit ist für Hegel die absolute Gewissheit des sich wissenden absoluten Subjektes. (Hegel und die Griechen in Wegmarken S.438/9) Das Denken deduziert und induziert. Um sich in der Welt zu orientieren, bildet es Abstraktionen, um zum Handeln oder Beurteilen zu verhelfen, muss es (aus diesen Abstraktionen heraus) konkret werden, bzw. erhofft es sich, über diese Abstraktionen Konkretes dann (umso umfassender) benennen und feststellen zu können. Inwieweit gelingt das Heidegger? Angesichts der Veröffentlichung von Sein und Zeit berichtet Herbert Marcuse von seiner Begeisterung darüber, dass da endlich jemand „konkret“ zu philosophieren schien, statt sich in nebulose und verschleiernde, wenn nicht verdinglichende und fetischisierende Abstraktionen zu versteigen. Um dann allerdings schnell enttäuscht und irritiert zu sein: Schien Heidegger doch, auf dieser Basis, nur schnell wieder neue Abstraktionen zu bilden und sich in diesen zu verlieren, und das den ganzen Rest seiner philosophischen Karriere lang: Das war auch dann noch der Fall, als die „Frage nach dem Sein“ von der „Frage nach der Technik“ abgelöst wurde: wieder eine anscheinend drohende Konkretion, die dann schnell dem Abstraktionsprozeß anheimfiel – schlechte Abstraktion, in der das Konkrete nicht aufgegeben wurde sondern verloren ging. (Herbert Marcuse in Neske (Hrsg.): Erinnerung an Martin Heidegger S.162) Durch diese „schlechten“ Abstraktionen habe sich Heidegger seinen authentischen Zugang zur Welt und zu einem dynamischen Verständnis der Welt verbaut und seine Philosophie sei dann nichts als eine persistente Klage über diese „selbst verschuldete Unmündigkeit“ gewesen. Herbert Marcuse sollte schließlich zu einem wichtigen Vertreter der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule werden – deren Verhältnis zu Heidegger bekanntermaßen paradox war. Beide Philosophien und Intentionen scheinen einander ähnlich, doch innerhalb dessen – bzw. praktisch – hat das Trennende überwogen. Adorno hat gegen Heidegger polemisiert, der wiederum der Frankfurter Schule mit eisigem Schweigen begegnet ist. Beide aber wollen doch scheinbar dasselbe: einen „natürlicheren“, „befreiten“ Zugang des Menschen zu sich und zur Welt über eine subversive Umwälzung der herrschenden Verhältnisse. Beide betrachten sie (in etwa) die Zivilisation als Verhängnis, das den Menschen von seiner originären, primordialen Natur entfremdet. Beide wollen den Menschen der Verfügungsgewalt von Verhältnissen entreißen, die ihn zu einem unpersönlichen Abstraktum machen (und seine „Konkretheit“ zurückerobern). Beide gehen so weit, die vorhandenen Verhältnisse geradezu insgesamt als seins/menschheitsgeschichtliche Irre zu betrachten. Beide sind sowohl fortschrittlich als auch konservativ. Wo Heidegger das „rechnende Denken“ beklagt, kritisiert Horkheimer die „instrumentelle Vernunft“. Wo Heidegger auf ein meditatives, sich von Verhaftungen lösendes besinnliches Denken setzt, setzt Adorno auf eine sich von Verhaftungen lösende Negative Dialektik. Umgekehrt aber will Heidegger mit seinem besinnlichen Denken eher zur Ruhe kommen, während die Kritische Theorie ständig aus einer konstatierten falschen Beruhigtheit heraus in eine Bewegung kommen will. Heidegger setzt tiefer – im „Sein“ – an als die Kritische Theorie, und seine Philosophie ist – im Gegensatz zu dieser – weder eine politische noch eine Sozialphilosophie: Und man kann jetzt fragen, ob das eine notwendige Abstraktion ist (aufgrund des Tiefsinns, der eben auf einem höheren Abstraktionsniveau operiert), oder eine „schlechte“, die zwar nicht seinsvergessen aber weltvergessen ist. Heidegger beklagt das Negative an der Zivilisation als „Seinsgeschick“, während die Kritische Theorie die konstatierte menschheitsgeschichtliche Irre (scheinbar konkreter) als in „Herrschaft“ wurzelnd begreift. Heidegger tut das höchstens auf seine Weise: Wo alles in berechenbare Abstände gestellt wird, macht sich durch die losgelassene Berechenbarkeit von Jeglichem gerade das Abstandlose breit, und zwar in der Gestalt der Verweigerung der nachbarlichen Nähe der Weltgegenden. Im Abstandlosen wird alles gleich-gültig zufolge des einen Willens zur einförmig rechnenden Bestandssicherung des Ganzen der Erde. Darum ist der Kampf um die Erdherrschaft in eine entscheidende Phase getreten. (Unterwegs zur Sprache S.212) Herrschaft, als Herrschaft des Menschen über den Menschen, hat Heidegger nicht nur im Rahmen seiner menschenleeren Philosophie nicht interessiert; er war bekanntlich sogar unempfindlich dafür, als sie, in Form des Nationalsozialismus, in ihrer maliziösesten Form aufgetreten ist. Als „Herrschaft“ oder „Machenschaft“ beklagt er – recht egoistisch – etwas nur dann, wenn ihm etwas seinen authentischen Zugang zum Sein zu verbauen scheint. Die Kritische Theorie wiederum ist von „Herrschaft“ besessen, die sie überall ausmacht, und sie tendiert im Rahmen ihrer (negativen) Dialektik der Aufklärung stark dazu, sämtliche Emanzipationsversuche von Herrschaft als (kurzen) Weg in eine neue Falle anzusehen: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“. „Herrschaft“ ist das zentrale Abstraktum der Kritischen Theorie: Ist es aber ein gutes oder ein schlechtes? So fortschrittlich und nach vorne gewandt sie ist, so pessimistisch ist sie dann wieder. So fortschrittlich ihr Wollen und ihr Drang ist, so erzkonservativ scheint ihr eigentlicher dunkler Grund. So sehr sie – vor allen Dingen – sich gegen Totalisierungen wehrt (die sie gleichsam paranoid überall erblickt) – so sehr ist sie selbst totalisierend, und scheint in ihrem denkerischen Tun ihr eigenes Gefängnis des Denkens und der Wahrnehmung zum Vorschein zu bringen. In ihrer Fixiertheit auf „Herrschaft“ ist die Kritische Theorie offensichtlich neurotisch – so wie Heidegger mit seiner Eigentlichkeits-Sehnsucht neurotisch ist. Ihre Wirkungen und jeweiligen Treffsicherheiten entfalten beide, indem sie neurotische Knoten in der Wirklichkeit benennen und sich an ihnen abarbeiten und dazu – im Hinblick auf ihre Qualität doppeldeutige: einerseits konkretisierende und operable, andererseits fetischisierende und praktikable Lösungen aus den Augen verlierende – Abstraktionen als theoretisches Instrumentarium anbieten. Und Heidegger und die Kritische Theorie wollen nicht dasselbe. Heidegger will Authentizität, während die Kritische Theorie den Menschen als eher in seiner Spontaneität gestört und durch die Machtapparate vereinnahmt sieht, die sie deshalb freisetzen will. Bei der Kritischen Theorie ist der Mensch der (ihr jeweiligen) Gegenwart in seinem Fortkommen und seiner Fortbewegung verhindert, bei Heidegger in seinem Verweilen und Verharren, weswegen sie Lösungen in den entsprechenden Extremen suchen – die, als Extreme notwendigerweise, nicht balanciert sind. Heidegger ist nicht utopisch. Die Kritische Theorie ist es, in ihrer Weise, an und für sich auch nicht. Der Horizont, in den sie blickt, ist das Imaginäre. Und das Imaginäre ist Teil des Lebens. Die gewaltige Kraft der Dialektik der Aufklärung liegt darin, dass sie dieses Imaginäre als welt- und gesellschafts- und persönlichkeitsverändernde Kraft (negativ) beschwört. Wie eine gewaltige Saugglocke zieht sie die beklemmende und enge Nachkriegsgesellschaft aus ihrem ideellen und praktischen Morast in die Öffnungen des Imaginären hinein. Solche Kraft kann wohl kaum anders als auf Einseitigkeit beruhen. Heidegger wiederum entfaltet seine Kraft in der einkreisenden Beschwörung des Besinnlichen. So sind beides Kräfte, die, bei aller Ähnlichkeit, dann doch aus was anderem stammen und was anderes wollen. Wahrheit ist für Hegel die absolute Gewissheit des sich wissenden absoluten Subjektes… dieses sich wissende absolute Subjekt streben beide an, erreichen es aber beide nicht. Es ist kein Wunder, dass ihre jeweiligen/jemeinigen Wege dorthin nicht führen, denn der Weg, der dorthin führt, ist der weglose Weg.

Nach der Lektüre der Schriften von D. T. Suzuki über den Zen-Buddhismus meint Heidegger: In etwa das habe er in all seinem eigenen Schreiben versucht auszudrücken! Tatsächlich sind Heideggers philosophische Intention und die des Zen-Buddhismus einander erstaunlich ähnlich; und es kommt, über Heidegger, zu Begegnungen zwischen Ost und West (und einer Beliebtheit der Heideggerschen Philosophie im Fernen Osten). We can understand how Professor Heidegger´s mind has deeply entered into the origin of art and thus paved the way for the identity of aesthetic feeling with pre-ontological experience, which is his „new way of thinking“. (Ghung-yuan Chang in Neske (Hrsg.): Erinnerung an Martin Heidegger S. 65-70) Zen ist vor-philosophisch und eben prä-ontologisch (und prä-epistemologisch)  (gleichzeitig ist es meta-ontologisch und meta-epistemologisch). Im Zen geht es um die Begegnung des Geistes mit sich selbst: In dem Sinn, dass er seiner selbst vollkommen gewahr wird und so zu reinem Gewahrsein und zu reiner Achtsamkeit wird; zu einem Gewahrsein, das jenseits allen begrifflichen Denkens liegt und damit auch wieder in eine Ursprünglichkeit der reinen, vor-begrifflichen Wahrnehmens einkehrt. Der Dichter versammelt die Welt in ein Sagen, dessen Wert ein mild-verhaltenes Scheinen bleibt, worin die Welt so erscheint, als werde sie zum erstenmal erblickt. (Hebel – Der Hausfreund S.25) „Die Welt ständig mit neuen Augen sehen“ (und gleichzeitig mit der unerschütterlichen Klarheit des ruhenden Einen Welt-Auges): das tut jener, der die Vollkommenheit, die Erleuchtung: mithin die Ausleuchtung des Geistes, innerhalb derer sich der Geist selbst als reines Vermögen gewahr wird, erreicht hat. Zen erklärt nichts. Zen analysiert nichts. Es verweist lediglich zurück auf unseren Geist, so dass wir aufwachen und Buddha werden können. (Zen-Meister Seung Sahn) Dieses Erleben des Geistes als primordiales Vermögen bedeutet, dass der Geist nicht mehr von Begriffen und Kategorien abhängig ist, die kulturell vermittelt worden sind und diesen unterworfen, sondern dass er diese tranzendentiert und schließlich in seiner transzendentalen Fähigkeit ankommt (paradoxe) Begriffe und Wahrnehmungen zu schaffen und verschieben zu können, und er so gleichzeitig zu maximalem Kontakt mit der Welt (und zu sich selbst) gelangt wie zu maximaler Unabhängigkeit von ihr (und von sich selbst): Und das ist dann Buddha. Alle Buddhas und alle empfindenden Wesen sind nichts als der Eine Geist, außerhalb dessen nichts existiert. Dieser anfangslose Geist ist ungeboren und unzerstörbar. Er ist nicht grün oder gelb und er hat weder Form noch Aussehen. Er gehört nicht zur Kategorie der Dinge, die existieren oder nicht existieren, ebenso wenig kann er in Begriffen wie „neu“ oder „alt“ vorgestellt werden. Er ist weder lang noch kurz, weder groß noch klein, da er alle Bestimmungen, Maße, Namen, Spuren und Vergleiche transzendiert. Er ist das, was du vor dir siehst – fang an, darüber nachzudenken, und du befindest dich augenblicklich im Irrtum. Er ist wie die grenzenlose Leere, die weder auszuloten noch zu durchmessen ist. Der Eine Geist allein ist der Buddha und es besteht kein anderer Unterschied zwischen dem Buddha und den empfindenden Wesen als der, dass empfindende Wesen an Formen haften und so außerhalb ihrer selbst nach Buddhaschaft suchen. Gerade durch ihr Suchen verlieren sie sie aber, denn das bedeutet, den Buddha zu benutzen, um nach dem Buddha zu suchen, und den Geist zu benutzen, um den Geist zu fassen. Selbst wenn sie ein ganzes Äon lang ihr Äußerstes täten, würden sie es doch nicht schaffen. Sie wissen nicht, dass es genügt, das begriffliche Denken einzustellen und ihre Befasstheit zu vergessen, damit der Buddha vor ihnen erscheint, denn dieser Geist ist der Buddha und der Buddha ist alles Lebendige. Er ist um nichts darum geringer, dass er sich in gewöhnlichen Dingen manifestiert, und er ist um nichts darum gewaltiger, dass er sich in den Buddhas manifestiert. (Zen-Meister Huangbo) Man sieht: Der Eine Geist ist wohl das epistemologische Korrelat zum Einen, Reinen Sein, dem Heidegger hinterherjagt. Er ist das Erkenntnisinstrument für das Eine, Reine Sein, das ihm qualitativ ähnlich ist: Das ursprüngliche, reine, strahlende Weltall ist weder viereckig noch rund, weder groß noch klein. Es ist ohne solche Unterscheidungen wie lang oder kurz, ist jenseits von Bindung und Bewegung, von Unwissenheit und Erleuchtung etc. — Ja, der Zen-Buddhismus geht sogar so weit, dass der Eine, Reine Geist das alleinige Sein sei, und so schafft er es, dass er durch seine Intensivierung des Kontaktes zwischen Mensch und Welt diesen Kontakt dann auch wieder radikal verliert. Wenn Huangbo lehrt: „Existenz“ und „Nichtexistenz“ sind empirische Begriffe und nichts anderes als Illusionen. Oder: Alles begriffliche Denken ist eine irrtümliche Meinung. Oder: Du musst ganz klar sehen, dass es wirklich gar nichts gibt – keine Menschen, keine Buddhas. Die großen kosmischen Systeme, zahllos wie der Sand, sie alle sind nur wie Luftblasen, so kommt das einer Leugnung von Mensch und Welt gleich und es ist nicht auf dem neusten wissenschaftlichen Stand: Wissenschaft und die Etablierung eines wissenschaftlichen (oder auch eines philosophischen) Weltverständnisses ist daher als Geburt aus dem Geist der Zen-Buddhismus nicht zu erwarten. (In Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten berichtet Robert Pirsig von der Begegnung mit einem japanischen Professor, der auch die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki als „Illusion“ abtut – was Pirsig dann seinerseits dazu bringt, zum Zen-Buddhismus auf Distanz zu gehen.) — Was ich mit „normaler Geist“ meine, ist der Geist ohne Künsteleien, ohne subjektive Urteile, ohne Begehrlichkeit oder Abneigung. (Zen-Meister Mazu) Einen solchen Geist, eine solche Philosophie „ohne Künsteleien“ wollte Heidegger schaffen (und notwendigerweise kann man in der Fundamentalontologie nur ohne subjektive Urteile, ohne Begehrlichkeit oder Abneigung ankommen). Sobald du „richtig“ oder „falsch“ denkst, gerätst du in Verwirrung und verlierst deinen wahren Geist. Die beiden kommen von dem Einen, aber es darf auch kein Haften an dem Einen geben. / Indem du alle Dinge gleichmütig betrachtest, wird es die gelingen, zur Natur zurückzukehren. Indem du alle Bedingungen beseitigst, bist du jenseits aller Unterscheidung. (Sengcan) Zen betont immer wieder, dass es über das „Denken“ und das Philosophieren nicht erfasst werden kann; dass die Erleuchtung, das Satori über Denken nicht allein passieren kann. Es funktioniert, zu guter Letzt, über spezifisches Empfinden. Und es funktioniert – im Hinblick darauf, dass es Paradoxa bemeistert – über einen Geist, der zu paradoxem Assoziieren fähig ist (also eher „künstlerisch“ ist als rein rational). Wenn du eine Brücke überquerst / Fließt die Brücke, steht das Wasser still (Zen Sand 10.123/124) Letztendlich besteht alle Wahrnehmung, und auch die gegenseitige Bestimmungsmöglichkeit von Sein und Seienden darin, dass uns ein Motiv vor einem Hintergrund erscheint. Die totale, vollkommene, „unendliche“ Wahrnehmung und die Wahrnehmung der Unendlichkeit des Seins ist die, die zwischen Motiv und Hintergrund ständig switchen kann, ein unendlich gedoppelter Blick, in dem das eine stets im und über das andere hindurchscheint: das, Schwester, lehre ich dich, ist der Blick in die Totalität und in die Unendlichkeit – so sieht er aus. Yang-shan fragte seinen Lehrer: Wenn all die unzähligen Erscheinungen auf einmal hervortreten, was dann? Wei-shan erklärte: Blau ist nicht gelb, lang ist nicht kurz. Alle Dinge befinden sich jedes für sich an ihrem eigenen Platz. Mich betrifft das alles nicht! Yang-shan verbeugte sich darauf in Verehrung. (Shobogenso Sambyakuzuko 14) „Westliches“, rechnendes Denken fixiert sich – sehr plakativ ausgedrückt – zu sehr auf das Motiv, das östliche verliert sich zu sehr in einen undifferenzierten Hintergrund. Die Philosophie Heideggers will beides synthetisieren – wenngleich Heidegger selbst eben der Gefahr, die aus dem Osten kommt, unterliegt. Seine Philosophie ist aber dabei praktisch der Versuch, das prä-philosophische östliche Denken auf die Basis von Philosophie (als einer Methode westlichen Denkens) zu stellen; und allgemein könnte man Philosophien, die westliches und östliches Denkprinzip zusammenbringen wollen (also auch die meine) dann eben auch als „heideggerianisch“ fassen. – Indem Zen eine Betrachtung des Seienden transzendieren will und zu einer Betrachtung und Erfassung eines reinen Seins vorstoßen will – und das reine Sein paradox ist – gelangt der Suchende zu Paradoxa. Diese Paradoxa liegen allerdings im begrifflichen Denken; indem man begriffliches Denken überschreitet, überwindet man die Paradoxa. Nur wer vollkommen frei ist von Begriffen, kann einen Körper unendlicher Ausdehnung besitzen. (Zen-Meister Huangbo) Ein Körper unendlicher Ausdehnung ist das Sein selbst. Wer einen („organlosen“) Körper unendlicher Ausdehnung hat, korreliert mit dem Sein; seine Wahrnehmung, sein Geist, wird ein weites – „unendliches“ – Feld, das mit dem Wirklichkeitsfeld korreliert. Allein die vollendete Subjektivität verwehrt ein Außerhalb ihrer selbst. Nichts hat den Anspruch auf das Sein, was nicht im Machtkreis der vollendeten Subjektivität steht. (Nietzsche 2. Band S. 272) Das ist dann also der Buddha, der in Nirwana und Samsara gleichzeitig lebt. (Bzw. fällt einem auf, dass es in der westlichen Philosophie sehr wohl ein Korrelat dafür zu geben scheint, nämlich das der transzendentalen Subjektivität. Das östliche Satori korreliert im Verständnis der westlichen Philosophie mit dem Durchbruch zur transzendentalen Subjektivität, also der reinen, abstrakten Subjektivität als Rahmen, in der die empirische Subjektivität erscheint, also die jemeinig-kontingente Subjektivität und ihr jeweiliges Weltverhältnis; als Bedingung der Möglichkeit, dass die empirische Subjektivität erscheint. Der Erleuchtete hat also seine jemeinige empirische Subjektivität in die tranzendentale Subjektivität hinein überschritten.) Umgekehrt wird dann eben in einer solchen Wahrnehmung auch das Dasein zu einem Einen, Reinen Sein, einem unendlichen Feld, auf dem zwar heftige Turbulenzen stattfinden mögen, das in sich aber vollkommen ruhig und plan ist; bzw. wird eben in einer solchen Wahrnehmung jene des Daseins hinter sich gelassen und gelangt in einer Wahrnehmung des Einen, Reinen Seins an. Die Große Leere aber ist Vollkommenheit, in der es weder Mangel noch Überfluss, sondern nur eine gleichförmige Stille gibt, in der alles Wirken zur Ruhe gekommen ist. (Zen-Meister Huangbo) Das ist das Eine, Reine Sein. – Heidegger selbst war nicht unbedingt ein Genie des paradoxen Assoziierens, sein Genie lag eben im beharrlichen, besinnlichen Denken. Er war nicht wild, chaotisch, künstlerisch. Über sein Empfinden wissen wir wenig. Zen-Meister war er keiner, aber eben wenn man so will, hat er die östliche „Metaphysik“ auf eine „westliche“ Basis gestellt. Wie tief er das Geheimnis von allem erschaut hat, bleibt sein Geheimnis. Wer dem Sein nachjagt / dem entgeht es / Wer hinter dem Nichts herläuft / Dem kehrt es den Rücken zu (Sengcan) Wäre ich Heidegger, würde mir dieses Paradoxon zu denken geben. Es ist aber eben was, „was mit dem Verstand nicht erfassen werden kann“ – fang an, darüber nachzudenken, und du befindest dich augenblicklich im Irrtum.

Bald nachdem „S.u.Z.“ erschienen war, frug mich ein junger Freund: „Wann schreiben sie eine Ethik“? (Brief über den „Humanismus“ in Wegmarken S.353) Eine Ethik hat Heidegger nie geschrieben. In dem sehr Wenigen, was er je dazu gesagt hat, bedeutet er, dass die Ethik in seiner Philosophie und seinem besinnlichen Denken sowieso implizit enthalten sei. Bevor wir versuchen, die Beziehung zwischen „der Ontologie“ und „der Ethik“ genauer zu bestimmen, müssen wir fragen, was „die Ontologie“ und „die Ethik“ selbst sind (ebenda): Ethos ist die Haltung in allem Verhalten dieses Aufenthalts inmitten des Seienden. Die „Ethik“ betrifft den Menschen nicht als gesonderten Gegenstand unter Gegenständen, sondern sie betrachtet den Menschen hinsichtlich des Bezugs des Seienden im Ganzen zum Menschen und des Menschen zum Seienden im Ganzen (…) In jedem Fall geht aber auch die Ethik, obzwar sie nur vom Menschen handelt … auf das Ganze des Seienden. (Heraklit S.214) Beziehungsweise, dass das besinnliche Denken und sein Gestus höchste Ethik sei: „Das sinnende Denken ist der höchste Edelmut“, gibt Heidegger Heraklit wieder (ebenda S.373). Das ist in etwa alles, was man bei Heidegger zur Ethik findet: Dass Ethik im besinnlichen Denken bereits an sich enthalten sei bzw. dass das besinnliche Denken Vollzug der höchsten Ethik sei (quasi also ein Überlegenheitsanspruch, der moralische Anfechtungen geradezu abschmettert). Wie bei Wittgenstein hat man bei Heidegger eine Unfähigkeit, ethische Sätze auszusprechen. Während Wittgensteins ganzes philosophisches Trachten (und sein gespannter, heroischer persönlicher Lebensvollzug) aber darauf abzielte, wie man ethische Sätze aussprechen könnte bzw. wie man logische Sätze in ethische überführen könne, hat man bei Heidegger aber tatsächlich dann nur eine persönliche Unfähigkeit, ethische Sätze auszusprechen. Große Philosophen begeistern sich und schwärmen für ethische Sätze (und auch im Zen-Buddhismus ist die Suche nach dem Buddha und nach dem erleuchtenden Satori ganz wesentlich eine Suche nach dem Dharma (dem Gesetz, der Sitte, der Religion, der kosmischen Ordnung)). Heidegger ist eine Ausnahme, bei der das fehlt. Daher dann wohl eben auch sein ewiges Problem von einem fehlenden authentischen Bezug zum Sein. Denn wer ethisch ist, wird sich auch im Sein geborgen fühlen, und es so empfinden, dass entweder das Sein ethisch ist, oder aber ethische Anforderungen stellt bzw. ethische Anforderungen sich aus dem Sein selbst, aus dem Sein heraus stellen. (Ich selber spreche, wie schon erwähnt, vom GESETZ, das aus dem Sein selbst hervorgeht und das bedeutet, dass man sein Dasein ethisch auszurichten habe – dieser Appell an das Dasein ist im Sein selbst enthalten.) Er wird das dann als „Wahrheit“ empfinden, die über bloßes Seiendes hinausgeht, und die daher transzendental und ewig ist. Daß es „ewige Wahrheiten“ gibt, wird erst dann zureichend bewiesen sein, wenn der Nachweis gelungen ist, daß in alle Ewigkeit Dasein war und sein wird, heißt es aber in Sein und Zeit (S.227) Dass Heidegger sich lebenslänglich fragt: Was ist das Sein?, kann man als Erscheinung einer inneren ethischen Desorientiertheit ansehen, eines Individuums, das das ethische, religiöse Licht nicht gesehen hat und daher fortwährend nach einer Lichtung sucht. Philosophie ist Metaphysik. Diese denkt das Seiende im Ganzen – die Welt, den Menschen, Gott – hinsichtlich des Seins, hinsichtlich der Zusammengehörigkeit des Seienden im Sein. Die Metaphysik denkt das Seiende als das Seiende in der Weise des begründenden Vorstellens. (Zur Sache des Denkens S.61f.) Metaphysik aber fächert sich auf in Ontologie (der Frage nach der wahren Natur des Seins), in Epistemologie (der Frage, inwieweit wir mit unserem Erkenntnisapparat die wahre Natur des Seins erkennen können) und in Deontologie: der Frage, wie wir als vernunft- und gefühlsbegabte Wesen, die Dasein erschaffen und manipulieren können, als in das Sein also aktiv eingreifen könnende Wesen handeln sollen, welchen Regeln wir folgen sollen. Das sind Fragen der Ethik, und solche sind notwendigerweise Teil der metaphysischen Spekulationen des Menschen – also der Spekulationen über die qualitative Eingelassenheit des Menschen in das Sein. Der Mensch zeichnet sich vor aller anderen Kreatur nicht nur aus, indem er (laut Heidegger) Sprache hat, sondern auch Ethik. Eine Philosophie und Metaphysik, bei der die Deontologie und Ethik fehlt, wirkt daher unvollständig – nicht zuletzt deswegen, weil Ethik und Deontologie viel allgemeiner als nur im Rahmen der sozialen Sitte oder Moral die Frage betreffen, was richtig ist und was falsch, welchen Regeln man folgen solle und welchen nicht etc.: All das sind auch unmittelbare Fragen des richtigen Denkens, daher auch des richtigen Philosophierens und des richtigen metaphysischen Spekulierens. Dass der Mensch „Hüter des Seins“ ist, ist eine wohltuende und wärmende, eher meta-ethische Feststellung, aus der allein aber keine zwingenden ethischen Sätze folgen. So sind dann eben – wie im Fall Heideggers – ethische Verirrungen möglich. Allgemein wird bei Heidegger offenbar, dass ihm irgendwie der innere moralische Kompass fehlt. Sartre hat, in seiner Verteidigung Heideggers nach dem zweiten Weltkrieg gemeint: Ein trotzdem großer und bedeutender Philosoph könne trotzdem einen schlechten Charakter haben. Man hat aber den Eindruck, auch das trifft es nicht ganz. Denn ein schlechter Charakter scheint Heidegger dann eben auch nicht. Als in den 1930er Jahren Hannah Arendt und Karl Jaspers in ihrem Briefwechsel über Heideggers Charakter rätseln, meint Hannah Arendt schließlich: Heidegger habe „buchstäblich überhaupt keinen (Charakter), bestimmt auch keinen besonders schlechten“. Wir Heutigen wissen jedoch den Grund nicht, warum das Innerste der Metaphysik Nietzsches von ihm selbst nicht an die Oberfläche gebracht werden konnte, sondern im Nachlaß verborgen liegt; noch verborgen liegt, obwohl dieser Nachlaß in der Hauptsache, wenngleich in einer sehr mißdeutbaren Gestalt, zugänglich geworden ist. (Nietzsche Zweiter Band S. 35) Wir haben festgestellt: Das Innerste von Nietzsches Metaphysik ist die Neurose bzw. eine paranoide Persönlichkeit, die gespalten ist und nicht einheitlich. Daher nun also seine gespaltene, nicht einheitliche Philosophie (mit ihren anti-ethischen Anteilen daran). Bei Heidegger hat man im Zentrum, im Innersten seiner Metaphysik, so betrachtet und wenn man es so will, buchstäblich überhaupt keinen Charakter. Und so hat Heidegger dann auch keine ethischen Sätze formuliert. Denn diese stammen aus dem Charakter. Sein besinnliches Denken ist ein Ethos, der, in seinem speziellen Fall, die Ethik aber vergisst. Sein besinnliches Denken ist nicht davor gefeit, eine losgelöste, elitäre und, vor allem, egoistische Ethik zu sein. Eine Haltung, die ein Ethos ist, aber keine Ethik. Meine Ethik, die aus dem extremen Heavy Metal stammt, hat ihre Grundlage darin, dass sie erfreut ist über das Andere (das Sonderbare, Ausgestoßene, nicht unmittelbar im Gesichtskreis Liegende usw.) und sich mit dem Anderen im symbiotische Verbindung bringen will. Diese Verbindungen bringen Frieden und Verständnis und Achtsamkeit und lösen Probleme in der äußeren wie auch in der inneren Welt. Sie erweitern den persönlichen seelischen Aktionsradius ins Unendliche, und nichts kann einen dann erschrecken, nichts erscheint einem dann „uneigentlich“, dort, wo alles nur mehr zu einer großen ich- und welt-syntonen Eigentlichkeit wird. Heidegger hat sich, so hat man den Eindruck, zumindest weniger primär für das Andere interessiert, vielmehr immer nur für das Eigene, das Örtliche, das Heimatliche. Auch das gereicht seiner Ethik – um nicht zu reden von seinen Möglichkeiten, Welt aufzunehmen – nicht zum Vorteil. Vor allen Dingen ist es dann kein Wunder, wenn einem alles, was anders ist als man selbst, als „uneigentlich“ erscheint und man sich also konsequentermaßen von Uneigentlichkeit umgeben und bedroht  fühlt.

Heideggers Denken und Philosophie kreist um – das Denken. Was heißt Denken? Zur Sache des Denkens… Sein ganzes Charisma beruht auf der Intensität, der Sogwirkung seines denkerischen Gestus, sei es bei unpersönlicher Begegnung oder bei persönlicher: Die wenigsten seiner Bekannten konnten sich dem entziehen. Es denkt in mir, gab Heidegger über sein Selbstgefühl Auskunft; und als ob das Denken, die Philosophie an sich in diesem alten Mann einen Avatar gefunden hätte, so erschien es anderen, wenn sie ihn betrachteten. Was aber leistet das Denken?

  1. Das Denken führt zu keinem Wissen wie die Wissenschaften
  2. Das Denken bringt keine nutzbare Lebensweisheit
  3. Das Denken löst keine Welträtsel
  4. Das Denken verleiht unmittelbar keine Kraft zum Handeln  (Was heißt Denken?, S.161)

Trotzdem ist das Denken dem Menschen eben wesenseigen. Es scheidet ihn vom Tier. Es ist, wenn man so will, Ausdruck seiner Sorge. So viele denkende Menschen gibt es hinwiederum nicht. Daher soll man diejenigen, die denken, behüten. Sie tragen ihr Karma ab, und das Karma der Welt. Nötig ist in der jetztigen Weltnot: weniger Philosophie, aber mehr Achtsamkeit des Denkens; weniger Literatur, aber mehr Pflege des Buchstabens. (Brief über den „Humanismus“ in Wegmarken S.364) Darum kreist alles Denken Heideggers. Es geht um die Ermöglichung von mehr Achtsamkeit gegenüber dem Sein. Achtsamkeit ist aber wohl weniger eine Sache des Denkens als eine des Fühlens und der Empathie. So viel er vom Denken spricht: Über das Fühlen und die Empathie tut er das nie. Wie soll dann eben sein achtsames, besinnliches Denken gelingen, an sein Ziel gelangen? Vielmehr ist anzunehmen, dass es unter solchen Umständen das Ziel zwar stets gut einkreist, aber eben nur umkreist, die „Eigentlichkeit“ aber eben nie erreicht. Ohne Empathie ist keine wirkliche, eigentliche Verankerung im Sein möglich. Heidegger spricht nie von der Empathie. Das Bedenkliche in unserer bedenklichen Zeit ist, dass wir noch nicht denken. Das ist der Leitsatz und das Leitmotiv vom Was heißt Denken? Das Bedenkliche an Heidegger ist, dass er nirgendwo richtig fühlt. Gleichzeitig kreist dabei all sein Denken ja nur um ein Gefühl: das der Uneigentlichkeit und Heimatlosigkeit, dem er Eigentlichkeit und Beheimatung entgegensetzen will (da sein Denken um einen Gefühls-Komplex kreist, bzw. aus einem solchen heraus stattfindet, ist es ja eben so insistierend). Gefühle sind nur potenziell ein Korrektiv gegenüber den Egoismus. Starke Gefühle, Kerngefühle, sind eher einmal das Egoistischste, was es gibt. Außerdem neigen (starke) Gefühle zur Projektion. Dass Heidegger sich so verfolgt fühlt von den Machenschaften des „rechnenden Denkens“, seiner Sterilität, seiner Auf-einem-Auge-Blindheit, seines inhärenten Egoismus und Willens-zu-sich-selbst, seinem Vergewaltigungsversuch an aller Welt, am Sein… erscheint irgendwie als negativer Doppelgänger, als Schatten seines besinnlichen Denkens, genauer gesagt: der Exzesse und Ausschließlichkeiten, in die er es treibt. Das „Höchste“, was die Machenschaft zuläßt, sind „Interessen“ (Überlegungen XII–XV (Schwarze Hefte 1939-1941), S.125) Es gibt keine Garantie, dass nicht auch das besinnliche Denken, die Achtsamkeit, die Eigentlichkeit, die Tugend ein starkes Interesse an sich selbst und an der Gestaltung der Welt nach ihrem Bild entwickeln, das sehr egoistisch, wenn nicht ausschließlich wird. Heideggers besinnliches Denken, bzw. die Art, wie er es exekutiert, ist – zwar gründlich, aber – statisch. Es möchte zu irgendwelchen traumhaften Ursprüngen gelangen und dann die Zeit anhalten. In einer solchen zeitlosen, zeitarmen Blase hat Heidegger dann auch gelebt. Georg Wolff schildert, angesichts des Spiegel-Gesprächs zwischen Augstein und Heidegger, das erst posthum veröffentlicht wurde, seine Eindrücke von Heidegger und seiner selbstgewählten Lebenswelt in seiner Hütte irritiert so: Nichts Schmückendes ist an ihr … Die Kargheit ist eisig. In der Nähe dieses Denkers hält sich, so scheint es, keine Augenweide. Hier ist alles kahl … Dem Alemannischen fühlt Heidegger sich verbunden. Daß Schöpferisches nur aus heimatlichem Boden komme, hatte er uns am Vormittag gesagt … Er fühlt sich wohl in der Sprache seiner Heimat. Doch wieviel zählt das? Und: Wieweit versteht Heidegger sich selber? Seine Hütte am Wiesenhang – wenn sie etwas verrät, so, paradox genug, seine Heimatlosigkeit. (Georg Wolff in Neske (Hrsg.): Erinnerung an Martin Heidegger S.290/91) Alle Bewegungen nach vorwärts erscheinen für Heidegger als Weg in eine Irre – gerade darin beraubt er aber das Seinsverhältnis bzw. das Verhältnis des Menschen zur Welt in wesentlichen Aspekten seiner Reichhaltigkeit. Die Möglichkeiten der Lichtung ändern sich im Lauf der Zeit. Heideggers beharrliche Besinnlichkeit bzw. sein weltarmer, mönchischer Konservatismus beraubt, konsequent durchexerziert, die Menschenwelt einer besseren Zukunft. Man kann fast sagen, Heideggers Gehen, Bewegung über Wegmarken und auf Holzwegen beschreibt die Entwicklung des eigenen Denkens, aber kein wirkliches Weltverhältnis. Mancher sagt man: Du denkst zu viel! Kopfmenschen sagt man: Du denkst zu viel und fühlst zu wenig. In seiner idiosynkratischen Emphase auf „das Denken“ fühlt man sich geneigt, das auch Heidegger zuzurufen. Es erscheint klar, warum Heidegger ständig der „Eigentlichkeit“ hinterher läuft. Wer läuft stets der Eigentlichkeit hinterher? Derjenige der nicht eigentlich ist. Vor langer Zeit sagte Descartes: „Ich denke, also bin ich.“ Das ist der Beginn der Philosophie. Aber was, wenn du nicht denkst? Das ist der Beginn der Zen-Übung. (Zen-Meister Seung Sahn)

Endlich: Gefügt in die schöpferische Mitverantwortung der Wahrheit des völkischen Daseins. Grundstimmung (Überlegungen II-IV (Schwarze Hefte 1931-1938) S.112), notiert Heidegger bei sich im Jahre 1933, und leitet jenes Kapitel in seiner Biographie ein, das ihm zu seiner großen Schande gereicht, ja, seinen Status als Philosophen und seine Philosophie selbst hinterfragbar zu machen scheint. Es bleibt ein großes Rätsel in der Philosophiegeschichte. Endlich: Gefügt in die schöpferische Mitverantwortung der Wahrheit des völkischen Daseins: Ab 1930 nimmt Heidegger den Nationalsozialismus wahr und rückt ihm näher um dessen Machtergreifung schließlich als ein Ereignis von geradezu seinsgeschichtlicher Tragweite aufzunehmen – genauer gesagt, erhofft er sich ein solches. Das liegt in der Bahn seiner Philosophie. Endlich: Gefügt in die schöpferische Mitverantwortung der Wahrheit des völkischen Daseins: Ein Volk wird nun für ihn zu einer Entität, die einen „Neubeginn“ und ein Zurück zu einem originären, schöpferischen Ursprung möglich macht und die sich so authentisch im Sein verankere. Als einziges Volk freilich hätten allein die alten Griechen dergleichen fertiggebracht. Nun hofft Heidegger, dass das auch den Deutschen möglich wäre. Bald schon sieht er seine kapitale Fehleinschätzung ein. Der große Irrtum dieser Rede (zu seinem Rektoratsantritt 1933, Anm.) besteht freilich darin, daß sie noch annimmt, im Raum der deutschen Universität sei noch ein verborgenes Geschlecht der Fragenden, daß sie noch hofft, diese ließen sich an die Arbeit der inneren Verwandlung bringen. Aber weder die Bisherigen noch die inzwischen Nachgekommenen gehören zu diesem Geschlecht (…) Daß ich dieses in jener Rede nicht vorauswußte, ist ihr Hauptmangel. Und deshalb konnte sie nicht verstanden werden. (ebenda S.286) Er tritt vom Rektorat zurück und geht auf Distanz zum Nationalsozialismus, die zwar einerseits deutlich und markant, andererseits dann wieder ambivalent ist. In den folgenden Jahren und schließlich im Krieg notiert er bei sich einiges, was ebenso seiner philosophischen Haltung entspricht und konsequent ist wie weltfremd: Solange aber die Völker in der bloßen Ziellosigkeit oder Ziel-erfindung verharren, bleibt ihnen nur der Wettlauf der „Interessen“, ein Machen (d.h. Technik) der Historie als ausweichen vor der einzigen Möglichkeit einer Geschichte, das „Groß“ und „Klein“ vermischt. (Überlegungen XII–XV (Schwarze Hefte 1939-1941), S.106) Der Bolschewismus und der autoritäre Sozialismus (Faschismus, Anm.) sind metaphysisch dasselbe und gründen in der Vormacht der Seiendheit des Seienden. (S.109) Dieser Krieg entspringt der Seinsverlassenheit des zu Ende gekommenen neuzeitlichen Menschen. (S.225) Im Amerikanismus erreicht der Nihilismus seine Spitze. (S.225) Die Veröffentlichung seiner privaten Aufzeichnungen aus der damaligen Zeit (der Schwarzen Hefte) vor einigen Jahren verschaffte der Debatte neuen Auftrieb, wie antisemitisch Heidegger gewesen sei; wie weit der Antisemitismus/Faschismus in einer Philosophie an sich enthalten wäre, vielleicht sogar deren neurotischer Kern seien. Das „Jüdische“ identifiziert er mit Prinzipien, die im Rahmen seiner Philosophie als die großen Antipoden agieren: dem rechnenden Denken und dem Geist der Machenschaften und der seinsvergessenen kosmopolitischen Entwurzeltheit: Die Juden „leben“ bei ihrer betont rechnerischen Begabung am längsten schon nach dem Rasseprinzip, weshalb sie sich auch am heftigsten gegen die uneingeschränkte Anwendung zur Wehr setzen (ebenda S.106) Die Frage nach der Rolle des Weltjudentums ist keine rassische, sondern die metaphysische Frage nach der Art von Menscheneigentümlichkeit, die schlechthin ungebunden die Entwurzelung alles Seienden aus dem Sein als weltgeschichtliche „Aufgabe“ übernehmen kann. (ebenda S.243) Jetzt kann man sich fragen, inwieweit das bloß Figurierungen und Metaphern für Inhalte seines Denkens sind, die er vor zeitgenössischem Hintergrund ergreift, oder aber eine Begegnung mit dem eigentlichen, unausgesprochenen Kern des Heideggerschen Denkens (besser: Empfindens): einer paranoiden Sucht nach „Blut und Boden“-Eigentlichkeit, die in der Regel antisemitisch ist. Einer genuinen Philosophie des Antisemitismus und Faschismus also. Ohne aber, dass man zu einer befriedigenden Antwort gelangt. Heidegger hatte immer schon antisemitische Tendenzen gehabt, doch hatte er sich nie als (entschlossener) Antisemit hervorgetan und seine Notizen über „die Juden“ sind extrem vereinzelt (eventuell auch momentanen Eindrücken über seine dann doch durchaus antisemitische Frau Elfride geschuldet – ebenso wie Heideggers lebenslange Weigerung sich markant vom Nationalsozialismus darin ihre Ursache haben mag). Der Antisemitismus ist etwas für neidische Paranoide, Hasserfüllte oder Idioten: In seiner Phobie gegenüber dem „entwurzelten Juden“ ist er etwas für Leute, die nicht in sich selbst gegründet sind (und daher auch umso mehr Phantasien von der Herstellung einer „Eigentlichkeit“ hinterherrennen), also so genannten Fake-Persönlichkeiten (das wiederum könnte man Heidegger in sein Schwarzes Heft schreiben). Jean-Luc Nancy meint, Heideggers „metaphysischer“ Antisemitismus – dass also „die Juden“ eine verhängnisvolle Rolle im Sein selbst spielen bzw. diese in das Sein an sich eingeschrieben sei – sei noch schlimmer als der kulturelle oder rassistische Antisemitismus (wonach die verhängnisvolle Rolle „der Juden“ ihre Grundlage in vergleichsweisen Akzidenzien wie ihrer Kultur oder „Rasse“ hätte); überhaupt liege in Heideggers Philosophie das Potenzial (vielleicht sogar als Kern) für einen „Hyperfaschismus“, und Heidegger habe sich vom Nationalsozialismus nicht abgewandt, weil er ihm zu radikal, sondern zu wenig radikal gewesen sei. Wie wir gesehen haben, hat sich Heidegger aber nicht aus politischen Gründen vom Nationalsozialismus abgewandt, sondern weil er in ihm keinen Bund von philosophisch Fragenden erkennen konnte. Da könnte man meinen, dass Heidegger und der Faschismus eigentlich so gut wie überhaupt nichts miteinander zu tun haben. (Abgesehen davon, dass der Nationalsozialismus bereits eine Hyperversion des Faschismus gewesen ist; jenseits derer politisch kaum mehr was möglich ist: Ein „Hyperfaschismus“ Heideggers wäre daher unpolitisch und ein bloßes Gedankenexperiment – das allerdings zu anderen Zwecken angestellt werden würde.) Heideggers Flirt mit dem Nationalsozialismus war (spontan und) kurz. Viele Professoren haben sich schwererer und anhaltenderer moralischer Degradationen schuldig gemacht, und viele ernstzunehmende Intellektuelle haben sich in die eigentümlichsten Assoziationen verstiegen, warum Hitler eine Lichtgestalt höchsten Grades sei. Nichtsdestoweniger wiegt eine vergleichsweise geringere Last auf den Schultern eines Jahrhundertphilosophen schwerer und sie erscheint unheimlicher. Moralisch hat sich Heidegger vor allem nie ausreichend vom Nationalsozialismus distanziert; zu seiner tiefen Unmoral, seiner extremen Gewalt und seiner Vernichtungspolitik und zum Holocaust ist ihm nie viel eingefallen und es hat ihn nie viel bedrängt, außer dass er sie als Ausdruck einer allgemeinen seinsgeschichtlichen Irre verdammt hat. Trauerte er dem Nationalsozialismus als einer vertanen Chance nach? Aber, genau, welcher? Der einer vertanen Chance auf „Eigentlichkeit“ und eines „Neubeginns“ eines Volkes: Was aber Heidegger genau damit meint, ist sowieso nicht klar – und ist vielleicht auch ihm selber nicht klar gewesen: daher die Episode mit dem Nationalsozialismus, die Episode geblieben ist. Heideggers Philosophie ist sowohl konservativ als auch fortschrittlich – und dann beides nicht, und weder das eine noch das andere nimmt sie überhaupt für sich in Anspruch zu sein. Insofern sie auf ein anderes Seinsverständnis drängt und dahingehend zur Tat und zum Handeln, zur Umsetzung drängt, ist sie in die Welt eingreifend und politisch; gleichzeitig ist sie weltabgewandt und denkerisch-solitär. In der Terminologie von Deleuze und Guattari hat die Eigentlichkeits-Philosophie Heideggers, bzw. der Gestus, in dem er sie durchexerziert, gleichzeitig einen extrem paranoiden Pol als auch einen extrem schizophrenen Pol; und sie etabliert eine so genannte Fluchtlinie (paradoxerweise: des radikalen Dableibens). Paranoide Faschisten er/begreifen diese Fluchtbewegung niemals. Sagt ein Nazi-Professor zum anderen: Heidegger sei kein Nationalsozialist, sondern ein „ewiger Revolutionär“, der, nachdem der Nationalsozialismus seine „revolutionäre Phase“ hinter sich gebracht und „geordnete Verhältnisse“ geschaffen habe, sich vom Nationalsozialismus abwenden und irgendeiner anderen radikalen Bewegung zuwenden werde. In etwa hat er da Recht behalten (wobei die neue radikale Bewegung dann der Geist Hölderlins war). Was aber gespenstisch ist, ist, dass Heidegger im Nationalsozialismus kaum ein moralisches und menschliches Problem gesehen hat. Im Krieg schreibt er sich ins Schwarze Heft: Das Weltjudentum, aufgestachelt durch die aus Deutschland hinausgelassenen Emigranten, ist überall unfaßbar und braucht sich bei aller Machtentfaltung nirgends an kriegerischen Handlungen zu beteiligen, wogegen uns nur bleibt, das beste Blut der Besten des eigenen Volker zu opfern (ebenda S.262), bringt es also buchstäblich fertig, Opfer und Täter umzukehren, und die Wahrheit und das Leiden und die Gewalt, das Verbrecherische am Nationalsozialismus nicht zu sehen (wenngleich es sich auch hierbei wieder um eine vereinzelte Bemerkung handelt: nach dem Krieg, und bis zu seinem Lebensende scheint ihn all das menschlich aber eben auch nichts anzugehen). Tatsächlich: Heidegger strebte eine Metaphysik an, die nicht humanistisch ist, und in der nicht der Mensch im Zentrum steht, sondern das Sein; und es gibt keine ethischen Sätze in ihr. Und so exemplifiziert sich an der nationalsozialistischen Episode seine Sicht auf und sein Empfinden von der Welt tatsächlich als menschen- und moralisch leer. Es erscheint also insgesamt nicht so rätselhaft, dass Heidegger und der Nationalsozialismus sich begegnet sind. Es ist auch nicht so rätselhaft, dass sie wieder voneinander gegangen sind. Die Begegnung ist eine Kreuzung, Heidegger und der Nationalsozialismus überkreuzen sich kurz, laufen dann aber auseinander. Vor allem aber ist Heidegger kein Faschist, Gewaltmensch oder Mörder. Sein Antisemitismus steht auch damit im Zusammenhang, dass er allein die alten Griechen und die Deutschen als „authentische“ Völker wahrgenommen hat. Heideggers Grundmotiv ist es, das Seiende ins Offene zu bringen, seine Grundhaltung die einer radikalen Offenheit für das Sein – und Offenheit ist dem Faschisten ein Gräuel. Vor allem hat Heidegger mit seiner eigenen die Philosophie nicht in eine Irre gebracht. Ein Paradephilosoph für Reaktionäre oder Faschisten ist er nicht geworden, eher waren es Fortschrittliche, Subversive und Ikonoklasten, die sich seiner annahmen.

Hölderlin, der Größte der Deutschen… (Überlegungen XII–XV (Schwarze Hefte 1939-1941) S.114) wird, nachdem er sich von Hitler abwendet, zur neuen Führungsfigur für Heidegger (oder aber: die Begegnung mit Hölderlin hilft Heidegger, sich von Hitler abzuwenden…?). Auch bei Hölderlin geht es um die Erneuerung eines Volkes, um das Setzen eines neuen, originären Anfangs; als Idol fungieren ebenfalls die alten Griechen. Hölderlin will neu gründen, Hölderlin will neu dichten: (I)ndem Hölderlin das Wesen der Dichtung neu stiftet, bestimmt er erst eine neue Zeit. Es ist die Zeit der entflohenen Götter u n d des kommenden Gottes. Das ist die d ü r f t i g e Zeit, weil sie in einem gedoppelten Mangel und Nicht steht: im Nichtmehr der entflohenen Götter und im Nochnicht des Kommenden. (Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung S.47) Hölderlin ist der Konstatierer einer Abwesenheit des Göttlichen (bzw. einer „Seinsvergessenheit“) in der Gegenwart und der Utopist einer Wiederkunft des Göttlichen als der Herstellung einer neuen Gemeinschaft, eines neuen Bundes zwischen den Menschen und des Menschen zum Sein; einer Art göttlichen Übermenschlichkeit, die das Geviert beherrscht (indem es das Geviert ist): Wenngleich die Einheit des Ganzen von Erde und Himmel, Gott und Mensch … ungesagt bleibt, wir sehen schon dies eine deutlicher: Erde und Himmel und ihr Bezug gehören in ein reicheres Verhältnis. (ebenda S.162) In diesem – ihrem wesentlichsten – Bestreben treffen sich also Heidegger und Hölderlin. Beide sind besinnlich, beschwörend, bohrend, einkreisend. Sie stürzen sind in die Gesamtheit des Geistes und in die Gesamtheit des im Geist erscheinenden und des den Geist gebärenden Seins. Hölderlin ist ähnlich monomanisch wie Heidegger; und das aus gutem Grund (da er über die Gesamtheit der Themen dichtet und sinnt): Werden wir jetzt noch meinen, Hölderlin sei verstrickt in eine leere und übersteigerte Selbstbespiegelung aus dem Mangel an Weltfülle? Oder erkennen wir, daß dieser Dichter in den Grund und in die Mitte des Seins dichterisch hinausdenkt aus einem Übermaß des Andrangs? (ebenda S.47) Ist er monomanisch, weil er aus seiner Position heraus die Allgegenwart der Welt wahrnimmt? Ja, das kann man wohl so sehen. Diese Einheit der Allgegenwart ist das Entrückende. Die allgegenwärtige Natur berückt und entrückt. Das Zumal der Berückung und Entrückung ist aber das Wesen des Schönen (…) Die Schönheit ist die Allgegenwart (…) (D)er Gott vermag doch den höchsten Schein des Schönen und kommt so dem reinen Erscheinen der Allgegenwart am nächsten. (ebenda S.54) Hölderlins Dichtung als die vollständigste Dichtung, als die beseelteste Dichtung, ist zugleich Meta-Dichtung: Was sie zum Ausdruck bringen will, sind letztendlich nicht Eindrücke, sondern den Geist, das Wesen der Dichtung selbst. Der Dichter Hölderlin ist von der Schöpfung begeistert und dichtet aus einer fortwährenden Begeisterung heraus und sich in fortwährende Begeisterung hinein: da er es unmittelbar aus dem poetischen Geist heraus tut, zu dem er singulären Zugang hat. Die Natur be-geistert alles als die allgegenwärtige, allerschaffende. Sie ist selbst „die Begeisterung“. Be-geistern kann sie nur, weil sie „der Geist“ ist (…) Der Geist ist die einigende Einheit. Sie läßt das Zusammen alles Wirklichen in seiner Versammlung erscheinen. (S.60) „Begeistert ist, wer Geist hat“ (Paul Häberlin) Er sieht also die Versammlung, da er das Offene sieht, in dem Versammlung möglich ist, das zur Versammlung einlädt, das Versammlung erfordert – und das ist es auch, was der Geist tut: er versammelt. In seiner reinsten Ausprägung ist er Lichtung, auf der Versammlung stattfindet. Diese Lichtung etabliert Hölderlins Dichtung, und so ist Heidegger naturgemäß von ihr be-geistert. Der Dichter versammelt die Welt in ein Sagen, dessen Wert ein mild-verhaltenes Scheinen bleibt, worin die Welt so erscheint, als werde sie zum erstenmal erblickt. (Hebel – Der Hausfreund S.25) Die Dichtung Hölderlins ist von einer solchen Primordialität. Insofern Hölderlins Dichtung Geist ist bzw. eine Schöpfung aus dem dichterischen Geist heraus, hat sie jene eigentümliche Dimensionalität, die sonst kaum eine Dichtung aufweist. Sie ist von einem Schein der Unbestimmtheit umgeben, bzw. erscheint in einem solchen, aus einem solchen heraus – denn sie zeigt damit gleichzeitig das sich entziehende Medium auf, in dem sie und aus dem heraus sie erscheint: den poetischen Geist, das poetische Vermögen (das heißt also: das Vermögen zur schöpferischen Entbergung), dessen zeichenhafte Erscheinung sie ist. „Ein Zeichen sind wir, deutungslos…“ (Hölderlin) … Die Kunst ist als das zeigende Erscheinenlassen des Unsichtbaren die höchste Art des Zeichens. (ebenda S.162) Das Wesen des Zeichens ist die entbergende Verbergung. (Heraklit S.179) Diese entbergenden Qualitäten erreicht Hölderlins Dichtung auch durch ihre wechselseitige Spiegelung der Urqualitäten Statik und Dynamik: seine frostige, klirrende, klassische Sprache mit romantischem Inhalt; Klarheit, die mit Unklarheit gekreuzt wird; seine Philosophie vom „Harmonischentgegengesetzten“ (das allein Vollständigkeit ermöglicht); die Welt, die er aufzeigt, hinter der/in der immer auch noch eine andere Welt zu erscheinen scheint… Das ist das Wabern, das Leuchten, das Sein des Seins, in dem das Seiende erscheint, als etwas Kosmisches, als etwas Chaotisches… Allein die Natur ist doch „aus heiligem Chaos gezeuget“. Wie gehen „Chaos“ und „Nomos“ („Gesetz“) zusammen? „Chaos“ bedeutet uns doch das Gesetzlose und Wirre (…) Deshalb nennt Hölderlin das „Chaos“ und die „Wirrnis“ „heilig“. Das Chaos ist das Heilige selbst. (Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung S.62f.) Bei Heidegger fehlt dieses Chaos, dieser Zugang zum „Irrationalen“, in seinen Möglichkeiten, sich auszudrücken. Er strebt freilich danach (und so ist es denn kein Wunder, wenn seine Philosophie in ihrem monomanischen Streben an und für sich selbst irrational wird bzw. keine rationale Grundlage für einen Umgang mit der Welt mehr bilden kann (daher also Heideggers „Ahnungslosigkeit“ und sein „Unverständnis“ von Politik…)). Das letzte Prinzip der Welt, und warum es Seiendes im reinen Sein gibt, ist das von Nomos und Chaos, dem Zusammenspiel von Ordnung und Zufall, der Chaosmos. Hölderlin ist Dichter des Chaosmos und gewährt mit seiner Dichtung Einblicke und Anschauungsformen vom Chaosmos. Wer Nomos und Chaos gleichermaßen bändigt und gegeneinander abwägt, beherrscht das Geviert und ist am vollständigsten im Sein, am vollständigsten ein Sein. Heidegger war vielleicht zu sehr Nomos, Hölderlin zu sehr Chaos. Der Chaosmotiker durchbricht die Hyle der Dinge und rammt den Speer in den Urgrund, das Artusschwert in das Sein: Wer, außer der reine, starke Held vermag es herauszuziehen? Er rammt einen Signifikanten in das Offene und macht so die Erscheinungen im Offenen deutbar. „Äther“ und „Abgrund“ nennen zumal die äußersten Bezirke des Wirklichen, aber auch die höchsten Gottheiten (…) Das Offene vermittelt die Bezüge zwischen allem Wirklichen. (ebenda S.61) Hölderlins Dichtung hat etwas Absolutes und Endgültiges. Das deswegen, weil sie zu den „letzten Dingen“, den Transzendentalien, tatsächlich gelangt ist; Transzendentalpoesie ist. Daher die ständige Anwesenheit und Abwesenheit Gottes. Das ist die Dynamik der Welt und des Geistes, der sie erkennt und der schöpferisch in sie eingreift. In der jeweiligen Gegenwart, der „dürftigen Zeit“, ist das Göttliche immer „abwesend“, da er brütend schafft und umwälzt, mit unklarem Ausgang. Als Vermögen ist das Göttliche immer (virtuell) anwesend. Was heißt Denken? Nun ja, das heißt Denken.

Am Beginn des abendländischen Geschickes stiegen in Griechenland die Künste in die höchste Höhe des ihnen gewährten Entbergens. Sie brachten die Gegenwart der Götter, brachten die Zwiesprache des göttlichen und menschlichen Geschickes zum Leuchten. (Die Technik und die Kehre S.34) Die Kunst ist ein menschliches Existenzial. Sie ist die Entfaltung der artistischen Fähigkeiten des Menschen sowie seiner metaphysischen Fähigkeiten und der zu seiner Transzendenz. Jetzt ist der Status der Kunst und des Künstlers an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten in der Welt (scheinbar) recht unterschiedlich, aber es macht Sinn, sie als Erscheinungsform des absoluten Geistes (nach Hegel) aufzufassen: Mit der Kunst will der Mensch (höhere) Wahrheit feststellen oder sie ausdrücken, höhere Wahrheit (als solche) glorifizieren. Sie ist ein investigatives und tranzendierendes Unternehmen. Mithilfe ihrer will der Mensch die Wahrheit seiner subjektiven Eingelassenheit in eine objektive Welt feststellen und zum Ausdruck bringen. „Kunst ist die eigentliche metaphysische Tätigkeit“, so Nietzsche in Rekurs auf Schopenhauer. Und auch bei Heidegger ist die Kunst ein Wahrheits-entbergendes Unternehmen:  Das Wesen der Kunst, worin das Kunstwerk und der Künstler zumal beruhen, ist das Sich-ins-Werk-setzen der Wahrheit. (Der Ursprung des Kunstwerkes in Holzwege S.59) Das Kunstwerk eröffnet in seiner Weise das Sein des Seienden. Im Werk geschieht diese Eröffnung, d.h. das Entbergen, d.h. die Wahrheit des Seienden. Im Kunstwerk hat sich die Wahrheit des Seienden ins Werk gesetzt. Die Kunst ist das Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit. Was ist die Wahrheit selbst, daß sie sich zu Zeiten als Kunst ereignet? Was ist dieses Sich-ins-Werk-Setzen? (ebenda S.28) Das ist, in einem gewissen Sinne, wandelbar; das große Kunstwerk bringt die Wahrheit eines Zeitalters zum Ausdruck; und je größer es ist, desto mehr scheinen darin Wahrheiten über alle Zeitalter auf: um gleichzeitig wieder verrätselt zu werden, aus einem dunklen Abgrund scheinen die Wahrheiten hervorzutreten, um auch wieder potenziell in ihn zurückzufallen. Abermals ist es die Sache der Kunst eine der Entbergung von Wahrheit: Wahrheit bedeutet anfänglich das einer Verborgenheit Abgerungene. Wahrheit ist also Entringung jeweils in der Weise der Entbergung. (Platons Lehre von der Wahrheit S.25) Das Kunstwerk ist ein subjektiver Ausdruck einer objektiven Wahrheit. Es ist der Ausdruck eines Subjekts, das sich einen privilegierten Zugang zum Objektiven verschafft hat und auf überraschende Weise das scheinbar innere, tatsächliche Wesen dieses Objektiven (heißt in dem Zusammenhang: seine Wahrheit) zu erschauen imstande ist und uns ebendies im Kunstwerk mitteilt. Das Kunstwerk ist so eine Epiphanie dieser tieferen objektiven Wahrheit, die (vielleicht nur) subjektiv erschaut wird (bzw. die vielleicht nur in der subjektiv-menschlichen Anschauung Sinn macht oder Referenz hat). Um dorthin zu gelangen, muss die Künstlerin, neben genuin künstlerischen Fähigkeiten, in der Lage sein, Konkretes und Individuelles zu abstrahieren und zu verallgemeinern, wie dann wieder diese Verallgemeinerungen zu konkretisieren und, vor allem, zu individualisieren (und eben in Form von ganz konkreten Individualitäten auszudrücken). Die Künstlerin muss, um zu solchen Antworten zu gelangen, also abermals, wie die Philosophin, tief ins Fragen verstrickt sein. Bist du ein Fragender? Einer aus dem Geschlecht jener, die nicht taumeln und süchtig sind nach Neuem, jener die im Ab-grund den Grund wissen und fester stehen als alle nur Überzeugten? … Diese Fragenden setzen den neuen Rang der Zugehörigkeit zum Seyn. Ihr Bund – ihnen selbst verborgen – kennt nicht die Zahl, bedarf keiner Einrichtung und Bestätigung. (Überlegungen II-IV (Schwarze Hefte 1931-1938) S.285) Heideggers Vertiefungen und sein vertieftes Fragen nach den Möglichkeiten der Kunst geschehen dabei übrigens im Zusammenhang mit seiner zunehmender Sorge über eine andere Möglichkeit – eine Aktualität! – des dem Menschen gewährten Entbergens in der jüngsten Zeit des abendländischen Geschickes: der Herrschaft der Technik, des Ge-stells. Ge-stell bedeutet nicht Technik, sondern ein neues Verhältnis zum Entbergen von Wahrheit. Mithilfe des technischen „Stellens“ von Artefakten schafft der Mensch neue Wahrheiten und neue Weisen und Entbergungen seines In-der-Welt-seins: die Herrschaft des Ge-stells bedeutet, dass dieses technische und technologische Stellen zum privilegierten Modus des dem Menschen gewährten Entbergens wird bzw. überhaupt zu einer Heteronomie, die anonym über ihn herrscht und die er nicht mehr begreift noch kontrolliert (wie freilich vormals die Religion). Wir nennen jetzt jenen herausfordernden Anspruch, der den Menschen dahin versammelt, das Sichentbergende als Bestand zu bestellen – das Ge-stell. (Die Technik und die Kehre S.19) … Ge-stell heißt das Versammelnde jenes Stellens, das den Menschen stellt, d.h. herausfordert, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen. Ge-stell heißt die Weise des Entbergens, die im Wesen der modernen Technik waltet und selber nichts Technisches ist. (S.20) Insofern das Ge-stell zum privilegierten Modus des dem Menschen gewährten Entbergens wird, degradiert es alle anderen Modi: Die Herrschaft des Ge-stells droht mit der Möglichkeit, daß dem Menschen versagt sein könnte, in ein ursprünglicheres Entbergen einzukehren und so den Zuspruch einer anfänglicheren Wahrheit zu erfahren. (ebenda S.28) So verbirgt denn das herausfordernde Ge-stell nicht nur eine vormalige Weise des Entbergens, das Her-vor-bringen, sondern es verbirgt das Entbergen als solches und mit ihm Jenes, worin sich Unverborgenheit, d.h. Wahrheit ereignet. Das Ge-stell verstellt das Scheinen und Walten der Wahrheit. (ebenda S.27) Heidegger ist pessimistisch über die Möglichkeiten der Philosophie, sich als privilegierter Modus des Entbergens von Wahrheit unter solchen Umständen zu behaupten: Die Ausfaltung der Philosophie in die eigenständigen, unter sich jedoch immer entschiedener kommunizierenden Wissenschaften ist die legitime Vollendung der Philosophie. Die Philosophie endet im gegenwärtigen Zeitalter. Sie hat ihren Ort in der Wissenschaftlichkeit des gesellschaftlich handelnden Menschen gefunden. Der Grundzug dieser Wissenschaftlichkeit aber ist ihr kybernetischer, d.h. technischer Charakter. Vermutlich stirbt das Bedürfnis, nach der modernen Technik zu fragen, im gleichen Maße ab, in dem die Technik die Erscheinungen des Weltganzen und die Stellung des Menschen in diesem entschiedener prägt und lenkt. (Zur Sache des Denkens S.64) Ja, er sieht die Gefahr, dass die Herrschaft des Ge-stells den ganz primären Modus des Entbergens von Wahrheit: des Fragens unter sich verschütt gehen lässt. Seine Hoffnung, dass der Mensch im Zeitalter der Herrschaft des Ge-stells zu Autonomie und „Jemeinigkeit“ in den Möglichkeiten des Entbergens von Wahrheit und dadurch zu Authentizität gelangt, setzt er daher in seiner späteren Philosophie in die Kunst. Diese hat, als moderne Kunst, in den 1950er und 1960er Jahren tatsächlich einen ihrer Höhepunkte. Um dann aber bekanntlich in etwa ab dem Zeitpunkt von Heideggers Tod an irgendwie ihren Biss zu verlieren. Das „Irgendwie“ ist wohl nicht so schwer zu bestimmen: Ob die Kunst diese höchste Möglichkeit ihres Wesens inmitten der äußersten Gefahr gewährt ist, vermag niemand zu wissen. … Freilich (kann sie das) nur dann, wenn die künstlerische Besinnung ihrerseits sich der Konstellation der Wahrheit nicht verschließt, nach der wir fragen. (Die Technik und die Kehre S.35) Kunst ist entbergend und metaphysisch, eine Anstrengung, die man unternimmt, um auf was Neues,  Bahnbrechendes oder Tiefsinniges draufzukommen. So sahen die Künstlerinnen der Moderne das auch im Wesentlichen. Aus irgendeinem Grund ist das in etwa seit dem Tod Heideggers als Selbstverständnis von Künstlern nicht mehr verbreitet. Und so ist man mit einer Gegenwartskunst konfrontiert, die nicht metaphysisch ist, gedankenlos scheint und ohne scheinbar eigentlichen künstlerischen Anspruch. Das „Warum“, wonach das so ist, bleibt, trotz allen möglichen multikausalen Erklärungsmöglichkeiten rätselhaft. Die Möglichkeiten, auf was Neues oder Bahnbrechendes in der Kunst draufzukommen, sind so vielleicht nicht mehr da, da zu viel Neues und Bahnbrechendes in der künstlerischen Moderne bereits passiert ist. Tiefsinn sollte aber immer möglich sein. Er wird nur scheinbar nicht gesucht. Aber verzage man deswegen nicht: Das große Wesen des Menschen denken wir dahin, daß es dem Wesen des Seins zugehört, von diesem gebraucht ist, das Wesen des Seins in seine Wahrheit zu wahren. (ebenda S.39) Lichtungen sind selten im Wald. Vielleicht sind es heute auch derer zu viele, da zu viel Wald geschlägert wird, aufgrund der Herrschaft des Ge-stells, das eine viel potentere Wahrheit und ein viel potenterer Modus der Entbergung von Wahrheit ist als zum Beispiel die an und für sich schwache Kunst. Aufgrund der Vielzahl von Lichtungen kommt es also auf Lichtungen durch die Kunst nicht mehr an. Oder aber: als Geschäft hat die Kunst, inmitten einer kunstunsinnigen und materialistischen Menschheit zu ihrer eigentlichen Wahrheit, zur Lichtung ihres Wesens gefunden, und versucht daher auch gar nicht mehr zu sein, als eben Geschäft. Aber dennoch bleibt der Mensch ein transzendentes, ek-sistierendes Wesen, und so bleibt auch der transzendierende, ek-sistierende Anspruch der Kunst, die entscheidende Beiträge zur Öffnung, zur Entbergung und zur Lichtung leistet und leisten wird. Das Werk hält das Offene der Welt offen. (Der Ursprung des Kunstwerkes in Holzwege S.34)

Das Dunkel liegt nicht in der unklaren Ausdrucksweise Heraklits, sondern in der „Philosophie“ selbst, weil sie in einer Weise denkt, die dem gewöhnlichen Verstand nicht vertraut und deshalb für ihn jederzeit schwierig ist. (Heraklit S.29) Schopenhauer würde dagegen teilweise protestieren: Die höchste Logik und die höchste Wahrheit stellt sich dar in der höchsten Einfachheit und der höchsten Klarheit. Einfachheit ist die höchste Form der Vollendung, sagt einer, der es ja wissen muss: Leonardo da Vinci. Eine Eigentümlichkeit Heideggers liegt darin, dass er von Schopenhauer gar nicht viel hält; ihm sogar abspricht, ein echter Philosoph zu sein (sondern eher ein philosophierender Schriftsteller). Seine Polemiken gegen andere Philosophen, vor allem gegen Hegel, Fichte und Schelling – das Dreigestirn des Deutschen Idealismus –, verargt er ihm und meint überhaupt, dass Schopenhauer – neben seiner neidischen Befindlichkeit – nicht einmal in der Lage gewesen sei, die Raffinessen des deutschen Idealismus zu durchschauen. Naja. Schopenhauer zu lesen sollte bedeuten, zu sehen, dass man es hier mit einem gründlicheren, tiefer im Grund verankerten Geist zu tun hat, als beispielsweise Fichte (oder eben auch Schelling oder Hegel). Schopenhauers Sprache ist die eines Geistes, der vollständig in sich selbst gegründet, in sich zur Ruhe gekommen, mit sich selbst identisch ist. Bei Fichte merke ich ein nervöses Herumlaufen; bei Hegel — Eigenartig vor allem ist, da Schopenhauer ja gerade das einlöst, was Heidegger stets einfordert: Eine Philosophie, die nicht humanistisch ist, indem sie nicht den Menschen ins Zentrum stellt, sondern das Sein an sich. Schopenhauer erklärt ja, was das Sein ist: Ein blinder, egoistischer und sich ins eigene Fleisch schneidender Wille, den der Mensch, als Ausdruck dieses Willens, allerdings mithilfe seiner Vorstellungskraft in der Lage ist zu durchschauen und zu überwinden, und so in einem höheren, transzendenten Sein schließlich zur Ruhe zu kommen. Voraussetzung dafür ist moralische Einsicht. Im ekstatischen Mitleidenkönnen liegt die eigentliche eks-tatische Möglichkeit des Menschen bzw. des Seins an sich. Aber diese moralische Einsicht und ekstatisches Mitleidenkönnen haben, so scheint es ein weiteres Mal, bei Heidegger eben gefehlt bzw. waren keine Wurzeln seines Antriebes. So hat er, scheinbar konsequentermaßen, auch Schopenhauer verfehlt, obwohl Schopenhauer die konsequente Forderung von Heideggers Philosophie einlöst. Dass die wahre Philosophie trotzdem dunkel und schwierig ist, weniger wegen ihres mehr oder weniger klaren Ausdrucks, sondern weil sie in einer Weise denkt, die dem gewöhnlichen Verstand nicht vertraut und deshalb für ihn jederzeit schwierig ist, wird Schopenhauer sehr wohl unterschrieben haben. Er hat es ja an eigenem Leib erfahren. Heidegger gilt als dunkler und schwieriger Autor, geradezu als ein Mysterium. Zumindest wenn man eine gewisse Vertrautheit zur Philosophie hat, kann man das wohl nicht bestätigen. Sein Ausdruck hat nicht die anschauliche, ergreifende Plastizität von Schopenhauer, aber doch Intensität gepaart mit Unmittelbarkeit genug. Es ist eine klare und einfache, gleichzeitig charismatische und soghaft wirkende Sprache. Sie ist mysteriös, weil sie um das Mysterium des Seins kreist. In diesem Kreisen ist sie aber einfach und klar, und ihre Ausdrücke sind hilfreich. Man meint vielleicht, Heideggers selbstgeschaffene Terminologie sei dümmlich und steif, tatsächlich ist sie aber unmittelbar innerlich erlebt und, wenn man sich umschaut, scheint es kaum eine bessere zu geben. Wie Schopenhauer hat auch Heidegger gedichtet. Schopenhauers Dichtung ist nicht so gut wie seine Prosa, und er sieht auch ein, dass er kein Dichter ist. Heideggers Dichtung ist ebenfalls so gut nicht wie seine Prosa (die wiederum nicht so gut ist wie die von Schopenhauer). Heideggers Dichtung ist geistiges Konzentrat. Als Dichter kommt er beinahe aus dem Fernen Osten. – Im Schopenhauerschen Mitleidenkönnen hat man das Ekstatische, Ek-sistierende, nach dem Heidegger sucht. Indem er mit-leidet, löst der im principium individuationis gefangene Mensch seine Ich-Grenzen auf, und erweitert sich zu den Grenzen der Welt, der grenzenlosen Grenze des Seins und somit überwindet er das Sein. Damit wird der Mensch in höchstem Grade zu einem eigenen Sein. In jedem Menschen liegt diese Möglichkeit. Jeder Mensch, jedes Lebewesen, jedes Objekt der Schöpfung ist eigentlich immer schon – kein Seiendes, sondern – ein Sein. Sodass sich die Seinsfrage so gar nicht stellt. Ich, du, wir sind jeweils ein Sein. Allerdings ist dazu eventuell eine spirituelle Sichtweise auf sich und andere notwendig. Man muss erst die Seinsfrage durchquert haben – wie Schopenhauer – um sich wahrhaft – nicht bloß als Seiendes, sondern – als Sein zu begreifen. Inwieweit stellt sich dann noch – die Seinsfrage?

Der Grund der Ideen und ihrer Einheit, d.h. der Grund des Systems ist dunkel. Der Weg zum System ist nicht gesichert. Die Wahrheit des Systems ist fraglich. Und doch – die Forderung des Systems ist unumgänglich. (Schellings Abhandlung Über das Wesen der menschlichen Freiheit S.53f.) Die Forderung nach dem philosophischen System stellt sich immer wieder neu. Da der Mensch ein philosophierendes Wesen ist, und Philosophie jene Art von Fragen, in der sich der Mensch seiner Subjektivität in einer objektiven Welt gegenwärtig zu machen versucht. Die triumphale Erforschung der objektiven Welt durch die Wissenschaften scheint die anderen Erscheinungsformen des Geistes: Kunst, Religion und Philosophie in der jüngeren Neuzeit auf hintere Plätze zu verweisen. Heidegger war ein Philosoph, der in einem solchen Zeitalter der triumphierenden Wissenschaften gelebt hat, und der versucht hat, die Philosophie (und die Kunst) zu retten. „Die Wüste wächst“ sagte Nietzsche vor fast 70 Jahren. Er fügte hinzu: „weh dem, der Wüsten birgt“. (Was heißt Denken? S.12). Mit Nietzsche kritisiert Heidegger die metaphysische Wüstenhaftigkeit und Obdachlosigkeit des Zeitalters. Gleich Nietzsche schießt er über sein Ziel hinaus. Gleich Nietzsche verschätzt er sich dann doch (ein wenig) in seinen Prophezeiungen, die Wissenschaften würden die Welt vollständig „entzaubern“ und Philosophie, Kunst und Religion schlechthin obsolet machen. Gleich Nietzsche ist er wissenschaftlich ein wenig borniert (allerdings nicht so sehr, wie man das vielleicht glauben mag). Allerdings respektiert Heidegger natürlich die Wissenschaften. Sie seien allerdings eben eine andere Art zu fragen und denken, als die Philosophie. Die Philosophie und die Wissenschaften seien unterschiedliche Systeme, auch wenn sie sich natürlich (z.B. über die Geisteswissenschaften: also eben die Wissenschaften vom menschlichen Geist und seiner Erzeugnisse) auch überlappen. Zwischen der Philosophie und den Wissenschaften gebe es einen „Sprung“ zu vollziehen. Die Wissenschaft denkt nicht … Das ist ein anstößiger Satz … Diese Weise ist allerdings nur dann eine echte und in der Folge eine fruchtbare, wenn die Kluft sichtbar gemacht worden ist, die zwischen dem Denken und den Wissenschaften besteht, und zwar besteht als eine unüberbrückbare. Es gibt hier keine Brücke, sondern nur den Sprung. (ebenda S.4) Das ist vielleicht etwas dramatisch. Was aber Heidegger tut: Er versucht, den Status der Philosophie, in ihrer Urtümlichkeit, zu bestimmen. Wie Heidegger zu denken, wie Heidegger zu fragen, ist wie eine Philosophin zu fragen. Wenn man Heidegger aus dem Fenster wirft, wirft man die Philosophie gleich mit. Darin gründet sich die Solidität Heideggers, und seines philosophischen Systems bzw. seiner philosophischen Systematik. Das System allein verbürgt ja die innere Einheit des Wissens, seine Wissenschaftlichkeit und Wahrheit. (Schellings Abhandlung Über das Wesen der menschlichen Freiheit S.50) Heideggers philosophisches System ist eine „Wissenschaft“ vom Sein im Ganzen. Dieses ungegenständliche Wissen des Seienden im Ganzen weiß sich jetzt als das eigentliche und schlechthinnige Wissen. Was es wissen will, ist nichts anderes als das Gefüge des Seyns, das nun nicht mehr als ein Gegenstand irgendwo dem Wissen gegenübersteht, sondern das im Wissen selbst wird, welches Werden zu sich selbst das absolute Seyn ist. (ebenda S.55) Wie erlebt man das Seiende im Ganzen oder eben das Gefüge des Seyns, das absolute Seyn? Als etwas ewig Verborgenes und sich ständig Entbergendes: in dieser Doppeltheit. Das Wesen des Zeichens ist die entbergende Verbergung. (Heraklit S.179) Das Wahre ist das Ungesagte, das nur im streng und gemäß Gesagten das Ungesagte bleibt, das es ist. (S.180) Wisse denn: Die Wahrheit ist geheimnis- und ahnungsvoll; wer in der Wahrheit lebt, haust am Geheimnis, könnte man mit Heidegger sagen. Das ewig Wahre und das ewige Geheimnis ist dort, wo sich der hochzeitliche Ring der Ringe, der Ring des Seins so schließt. Der Wahrheitssucher ist zurückhaltend und nachdenklich, er versucht zu spüren: die Tiefengestaffeltheit des Seins; die Schichten des Seienden hinter den Schichten des Seienden; das Experimentierfeld der Möglichkeiten des Seienden in der Virtualität des Seins; die Unendlichkeit des Seins, die sich in einer fraktalen Struktur zeigt. In dieser fraktalen Struktur zeigt sich die Allgegenwart des Seins, in ihrer paradoxen Einheit. Diese Einheit der Allgegenwart ist das Entrückende. Die allgegenwärtige Natur berückt und entrückt. Das Zumal der Berückung und Entrückung ist aber das Wesen des Schönen (…) Die Schönheit ist die Allgegenwart (…) (D)er Gott vermag doch den höchsten Schein des Schönen und kommt so dem reinen Erscheinen der Allgegenwart am nächsten. (Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung S.54) Das Schöne ist das Hervorscheinende (des Seins), gleichzeitig das Entrückteste. Damit ist das Schöne gleichsam über-sinnlich, und damit ähnlich der Wahrheit und der Logik, ein der Subjektivität übergeordneter Wert. (vgl. Nietzsche 1. Band S.199–204) Die Wahrheitssucherin wird dieser Allgegenwart und Schönheit des Seins – und des Seienden im Sein – gewahr. Die Wahrheitssucherin wird sich des Absoluten gewahr. Dieses Ganze des Seyns ist verhältnislos zu anderem, nicht relativ, und in diesem Sinne schlechthin abgelöst von jeglichem anderen, herausgelöst aus Relationen, weil es solches gar nicht zulässt. Abgelöst sein heißt das Ab-solute. (Schellings Abhandlung Über das Wesen der menschlichen Freiheit S.52) Wer, was, also kann dem Ganzen des Seyns entsprechen, dem Absoluten? Der absolute Geist in der absoluten Form. Der absolute Geist in der absoluten Form versammelt alle Erscheinungsformen des Geistes – Kunst, Philosophie, Wissenschaft und Religion – und synthetisiert sie; die Rede des absoluten Geistes in der absoluten Form ist Kunst, Philosophie, Wissenschaft und Religion in einem. Er ist qualitativ verschieden von allem relativen Geist. Aber der absolute Geist in der absoluten Form ist ein Leitbild für den Geist und für den Menschen in der Zukunft. Daher ist er so wichtig, und wichtig ist es – wenn man dabei sein will – sich mit dem absoluten Geist in der absoluten Form schon heute vertraut zu machen. Der absolute Geist in der absoluten Form überwindet das heutige Seinsverständnis, hin in eine neue Totalität. Das Sein selbst überwinden wollen hieße (aber), das Wesen des Menschen aus der Angel zu heben. (Nietzsche 2. Band S.330) Heidegger will gleichsam, in seinem Apell zum Verständnis des Seins und seiner Ablehnung des Humanismus neue Möglichkeiten im Menschen entdecken – die Ek-sistenz des Menschen ist seine Substanz … gegen den Humanismus wird gedacht, weil er die Humanitas des Menschen nicht hoch genug ansetzt… Heidegger ist eine Art Transhumanist. Er ruft einen neuen Menschen aus, der sich mit dem Sein in ein intensiveres Verhältnis setzt, die Allgegenwart des Seienden und des Seins spürt; der, wie man sagen kann, das Geviert beherrscht: einen nietzscheanischen Übermenschen. Der Über-Mensch ist derjenige, der das Wesen des bisherigen Menschen erst in seine Wahrheit überführt und diese übernimmt. Der so in seinem Wesen festgestellte bisherige Mensch soll dadurch in den Stand gebracht werden, künftig der Herr der Erde zu sein… (Was heißt Denken? S.26) „Der Übermensch“ ist der Mensch, der das Sein neu gründet – in der Strenge des Wissens und im großen Stil des Schaffens. (Nietzsche 1. Band S.224) Das Reich des Seienden ist ein Reich von bisweilen schroffen Gegensätzen, Inkommensurabilitäten und Animositäten. Der große Stil glättet das Reich des Seienden hin in das Reich des ebenen und ideell pazifizierten Seins. Wahrhaft groß ist daher nur jenes, was seinen schärfsten Gegensatz nicht nur unter sich und niederhält, sondern ihn in sich verwandelt hat, aber gleichzeitig ihn so verwandelt, daß er nicht verschwindet, sondern zur Wesensentfaltung kommt (…) Das eigentliche Wesen der Kunst ist im großen Stil vorgezeichnet. Dieser weist aber hinsichtlich seiner eigenen Wesenseinheit in eine ursprünglich sich gestaltende Einheit des Aktiven und Reaktiven, des Seins und des Werdens (…) Die dem großen Stil eigene Fügung des Aktiven und des Seins und Werdens zu einer ursprünglichen Einheit muß demnach im Willen zur Macht, wenn er metaphysisch gedacht wird, beschlossen sein. Der Wille zur Macht ist aber ist als die ewige Wiederkehr. In ihr will Nietzsche Sein und Werden, Aktion und Reaktion in eine ursprüngliche Einheit zusammendenken. Damit ist ein Ausblick in den metaphysischen Horizont gegeben, in dem das zu denken ist, was Nietzsche den großen Stil und die Kunst überhaupt nennt. (ebenda S. 137f.) Dieser Übermensch und große Stil sind Telos der Ek-sistenz des Menschen. Die Grundlage dieser Ek-sistenz ist die Freiheit des Menschen, aus der heraus er seine Möglichkeiten wählt. Die Freiheit ist der Grund des Grundes … Als dieser Grund aber ist die Freiheit der Ab-grund des Daseins. Nicht als sei die einzelne freie Verhaltung grundlos, sondern die Freiheit stellt in ihrem Wesen als Transzendenz das Dasein als Seinkönnen in Möglichkeiten, die vor seiner endlichen Wahl, d.h. in seinem Schicksal, aufklaffen. (Vom Wesen des Grundes in Wegmarken S.174) Hinwiederum sind Sein und Grund wesentlich identisch. Sein und Grund „sind“ im Wesen das Selbe. (Der Satz vom Grund S.152) Am Ende stellt sich freilich heraus, dass das Sein aber „grundlos“ ist und „ein Spiel“.

Das „Weil“ versinkt im Spiel. Das Spiel ist ohne „Warum“. Es spielt, dieweil es spielt. Es bleibt nur Spiel: das Höchste und Tiefste.

Aber dieses „nur“ ist Alles, das Eine, Einzige.

Die Frage bleibt, ob wir und wie wir, die Sätze dieses Spiels hörend, mitspielen und uns in das Spiel fügen. (ebenda S. 188)

Welt-Rad, das rollende

Streift Ziel auf Ziel:

Noth – nennt´s der Grollende

Der Narr nennt´s – Spiel…

Also sprach auch Zarathustra. Und weiter spricht er:

Welt-Spiel, das herrische

Mischt Sein und Schein: –

Das Ewig-Närrische

Mischt uns – hinein!

Still wendet sich das Seyn zur Bergung des Lichten, in das einst das noch verwahrte Einstige seine Huld verschenkt, um dem Menschenwesen die einzige Würde beginnlich zu schenken: das Wahrende der Wahrheit des Seyns zu werden. (Heraklit S.386f.)

Sommer 2021

Erwähnte Literatur von Heidegger:

Besinnung, Frankfurt/Main, Klostermann 1997

Der Satz vom Grund, Pfullingen, Verlag Günther Neske 1957

Die Technik und die Kehre, Pfullingen, Verlag Günter Günther Neske 1962

Die Grundprobleme der Phänomenologie (Marburger Vorlesung Sommersemester 1927), Frankfurt/Main, Vittorio Klostermann 1975

Einführung in die Metaphysik, Tübingen, Max Niemeyer Verlag 1953

Einführung in die phänomenologische Forschung (Marburger Vorlesung Wintersemester 1923/23), Frankfurt/Main, Vittorio Klostermann 1994

Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung Frankfurt/Main, Klostermann 1981

Hebel – Der Hausfreund, Pfullingen, Verlag Günther Neske 1957

Heraklit, Frankfurt/Main, Klostermann 1979

Holzwege, Frankfurt/Main, Klostermann 1972

Nietzsche 1. Band/Gesamtausgabe Band 6.1, Frankfurt/Main 1996

Nietzsche 2. Band/Gesamtausgabe Band 6.2, Frankfurt/Main 1997

Identität und Differenz, Frankfurt/Main, Vittorio Klostermann 2006

Platons Lehre von der Wahrheit, Frankfurt/Main, Klostermann 1967

Schellings Abhandlung Über das Wesen der menschlichen Freiheit, Tübingen, Max Niemeyer 1971

Sein und Zeit, Tübingen, Max Niemeyer Verlag 1993

Überlegungen II-IV (Schwarze Hefte 1931-1938), Frankfurt/Main, Vittorio Klostermann GmbH 2014

Überlegungen XII–XV (Schwarze Hefte 1939-1941), Frankfurt/Main, Vittorio Klostermann GmbH 2014

Unterwegs zur Sprache, Stuttgart, Verlag Günther Neske 1959

Was heißt Denken?, Tübingen, Max Niemeyer 1987

Was ist Metaphysik? (Antrittsvorlesung 24. Juli 1929), Frankfurt/Main, Klostermann 1969

Wegmarken; Frankfurt/Main, Klostermann 1996

Zur Sache des Denkens, Tübingen, Max Niemeyer Verlag 1969

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Günther Neske (Hrsg.): Erinnerung an Martin Heidegger, Pfullingen, Verlag Günther Neske 1977

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Add 13. Juli 2025

Heidegger will bekanntlich dauernd zur “Eigentlichkeit” und zur “Authentizität” vorstoßen. Da er aber emotional limitiert war, schafft er das nicht ganz, und umkreist stattdessen beides sein Leben lang. Und da die meisten Menschen emotional limitiert sind, ist die Sucht nach Authentizität eine “Menschheitssehnsucht” und das Beklagen von Entfremdung dann eben ein “Menschheits”-Thema. Analog dazu hat es Heidegger ständig mit dem “Heraustreten”, dem “Offenbaren”, dem “Lichten”, dem “Entbergen”, dass also irgendeine Wahrheitsemanation ursprünglich und originär aus dem Sein heraustritt und wir ihr dabei zusehen können. Deswegen auch die Nähe von Heidegger zum Zen-Buddhismus, wo es um das reine Gewahrwerden eines Phänomens im ursprünglichen, daher noch nicht vermuteterweise irgendwie verunstalteten Moment seines Erscheinens geht, und daher um eine reine Wahrnehmung weniger des Seienden, als des Seins an sich. Wo aber Heidegger, als westlicher Philosoph, spricht, um zur Wahrheit des Seins vorzudringen, empfiehlt der Zen-Weise aus dem Osten das Schweigen, denn nur in diesem ließe sich die tiefe Wahrheit – zwar nicht ausdrücken, aber erfahren. Gleichzeitig ist aber auch der Zen-Buddhismus sehr beredt nicht nur in seinem Schweigen, sondern auch in seinem mannigfachen Reden, Texten, Lehren etc. Eigentlich will Heidegger zu einer Art poetischen Wahrnehmung des Seins gelangen, wie es scheint. Denn Poesie ist das Erzeugende, Hervorbringend-Entbergende, und die Darstellung dessen in seiner Reinheit und Ursprünglichkeit, oder zumindest Unerwartetheit. In seiner Unklarheit aber darüber, was er eigentlich wirklich will, hat Heidegger dann auch den Nationalsozialismus für ein poetisches Ereignis gehalten, für den “Neuanfang” eines Volkes, der aus der “Seinsvergessenheit” führen könne, und stattdessen zu irgendwas Authentischem und Eigentlichem. Er hat seinen Irrtum zwar schnell eingesehen und sich vom Nationalsozialismus distanziert, gleichzeitig hat er das aber auch lebenslänglich nicht getan, oder nur mangelhaft, eventuell weil er einer verpassten Gelegenheit nachgetrauert hat, oder aber der offenbaren Unmöglichkeit, eine “Wahrheits”-Gesellschaft zu begründen. Nur ein Gott könne uns noch retten, hat er dann gemeint. Er hat sich dann in die Poesie von Hölderlin geflüchtet. Dort geht es dauernd um die Trauer über den verlorenen Gott der Vergangenheit, in der alles toll war; die Verfassung der jetzigen gottverlassenen Zeit, in der alles schlecht ist; die allerdings von der Hoffnung beseelt ist auf den wiederkehrenden Gott der Zukunft, der alles wieder großartig werden lassen wird. Auch das ist eine Menschheitssehnsucht. So luzide Hölderlin allerdings war, war er aber eben auch verrückt, und auch in seiner strengen Dichotomie zwischen Gottverlassenheit und Gott, zumindest im übertragenen Sinn, schizophren. Gut, dass es heute eine Philosophie und eine Poesie gibt, die göttlich ist und die all die losen Enden verbindet. Heidegger und Hölderlin haben das nicht mehr erlebt. Aber sie haben sie erahnt und als notwendig erachtet. 

Hölderlin und die Urphänomene

Es gibt solche, die sind Dichter, Philosophen, Schauspieler oder Musiker. Und dann gibt es jene, die sehen die Urphänomene. Konvulsionen, ächzend rotierende, mahlende Formen im Urgrund, das Chaos der Veränderung im Gleichbleibenden, Urlaute und Urschreie, eine gleißende, explodierende, explodierend hervortretende Welt, die sie versuchen, in erzene, überrobuste Formen zu bringen, von neuartiger, bizarrer Schönheit, von überweltlicher Stärke, die gleichzeitig unmittelbar sind und naiv und gerade so dem tollpatschig-autoritären Zugriff der Weltmächte sich entziehen, ihn aushöhlen, über ihn triumphieren, in einer alle Welt überschreitenden Totalität: das ist es, was Kafka, van Gogh oder Beethoven tun. Man sollte nicht meinen, die Probleme von Beckett, Malewitsch oder Ustwolskaya wären Dichter-, Maler- oder Musiker-Probleme. Sie stehen im unheilvollen und dem einzig heilbringenden Kontakt zu den Urphänomenen und arbeiten sich an ihnen ab; in verzehrender Unruhe, in der Gelassenheit eines Gottes. Die Urphänomene, in ihrem ätzenden Wirbeln, stoßen ab und ziehen an. – Sie funktionieren überall, bald rastlos, dann wieder mit Unterbrechungen. Sie atmen, wärmen, essen. Sie scheißen, sie ficken. – Die Urphänomene sind sehr tief. Der Rimbaud´sche Seher will nicht nur tief ins Universum blicken, um neue astronomische Objekte ins Gesichtsfeld zu bringen; er will letztendlich die Struktur des Universums erfassen;  er dringt, aus seinem Aufenthalt in der Hölle, zu den Leuchtenden Bildern der Urphänomene vor. Daher ist der Rimbaudsche Seher auch ein Seher der Transzendentalien:  der nicht mehr hintergehbaren Kategorien aller Existenz. Heil dem, der dort ankommt! Die Transzendentalien erscheinen völlig ruhig und klar; die Urphänomene sind die überschnelle Überbewegung, von der Büchner, Lautréamont oder die Dickinson erfasst werden, während sie gleichzeitig das ruhende Auge inmitten dieses Tornados sind. Die Transzendentalien sind eine Kategorie der Philosophie, das mit den Urphänomenen ist eine eher poetische Anschauung. Ich will hier dichterisch sein, und es dichterisch ausdrücken: Es gibt solche, die sind Dichter, Philosophen, Schauspieler oder Musiker. Und dann gibt es jene, die sehen die Urphänomene.

Auch Hölderlin hat die Urphänomene gesehen. Schau, sein halbverrücktes Antlitz im Halbdunkel, gleichzeitig von gleißenden Licht umgeben, das von hinten, aus der Unendlichkeit kommt; sein bannender wie gebannter Blick, der uns anschaut, der durch uns hindurchschaut (da er in die Urphänomene blickt): das ist Hölderlin. Hölderlin und seine Dichtung zu beschreiben ist schwierig. In ihrer charismatischen Verworrenheit, die aber ist eines Gottes. Man hat hier das Höchste und Letzte: die in Stein gemeißelte Rede. Gefroren, eisig, klirrend, ist es die klirrende, eisige Sprache der (Über-) Vernunft, aus den Geisteshöhen, die das Über-Warme, das Schwärmerische, in Bann hält, und gleichzeitig durch es in Bann gehalten wird. Ewiges Ringen. Schau, wie fest die Rede ineinander verstrebt ist, so dass du es krachen hörest beinahe; nein, wirklich!, in ihrem Gebälk, gleichzeitig galoppieren die Eindrücke davon, es fällt links das Dunkle da hinein in das leuchtende Tal, auf den Gipfelhöhen golden leuchtende Tannen, ein Grün wird darüber geworfen, und das heilige Grün, der Zeuge des ewigen, schönen / Lebens der Welt, es erfrischt, wandelt zum Jüngling mich um; es bedeutet die Anwesenheit von Farbe, es bedeutet die Existenz von Präsenz, vom einzelnen Wesen, das in der Unergründlichkeit aufscheint, oder aber vielleicht bedeutet es den Vater Äther. Seliges Land! kein Hügel in dir wächst ohne den Weinstock / Nieder ins schwellende Gras regnet im Herbst das Obst. / Fröhlich baden im Strome den Fuß die glühenden Berge / Kränze von Zweigen und Moos kühlen ihr sonniges Haupt. Er habe, wie Hölderlin schon früh gegenüber Neuffer bemerkt, keine Gaabe dazu, Einzeleindrücke (geschweige denn Handlungen) zu beschreiben: nur den bloßen Totaleindruk – und das stimmt: die Einzeleindrücke, die er aufzählt, hasten an einem vorbei und man hat Schwierigkeiten, bei ihnen zu verweilen; auf irgendeine Weise – oder eben gerade dadurch – wird der Totaleindruk umso zwingender, umso halluzinatorischer. Erschreckende Absolutheit! Phantasmagorische Welt! Die gleichzeitig ehern in sich verstrebt und gefügt ist, andererseits permanent geöffnet ist und einladend. Komm ins Offene, Freundin! Das ist da, wo die Physik und die Metaphysik sich treffen. Geniale Dichtung erkennt man daran, wenn aus der Welt, die präsentiert wird, noch eine andere Welt hindurchscheint beziehungsweise, wenn beide sich rätselhaft durchdringen und gleichzeitig Vordergrund/Motiv und Hintergrund sind (denn Genialität oder Erleuchtetheit/Satori besteht darin, dass man ständig zwischen Motiv und Hintergrund – also dem, was die Welt an sich ausmacht (also, dass Motive in einem Hintergrund erscheinen bzw. Motive den Hintergrund beleuchten) –  wechseln kann bzw. sieht, wie beide sich durchdringen). Steinerne, abfallende Stufen, die er errichtet, die er gleichzeitig wegzieht, als Treppen hinein in den geheimnisvollen Urgrund, den absorbierenden Sog – denn ein solcher geheimnisvoller, absorbierender Sog ist seine ganze Dichtung. Die Mauern stehn / Sprachlos und kalt, im Winde / Klirren die Fahnen. Wenn man im Seinswald an den Stein kommt, mit der uralten, ganz neuen und zukünftigen, in ihn gemeißelten Rede, dann ist Schluss. Man hat hier einen absoluten Markstein, ein Vermessungszeichen des Seins, der Existenz.

Hölderlin kann man in seinem spezifischen Dichten letztlich nicht verstehen und man kann ihn nicht nachahmen: denn er sieht die Urphänomene. Entlang dieser wandernden, nie genau fassbaren Grenze zwischen freier Rede und erzener Form, liegt auch die charismatische Grenze ihrer Verständnismöglichkeit, von der dann aber wieder jene absorbierende Sogwirkung ausgeht. Wie macht Hölderlin das: so zu dichten? Das können nicht einmal wir. Hölderlin hatte aber direkt einen solchen Geist, der ihm natürlich auch selber ein wenig unergründlich war. Diese Mischung von freier Rede und erzener Form ist tatsächlich die verwirrendste, irritierendste Sache der Welt, nicht zuletzt für den Dichter, wenn er noch nicht ausreichend Sicherheit gewonnen hat, selber: denn sie scheint gerade eben das Dichten zu unterlaufen, und es scheint läppisch und blödsinnig zu sein, mit sich selbst nicht in Einklang; ein Bastard aus Klassik und Romantik. Tatsächlich ist es aber die Sprache der Urphänomene selbst, die eben in radikaler Gegensätzlichkeit sichtbar werden, die diese radikale Gegensätzlichkeit von Statik und Dynamik, Wechsel und Identität, Abspaltung und Vereinigung, Bewegung und Ruhe, dieses dynamische Duo sind: Jener Widerstreit zwischen geistigem Gehalt (zwischen der Verwandtschaft aller Teile) und geistiger Form (dem Wechsel aller Teile), zwischen dem Verweilen und Fortstreben des Geistes … jener Widerstreit zwischen dem geistigen ruhigen Gehalt und geistiger wechselnder Form … jener Widerstreit zwischen materiellem Wechsel und materiellem identischem Fortstreben … jener Widerstreit von Individuellem (Materialem), Allgemeinen (Formalem) und Reinem. — Das tiefste Urphänomen ist das Zusammenwirken von Ordnung und Zufall/Chaos: der Chaosmos. Ein jegliches dynamische System ist ein solcher Chaosmos; und damit eine jegliche mögliche Welt. Der Chaosmos ist der Grund aller Welt. Einige die da sind, die den Chaosmos sehen, oder ahnen, oder sich an den Erscheinungen, die er wirft, abarbeiten; einige Geister. Sie sind den Zeitgenossen immer wieder verhasst, da sie sich in nichts Bekanntes und in keine Tradition einordnen lassen und so die Eitelkeit des zeitgenössischen Wissens kränken. Die Urphänomene sind in ihren Erscheinungen eben immer wieder jung, immer wieder grundsätzlich. Für etwas Neues gibt es noch keine akzeptierte Sprache und Namen. Und so bemühen sich diejenigen, die sich an den Urphänomenen abarbeiten, stets eine neue Sprache und neue Namen zu finden. Daran, und am Flackern – am mimentischen Flackern gegenüber den Urphänomenen – ihres Ausdrucks und ihres Geistes sollt ihr sie in Zukunft endlich eindeutig erkennen. Dieses flackernde Sehen, das Sehen des chaosmotischen Flackerns, ist das eines Hölderlinschen Geistes.

Hölderlin will den Geist begreifen, er will zum Urprinzip des Geistes vordringen und zum Urprinzip der Welt. Worin gründet sich der Geist, worin gründet sich die Welt, und wie schreiten sie voran? Der gute Geist, der Geist der Assoziation, der Konnektivität, der Liebe, sieht gemeinhin ein Ungetheiltes am Anfang. Eine Ur-Theilung findet dann statt, die gleichzeitig ein Abfall vom Ungetheilten ist, wie die Notwendigkeit dafür, dass Prozesse überhaupt stattfinden. Diese Prozesse und Individualitäten verlangen hinwiederum, zu sich selbst zu kommen, und sich, ausdifferenziert, in einem neuen, höheren, himmlischen Ungeteilten wiederzutreffen. Von Kinderharmonie sind einst die Völker ausgegangen, die Harmonie der Geister wird der Anfang einer neuen Weltgeschichte sein. Der Dichter dichtet aus ursprünglich gemeinschaftlicher Seele heraus; einer gemeinschaftlichen Seele eines Volkes, einer gemeinschaftlichen Seele aller Menschheit oder Kreatur; einer gemeinschaftlichen Seele aller Schöpfung. Indem er dichtet, spaltet er sich ein wenig von jener gemeinschaftlichen Seele ab; er individualisiert sich; entfremdet sich dadurch – vor allem eben in seinem hohen Streben – von den anderen: Nur so aber kommt der Mensch zu sich, wird zum Gesetz in sich selbst und ist so fähig, neue Einheit IDEELL zu stiften. Aus dieser tragischen Vereinigung des Unendlichneuen und Endlichalten entwickelt sich dann ein neues Individuelles, indem das Unendlichneue vermittelst dessen, daß es die Gestalt des Endlichalten annahm, sich nun in eigener Gestalt individualisiert. Es ist dann eine neue, höhere Einheit der harmonisch ausgebildeten Einzelwesen, es sei dann endlich Kommunion, es sei dann endlich friedliche Versammlung im Reich der Schöpfung, im Reich der Kreatur möglich. So müssen endlich Aufgeklärte und Unaufgeklärte sich die Hand reichen, die Mythologie muss philosophisch werden, um das Volk vernünftig, und die Philosophie muss mythologisch werden, um die Philosophen sinnlich zu machen. Dann herrscht ewige Einheit unter uns … Ein höherer Geist, vom Himmel gesandt, muss diese neue Religion unter uns stiften, sie wird das letzte, größte Werk der Menschheit sein. Schönheit in der Dichtung, Schönheit in der Natur – Die Kunst ist die Blüte, die Vollendung der Natur – ist eine Erscheinungsform, ist ein Hinweis auf Harmonie und auf eine Geborgenheit im Sein: auf eine letztendlich gute Existenz. Es wird nur Eine Schönheit sein; und Menschheit und Natur wird sich vereinen in Eine allumfassende Gottheit.

Hölderlins Dichtung ist die über den einstigen, verlorenen, als auch über den erhofften, (wieder)kommenden „Gott“. Was ist ein Gott? Eine Einheit der Gegensätze, etwas Transzendentales. Ein moralisches Gesetz; eine Ordnung. Eine Entität, die etwas Magisches kann, die genuin schöpferisch ist. Die in sich geborgen ist, und so andere bergen kann (außerdem etwas, das es nicht wirklich gibt). Biographisch mag man dieses Lebensthema so begreifen über das Trauma, wie Hölderlins unbeschwerte Kindheit und Jugend abrupt und brutal mit seinem Eintritt in den Tübinger Stift ein Ende fand und er kasernenhaftem Erziehungsdrill unterworfen wurde. Vom Glück seiner Kindheit fand er sich jäh abgeschnitten. Tot ist nun, die mich erzog und stillte / Tot ist nun die jugendliche Welt / Diese Brust, die einst ein Himmel füllte / Tot und dürftig wie ein Stoppelfeld, dichtete er und lebenslänglich sollte er in dieser Stimmung verharren. Trotzdem er Hegel, Schelling und andere Hoch- und Höchstbegabte im Tübinger Stift kennenlernte, wollte er nichts annehmen von der Sphäre des Alltags; so war sein lebenslängliches Verharren in der Nostalgie nach dem verlorenen Idealen und Paradies eine Art selbstverschuldete Unmündigkeit, eine tatsächlich ab-gespaltene und ab-spaltende Schizophrenie im Hinblick darauf, die Lebenssphären ineinander zu integrieren und so zu versöhnen, an der er litt (und die sich, wenn man so will, schon damals in dieser Form bemerkbar machte). Doch kannt ich euch besser / Als ich je die Menschen gekannt / Ich verstand die Stille des Äthers / Der Menschen Worte verstand ich nie. Hölderlin nahm nicht wirklich am Leben teil; gemäß den Gesetzen des Lebens wurde er bestraft.

Von den Göttern hingegen wurde er belohnt; in einer anderen Sphäre. Durch seine schizophrene Ab-gespaltenheit von den Sphären des Lebens wurde er ein „Wunder der Reinheit“ (Stefan Zweig) – oder eben ein Heiliger. Er lebte und war geborgen in der Sphäre des Transzendentalen. Der große Dichter ist niemals von sich selbst verlassen, er mag sich noch so weit über sich selbst erheben, als er will. Und: Es ist doch ewig gewiß und zeigt sich überall: je unschuldiger, schöner eine Seele, desto vertrauter mit den andern glücklichen Leben, die man seelenlos nennt. Je größer der Dichter und schöner und unschuldiger die Seele, desto näher dem Transzendentalen ist man, und je näher man dem Transzendentalen ist, desto näher ist man den Urphänomenen, den Transzendentalien hinter den Phänomenen. Man suche nur nichts hinter den Phänomenen, sie selbst sind die Lehre, lehrt dagegen Goethe, der folgerichtig nicht über seinen verschrobenen Werther, seinen neurotischen Tasso und seinen verlorenen, in seiner Genussfähigkeit gestörten Faust hinausgekommen ist; und dann war da seine ständige Angst vor dem „Dämonischen“.

Wahrlich, ich habe das Herz eines Toren!

Chaos, ach Chaos!

Die Menschen der Welt sind hell, so hell:

Ich allein bin wie trübe!

Die Menschen der Welt sind so wissbegierig:

Ich allein bin traurig, so traurig!

Unruhig, ach, als das Meer!

Umhergetrieben, ach, als einer der nirgends weilt!

Die Menschen der Menge haben alle etwas zu tun:

Ich allein bin müßig wie ein Taugenichts!

Ich allein bin anders, als die Menschen:

Denn ich halte wert die spendende Mutter

heißt es im Tao te king. Im Taoismus geht es aber um das Schauen der Urphänomene. Goethe weiters bewunderte Napoleon und sagte von ihm: Er habe in einem Zustand „permanenter Erleuchtung“ gelebt. Na, das gilt dann auch für den Napoleon der abendländischen Dichtung, gilt für Hölderlin. Goethe war Universalmensch, aber An das Göttliche glauben / Die allein, die es selber sind. Die Zeitgenossenschaft kann schwer damit was anfangen: Wer ist in der Lage, in die Sonne zu schauen? Nur zuzeiten erträgt göttliche Fülle der Mensch.

Der Raum des transzendentalen Denkens und Empfindens ist eine Art Halle, durch die einige futuristische Verstrebungen gehen. In diesem Raum bewegt man sich frei, wenngleich man auch durch die ärgerlichen Beschränkungen der empirischen Wirklichkeit läuft. Die Dichter müssen auch / die geistigen weltlich sein. Mit dieser Möglichkeit des Wandelns durch die transzendentale Halle ist aber sonst nichts vergleichbar. Es ist sehr gut; denn es ist die Möglichkeit des Wanderns und Wandelns an sich, und bildet den Phasenraum aller empirischen und realen Wanderungen. Hyper-Ion, der unendlich Wandernde. Mein exzentrischer Freund Clemens singt von der leeren Halle, die er regiert. Man hat bei Hölderlin das „Paradox“, dass er „Weltarmut“ und überweltlichen Reichtum gleichzeitig in sich hat. Seine weltarme Dichtung kreist immer um die gleichen, wenigen verschiedenen Motive. Sie betrachtet gleichzeitig alle Welt heraus von oben. Nächstens dazu mehr.

Hölderlin ist transzendental, weil er das Urgesetz des Lebens und des Geistes begreifen will – und das eben auch kann: denn man kann alles, was man will. Das Leben und der Geist finden statt aus der dynamischen Ur-Theilung vom Ur-Einen. Zwischen Geburt und Tod spielt sich das Leben ab; und spielen sich alle Erscheinungen ab. Die Erscheinungen spielen sich ab in Identität und Nicht-Identität mit sich selbst. Das einzelne Leben ist mit sich selbst identisch und steht ebenso in Wechsel und Wandel. Es ist ein Chaosmos. Der Chaosmos ist wiederum das Urphänomen schlechthin. Das Urphänomen ist der Gegensatz – genauer: das Wechselspiel – von Wandel und Identität (da zwischen beiden allerdings kein echter Gegensatz oder Widerspruch bestehen muss). Am Anfang des Lebens steht das Kind. Das Kind (zumindest in seiner dichterischen Figur) ist nah am Ungetheilten. Es ist geborgen – aber auch einer machtvollen Objektivität, der Außenwelt hilf- und machtlos ausgeliefert. Der Erwachsene, sich im Leben befindliche, ist vom Ungetheilten getrennt, besitzt aber die Gabe der Reflexion und des differenzierenden Denkens, das einerseits fortwährend trennt, aber auch fortwährend auf höherer Stufe vereinigt. Auf den verlorenen primordialen Gott der Kindheit und den abwesenden/verborgenen Gott in der Gegenwart folgt, so die große Hoffnung, der kommende Gott der strahlenden, harmonischen Zukunft; und Ewigkeit. Dieser Gott ist die Vereinigung von beiden, über die differenzierende Zusammenfassung von beiden. Durch die Reflexion über die Reflexion sprengt der Geist, sprengt die Seele die materiale Hyle der sie begrenzenden und umgrenzenden Erscheinung; durch das trennende und vereinigende Differenzieren lässt der Geist die Paradoxien und Aporien der Existenz und seiner selbst unter sich… dies ist allein in schöner heiliger, göttlicher Empfindung möglich, in einer Empfindung, die darum schön ist, weil sie weder bloß angenehm und glücklich, noch bloß erhaben und stark, noch bloß einig und ruhig, sondern alles zugleich ist und allein sein kann, in einer Empfindung, welche darum heilig ist, weil sie weder bloß uneigennützig ihrem Objekte hingegeben, noch bloß uneigennützig auf ihrem innern Grunde ruhend, noch bloß uneigennützig zwischen ihrem innern Grunde und ihrem Objekte schwebend, sondern alles zugleich ist und allein sein kann, in einer Empfindung, welche darum göttlich ist, weil sie weder bloßes Bewusstsein, bloße Reflexion (…) mit Verlust der innern und äußern Harmonie, noch bloße Harmonie… etc. pp. usw ist, sondern weil sie alles dies zugleich ist und allein sein kann … in einer Empfindung, welche darum transzendental ist und dies allein sein kann, weil sie in Vereinigung und Wechselwirkung der genannten Eigenschaften weder zu angenehm und sinnlich, noch zu energisch und wild, noch zu innig und schwärmerisch, weder zu uneigennützig, d.h. zu selbstvergessen ihrem Objekte hingegeben, noch zu uneigennützig, d.h. zu eigenmächtig auf ihrem innern Grunde ruhend usw. ist, sondern all dies zugleich ist und allein sein kann. Hier sieht man: der Innenraum des transzendentalen Empfindens ist eine fortwährende Reflektiertheit und Ausdifferenziertheit. Es ist der unendliche Spiegelsaal, wo sich alles in allem spiegelt und man so der Totalität ansichtig wird, aus verschiedenen Blickwinkeln; die Spiegel vermehren die Aussichtspunkte, der subjektive Blick wird vervielfacht und hat so einen potenziellen Blick auf das Ganze … natürlich verliert sich auch so etliches, je nach Blickwinkel, in eine Unbestimmtheit: doch auch das ist Element der Welt. Durch den Innenraum des transzendentalen Empfindens gehen keine Aporien oder Paradoxien sondern eine fortwährende Dynamik des trennenden und verbindenden Ausdifferenzierens. Das ist die seltsamste Sache von der Welt; doch das ist gleichzeitig auch das Stöhnen der Urphänomene und das nicht mehr hintergehbare Transzendental. Der transzendentale Verstand verliert sich an nichts, und besitzt sich so ganz; und ist so Absolut. Mit dem Einen und dem Ungetheilten ist es ja nicht so weit her, und man verliere sich nicht in bloße unproduktive Sehnsucht danach; wichtiger ist das Alles/Absolute: in ihm allein erscheint die Unendlichkeit. Im Zusammenbringen der größten Gegensätze, durch das differenzierendste geistige Vermögen, in ideellem Bestreben, erscheint so eine Epiphanie der statisch-dynamischen Unendlichkeit; in diesem Punkte der Geist in seiner Unendlichkeit fühlbar ist. Und diese, ideell spiritualisierte und rational differenzierte, Epiphanie der Unendlichkeit hat man in der Dichtung Hölderlins.

Die Sphäre des Transzendentalen ist die Sphäre des ewigen Anfangs; die Welt, die Schöpfung erscheinen in der Sphäre des Transzendentalen ewig neu. Daher das Gefühl des transzendentalen Dichters, des transzendentalen Menschen, des Schauers der Urphänomene, stets und immer erst noch „am Anfang“ von allem zu sein. Auch Hölderlin begreift sich als immer „erst am Anfang“ und seine Dichtung als „Versuche“. Seine transzendentale Poesie entsteht eben transzendental, also aus der Bedingung der Möglichkeit für etwas, für das Gedicht, heraus. Seine Poesie ist so poetisch, dass sie eben auch die Bedingung ihrer Möglichkeit in sich enthält; dieser ihr Charakter kommt in ihr stets zum Ausdruck. „Poesie“ bedeutet: Erschaffung, Hervorbringung, Entbergung; und Hölderlins Poesie ist totalpoetisch. Oh ja!, letztendlich drückt Hölderlin das genuin Poetische in der Poesie aus: das ist es, was sie so eigentümlich besonders macht. Transzendentales, die Urphänomene, die Bedingungen der Möglichkeit von etwas, steht im Zusammenhang mit einem Vermögen. Hölderlin, genau genommen, drückt, in seiner Dichtung und Poesie, das poetische Vermögen aus. Das poetische Vermögen, das zur Erschaffung der dichterischen Welt, ist tatsächlich ein einerseits primordialer und uranfänglicher als auch ein ewig kommender Gott. Auch wenn er im Moment nicht anwesend oder verborgen sein sollte, ist er gerade dadurch stets präsent und wirkt; übt seine Sogwirkung aus. Das Vermögen/der vergangene Gott ist vor dem bewussten Anfang von einer Schöpfung, ist anfänglich: sein Grund ist rätselhaft und er scheint zu verschwimmen (tatsächlich ist er eben transzendental und daher nicht mehr hintergehbar). Was das Vermögen will, ist, genau genommen und korrekt empfunden, eine Transformation einleiten, um so fortwährende Schöpfung gebären zu können, und letztendlich eine große, himmlische Einheit unter dem Signum seiner eigenen Göttlichkeit stiften zu können. Hölderlin dichtet aus dem Geist heraus. Er frägt sich: was ist der Geist? Was ist die Bedingung der Möglichkeit von Geist? (Antwort: ein Vermögen zum Geist) Und was tut schließlich der Geist? Er erschafft. Und er kann sich Dinge vorstellen, die es in der realen Welt nicht gibt; die in der empirischen Realität so nicht vorkommen, wie zum Beispiel Punkte, Kreise und Unendlichkeiten: oder eben Poesie und das Gedicht. Damit erhebt sich der Geist über die empirische Realität und vermag diese ideell zu ordnen und zu manipulieren, zu adjustieren, in ihr zu wirken. Das Ideelle ist das Vermögen, über das Reelle hinauszugehen und es zu beherrschen. Es ist daher gleichsam inhärent, dass Hölderlins Dichtung ideell ist und das Ideelle auf so eigentümlich glühende Weise evoziert. Der Geist, in seinem ideellen Vermögen, ist poetisch. Der Geist ist der Gott in uns. In der größten Kunst geht es darum, dass der Geist sich selbst begegnet und vor sich selbst tritt, versucht, sich selbst zu erkennen. In seinem rätselhaften, Formen werfenden Vermögen. Hölderlins Kunst hat das erreicht. O die Poeten haben recht, es ist nichts so klein und wenig, woran man sich nicht begeistern könnte. Hölderlin dichtet aus dem Geist heraus, er hat den rechten, den anschlussfähigen Geist und ist folgerichtig begeistert. „Begeistert ist, wer Geist hat“ (so der phonetisch fast identische Philosoph Paul Häberlin): – Es ist erfreulich, wenn gleiches sich zu gleichem gesellt, aber es ist göttlich, wenn ein großer Mensch die kleineren zu sich aufzieht. Für Stefan Zweig war Hölderlins eigentlicher Genius die Begeisterung, die unsichtbare Schwinge. In seiner Begeistertheit lässt er eine permanent begeisternde Welt erscheinen. Daher seine ewige Frische. (Vgl. zu diesem Abschnitt Bothe: Hölderlin zur Einführung im Junius Verlag) 

Zuweilen regte noch sich eine Geisteskraft in mir. Aber freilich nur zerstörend! Hölderlins entgrenzte und ihm weseneigentümlichste späte Lyrik entsteht in den Jahren vor seinem definitiven geistigen Zusammenbruch im Jahr 1806. Gleichzeitig zur weiter fortschreitenden Verbesserung seiner dichterischen Fähigkeiten und der Vertiefung/Erhellung seiner Vision wirft der Wahnsinn abermals seine leuchtenden Schatten voraus. Gedichte wie Patmos oder die Friedensfeier sind nicht mehr normal; in der zweiten Fassung von Der Einzige scheint geradezu zäsurhaft eine manische Zerrüttung stattzufinden. Hölderlins Wahnsinn – und so tritt er auch in den „Hymnischen Entwürfen“ der späten Lyrik zutage (in Wirklichkeit aber von Anbeginn seiner galoppierenden Lyrik an) – ist eine Art schizophrene Ideenflucht, ähnlich seinem stundenlangen freien Fantasieren am Klavier, dem er sich in jenen Jahrzehnten hingibt. Synästhetische Eingebungen und Ideen, Eindrücke, die jedoch von keiner Vernunft mehr zusammengehalten werden und bei denen er rasch den Faden wieder verliert. Zustand eines kleinen Kindes, in sein fantastisches, fasziniertes Spiel verloren, jedoch mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne – gleichzeitig ein alter Mann, der sich beschwörend erinnert seines Ideenzusammenhangs, ein alternder Geist, der seine Vision immer wieder vorbeiziehen lässt und sie vertieft, und der ihre Zeichen immer wieder hochwirft. So lebt er tatsächlich dahin, in einem Zustand der reinen Poesie und der phantasmatischen und phantasmagorischen Schöpfung, die durch keine kalten Ratio mehr gebremst, allerdings auch von keiner warmen Ratio mehr in ihren eigenen Zusammenhang gebracht wird. Wieder ein Hybrid aus singulären, überlegenen Fähigkeiten und Mangel an einfachen, alltäglichen Fähigkeiten, in einer neuen, erweiterten und vertieften Umkreisung. Als Kranker wohnt er die letzten Jahrzehnte in einem Turm am Neckar, unter der Obhut eines Bewunderers, des Schreinermeisters Ernst Friedrich Zimmer. Besucher empfängt und bewirtet er in umständlichem, feierlichem Zeremoniell und indem er sie fortwährend „Euer Gnaden“ oder „Euer Hochwohlgeboren“ tituliert. Der Ärmste scheint sich zu schämen, für den Verlust seiner Geisteskräfte, sein im Sand verlaufenes Leben und dass er von der Fürsorge und der Aufmerksamkeit anderer abhängig ist. Gleichzeitig scheint er aber zu ahnen, dass die Annäherung an das Göttliche und an das Unbegreifbare, Über-alles-Hinausgehende, das er verwaltet und das er sieht, nur durch zeremonielle Förmlichkeit geschehen kann und durch ehrehrbietendes Ritual. (Oder aber, dass man Menschen nicht genug ehren, oder ihnen nicht genug schmeicheln kann – Nun vesteh ich den Menschen erst, da ich fern von ihm / und in Einsamkeit lebe.) Sein halbverrückter und bannender Blick ist noch verrückter geworden, und noch bannender; sein Antlitz verliert sich auf der einen Seite immer mehr ins Dunkel, tritt in dieses zurück, und erscheint auf der anderen Seite immer mehr in gleißendem Licht, das von ferne kommt, und rätselhaft ist, das die Dinge übererkennbar macht und sie für unser beschränktes Erkenntnisvermögen bestenfalls in immer fernerer Zukunft fassbar. Das ist die späte Lyrik von Hölderlin.

Die Sagen, die der Erde sich entfernen / Vom Geiste, der gewesen ist und wiederkehret / Sie kehren zu der Menschheit sich, und vieles lernen / Wir aus der Zeit, die eilends sich verzehret. Es fällt mir kein Dichter ein, bei dem es nach der späten Lyrik noch eine späteste gäbe; außer eben Hölderlin, entsprechend seiner exzentrischen Bahn, seiner hyperbolischen. Die spätesten Gedichte Hölderlins sind (wie immer) weder sinnlos noch völlig sinnvoll. Er kehrt zu einer ganz einfachen, gebundenen Form zurück; von der eleganten Rhythmik ist nichts mehr zu merken, steif und scheinbar zaghaft wird die Botschaft in ungelenke deutsche, fast Kinderreime gesperrt, ohne echtes Vertrauen mehr in sich selbst, könnte man meinen. Oder aber in berechtigter Zurückhaltung in der Mitteilung der gewaltigen Vision. Die letzte Station der exzentrischen Bahn, die letzte Umkreisung des gleichzeitigen Kind-und-Alt-Werdens in der Schau des Göttlichen scheint erreicht. Hölderlin ist nun gleichzeitig am Anfang stehendes Kind, und am Ende – genauer gesagt, aus transzendenter, transzendentaler Position heraus – auf alle Geschichte, in die uralte Verwirrung blickender Alter, die nichts wirklich Uraltes und Verwirrendes mehr an sich hat. Es ist der Gleichmut des Entstehens und Hervortretens (weniger übrigens des Vergehens und Absterbens) im Wandel der Jahreszeiten, den er betrachtet. Das Jahr erscheint mit seinen Zeiten / Wie eine Pracht, wo Feste sich verbreiten / Der Menschen Tätigkeit beginnt mit neuem Ziele / So sind die Zeichen in der Welt, der Wunder viele. Er drückt sich über diverse literarische Alter Ego aus und auf seiner Uhr, in seinem Kalender, in seinem geistigen Erfassen, sind es alle Zeiten des Tages und der Ereignisse gleichzeitig; Mit Untertänigkeit, Scardanelli datiert er seine spätesten Gedichte auf d. 24. April 1839, Den 24. März 1671 oder d. 9ten März 1940: Der Mensch verwundert sich, daß sein Bemühn gelinget / Was er mit Tugend schafft, und was er hoch vollbringet / Es steht mit der Vergangenheit in prächtigem Geleite. In spätester Zeit wird alles vergangen sein, in seiner spätesten Zukunft wird der transzendentale Geist alles erfasst haben. Das Glänzen der Natur ist höheres Erscheinen, wird er zu berichten wissen, in seinem anfänglichen Impetus, in seinem Abschlussbericht. Ein Zeichen sind wir, deutungslos / Schmerzlos sind wir und haben fast / Die Sprache in der Fremde verloren. Als Zeichengitter stehen die spätesten Gedichte ein wenig in der Höhe über uns, mit einem großen Auge blicken sie starr und unverwandt, bannend wie gebannt hinter uns in die Geschichte, blicken sie in die Welt, als das total erkennende, daher empirisch fast aufgelöste Subjekt im transzendentalen Raum, in der transzendentalen Zeit. Ähnlich wie die Dionysos-Dithyramben von Nietzsche sind sie letztgültige Botschaften, vollständig in Bewegung, vollständig zur Ruhe gekommen. Anders als diese, die orgiastisch sind, sind sie aber auch ein wenig (altersweisere) Zeichen des Verschwindens, des Verblassens; so wie auch die Endlichkeit verblassen wird, und so wie auch die Ewigkeit verblassen wird, dereinst. Es sind, eben, Botschaften aus der spätesten Zukunft, die das transzendentale Vermögen verstandesmäßig erreichen kann: Im Begreifen der transzendentalen Paradoxien, im Schauen der Urphänomene. Der Erde Rund mit Felsen ausgezieret / Ist wie die Wolke nicht, die abends sich verlieret / Es zeiget sich mit einem goldnen Tage / Und die Vollkommenheit ist ohne Klage.

Indes ihr noch die Leichenfackel hält … bricht schon herein die neue beßre Welt… Am 7. Juni 1843 ist Hölderlin gestorben. Zeit seines Lebens hatte er einen kleinen Kreis von Bewunderern. Nach 1848 wurde er im Wesentlichen ignoriert, von wenigen Ausnahmen abgesehen, darunter der transzendentale Bruder im Geist, Friedrich Nietzsche. Ein Menschenalter sollte es noch dauern, bis dass er wieder, und mit breiterer Wirkung, ins Bewusstsein trat; freilich auch in das der unguten Deutschnationalen. Heute hat er seine populärste Zeit wohl wieder hinter sich. Doch das ist eventuell gut. Was bleibet aber, stiften die Dichter. Denn sein Zeichen, um dessen Deutung wir uns fortwährend, bis ans Ende der Zeiten bemühen werden, wird eben bleiben. Fürchtet den Dichter nicht, wenn er edel zürnet, sein Buchstab / Tötet, aber es macht Geister lebendig der Geist. In Stein gemeißelt, von unendlich robuster innerer Verstrebung, und dahingehend autonom, wie seine Gedichte, ist er Teil der Geschichte; mehr noch: der Textur des Seins. Er hat die Matrix gesehen. Wer die Matrix sieht, ist jenseits von Leben und Tod. Genau gesagt, ist lebendig, denn er ist lebendiger Geist, und macht eben fortwährend lebendig den Geist. Wer die Urphänomene sieht, steht eben auch am Urquell. Begeben wir uns also zum Urquell. Dort werden wir Hölderlin immer wieder treffen.

Sterblich bin ich zwar geboren / Dennoch hat Unsterblichkeit / Meine Seele sich geschworen / Und die hält, was sie gebeut

Addendum März 2023: Beim Verfassen dieser Betrachtung habe ich gar nicht gewusst, dass es eigentlich Goethe war – der hier so sehr in die Schranken gewiesen wird – der eigentlich mit den „Urphänomenen“ dahergekommen ist und sich mit ihnen verbunden gefühlt hat. Haha, naja. Das mit den Urphänomenen hat sich als Vision bei mir aufgetan, als versucht habe, jemanden wie Kafka mit jemanden wie Else Lasker-Schüler zu vergleichen. Die Probleme von Kafka scheinen keine bloßen Dichter- bzw. Kunstprobleme (was immer das auch, genau genommen, sein soll). Die Konvulsionen von Kafka sind die Konvulsionen der Urphänomene, deren Medium jemand wie Kafka ist – so hat es sich in mir aufgetan. Das ist das Urphänomen hinter meinem Ding mit den Urphänomenen.