Das Kleinkind, das in der Lage ist, seine ersten selbstständigen Handlungen zu setzen, von seinen Eltern dafür bewundert wird und Zuspruch erfährt und das seine Eltern dazu bringt, auf seine Wünsche und Bedürfnisse einzugehen, erlebt sich als allmächtig und prägt eine absolut selbstbezogene, unrealistische psychische Instanz aus, die zudem dem Lustprinzip unterworfen ist – das Größen-Selbst; eine Imago, innerhalb derer sich das Kind als allmächtig und bewundernswert phantasiert. Im Lauf der Zeit nimmt die Handlungsfähigkeit des Kindes zu, gleichzeitig erfährt es, dass seiner Allmacht in der Welt Grenzen gesetzt sind und nicht alles, was es tut oder für was die Eltern – als Spiegel-Instanz zum Größen-Selbst – stehen, bewundernswert ist. Das Größen-Selbst wird abgebaut, es kommt zu einer realistischeren Selbst- und Fremdeinschätzung als Basis für eine gesunde und gelungene Persönlichkeitsentwicklung. Werden die narzisstischen Bedürfnisse und das Größen-Selbst des Kleinkindes zu oft frustriert oder verletzt (oder ist das Größen-Selbst des Kindes zu ausgeprägt), besteht die Gefahr, dass es die Außenwelt bzw. Autoritäten in der Außenwelt als frustriertend, verletzend, vereinnahmend, verfolgend, chaotisch oder überhaupt als gefährlich und bösartig wahrnimmt, während es sich selbst als hilflos und ohnmächtig; mehr aber noch: in seinem primären, archaischen Narzissmus und in seinem Größen-Selbst gekränkt erlebt (in das es sich, als Quelle von Lustempfinden oder Möglichkeit, Empfindungen von der eigenen Minderwertigkeit und Bedeutungslosigkeit zu entkommen, umso intensiver flüchtet). Bei Verschwörungstheoretikern oder „Querdenkern“ fällt auf, dass sie sich an Konflikten mit Autoritäten abarbeiten, die in der Realität so keine Grundlage haben. Sie erleben diese Autoritäten in unrealistischer Weise als übergriffig, ihre Grenzen verletzend, invasiv, wenn nicht überhaupt als absolut bösartig; gleichzeitig fällt auf, wie sie die Macht und die Handlungsfähigkeiten der Autorität und ihre Möglichkeiten, die Welt ganz nach ihrem Belieben zu manipulieren, überschätzen – und das offenbar auch wollen: Je allmächtiger sie die böse Autorität deklarieren, umso grandios-kongenialer können sie sich selbst als deren heroischen Widersacher wahrnehmen, was ihrem Größen-Selbst als Verursacher von all dem entgegenkommt. Da es sich um einen Konflikt aus einer archaisch-kindlichen, narzisstischen bzw. pränarzisstischen Vorstellungswelt handelt, in der das Kind noch nicht in einer tatsächlichen Welt lebt, sondern in einer Quasi-Symbiose mit den Eltern/der „Autorität“, kommt es nicht von ungefähr, dass im psychischen Erleben der Betreffenden und im Fall von narzisstischer Wut die Außenwelt und ihre etwaigen Bedürfnisse und Dynamiken geradezu gänzlich ausgeblendet werden. Die Betreffenden erleben die Welt primär als einen Konflikt zwischen sich selbst und der Autorität, der Rest sind Kulisse oder Statisten; das nicht allein aus Hochmut und Selbstbezogenheit heraus, sondern weil sie emotional zu eingeschränkt sind, um einen größeren Facettenreichtum und eine größere Nuanciertheit in der Welt wahrzunehmen und zu empfinden. Die Disposition, die „breiten Massen“ als „unkritische Schafe“ wahrzunehmen, hat mit dieser Weltarmut und Beziehungslosigkeit zu tun, außerdem eben mit narzisstischem Hochmut und damit, dass Gedankenlosigkeit, Unfähigkeit zum kritischen oder logischen Denken, Angst, sich mit der Realität zu konfrontieren und eine damit einhergehende Disposition, sich heteronomen Mächten (wie eben verschwörungstheoretischen Erzählungen) bereitwillig zu unterwerfen, da diese vermeintlich Schutz bieten, alles das ist, was sie von sich selbst kennen (dabei aber eben an sich verleugnen). Da es sich um einen narzisstischen Konflikt handelt, fehlt der Weltbezug und es fehlt weiters die Fähigkeit zur Empathie mit anderen. Daher die erstaunliche Egozentrik und Resistenz gegenüber anderslautenden Argumenten bei solchen Individuen. Der imaginierte Konflikt mit der Autorität scheint fast weniger aus der Defensive heraus und weil sich die Betroffenen hilflos fühlen, er scheint fast eher absichtlich gewollt und provoziert, um in die Offensive gehen zu können, da das als lustvoll empfunden wird; insbesondere bei paranoid oder antisozial gestörten Individuen ist das Schüren von Streitigkeiten weitgehender Lebensinhalt. Im Fall von Verschwörungstheoretikern fällt so immer wieder auf, dass sie Autoritäten eine (absolut starre und unflexible) Bösartigkeit zuschreiben, die irrational und an und für sich sinnlos, unergründlich und obskur ist – und die, wie es leicht zu erkennen ist, eine Spiegelung ihrer eigenen hartnäckigen und irrationalen, archaischen Egozentrik ist, die sie als solche natürlich nicht durchschauen, da sie sie als unbeirrbare und unbestechliche Streitbarkeit für „das Gute“ narzisstisch besetzen. Die Frage, warum Verschwörungs- und Querdenker so entschlossen an ihren Konfliktphantasien festhalten, hat primär zur Antwort, dass sie das eben auch wollen. Sie können sich als mächtig erleben oder austesten, indem sie diese Konflikte anzetteln, die sie dann eben umso unbedingter gewinnen wollen. Hinter dieser Disposition steht ein narzisstischer Konflikt, und daher etwas mehr oder weniger Schlechtes und Böses, Irrationales, Selbstbezogenes und wenig Verhandlungsfähiges, ein Lustprinzip, das ohne weiteres über das Realitätsprinzip triumphieren mag. Verschwörungstheoretiker haben wenig Interesse daran, ihre Feindbilder aufzugeben. Wenn ihr Feindbild wegfällt, müssen sie sich damit konfrontieren, dass sie an ihrem Versagen in ihrem Leben selbst schuld sind. Das würde ihr Größen-Selbst beschädigen, und damit das Fundament ihrer gesamten Persönlichkeit.
Ängste und Misstrauen gegen Impfstoffe und staatliche Impfkampagnen sind so alt wie Impfungen selbst. Abgesehen von einem teilweise berechtigen Misstrauen scheint diese Art von Angst daher zu kommen, indem die Impfung gefühlsmäßig primär mit der Gefahr identifiziert wird, gegen die sie eigentlich schützen soll – also mit der Bedrohung durch eine neuartige Krankheit, die plötzlich und unvorbereitet von außen kommt. Es handelt sich um eine gefühlsmäßige Vertauschung einer Gefahr mit dem, was diese Gefahr eigentlich abwehren soll. Tatsächlich ist es so, dass im Falle einer Impfung ein Impfstoff, den man nicht versteht – und bei dem eine gewisse Möglichkeit vorhanden ist, dass er tatsächlich für einen gefährlich sein könnte – , in den eigenen Körper injiziert wird und in diesem etwas verursacht, was man ebenfalls nicht versteht. Das mag bei einer nicht unwesentlichen Anzahl von Menschen Panikreaktionen auslösen, die sie rational nicht kontrollieren können – weswegen sie sich dann umso leichter in falsche Rationalisierungen und selektive Wahrnehmungen (bis hin zu Verschwörungstheorien) versteigen, die die Abwehrhaltung noch undurchdringlicher machen. Eine (neuartige) Impfung mag als etwas Fremdes wahrgenommen werden, das in das Eigenste eindringt, und die noch dazu von einer Instanz „von oben“ kommt, gegen die man misstrauisch oder gegenüber der man neidisch ist, weil man selber nicht „von oben“ kommt, gegen die man also ein Ressentiment pflegt. So ist es nicht verwunderlich, dass solche Impfungen speziell bei xenophoben Personen und Parteien und deren Wählerschaft auf Misstrauen und Ablehnung stoßen. Kulturelles Umfeld und geschichtliche Erfahrungen tragen zu den Haltungen, die Menschen einnehmen, entschieden bei. Die Abwehrhaltung gegen die Corona-Schutzimpfung ist vielleicht sogar hauptsächlich darin begründet, dass man mit ihr seine jeweilige Stammeszugehörigkeit und Identität demonstrieren kann, und man so in den Genuss des Erlebens von Gemeinschaftlichkeit und Solidarität (innerhalb der eigenen Gruppe) kommt, sowie des Gefühls, zu einem Milieu zu gehören, das „das Richtige“ tut. Insbesondere das christlich-fundamentalistische Milieu (in den USA) oder das Alternativmedizin- und Esoterik-Milieu erweisen sich in dem Zusammenhang immer wieder als toxisch. Esoterik beruht im Großen und Ganzen auf Lügen, die dem eigenen Ego schmeicheln und mit denen die Grenzen des Alltäglichen erweitert werden sollen, bis hin zu Vorstellungen von der eigenen Unbezwingbarkeit. Zwischen dem Esoterik- und dem linksalternativen Milieu gibt es zwar Gemeinsamkeiten; anders als die politische Linke ist das Esoterik-Milieu aber wissenschaftsfeindlich, es nimmt den Menschen stark als Individual- und nicht als Kollektivwesen wahr, Werte wie gesamtgesellschaftliche Solidarität werden dort nicht hochgehalten, vielmehr geht es um eine individualistische Selbstverwirklichung im Sinne eines individuellen über-die-Gesellschaft-Hinauswachsens. Daher die latente Verlogenheit und die latente Größenwahnsinnigkeit und Selbstüberschätzung im Esoterik-Milieu. Allgemeiner mögen die zahlloseren individuellen Abwehrhaltungen gegen Impfungen diese und jene Gründe haben. Schlechte Gründe müssen nicht dazu führen, dass man sich von ihnen distanziert; vielmehr können sie dazu führen, dass man sich umso mehr an ihnen festhält; und das, je stärker man sich in der Defensive damit befindet. Menschen geht es im Fall von Meinungsverschiedenheiten immer wieder nicht so sehr darum, objektiv im Recht zu sein. Dass ihre eigenen Positionen zweifelhaft oder gar falsch sind, mögen sie auch einsehen. Was sie primär wollen, ist sich (gegenüber dem anderen) als Helden fühlen; und das umso mehr, je schwächer sie selbst und ihre Positionen sind. Daher ihre Rechthaberei. Im Fall von Covid-19 haben die meisten Menschen außerhalb der Risikogruppen zugegebenermaßen auch Recht mit der Annahme, dass im Fall einer Erkrankung diese wohl kaum einen schweren Verlauf bei ihnen nehmen würde; sie also durch den Verzicht auf die Impfung weder für sich noch für andere ein großes Risiko eingehen. Allerdings ist das keine korrekte staatsbürgerliche Haltung. Die wohl einigende Klammer unter den Impfgegnern ist, dass sie intellektuell sehr oberflächlich sind. Man würde annehmen, dass sich intellektuell oberflächliche Haltungen umso leichter austauschen lassen, es kann aber genauso gut das Gegenteil der Fall sein, vor allem, wenn sich diese intellektuelle Oberflächlichkeit mit psychologisch tiefsitzenden DIspositionen bezieht. Eine Impfung ist tatsächlich ein Eingriff in das Eigenste und in die körperliche Unversehrtheit und eine Impfpflicht kann, je nach psychologischer Disposition, als ein nebensächlicher oder positiver Eingriff in die körperliche Unversehrtheit angesehen werden oder aber als ein Gravierender und Erheblicher. Es ist daher dann Sache einer rationalen Abwägung, welcher Pol stärker betont werden und sich durchsetzen soll. Was die Impfgegner dabei ignorieren, ist dass ihre Individual- und Grundrechte in Ausnahmesituationen im Konflikt mit anderen Rechten stehen können und daher nicht absolut sind. Für Impfgegner sind Impfungen und eine Impfpflicht ein schwerer Eingriff in seine Identität und in seine psychologische Integrität und Unversehrtheit. Daher wehren sie sich, als wie wenn ihre körperliche Unversehrtheit auf dem Spiel stünde.
Die entschlossenen Protestbewegungen gegen die Eindämmung der Coronapandemie, in der Teile der Bevölkerung eine gesellschaftliche Katastrophe dazu ausnutzen, um ihre Eitelkeit und ihren Eigensinn frei flottieren zu lassen bzw. die eine Position der Schwäche der Gesamtgesellschaft noch verschlimmern, um selbst ein Gefühl des Triumphes verspüren zu können, indem sie „den Mächtigen“ – allerdings auch und vor allem eben der Gesamtgesellschaft – auf der Nase herumtanzen können, gehören zum Grindigsten und Irritierendsten, was ich je gesehen habe. Zugegebenermaßen besteht der besonders harte und unheimliche Kern der demonstrierenden Impfgegner nicht aus Impfgegnern, sondern aus als solchen getarnten Faschisten, die eigentlich eine andere, zerstörerische und disruptive Agenda verfolgen bzw. die auf Stimmenfang gehen. Aber um sie herum tanzen eben die Esoterik-Hippies und Angehörige der normalen Gesellschaft. Der Mensch ist ein Individual- und gleichzeitig ein Kollektivwesen. Wenn er – zugunsten eines neurotischen oder soziopathischen individuellen „Freiheits“-Empfindens – seine Verantwortung als Kollektivwesen aufgibt, verliert er tatsächlich seine Menschlichkeit, was ja die Bedrohung ist, gegen die die Impfgegner etc. eigentlich ankämpfen wollen. Für seine Gefühle der eigenen Unvollständigkeit oder der Bedrohtheit seiner Integrität, aus denen heraus er protestiert und „quer denkt“, ist er daher selber verantwortlich. Das ist eine Suppe, die er sich selbst eingebrockt hat. Es bestätigt aber meine Philosophie und Heilslehre, wonach das Ego aber am Besten zerstört werden soll, um den Geist vollständig zu realisieren und in tatsächlicher Freiheit und Unabhängigkeit und in großem Reichtum – und frei von Neurotizismus – leben zu können. Das ist eine der vielen Nützlichkeiten meiner Philosophie und Heilslehre.