Buch “Nummer Vier” begonnen!

Heute ist Sonntag, der 5. September 2015. Im Januar dieses Jahres habe ich meine beiden letzten Bücher in etwa abgeschlossen (es kamen nachher noch ein paar Ergänzungen dazu). Wenn ich mich recht erinnere, und ich glaube, das tue ich, ist mir in diesem Monat auch die Idee zu meinem vierten Buch gekommen, das – da mir herkömmliche Romananfänge missfallen – mit einem Punkt beginnt, der größer wird und schließlich von einem orangenen Ring umgeben wird, und dann geht es für den Rest der Geschichte darum, was aus dem alles folgt. Die Geschichte wird hauptsächlich auf der Wiener Straße in Linz spielen, auf der ständig in die falsche Richtung gegangen wird, Ziel aber soll es sein, den letzten Menschen, die in den Betonbauten am südlichen Stadtrand leben und die von Geist und Kultur nichts mehr wissen, das Wort vom Geist und von der Kultur zu bringen. Von der Struktur her wieder ein Traum, daher habe ich den Arbeitstitel “Inland Empire” angedacht. Abgespeichert habe ich die Datei aber unter “Nummer4”, denn heute, 5. September 2015, habe ich, nach der endgültigen Veröffentlichung von Buch Nummer 3 und 4, endlich daran zu schreiben begonnen.

“Da! Ein Punkt, im Eck links oben! Schnell schreitet die Geschichte voran, er bläht sich auf, zu einem kleinen Kreis, graufarben. Ein grauer Viertelkreis (da in der linken oberen Ecke des Perzepts), vielleicht 30 Zentimeter im Radius. Jetzt wird er von einem orangefarbenen Ring umzogen, der zirka dreimal so dick ist. Rechts oben auf der Seite schießen jetzt im Winkel von fünfundvierzig Grad gekräuselte Strahlen rein und verschwinden nach unten (bleiben aber oben stabil). Von unten kommt jetzt eine flächenähnliche Emanation, die nun das ganze Perzept ausfüllt, und schon wieder aus dem Perzept hinaustritt. Und noch einmal; eine Fläche, diesmal scheinbar bestimmter, oder aber es erscheint dir nur so in deinem Geist. Versuche, ihre Farbe zu bestimmen! Und du bemerkst: Sie kommt in einem dunklen Blau. Die Fläche kommt aus dem Urgrund; wenn das der Urgrund ist, oder eine Andeutung von ihm, so ist er dunkelblau-schwarz; das heißt, die Farben verlieren sich in ihm, die Farben hören dort auf. Ich erinnere mich: Einst – oder zumindest bei einer anderen Gelegenheit (als ich das Buch vom seltsamen und unproduktiven Denken zum schreiben anfing) – schlug ich mich mit der Vorstellung herum, der Urgrund – der Urgrund – sei ein endloses Weiß, oder zumindest eine leicht ins Gräuliche gehende Fläche, auf der kein Punkt von einem anderen unterschieden sei – das aber sei der Ort, von wo die grundlegenden Emanationen aufsteigen, in dem Fall die Ideen! Eine Erinnerung, ein zusammengesetzter, komplexer Denkinhalt, ich kann sowas jetzt noch nicht brauchen, also lasse der Schlaf ihn wieder herab. Die zweite aufsteigende blaue Fläche hat sich schon wieder verloren, jetzt kommt sie zum dritten Mal/jetzt kommt eine dritte. Das ist gut, bleiben wir noch eine Weile bei den ganz ursprünglichen Dingen und Erscheinungen, was gibt es Interessanteres; von der rechten Seite kommen jetzt gekräuselte Bewegungen, goldfarben, nach links hin stoßen sie weg, grün wird jetzt die dominante Farbe. Von unten kommen jetzt die Sterne, ja, ein wenig funkeln jetzt überall die Sterne. Scheinbar gemeinsam zum Funkeln der – sogenannten – Sterne beginnt jetzt alles zu pulsieren, die ganze Vision, sie beginnt zu pulsieren, zu wackeln, ein dicker, gemütlicher Kerl in Verbindung mit einem Kind scheint es jetzt zu sein, der rätselhafte Beweger von allem, der da jetzt zum Ausdruck kommt, scheint zu sagen: Schau mal, was ich kann! Schau mal, was ich kann! Wenn die Sterne da funkeln können, dann schau mal, was ich kann! Ich fange jetzt ganz, ein wenig, zu wackeln an, vor lauter Freude, denn auch ich kann was, ich zeige, dass Leben in mir wohnt und sich in mir regt, hey, du! – so gerät die gesamte Vision jetzt in eine (wohlige) Unruhe – hey, du! Leben wohnt in mir, und Kompetenz, denn Leben bedeutet Kompetenz, und jetzt will ich dir mal meine Kompetenz zeigen – jetzt aber plötzlich ein kleiner Ausschnitt eines Baderaumes (oder so): zumindest ein Wasserhahn, von rechts vorne betrachtet, und jetzt, und jetzt, und jetzt, eine Rolle Toilettpapier daneben. Ei -“

Unicorn!

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Goldenes Einhorn, schräg von hinten betrachtet, den Kopf nach links, das linke vordere Bein angezogen, Goldenes Einhorn auf Titan, weder stolz noch scheu sondern in reiner tierhafter Unschuld, riesig vor dir am Himmel der Saturn, du kennst ja nicht, wozu den Menschen du dienst, als „Einhorn“ bezeichnen sie sich alle auf der Erde, auf Facebook; nicht aber ich!, denn ich leide ja an meiner Individualität; Goldenes Einhorn, dem Menschen ein Noumenon weißt du von all dem nichts, das einzige Einhorn des Universums lebt also in einer Umlaufbahn um den Saturn. Auf der Erde jetzt ein abstrakter Plan der Zivilisation, bestehend aus Linien, Knoten und Relais, jetzt wenn man näher rangeht, ein dreizackiger Hafen oder so an der Themse, es ist der Plan, dem sie alle unterworfen sind. Zuerst waren die Sphären, dann kamen die Vorschriften. Gargarel der Weltkönig schreitet daher, wird von Sklaven oder Dienern auf seinem Quadrat mir entgegengezogen, ehrfurchtsvoll liegen die Tausendschaften rings und recht neben ihm verbeugt im Sand, sie ragen maximal 30 Zentimeter über den Boden, das ist die Höhe von ihrem Arsch, das ist wichtig, hier bemerkt zu werden! Dann kamen drei Spanier und machten dem ein Ende, incipit Leviathan. Wir fuhren herum in einem Dreigespann aus grünen Gondeln, jetzt schleudern wir, um unsere eigene Achse. Man sieht die Krümmung der Erde, ein nächtlicher Platz, drei Gestalten tanzen und schreien frenetisch etwas Unverständliches herum, jetzt stopfen sie emsig Seiten und Bilder und Dateien und ? in eine Kanone, sie stopfen Verkörperungen der Schönheit dort hinein, die mir als Bewohner des Titan als sinnlose, unzusammenhängende Artefakte erscheinen, gleich den nicht zusammenpassenden Geräten und dem Müll der Außerirdischen in der Tarkowskischen „Zone“, jetzt komme ich näher ran und höre sie schreien: „Wir sind Künstler! Wir sind Künstler! Was für, ach, Künstler sind wir! Wir stecken all das Ganze, die Welt letztendlich, in die riesige Kanone und schießen es weit ins All, ins All zu den Sternen, denen wir gleichen!“ – BUMM! jetzt zieht der eine der Künstler in ekstatischer Verve an der Leine und die Kanone schießt los, schießt das Zeug in den offenen Raum, die anderen Künstler bücken sich mit < > abgewinkelten Beinen xx förmigen Augen und einem riesigen diabolischen Grinsen halten sie sich die Ohren zu – Die Kanone hat ihre Schuldigkeit getan, WUSCH!, da draußen im Raum verteilt sich das Material. „Wir sind Künstler! Wir sind Künstler! Wir jagen die Wirklichkeit in die Luft, die Welt! Schön ist es doch, ein Künstler zu sein!“ tanzen sie aufgerieben herum, la la la la la, rennen sie jetzt in einer Polonäse um die Kanone; Goldenes Einhorn auf Titan, in einem Sinnbezirk, der radikal fremd ist und bleibt, unüberbrückbar.

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Amazonen-Lilli

Montaigne lehrte mich einst, wenn man einer Frau in ihrem Kummer nicht helfen kann, sei es das Beste, sie abzulenken und zu zerstreuen, und so ging ich mit ihr in den Würstelprater. Das bereitete Amazonen-Lilli eine enorme Freude, allerdings hatte sie, wie ich feststellen musste, ihre Probleme damit, sich dort zurechtzufinden. Als ich ihr einen Spieß mit schokoladeüberzogenen Früchten kaufte, warf sie diese weg und verspeiste stattdessen den Spieß; als ich ihr einen Kartoffelpuffer kaufte, aß sie die Serviette; beim Autodromfahren hielt sie sich strikt an die Straßenverkehrsordnung und motzte die anderen an, warum diese das nicht täten und als wir beim Gassenverkauf vom Schweizerhaus angekommen waren, fragte sie dort nach, wie viel denn die Praterstraße koste, die gefalle ihr sehr gut, daher wolle sie sie kaufen. Erklärungen, dass es sich da um ein Missverständnis handeln würde, begegnete sie damit, sich „dann eben“ nach dem Preis der Taborstraße, der Oberen Augartenstraße und der schönen und breiten Heinestraße erkundigen zu wollen; der zweite Bezirk gefalle ihr, da wolle sie ein paar Straßen erwerben. Nach weiteren Erklärungen, dass es sich beim Gassenverkauf eines Restaurants um etwas anderes handeln würde, als sie sich das offenbar vorstelle, und dass hier keine Straßen verkauft werden würden, schwenkte sie dann in die Richtung, die Vereinsgasse, die Springergasse, die Lessinggasse und die Pazmanitengasse – also meine eigene kleine Heimat, wie ich stolz lauschte – kaufen und jetzt mal endlich ein Angebot rübergewachsen haben lassen zu wollen! Die entnervte Gassenverkäuferin rollte die Augen gen Firmament und nannte einen astronomischen Phantasiepreis, wohl in der Hoffnung, Amazonen-Lilli damit loszuwerden. Amazonen-Lilli fragte aber nur Und wie viel ist das in getrockneten Hundehäufchen? (ihrer eigenen Währung), und knallte einen Sack voll davon auf die Ablage. Als die Gassenverkäuferin da ärgerlich-hysterisch wurde, begann sich Amazonen-Lilli schließlich ihrerseits gefernst vorzukommen, spannte in der Folge ihren Körper an, beugte sich ein wenig nach vor, kniff ihr linkes Auge zusammen und fixierte die Gassenverkäuferin umso eindringlicher mit dem rechten, dabei streckte sie den Arm nach ihrem Bogen aus. Ich beschloss, Amazonen-Lilli aus dem Würstelprater, in dem sie sich offenbar schlecht orientieren konnte, hinauszuführen, und stattdessen auf der Praterallee mit ihr zu spazieren. Während wir in unser philosophisches Gespräch vertieft waren, schoss Lilli dort nebenbei ein paar Läufer, Radfahrer und Inline-Skater ab, sodass wir bald von der Hälfte der Einsatzkommandos der Stadtpolizei eingekreist waren, mit der weiteren unmittelbaren Konsequenz, dass die Einsatzkommandos der Stadtpolizei um die Hälfte dezimiert wurden. Was aber keinen Anstieg der Kriminalität zur Folge hatte, sondern das Gegenteil, da Amazonen-Lilli mit ihrem Geist selbstverständlich über die ganze Stadt schauen konnte und erkennen, wenn ein Unhold irgendwo eine Schurkentat anbahnen wollte. Dann brauchte Amazonen-Lilli während unseres Gesprächs nur einmal beiläufig ein drohendes He! auszurufen und finster in die Richtung des Störenfriedes zu blicken, und schon ließ der Strolch von seiner Dummheit und Gemeinheit ab und verkroch sich blitzschnell unter seinem Bett, wo er sich für die nächsten mindestens achtundvierzig Stunden nicht zu bewegen wagte. Das philosophische Gehen von Amazonen-Lilli begann dabei den stärksten aller Eindrücke auf mich zu machen. Die Arme hinten verschränkt, den Oberkörper leicht nach vorne gebeugt, die Beine nach vorne schleudernd und mit konzentriertem, leicht verzwickten Gesichtsausdruck und mit starren Augen einen imaginären Punkt auf dem Boden in ca. eineinhalb Metern Entfernung vor sich fixierend, das war das Gangbild Lillis, während sie sich in philosophische und introspektive Erläuterungen in dialogischer und monologischer Form vertiefte. Etwas, das so sexy auf mich wirkte, hatte ich an einer Frau noch nie erlebt und ich schmolz wie Titanstahl in der Sonne, also, in der Nähe der Sonne.

Kern der Dinge

Auf! Auf! Auf! Auf! Auf! Den ganzen Tag liegst du nur faul herum und denkst! Auf! Auf! Auf! Auf! Auf! Wir müssen uns jetzt aufmachen, herauszufinden, was für das Schlechte in der Welt verantwortlich ist und überhaupt, was die Antwort auf die große Frage nach allem ist! Was sich hinter der Erscheinung und im Kern der Dinge verbirgt. Heute ist der große Tag! Auf! Auf! Auf! Auf! Auf! piekst mich Amazonen-Lilli mit jedem Auf! mit einem Pfeil in die Kehrseite, AU! komme ich jetzt aber zu mir und fahre ich in die Höhe, was zum Teufel soll denn das, dass du mir dauernd deinen Pfeil hinten reinjagst? Das geht doch sanfter auch! Warum machst du so was? – Weil ich eine Amazone bin, hält Amazonen-Lilli da wenigstens betropitzt inne, ich küsse die Entzückende auf die Stirn und wir machen uns nach draußen.