Immanuel Kant (und was von ihm übrig bleibt, wenn ich mit ihm fertig bin)

Es gibt Leute, vor allem aus den Naturwissenschaften, die da monieren: Während die Wissenschaften laufend echte Fortschritte machten, mache die Philosophie keine, sondern stecke immer noch in ihrer Unfähigkeit fest, ihre jahrtausendalten Fragen beantworten und Probleme lösen zu können. Dabei stecken die Fragen und Probleme der Philosophie in letzter Konsequenz im menschlichen Geist, welcher naturgemäß sich selbst nicht vollständig durchdringen und „lösen“ kann. Viele einstmals philosophische Probleme wurden im Lauf der Zeit an die Naturwissenschaften abgegeben, da die sie besser oder sogar vollständig bewältigen können: denn die Lösungsmöglichkeit liegt tatsächlich draußen in der Natur, in der Empirie, wie sich herausstellt. Dahin müssen die Naturwissenschaften natürlich erst einmal kommen. Was aber bleibt, das liegt im Geist – und das bleibt dann der Philosophie. Das Gute ist, dass der Geist sich zwar nicht vollständig durchdringen kann, aber doch wohl erforschen und Interessantes zutage fördern kann. Die großen philosophischen Versuche sind große Unternehmungen, große Explorationen, die zwar nicht an den Enden der Welt anlangen und den Kontinent der letzten Dinge tatsächlich einnehmen, aber doch neue Regionen, Inseln oder gar Kontinente entdecken und neue, bessere Kartierungen und Vermessungen ermöglichen. Aber diese Wissenschaft ist Metaphysik, und das ändert die Sache ganz und gar. Das ist ein uferloses Meer, in welchem der Fortschritt keine Spur hinterlässt, und dessen Horizont kein sichtbares Ziel enthält, an dem, wie viel man sich ihm genähert habe, wahrgenommen werden könnte (…) Denn Metaphysik ist ihrem Wesen, und ihrer Endabsicht nach ein vollendetes Ganzes: entweder nichts, oder alles; was zu ihrem Endzweck erforderlich ist, kann also nicht, wie etwa Mathematik oder empirische Naturwissenschaft, die ohne Ende immer fortschreiten, fragmentarisch abgehandelt werden, formuliert es Kant in der Schrift Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnizens und Wolf´s Zeiten in Deutschland gemacht hat? (Werke VI S.589) Sehen wir es etwas weniger pessimistisch als Kant, so erscheinen Philosophien als geistige Gebilde, die Orientierungen im Denken ermöglichen, als Markierungen und Marksteine in der Erforschung des Geistes – die natürlich auch, fragmentarisch, aufeinander aufbauen und sich in eine Kette einer fortschreitenden Bewegung einreihen. Natürlich gibt es in der Philosophie Fortschritte, Ausdifferenzierungen, Paradigmenwechsel oder gar Revolutionen, ähnlich wie in den Naturwissenschaften. Es kann sogar Kopernikanische Wenden in der Philosophie geben. Als „Kopernikanische Wende“ in der Philosophie bezeichnet man die Philosophie Kants.

Immanuel Kant gilt als die zentrale Gestalt der Philosophie der Neuzeit. Dabei ist der Begründer des modernen Philosophierens Descartes. Descartes legte den Ursprung des Philosophierens in das Subjekt. Michel Foucault geht in seinem neu erschienen Nachlasstext (Der Diskurs der Philosophie) sogar so weit zu behaupten, dass Descartes das Subjekt für die Philosophie erfunden hat, oder zumindest als Kategorie eingeführt hat. Das Subjekt ist einerseits kompetent, genau gesagt, in der offensichtlichen Abwesenheit von anderen entsprechenden Instanzen sogar die kompetenteste Sache in der Welt; andererseits bleibt es, genau wegen seiner Subjektivität, zweifelhaft, wie kompetent es das Objektive eigentlich erfassen kann. Deswegen sucht der Zweifler und Skeptiker Descartes sein Heil gleich wieder in Gott und greift gleich wieder auf Gott zurück, als der Instanz, die garantiere, dass das philosophierende Subjekt sich nicht irre und die Außenwelt keine Täuschung sei. Allerdings ist das eine zweifelhafte philosophische Intervention, und es liegt in der Bahn des neuzeitlichen, rationalen, vom Subjekt vollzogenen Philosophierens, dass Instanzen wie Gott zweifelhaft werden. Bei dem radikalen Skeptiker Hume werden sogar grundlegende Fundamente des rationalen Philosophierens – die Annahme von Kausalität und die Gültigkeit von induktiven Schlüssen – zweifelhaft. Die große Innovation von Kant ist bekanntlich, dass er Raum, Zeit, Kausalität und anderes mehr als grundlegende Anschauungsformen fasst, über die das Subjekt die Welt erkennt – und die gleichzeitig die Möglichkeit der Erkenntnis der Welt begrenzen. Das Subjekt wird ermächtigt, die Welt als räumliche, zeitliche und kausal zusammenhängende zu begreifen, zu beherrschen und auf jener Grundlage Wissenschaft zu betreiben; der reale Charakter der Welt und das Ding an sich mag dabei räumlich, zeitlich und kausal zusammenhängend sein, oder aber auch gänzlich anders: der tatsächliche Charakter der Welt ist jenseits unserer Anschauungsformen unerkennbar. Das transzendentale Objekt, welches den äußeren Erscheinungen, imgleichen das, was der inneren Anschauung zum Grunde liegt, ist weder Materie, noch ein denkend Wesen an sich selbst, sondern ein uns unbekannter Grund der Erscheinungen, die den empirischen Begriff von der ersten sowohl als der zweiten Art an die Hand geben… (Kritik der reinen Vernunft S.934) Das bedeutet auch, dass Gott – nunmehr tatsächlich ein Deus absconditus – u. dergl. nicht mehr Gegenstand des rationalen Philosophierens sein kann. Kant vollendet hier die Denkbewegung der modernen Philosophie, die Gott und alles religiös Jenseitige aus dem Philosophieren verbannt. Es ist vielleicht nicht vollständig zu verstehen, worin das immense Charisma des Profunden bei Kant als zentraler Gestalt der modernen Philosophie besteht (wenngleich es ja Wesen von Charisma ist, dass es über sich selbst hinaus wirkt und gleichzeitig unergründlich erscheint). Aber die profunde Intervention von Kant und seine Kopernikanische Revolution liegt darin, dass er das Subjekt als Ausgangspunkt des Philosophierens endgültig inthronisiert und es in seinen Möglichkeiten und Grenzen eindeutig bestimmt. Kant hat damit eine tiefe Furche durch das Denken gezogen und – in einer radikalen metaphysischen Wende die Subjektivität und das Subjekt zum Superzentrum der Welt gemacht. Er hat das auf einem maximalen Niveau der Durchdachtheit gemacht. Auch in dieser Macht und in dieser Erhabenheit (die er als solche in der Kritik der Urteilskraft analysiert hat), der so einfach nichts entgegengesetzt werden kann, liegt das große Charisma von Kant. Fürchterlich, beinahe schreiend baut sich die Kritik der reinen Vernunft vor einem auf, in einem gewaltig dimensionierten Aufriss, wie eine Festung des Schreckens. Das Abstraktionsniveau und der Erklärungsanspruch sind bei der Kritik der reinen Vernunft so hoch, dass sich beinahe alle andere Philosophie dagegen wie ein Alltagsgeplänkel ausmacht, über Fragestellungen derart ob ein oder zwei Stück Zucker in den Tee besser seien oder die Beigabe von Zucker für jeden wirklichen Teegenießer nicht überhaupt Anathema sein muss. In der Kritik der praktischen Vernunft und in den moralphilosophischen Schriften führt Kant Gott und das Jenseitige, ohne welche wir im Philosophieren und sonstwo kaum auskommen, wieder ein, jedoch als regulative Prinzipien, und er blickt in den metaphysischen Abgrund (der Subjektivität). Er löst darin vor allem, wie Daniel Kehlmann meint, das Problemfeld des Moralischen – so wie er in der Kritik der Urteilskraft dann das Problemfeld der Kunst löst. Insofern er die vernünftige Subjektivität ins Zentrum der Welt stellt, ist Kant dazu angehalten, eine Gesellschaft von vernünftigen Subjekten zu propagieren, damit sich diese Vernunft auch entfalten und wirkungsmächtig werden kann: Und wird so zu einer – im Wesentlichen zu der – intellektuellen Führungsfigur der Aufklärung und zum Vordenker von Demokratie, bürgerlichem Rechtsstaat und einer internationalen Rechtsordnung, die theoretisch den Ewigen Frieden zwischen den Völkern garantiere. Graham Harman sieht Kant als profundesten und universalsten Philosophen nach Aristoteles und Platon. Wobei seine Universalität aber über die Philosophie hinausreichte, denn Kant war auch (und zunächst vor allem auch) Naturforscher. Als solcher lieferte er Erklärungen für die Monsun- und Passatwinde und veröffentlichte eine Theorie der Saturnringe und „Nebelsterne“ (Galaxien). Das verheerende Erdbeben von Lissabon 1755 war eine metaphysische Katastrophe und bot Voltaire den Anlass, über seinen Candide mit der Leibnizschen Vorstellung von der Theodizee und der „besten aller möglichen Welten“ abzurechnen. Kant hingegen machte sich an eine rationale Erklärung für das Erdbeben, die eine Folge von unterirdischen Explosionen hinter dem Unglück vermutet. Ein bedeutender Beitrag Kants zur Wissenschaft galt der Entstehung von Sternen und ging als Kant-Laplacesche Theorie in die Geschichte der Astronomie ein. (Ironischerweise gegenüber dem, was eingangs gesagt wurde, war eben Kants Philosophie das Bleibende, während seine naturwissenschaftlichen Leistungen später überholt wurden.) Kants großes Charisma beruht auch auf der tiefen Ernsthaftigkeit seines Philosophierens, das kaum seinesgleichen hat. Kant gegenüber nimmt sich Hegel, obwohl nur unwesentlich weniger universal aufgestellt, mit seinen Spekulationen über die philosophischen Weltverlauf beinahe wie ein Scharlatan oder ein Cagliostro aus. Auch wenn Hegel die Weltgeschichte des Denkens als eine Folge von Revolutionen begreift, reicht zumindest keine davon so tief und ist so profund wie die Revolution, die man bei Kant hat. Kants reife Philosophie wurde schon zu dessen Lebzeiten als mechanisch und gefühllos kritisiert; der spöttelt in der kurzen Schrift Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie aber nur zurück: Es lebe also die Philosophie aus Gefühlen, die uns gerade zur Sache selbst führt. Weg mit der Vernünftelei aus Begriffen, die es nur durch den Umschweif allgemeiner Merkmale versucht, und die, ehe sie noch einen Stoff hat, den sie unmittelbar ergreifen kann, vorher bestimmte Formen verlangt, denen sie jenen Stoff unterlegen könne. (Werke VI S.384) Trotz aller Entsubjektiviertheit im Stil der späteren Schriften (die man bei seinen früheren Schriften noch nicht hatte), bleibt eines der erhabensten Charakteristika des Subjekts, seine Fähigkeit zur Ironie, erhalten. Erhaben wirkt die Philosophie Kants auch, weil sie vornehm unkommunikativ ist. So gesellig sich (Kant) geben konnte … eine dialogische Natur ist ihm und seiner Philosophie eigentlich fremd. Sie hat eher was Statisches – wie Architektur, heißt es passend in einem editorischen Nachwort zur Kritik der Urteilskraft (S.418). Und so ragt sie dann eben auf, wie ein aufschießender Turm, die Philosophie Kants. Heute würde man eine solche undialogische Art zu philosophieren vielleicht wenig gutheißen. Aber Kants Philosophie war auch keine „zeitgenössische“ Philosophie, sondern Transzendentalphilosophie. Und entweder eine Philosophie ist Transzendentalphilosophie, oder nicht. Wenn man zu etwas schlechthin Unhintergehbaren gelangen will, wird dann dort kein Dialog mehr nötig oder möglich sein. Das Unhintergehbare wird wohl dastehen wie eine Säule. Und der Text, der auf ihr zu lesen steht, wird eindeutig sein … aber, da es doch, objektiv betrachtet, nur Eine menschliche Vernunft geben kann: so kann es auch nicht viel Philosophien geben, d.i. es ist nur Ein wahres System derselben aus Prinzipien möglich, so mannigfaltig und oft widerstreitend man auch über einen und denselben Satz philosophiert haben mag. (Werke VIII S.311) Ein großartiges dialogisches Aushandeln zwischen Philosophien kann daher nicht nötig sein; in seiner kurzen Schrift mit dem ironischen Titel Verkündigung eines nahen Abschlusses eines Traktats zum ewigen Frieden in der Philosophie geht Kant davon aus, dass es zum Erzielen von Einheit im Philosophieren ausreiche, wenn man als Philosoph aufhöre zu lügen: Das Gebot: du sollst (und wenn es auch in der frömmsten Absicht wäre) nicht lügen, zum Grundsatz in der Philosophie als eine Weisheitslehre innigst aufgenommen, würde allein den ewigen Frieden in ihr nicht nur bewirken, sondern auch in alle Zukunft sichern können. (Werke VI S.416) Aus einem solchen Holz geschnitzt war also Immanuel Kant, ein schmächtiger Mann, der seinen Schatten bis ans Ende der Geschichte wirft. Welche Wahrheiten hat er in die Welt gesetzt, welche Lügen hat er aus der Welt geschafft?

Ich gestehe frei: die Erinnerung an David Hume war eben dasjenige, was mir vor vielen Jahren zuerst den dogmatischen Schlummer unterbrach, und meinen Untersuchungen im Felde der spekulativen Philosophie eine andere Richtung gab, gesteht Kant (Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können S.11). David Hume hatte gezeigt, dass unsere Vorstellung von Kausalität keine sichere Grundlage hat und dass das induktive kein sicheres Schlussverfahren ist. Damit hat er Grundlagen für die Möglichkeit einer rationalistischen Welterschließung untergraben. Dabei war David Hume Vertreter des philosophischen Empirismus. Dem zufolge ist „nichts im Verstand, was nicht durch Sinne oder Erfahrung in ihn hineingelegt wurde“. Der Verstand ist also ursprünglich eine tabula rasa mit keinen ursprünglichen, originären Fähigkeiten; diese werden empirisch erworben. Diese Vorstellung ist nicht unproblematisch, und bereits Platon hat vermutet, dass der Mensch in seinen Erkenntnisfähigkeiten präfiguriert sein müsse, um überhaupt erkennen zu können (daher erschuf Platon auch das immens folgenschwere Postulat der menschlichen Seele, um zu erklären, wie der Mensch z.B. für das Schöne empfänglich sein könne). Kant geht weiter, und ergeht sich in der Kritik der reinen Vernunft in lange Abhandlungen, um zu demonstrieren, dass gewisse Probleme des Denkens (wie die Frage, ob die Welt einen Anfang hat oder nicht, ob Freiheit oder (strikte) Kausalität herrscht, und ob die Dinge ihrem Wesen nach einfach oder zusammengesetzt sind) rein durch das Denken nicht gelöst werden können. Die jeweils gegenteiligen Annahmen lassen sich gleichermaßen logisch beweisen, und die gegenteiligen Begründungen halten in ihrer Plausibilität einander die Waage. Kants Kopernikanische Revolution besteht darin, dass der menschliche Verstand keine tabula rasa sein kann, sondern mit grundlegenden Fähigkeiten und Anschauungsformen ausgestattet sein muss, die eine konsistente Anschauung der Welt überhaupt ermöglichen, diese aber gleichzeitig auf diese Anschauungsmöglichkeiten beschränken. Die Ordnung und Regelmäßigkeit also an den Erscheinungen, die wir Natur nennen, bringen wir selbst hinein, und würden sie auch nicht darin finden können, hätten wir sie nicht, oder die Natur unseres Gemüts ursprünglich hineingelegen (Kritik der reinen Vernunft S.902) Diese Anschauungsformen sind: Raum, Zeit, Kausalität, darüber hinaus die „reinen Verstandesbegriffe“ der Quantität (Einheit, Vielheit, Allheit), der Qualität (Realität, Negation, Limitation), der Relation (der Inhärenz und Subsistenz, der Kausalität und Subsistenz, der Gemeinschaft) und der Modalität (Möglichkeit – Unmöglichkeit, Dasein – Nichtsein, Notwendigkeit – Zufälligkeit). Gleichsam ist es bei Kant so, dass wir durch unsere Anschauungsformen die angeschaute Welt quasi erst schaffen; die angeschaute Welt ist derart eine Schöpfung des anschauenden Subjekts: Denn Gesetze existieren eben so wenig in den Erscheinungen, sondern nur relativ auf das Subjekt, dem die Erscheinungen inhärieren, sofern es Verstand hat, als Erscheinungen nicht an sich existieren, sondern nur relativ auf dasselbe Wesen, sofern es Sinne hat … Erscheinungen sind nur Vorstellungen von Dingen, die, nach dem was sie an sich sein mögen, unerkannt da sind. (ebenda S.202) Wie die Dinge an sich, jenseits dieser Anschauungsmöglichkeiten beschaffen sein mögen, entzieht sich für immer unserer Erkenntnis, die ja allein auf den subjektiven Anschauungsformen beruht. Das ist die berühmte Formel vom „Ding an sich“, das unerkennbar bleibt. Denn wir haben es doch nur mit unseren Vorstellungen zu tun: wie Dinge an sich selbst (ohne Rücksicht auf Vorstellungen, dadurch sie uns affizieren) sein mögen, ist gänzlich außer unserer Erkenntnissphäre. (ebenda S.270) Kant ist also Idealist, aber kein „reiner“ Idealist, der die Existenz der Außenwelt überhaupt negiert oder abstreitet. Gemäß Kant muss eine Außenwelt objektiv vorhanden sein, da wir sonst kein Substrat der Anschauung hätten (z.B. Alle Zeitbestimmung setzt etwas Beharrliches in der Wahrnehmung voraus. Dieses Beharrliche aber kann nicht eine Anschauung in mir sein (sondern muss objektiv in der Außenwelt existieren, Anm.) (ebenda S.304)). Die Anschauungsformen gleichen so Werkzeugen, die allerdings Material benötigen, um tatsächliche Anschauungen konstruieren zu können, und sie sind keine halluzinatorischen Vermögen, die Anschauungen vollständig erschaffen, sondern nur Anschauungen ordnen. Es ist ein Wechselspiel von Anschauung und Außenwelt, die die Anschauung der Außenwelt schafft. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind. (ebenda S.120) Bei all dem stellt sich drängend die Frage, wie adäquat denn unsere Anschauung der Welt in Bezug auf ihre „tatsächliche“ Beschaffenheit sein kann. Man ist wohl (gleichsam „hausverstandsmäßig“ – aber auch philosophisch!) geneigt zu glauben, dass wir über unsere Anschauungsformen die Welt annähernd so erkennen könnten, wie sie tatsächlich ist. Und zum Beispiel geht Kant auch davon aus, dass Räumlichkeit in der Welt tatsächlich existiert – wir sie aber nur deswegen wahrnehmen könnten, weil Räumlichkeit eben auch eine unserer Anschauungsformen sei. Auf der anderen Seite scheint Kant beinahe Freude darin zu finden, immer wieder (einmal) zu bekräftigen, dass wir über das Ding an sich absolut nichts wissen könnten und die Außenwelt tatsächlich genauso gut chaotisch sein könnte. Das wird wohl Unbehagen auslösen, da es einem wahrscheinlich nicht ganz einleuchten will, wie das winzige Subjekt eine dermaßen totale Definitionsmacht über die unendliche Außenwelt haben sollte, dass diese geradezu vollständig dahinter verschwinde. Und umgekehrt, dass das Subjekt so sehr in seinen Anschauungsformen gefangen sei, dass es seine Erkenntnis der Außenwelt niemals transzendieren könne. Was überhaupt sollen die Kantschen Anschauungsformen sein und wie werden sie generiert? Sie müssen im Gehirn liegen und also so was wie Sinne oder sonstige Vermögen sein. Sämtliche Sinne oder sonstigen Gehirnfunktionalitäten können aber auch gestört sein und einzelne Menschen blind, taub, sprachunfähig oder bewegungsunfähig machen. Nichts dergleichen nimmt man bei der Raum- oder Zeitwahrnehmung wahr. Gleichzeitig sind Raum- oder Zeitwahrnehmung, Objektkonstanz (die ein Kleinkind zum Beispiel nicht kennt), Vorstellungen von Kausalität oder logische Erkenntnisformen die angeblich a priori sind (wie zum Beispiel, dass nicht zwei sich widersprechende Dinge gleichzeitig sein können) nicht universal im Menschen, sondern altersabhängig und kulturabhängig (mystisches oder animistisches Denken scheint in unserem Sinn nicht logisch oder kausal). Schon in der ansonsten enthusiasmierten ersten substanziellen Rezension der Kritik der reinen Vernunft durch Christian Garve kann dieser nicht umhin sich zu wundern: Aber zuerst scheint der Verfasser nicht bemerkt zu haben, daß diese ganze Theorie blos auf den Sinn des Gesichts kalkuliert ist; und daß Hören, Schmecken und Fühlen, wobey kein Raum, keine Anschauung a priori vorkommt, auf diese Weise an nichts Wirkliches, an kein Objekt sollte denken lassen. Ferner so ähnlich Raum und Zeit einander seyn sollen, und obgleich beyde, wie der Verfasser sagt, a priori angeschaut werden: wie kömmt es, daß das Anschauliche der Zeit und kaum zu einem und dem anderen Satz, das des Raums aber, zu einer ganzen Wissenschaft, der Geometrie, verholfen hat? (in: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können S.243) Kants Philosophie ist eigentümlich körperlos (darin der meisten anderen Philosophie nicht unähnlich). Ist doch der Körper selbst räumlich und zeitlich und fungiert als eine Uhr (indem er regelmäßig atmet, Nahrung und Schlaf braucht, wächst, altert, stirbt). Kant aber dividiert so gesehen auch den eigenen Körper der Außenwelt zu, den wir nur als körperlich und zeitlich wahrzunehmen imstande seien, weil wir über die entsprechenden Anschauungsformen verfügen. Ist die Raumwahrnehmung einer steinzeitlichen Jägerin und Sammlerin gleich der einer heutigen Astronomin, die über die chemische Analyse von Licht aus Galaxien am Rande des Universums deren Entfernung bestimmt, oder der einer Mathematikerin, die in einer komplizierten, für Laiinnen nicht verständlichen Formel eine Metrik festlegt? Wie ist es mit einem zyklischen, mythologischen Zeitsinn und der Zeiterfassung durch eine Atomuhr (inklusive der Bestimmung, wie viel Zeit vergehen wird, bis dass die Atomuhr ganz leicht aus dem Takt geraten werde)? Liegt diesem Zeit- und Raumsinn ein einheitliches Substrat zugrunde (wie es allerdings doch scheint), oder handelt es sich hier eher um etwas wie Wittgensteinsche Familienähnlichkeiten? Klar ist auf jeden Fall, dass durch die Wissenschaften unser Raum- und Zeitsinn enorm erweitert – und auch grundsätzlich transformiert wurde. Und zwar dahingehend, dass sie die Kantsche Vorstellung von Raum und Zeit als Kategorien a priori an und für sich widerlegen. So nimmt die Relativitätstheorie ein einheitliches Raum-Zeit-Kontinuum an und misst die Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen gleich (und stellt damit die Allgemeingültigkeit der Newtonschen Physik infrage, von der Kant ausging). Die Quantenwelt mit ihrem Indeterminismus verläuft zu unseren Alltagsverständnissen geradezu konträr. Dabei handelt es sich freilich um wissenschaftliche Erkenntnisse. Diese sind als solche revidierbar, bzw. können sich in der Zukunft als falsch oder ungenügend erweisen. Was es also möglich macht, dass zukünftige Wissenschaft die Kantschen Annahmen dann wieder erhärtet. Laut Kant sind sowohl die Naturwissenschaften als auch die Mathematik deswegen a priori möglich, weil sie von den Anschauungsformen ausgehen, die in unserem Verstand liegen. Aber auch die Mathematik scheint mit Kant nicht mehr kongruent zu gehen. Die moderne Mathematik beruht auf der Logik und der Mengenlehre – und die Mengenlehre enthält Antinomien. Freilich lässt sich einwenden, dass sowohl beim Gödelschen Unvollständigkeitssatz als auch bei der Quantenmechanik nicht klar ist, was diese eigentlich bedeuten und was deren tieferer Sinn sei. Beide scheinen nach einem tieferen Verständnis innerhalb ihrer Disziplinen zu verlangen, das einem kolossalen Paradigmenwechsel gleichkommen würde, sollte es denn stattfinden. Einer Kopernikanischen Revolution. Der Neukantianismus teilt dann auch nicht alle Positionen von Kant, verallgemeinert sie aber, indem er davon ausgeht, dass es bestimmte Formen im Verstand gibt, die die Erkenntnis per se formen und ermöglichen. Ernst Cassirer (der den Neukantianismus aber schon fast transzendiert) fasst den Menschen als ein Wesen, das mit Symbolen operiert (also mit Formen, deren Möglichkeit im Verstand liegen). Der linguistic turn in der Philosophie des 20. Jahrhunderts geht davon aus, dass Sprache das grundsätzliche Medium des Menschen ist und ersetzt (seinerseits teilweise mit totalitärer Attitüde) die Erkenntnistheorie durch reine Sprachkritik. Dass Kant das Medium der Sprache vernachlässige, wurde ihm dabei aber schon von Zeitgenossen vorgeworfen, am prominentesten von seinem früheren Schüler und späteren Gegner Herder. Die menschliche Sprache und wie sie entsteht, ist dabei ebenfalls recht mysteriös. Noam Chomsky nimmt in einer „kantianischen“ Weise an, der Mensch verfüge über ein angeborenes Vermögen zur Sprachbildung und zur Grammatik (deren Regeln so kompliziert sind, dass ein rein „empiristisches“ Erlernen auf der Basis eines ursprünglichen reinen tabula rasa-Unvermögens unmöglich erscheint). Er vermutet eine „Universalgrammatik“, die im menschlichen Gehirn angelegt sei. Diese Vermutung ist, wenngleich nicht widerlegt, bislang eher wenig bestätigt. Man muss aber davon ausgehen, dass der Mensch bestimmte Anschauungsformen als Werkzeuge im Gehirn trägt, auf deren Basis sich dann die Sprache zusammensetzt. So kennt der Mensch Begriffe, eine Künstliche Intelligenz hingegen nicht. Deswegen muss eine Künstliche Intelligenz mit Millionen von Katzenbildern gefüttert werden, um zu „verstehen“, was eine Katze ist (auch wenn sie das dann immer noch nicht tut: sie kann eine Katze (auf einem Bild) dann nur mit hoher Wahrscheinlichkeit identifizieren – wobei haarstäubende Fehler auch dann noch möglich sind). Bei einem Kleinkind reicht in der Regel die Begegnung mit einer Katze aus, damit das Kleinkind (tatsächlich) versteht, was eine Katze ist. Das nicht zuletzt deswegen, weil Menschen in der Lage sind, Begriffe zu bilden, durch die sie Anschauungen schnell generalisieren können. Sie schaffen es sogar, Begriffe zu bilden, ohne dass eine Anschauung zugrunde liegt. Das sind dann abstrakte Begriffe, die auch leicht ins Esoterische abgleiten, und von da ins Mythologische und Religiöse, ebenfalls einzigartige konstruktive Fähigkeiten des Menschen. Wie schon Kant wusste. Damit liegt auch die Fähigkeit zur Metaphysik im Menschen angelegt.

Diese unvermeidlichen Aufgaben der reinen Vernunft selbst, sind Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Die Wissenschaft aber, deren Endabsicht mit allen ihren Zurüstungen eigentlich nur auf die Auflösung derselben gerichtet ist, heißt Metaphysik. (Kritik der reinen Vernunft S.55) Die Kritik der reinen Vernunft gilt als ein Werk der philosophischen Erkenntnistheorie. Doch eigentlich geht es bei ihr um Metaphysik, genau gesagt, um die Absteckung der Grenzen, innerhalb derer Metaphysik sinnvoll stattfinden kann. Die kürzere, gleichsam popularisierte Fassung der Kritik der reinen Vernunft, die Kant auf den Markt brachte, als jene zunächst auf wenig Echo gestoßen ist und kaum verstanden wurde, trägt auch den Titel: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. Zwar war es zu Kants Zeiten nichts Neues mehr, dass sich die Philosophie für die Gegenstände der Metaphysik – wie Gott, Seele, Unsterblichkeit – nicht mehr zuständig gefühlt hat und sie als Gegenstände der Religion identifiziert hat. Was dann aber eben auch zu einer gewissen scheinbaren Schalheit der Philosophie geführt hat. Kant beklagte den „Indifferentismus“, den sein Zeitalter den Fragen der Metaphysik entgegenbrachte. Denn auch wenn auf sie schwerlich sinnvolle rationale Antworten gegeben werden könnten, blieben sie dennoch sinnvolle Fragen; Fragen, die den Menschen grundsätzlich beschäftigen würden. Der Ausgang aller dialektischen Versuche der reinen Vernunft … lehrt uns zugleich dieses Besondere: dass die menschliche Vernunft dabei einen natürlichen Hang habe, diese Grenze (der möglichen Erfahrung, Anm.) zu überschreiten, dass transzendentale Ideen ihr ebenso natürlich seien, als dem Verstande die Kategorien… (ebenda S.673) Oder pointierter: Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: dass sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft. (ebenda S.864) Man ist vielleicht geneigt, die metaphysischen Fragen eher als Fragen, die sich die menschliche „Seele“ stellt, zu fassen. Kant jedoch fasst sie (in der Kritik der reinen Vernunft) zunächst nur als solche, die sich aus den Möglichkeiten und Grenzen der Vernunft selbst ergeben, und er macht sich daran, diese Möglichkeiten und Grenzen zu bestimmen. Kant zufolge kann nur eine bestimmte Klasse von Sätzen metaphysische Aussagen begründen: die synthetischen Sätze a priori. Kant unterscheidet dabei zwischen analytischen Urteilen und synthetischen Urteilen. Analytisch seien solche, die sich durch eine bloßen Begriffszergliederung bewerkstelligen lassen („Alle Körper sind ausgedehnt“, „Alle Junggesellen sind unverheiratet“). Bei den synthetischen Sätzen hingegen liegt das Prädikat nicht im Subjekt selbst: Sie können daher nur durch Erfahrung generiert werden. Sätze a priori sind intuitiv und ohne Erfahrung möglich, Sätze a posteriori können nur nach einer Erfahrung ausgestellt werden. Synthetische Sätze a priori sind damit nichttriviale, zusammengesetzte Urteile, die etwas Neues sagen, deren Möglichkeit aber gleichzeitig in unserem Verstand allein liegt. Kant zufolge seien die Sätze der Mathematik sowie der Wissenschaften synthetische Sätze a priori, daher müssen es auch die Sätze einer „Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können“ sein. Recht viel mehr sagt Kant in der Kritik der reinen Vernunft zur Metaphysik dann gar nicht. In der Kritik der reinen Vernunft wird die Metaphysik rein formal bestimmt, aber kaum inhaltlich. Genau gesagt fällt darin die Metaphysik mit der Befragung ihrer eigenen Möglichkeit zusammen; … die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung, und haben darum objektive Gültigkeit in einem synthetischen Urteil a priori. (ebenda S.232) Dabei haben diese synthetischen Sätze a priori (so wie die Metaphysik) schon irgendwie etwas Mysteriöses. Zumindest ich kann sie zwar formal konstruieren, habe aber immer noch nicht ganz verstanden, was synthetische Sätze a priori eigentlich sein sollen. Dass die Sätze der Mathematik und der Wissenschaften aber, wie Kant meint, synthetische Sätze a priori seien, ist, wie wir gesehen haben, durch die Fortschritte in den Wissenschaften und der Mathematik erschüttert. Trotzdem bleiben sie sinnvolle Sätze. Daher sollte auch eine sinnvolle Metaphysik auf einer breiteren Basis möglich sein. Darüber hinaus lässt sich anmelden, dass Kant zwischen analytischen und synthetischen Sätzen unterscheidet – aber gäbe es nicht noch andere Klassen von Sätzen? Am Folgenschwersten aber demonstrierte im 20. Jahrhundert Willard Van Orman Quine, dass zwischen analytischen und synthetischen Sätzen gar keine scharfe Trennung möglich sei. Auch analytische Urteile beruhten letztendlich auf Erfahrung (Kant-Verteidiger wissen auch dem etwas entgegenzuhalten, und zwar, dass es Kant natürlich bewusst war, dass eine Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Sätzen nur durch Erfahrung möglich sei, was aber den Inhalt seines Arguments nicht berühre). Ironischerweise hat es also etwas Mystisches und das Fassungsvermögen Übersteigendes – damit also das Charisma des Metaphysischen – dass Kant die Metaphysik derart bestimmt. Aber sollen wir bei Metaphysik überhaupt, so wie Kant, als etwas ausgehen, dass „als Wissenschaft wird auftreten können“? Ist der Metaphysik nicht eventuell ein Anteil des Unwissenschaftlichen inhärent? Was ist diese „Metaphysik“ überhaupt? „Metaphysik“, so der Titel der folgenschweren Schrift von Aristoteles, basiert ironischerweise auf einem Editionsproblem: Weil die Schüler von Aristoteles nach dessen Tod nicht wussten, wie sie die Schriften, die „nach“ seinen Schriften zur Physik kamen, nennen sollten, nannten sie sie eben „Metaphysik“. „Metaphysik“ und „metaphysisch“ wird über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg mit unterschiedlichen (allerdings doch eben ähnlichen) Konnotationen verwendet. Grundsätzlich versteht man unter metaphysischen Gegenständen solche, die jenseits unserer Erfahrungssphäre (und eventuell Erfahrungsmöglichkeit) liegen, trotzdem aber in diese hineinwirken und sie möglicherweise sogar bestimmen, und die rätselhafte, gleichsam höherdimensionale Zeichen senden, die wir aber nur in primitiven, niedrigdimensionalen Abdrücken erfassen können. Das Metaphysische wirkt wie eine eherne Objektivität – robust, unzerstörbar und ewig – die sich aber an unsere Subjektivität adressiert und auf sie bezogen scheint, so dass dieses Metaphysische eine Oszillation, ein Regelkreis zwischen diesem Objektiven und diesem Subjektiven erscheint, die sich darin teilweise erkennen, teilweise rätselhaft bleiben. „Metaphysisch“ ist gleichsam auch das Erscheinen von verborgenem, tieferen Sinn. Diesbezüglich ist „Kunst die eigentliche metaphysische Tätigkeit“, wie Nietzsche es mit Rekurs auf Schopenhauer meinte. Gute Kunst scheint gleichsam den tieferen Sinn oder das „Wesen“ einer Sache aufzuzeigen. Dies eventuell dadurch, dass sie einen Gegenstand in einem (gegenstands)fremden Sinnfeld auferscheinen lässt, was einen neuen, scheinbar tieferen, scheinbar sogar endgültigen Blickwinkel, gleichsam eine Epiphanie ermöglicht. Beim „Metaphysischen“ ist Sinn einerseits überreichlich vorhanden, andererseits scheint er nicht mehr ganz rational oder erschöpfend bestimmbar. Metaphysische Gegenstände machen uns „ahnen“ und sind vielleicht als Gegenstände des Ahnens bestimmbar. Während sich die Philosophie mit Wissen, Denken, Wollen, Müssen oder Glauben beschäftigt, scheint sie sich nur wenig mit dem Ahnen zu beschäftigen (auch wenn die Philosophie von Heidegger und Heideggers Verständnis von Metaphysik das tut, wenngleich in einer verklausulierten Terminologie, der sie dann scheinbar selbst zum Opfer fällt, und sich ihrem Erfolg immer nur annähert, ohne ihn zu erreichen). Ich sage auf jeden Fall immer: dass Metaphysik eine Sinnbestimmung des Subjekts in einer objektiven Welt sei. Das nicht zuletzt in Bezug auf Objekte, die unbekannt sind, aber spürbar und drängend auf das Subjekt wirken; das Subjekt auch mit der Frage konfrontieren, was es selbst sei, und inwieweit es das Objektive erkennen und seinen eigenen Sinn und seinen Sinn im Objektiven überhaupt bestimmen kann. So gesehen ist Metaphysik nicht (ausschließlich) wissenschaftlich, da sie einer Möbiusschleife zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven gleichkommt. Allerdings einer Art höherdimensionalen Möbiusschleife, entlang derer Fortschritte möglich sind – denn das Verfahren der Metaphysik ist eine rationale (keine phantastische) Ausdeutung des Subjekt-Weltverhältnisses. Gute Metaphysik scheint überhaupt auf einem Level der Meta-Rationalität stattzufinden. Was Meta-Rationalität dabei genau ist und was ihre Kriterien sind, ist aber nicht bestimmbar und sie ist auch nicht vorhersehbar (wahrscheinlich ist das Einnehmen von meta-rationalen Standpunkten die Domäne des Genies. Damit wäre auch Metaphysik die Domäne des Genies. In der Kritik der Urteilskraft lässt sich Kant über das Genie aus, teilt ihm – ein wenig irritierenderweise – aber allein die Domäne der Künste zu. Selber scheint sich Kant also für kein Genie gehalten zu haben. Vielleicht war er ja unzufrieden mit sich, weil er mit seiner kargen Metaphysik unzufrieden war). In der Metaphysik geht es in meiner bescheidenen Ansicht darum, das Subjekt-Weltverhältnis zu bestimmen in Bezug auf Ontologie (was/wie ist das Sein?), Epistemologie (was kann ich über alles Sein, inklusive meinem eigenen wissen?), Deontologie (wie soll ich – oder das Sein insgesamt – sich verhalten, nach welchem Verhalten verlangt das Sein?) und Eschatologie (was ist der Sinn allen Seins, was sind die letzten oder höchsten Qualitäten im Sein, an die wir uns annähern können?). Kant hat dabei auf alle diese Fragen profunde und neuartige Antworten serviert. Seine Ontologie ist die von Erscheinung und Ding an sich, seine Epistemologie die von den Anschauungsformen und den synthetischen Sätzen a priori, mit der Deontologie befassen sich seine Kritik der praktischen Vernunft und seine moralphilosophischen Schriften, die schließlich in die eschatologischen Betrachtungen über die Zweckmäßigkeit der Natur in den letzten Kapiteln der Kritik der Urteilskraft überleiten. Meine eigene Metaphysik ist bekanntlich die vom Chaosmos. In allen Welten, in allen Formen regiert das Prinzip vom Chaosmos, also dem Zusammenspiel von Ordnung und Zufall/Chaos bzw. von Statik und Dynamik. Das ist eine (subjektiv gesetzte) qualitative Bestimmung des letzten Grundes der Welt, und damit eine Metaphysik. Gleichzeitig ist das eine Metaphysik, die gleichzeitig eine „Physik“ ist, und „die als Wissenschaft wird auftreten können“. Vor allen Dingen ist laut der Mathematik jegliches dynamische System (und damit jede mögliche Welt) ein solches Zusammenspiel von Ordnung und Zufall. Damit wäre also meine Metaphysik in einer Reihe mit der Wissenschaft und der Mathematik (die schwerer zu revidieren ist als die Wissenschaft, denn ein mathematischer Beweis ist nicht mehr widerlegbar). Obwohl ich Metaphysik also als etwas mit einem unwissenschaftlichen, subjektivistischen Anteil fasse, ist meine Metaphysik also ironischerweise also eine Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. Subjektivistisch ist sie allerdings, indem „Chaosmos“ eine bestimmte qualitative Formulierung ist und keine wissenschaftliche Kategorie (auch kann es sein, dass der Chaosmos nicht das bestimmende Ding der Welt ist, sondern etwas anderes, oder etwas anderes wichtiger ist; aufgrund der Quantenphysik könnte es zudem sein, dass es keinen Zufall in der Welt gibt, sondern das Universum superdeterminiert sei – auch wenn das nicht eben plausibel erscheint, zudem und vor allem aber ein Problem der Physik ist und nicht der Metaphysik). Wie dem aber auch sei. Kant liefert mit der Kritik der reinen Vernunft eine allein formale Bestimmung und Umkreisung der Metaphysik. Trotzdem er aber als „Alleszermalmer“ (des metaphysischen Spekulierens in der Philosophie) gilt, war Kant aber ein durchaus metaphysisch gestimmter Mensch, wahrscheinlich metaphysischer als die meisten Philosophen. Wie er selber meint, kann man die Metaphysik aber nicht so leicht austreiben. Sie kommt an anderen Stellen wieder herein, und vor allem ist das Auftreten der Metaphysik unerwartet. Bei Kant geschieht das in der Kritik der praktischen Vernunft und seinen moralphilosophischen Schriften. Die Vernunft führte uns in ihrem spekulativen Gebrauche durch das Feld der Erfahrungen, und, weil daselbst für sie niemals völlige Befriedigung anzutreffen ist, von da zu den spekulativen Ideen, die uns aber am Ende wiederum auf Erfahrung zurückführeten, und also ihre Absicht auf eine zwar nützliche, aber unserer Erwartung gar nicht gemäße Art erfülleten. Nun bleibt uns noch ein Versuch übrig: ob nämlich auch reine Vernunft im praktischen Gebrauche anzutreffen sei, ob sie in demselben zu Ideen führe, welche die höchsten Zwecke der reinen Vernunft, die wir eben angeführt haben, erreichen, und diese also aus dem Gesichtspunkte ihres praktischen Interesses nicht dasjenige gewähren könne, was sie uns in Ansehung des spekulativen ganz und gar abschlägt. (ebenda S.815)

Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. (Werke VII S.300) Indem Kant von einem moralischen Gesetz in mir spricht, bringt er schon wieder etwas profund Neues in die Welt, vollzieht auch darin eine Kopernikanische Wende. Das Sittengesetz wurde zu Kantens Zeiten, und davor (und danach) vorwiegend als Gesetz betrachtet, das vom Himmel kommt, das in der Religion begründet ist. Es ist kein rationales Gesetz, sondern eine offenbarte Wahrheit, und es liegt (ursprünglich) nicht in mir. Beziehungsweise sind Gesetz und Sittlichkeit soziale Konventionen, und motivieren das Individuum über Gefühle der Scham, der Angst (das „Gesicht zu verlieren“ bzw. den sozialen Tod zu sterben) oder der Ehre – also lauter Motiven im Hinblick darauf, was das Individuen für andere ist (bzw. allein gilt), und nicht, was es selber ist (das moralische Gesetz liegt also abermals nicht „in mir“). Sündenbewusstsein hinwiederum referiert auf den moralischen Wert eines Individuums selbst, sündig wird ein Individuum aber eben nicht vor sich selbst, sondern vor einer anderen Instanz, vor Gott. David Hume wiederum sieht den Grund für moralische Einstellungen in den Emotionen (und die Vernunft überhaupt als eine „Slavin der Leidenschaften“) – also nicht in einem Gesetz. Kant transformiert die Moralität nun zu einem „Gesetz in mir“, und zwar zu einem Gesetz, das sich auf reiner Vernunft begründet. Das ist dann der berühmte Kategorische Imperativ, und der ist sehr simpel: Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger, und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde, formuliert ihn Kant in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (ebenda S.51). Oder, in seiner allgemein bekannten Fassung in der Kritik der praktischen Vernunft: Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne. (ebenda S.140) Kant zufolge ist es über die Vernunft einsichtig, was Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte. Damit wird also die Vernunft zur entscheidenden Instanz für die Beurteilung von moralischen Handlungen: nicht mehr seien es Gefühle, Konventionen oder das Streben nach der eigenen Glückseligkeit. Reine Vernunft ist für sich allein praktisch, und gibt (dem Menschen) ein allgemeines Gesetz, welches wir das Sittengesetz nennen. (ebenda S.142) Zwar verneint Kant (entgegen der landläufigen Meinung) nicht, dass all das auch auf das Gebiet der Moral und der sittlichen Handlungen gehöre. Nichts davon aber sei allgemein bestimmbar, sondern subjektiv und kulturabhängig, Gegenstand einer Privatmoral aus persönlichen Neigungen u. dergl. Damit könne auch keine allgemeine Moralphilosophie darauf aufgebaut werden: Die Ursache davon ist: dass alle Elemente, die zum Begriff der Glückseligkeit gehören, insgesamt empirisch sind … (ebenda S.47) Kant geht allerdings noch weiter, indem er Gefühle, Konventionen, äußere Gesetze usw. überhaupt degradiert zu etwas gleichsam Kindischen, das in einer erwachsenen Moralauffassung nichts zu suchen hat und nicht mit ihr gemein habe. Der Mensch sei ein moralisches Wesen allein, indem er ein vernunftbegabtes, also mit Einsicht in das moralische Gesetz des Kategorischen Imperativs begabtes Wesen sei, das gleichzeitig frei sei und, qua seiner Vernunft, die Freiheit in sich trage, sich für seine Handlungen zu entscheiden. Aus dieser Freiheit allein (die also auch die Freiheit zum Bösen ist) entsteht also das moralische Gesetz in uns: Wäre aber keine Freiheit, so würde das moralische Gesetz in uns gar nicht anzutreffen sein. (ebenda S.108) Kant nimmt dieses Gesetz, dass sich aus der menschlichen Freiheit ergibt, ebenso ernst und ehern wie Gesetze der Natur: Denn diese Gesetze sind entweder Gesetze der Natur, oder der Freiheit. Die Wissenschaft von der ersten heißt Physik, die der anderen ist Ethik; jene wird auch Naturlehre, diese Sittenlehre genannt. (ebenda S.11) Während sich die Natur aber an ihre Gesetze halten muss, ist der Mensch frei, sich an das moralische Gesetz in ihm nicht zu halten. Also muss es einem Motivator im freien Menschen geben, der ihn dazu anhält, dem moralischen Gesetz in ihm gemäß zu handeln. In der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten ist das noch (allein) ein guter Wille: Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille. (ebenda S.18) Allerdings könnte man einwenden: der Wille ist (oder scheint) ja nicht frei. Über einen guten Willen zu verfügen wäre allein eine Sache des Glücks, so wie über einen schlechten Willen zu verfügen eine Sache des Unglücks wäre. Daher identifiziert Kant später dann in der Pflicht den ausschlaggebenden Motivator zum (eigentlich) moralischen Handeln. Pflicht ist die Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz. (ebenda S.26) In seiner Freude, den Stein der Weisen gefunden zu haben (oder ein Prinzip zu identifiziert zu haben, dass mit seiner eigenen pflichtbewussten Persönlichkeit kongruent geht), feiert Kant die „Pflicht“ geradezu hymnisch (Pflicht! du erhabener großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst, doch auch nichts drohest, was natürlich Abneigung im Gemüte erregte und schreckte, um den Willen zu bewegen, sondern bloß ein Gesetz aufstellst, welches von selbst im Gemüte Eingang findet, und doch sich selbst wider Willen Verehrung … erwirbt, vor dem alle Neigungen verstummen … usw (ebenda S.209)). Kant identifiziert auch die Schwärmerei als ein Motiv für (äußerlich) moralische Handlungen, degoutiert moralische Schwärmerei aber. Dennoch gerät er einigermaßen ins Schwärmen über seine eigene Moral vom Kategorischen Imperativ als dem „moralischen Gesetz in uns“. Dabei ist es genau genommen nicht das Sittengesetz, sondern das Bewusstsein davon (dass der Mensch in seiner Freiheit und seiner Vernunft das Sittengesetz also zu erkennen und anzuerkennen vermag) das gleichsam „metaphysische“ Faktum. Indem Kant das „moralische Gesetz in mir“ mit dem bestirnten Himmel vergleicht, referiert er gleichsam auf eine eherne Objektivität, die alles Menschlich-Subjektive praktisch unendlich übersteigt, das gleichsam ewig und unveränderlich/unabänderlich ist in Zeit und Raum. So wie der bestirnte Himmel über uns erfülle uns das moralische Gesetz in uns mit einem metaphysischen Schaudern: Denn das moralische Gesetz ist eine eherne Objektivität, die der Mensch erkennt, die aber gleichzeitig einen subjektiv-objektiven Ursprung hat – in der menschlichen Vernunft und Freiheit. Freiheit (als auch Vernunft) verschaffen uns einen Taumel – denn beide sind letztlich unendlich. Es sind so Vermögen im Menschen, mit denen der Mensch gleichzeitig immer über sich hinauswächst, mit denen es in ihm angelegt ist, über seine aktualen Möglichkeiten hinaus zu wachsen (auch wenn es das nicht tut). Das Bewusstsein für das moralische Gesetz wird somit zu einem metaphysischen Bewusstsein bei Kant, das moralische Gesetz in uns zu einer metaphysischen Bestimmung des Menschen. Damit liegt die Begegnung mit der Metaphysik bei Kant also tatsächlich nicht in der reinen Vernunft, sondern in der Moral gewordenen praktischen Vernunft. In seiner Metaphysik der Moral geht Kant aber noch einen großen Schritt weiter (und damit gleichsam auch wieder einen großen Schritt zurück): Indem er Gott, Seele, Unsterblichkeit, Vergeltung für gute und schlechte Taten nach dem Tod durch göttliche Gerechtigkeit wieder einführt. Zwar nicht in der Vorstellung, dass diese religiös-metaphysischen Gegenstände auch tatsächlich vorhanden sein müssten. Sondern als „regulative Idee“, wonach sich der Mensch, um moralisch sein zu können, es sich so vorstellen müsse, annehmen müsse, dass eine solche religiös-metaphysische Ordnung gäbe. Ansonsten sei der Mensch offensichtlich zu schwach, um moralisch sein zu können – das ist eine Vorstellung, auf der Kant immer wieder insistiert. Und das erscheint ein wenig seltsam, denn Kant müsste doch intelligent und visionär genug gewesen sein, um eine atheistische Moralität zu formulieren (was er mit seinem Kategorischen Imperativ ja auch getan hat – um dann wieder eine Art Schritt dahinter zurück zu machen). War der Alleszermalmer in Wahrheit ein religiöser Mensch, oder ein Mensch mit starken religiösen (und metaphysischen) Bedürfnissen (die diversen Biographien geben darüber keine eindeutige Antwort. Einig sind sie sich nur darin, dass Kant das „Pfaffentum“ verachtete und kein Kirchgänger war. Was aber nicht gegen eine tiefer, und verborgen liegende Religiosität sprechen würde)? Wollte Kant den weltlichen und religiösen Autoritäten seiner Zeit, in der Aufklärer gefährlich lebten, weniger Angriffsfläche bieten, indem er die Religion „wieder einführte“ (Kant lebte zumeist in einer liberalen geistigen Atmosphäre, wusste aber, dass das zur damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit war und Änderungen unterworfen sein konnte)? Auf jeden Fall aber war sich Kant bewusst, dass die „eigentlichen“ Fragen des Lebens weniger in der Kritik der reinen Vernunft und ihrem Programm lag, sondern eben in der Metaphysik und der Religion. Kant hat sich, implizit oder explizit, in allen seinen Kritischen Schriften um eine Verhältnisbestimmung zwischen Philosophie/Vernunft und Religion bemüht, und ihr auch eine eigene Schrift gewidmet (Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft). Auch in einer seiner letzten Schriften, Der Streit der Fakultäten, geht es (unter anderem) noch einmal um Grenzziehungen zwischen Philosophie und Theologie. Oder aber vielleicht war Kant, der ja nicht nur Philosoph sondern auch Anthropologe war, sich, anders als andere Aufklärer, dessen besser bewusst, dass auch nach Jahrhunderten der Aufklärung das Akzeptieren der eigenen Endlichkeit und einer „Moral ohne Gott“ wahrscheinlich ein Minderheitenprogramm unter den Menschen bleibt und bleiben wird.  

Kant verlagert die Instanz für die Beurteilung von moralischem Handeln also in die Vernunft. Damit wird das Subjekt zu einem moralisch autonomen Wesen. Das ist eine moralische und intellektuelle Revolution, die unabdingbar ist für die Aufklärung. Natürlich ist sich Kant bewusst, dass eine derartige Bestimmung der menschlichen moralischen Autonomie und dass der Kategorische Imperativ theoretisch sind. Aber auch theoretische Bestimmungen können „richtig“ sein und die Praxis beeinflussen. Sowohl in der „theoretischen“ Hinsicht als auch in ihrer Wirkungsmöglichkeit auf die Praxis ist die Kantsche Innovation Gegenstand diverser kritischer Betrachtung. So lässt sich fragen: Kann denn die Vernunft allein entscheiden, was „Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnte“? Denn Antinomien liegen eigentlich in der Vernunft selbst. Was also bedeutet: Sogar die Vernunft selbst kann verschiedene Blickwinkel darauf errichten und Empfehlungen dafür abgeben, was „Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnte“, oder welches moralische Handeln einzuschlagen sei. Gar nicht zu reden von den Gefühlen, den Kontexten, den Konventionen, oder dass die Weitsicht hinsichtlich der Folgen unserer Handlungen begrenzt ist. Ethisches Handeln geschieht aus einer Vielzahl von situativen Faktoren heraus, und nicht bloß (wenn überhaupt) aus „Pflicht“. Hegel identifiziert bei Kant das Problem, dass er das moralische Gesetz ausschließlich in einer formalen Bestimmung der Subjektivität sehe, in der sich die umgebende Wirklichkeit und ihre Institutionen gleichsam auflösen. Mit dem Kategorischen Imperativ lässt sich zum Beispiel sowohl für als auch gegen das Privateigentum argumentieren. Ob er also Privateigentum zulässt oder nicht, müsse daher gleichsam eine Vorentscheidung über die Gestaltung der Gesellschaft seien, deren Ausgestaltung sonst nie festlegbar sei (und überhaupt geschieht moralisches Handeln und Beurteilen in keiner voraussetzungslosen Welt, sondern in einer, in der wesentliche Vorentscheidungen schon getroffen wurden und institutionalisiert sind). Mit seiner Pflichtethik wird Kant tatsächlich ein wenig solipsistisch und unheimlich. In seiner kurzen Schrift Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen fasst Kant es auch in den naheliegendsten Umständen als unmoralisch auf, wenn man nicht immer die Wahrheit sage. Überhaupt hat Pflicht, wenn sie denn ins Extrem getrieben, etwas Lebensfeindliches und Lebensabtötendes. Das wird, entgegen mancher Unkenrufe, der alternde Denker zwar nicht, aber er nähert sich solchen Qualitäten an. Der Neukantianer Alois Riehl (1844-1924) kritisiert bei der „transzendentalen Freiheit“ einen Hang zur Metaphysik bei Kant. Riehl erklärt das moralische Bewusstsein mit Rekurs auf das Gattungsbewusstsein. Wie mir scheint, tue ich das auch. Denn auch ich kenne eine tiefe Grundlage für die menschliche Moralität – und die ist DAS GESETZ. DAS GESETZ bedeutet die grundlegende Gesetzmäßigkeit, dass der Mensch Gesetz und Moral machen muss. Das ist sogar gleichsam seine metaphysische Bestimmung. Metaphysik bedeutet, „hinter“ die Dinge blicken zu wollen, oder, zeitgenössisch gesagt, die „Matrix“ sehen zu wollen. Die menschliche Matrix in ihrer Reinform aber ist die: dass der Mensch einerseits ein Individualwesen, andererseits ein Gattungswesen ist (Kant spricht das kontingenterweise auch, wenngleich eher beiläufig aus, wenn er in seiner Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht von der „geselligen Ungeselligkeit“ des Menschen spricht). Als vernunftbegabtes Wesen, das in der Lage ist, seine eigene Lage und seine Umwelt zu manipulieren und auszugestalten, ist der Mensch darauf zurückgeworfen, dahingehend auch sein Verhältnis von Individual- und Kollektivwesen in Einklang zu bringen: und das passiert dann über Moral und die Ethik. Diese Gesetzmäßigkeit zum Gesetz ist dann also DAS GESETZ, als Konstante, der der Mensch unterliegt. Ich muss sagen, dass mich meinerseits DAS GESETZ mit einem metaphysischen Schaudern erfasst. Die Einsicht vom GESETZ ist auch keine triviale Einsicht (auch wenn sie, wie viele metaphysische Einsichten so scheinen mag), sondern Ergebnis einer langen und profunden Introspektion und metaphysischen Versenkung. DAS GESETZ bedeutet, dass der Mensch seine Moral selbst schaffen kann, und das erfüllt mich mit tiefer Ergriffenheit. Freilich ist DAS GESETZ inhaltlich sehr unterbestimmt, noch unterbestimmter und formaler als der Kategorische Imperativ. Es scheint nicht zu beachten, dass der Mensch an sich dauernd Gesetze macht, und das mit Freude und ohne moralische Ergriffenheit. Die „Gesetze“ des Menschen reichen von tiefen moralischen Richtlinien bis zu belanglosen, kultur- und zeitabhängigen Etiketten, auf die er dann trotzdem nicht weniger Wert legen mag. Die Gesetze des Menschen mögen falsch und lebensfeindlich sein und eigene Pfadabhängigkeiten schaffen, gemäß derer Gesetze noch lange in Kraft bleiben, auch wenn sie ihren Grund längst verloren haben und nunmehr hauptsächlich kontraproduktiv sind. Nationale Gesetze veranlassen zu nationalem Stolz auf diese Gesetze, und Moral veranlasst zu moralischem Narzissmus. Der Mensch erschafft Gesetze nicht allein aus moralischer und vernünftiger Erwägung, sondern außerdem aus einem Trieb – einem Spieltrieb gleich – heraus, Rituale, Gesetze und soziale Praktiken festzulegen – deren eigentlicher Sinn oder Implikationen ihm gar nicht klar sein mögen. Genau betrachtet ist die Welt voll mit Moral und kennzeichnet sich mit einem Mangel an Moral und an Moralisieren, sondern im Gegenteil – wie schon Kant bemerkt: Unter allem Räsonieren (in einer Gesellschaft, Anm.) ist aber keines, was mehr den Beitritt der Personen, die sonst bei allem Vernünfteln bald lange Weile haben, erregt, und eine gewisse Lebhaftigkeit in die Gesellschaft bringt, als dass über den sittlichen Wert dieser oder jener Handlung, dadurch der Charakter irgend einer Person ausgemacht werden soll. (Werke VII S.289). Aber genau diese Vollgestopftheit der Welt und der Menschen mit Moral macht mich guten Mutes (in dem Sinn bin ich auch kein strenger Dualist wie Kant, der eine empirische Welt von der noumenalen, idealen Welt der moralischen Ideale unterscheidet: jene wirkt für mich viel zu stark in diese empirische Welt hinein und ist mit ihr urtümlich verwoben als dass sie ein wirkungsloses, abgehobenes Reich allein sei, wie Pessimisten gerne monieren – trotzdem – und das ist das Beste! – sie ihren noumenalen, idealen, ewigen, überzeitlichen – und daher metaphysischen – Charakter behält). Auf jeden Fall erfasst mich DAS GESETZ mit ehrfurchtsvollem Schaudern. Denn DAS GESETZ bedeutet, dass der Mensch, qua seiner Vernunft, in der Lage ist, das Richtige zu tun, und das richtige Gesetz auszuwählen. Und ein angenehmes Erschaudern und eine metaphysische Ergriffenheit vor dieser Möglichkeit ist halt mal für mich ein bestimmendes Lebensgefühl (und nicht nur für mich – sondern für Menschen durchaus allgemein). Deshalb verstehe ich Kant ganz gut, wenn er immer wieder in einen metaphysischen Begeisterungstaumel ob unserer Unterworfenheit unter das großartige moralische Gesetz gerät (Die verschleierte Göttin, vor der wir beiderseits unsere Knie beugen, ist das moralische Gesetz in uns, in seiner unverletzlichen Majestät. (Werke VI S.395) u. dergl. mehr). Kant spricht auch nicht klein von der Moral. Der Durchbruch des Menschen zum Kategorischen Imperativ und zum moralischen Gesetz in ihm gleicht einer Revolution: Dass aber nicht bloß ein gesetzlich, sondern ein moralisch guter (Gott wohlgefälliger) Mensch, d.i. tugendhaft nach dem intelligiblen Charakter (virtus noumenon), werde, welcher, wenn er etwas als Pflicht erkennt, keiner anderen Triebfeder weiter bedarf, als dieser Vorstellung der Pflicht selbst: das ist nicht durch allmähliche Reform, so lange die Grundlage der Maximen unlauter bleibt, sondern muss durch eine Revolution in der Gesinnung im Menschen (einen Übergang zur Maxime der Heiligkeit derselben) bewirkt werden; und er kann ein neuer Mensch, nur durch eine Art von Wiedergeburt, gleich als durch eine neue Schöpfung (Ev. Joh III, 5 , verglichen mit 1. Mose I, 2), und Änderung des Herzens werden. (Werke VIII S.698) Wie alle Revolutionen fängt sie mit einer Erkenntnis über die objektive Lage an, und ist dann – auf sich allein gestellt – ein schwieriger Prozess, voller Abwege und Schrecken: Die moralische Selbsterkenntnis, die in die schwerer zu ergründenden Tiefen (Abgrund) des Herzens zu dringen verlangt, ist aller menschlichen Weisheit Anfang … (nur die Höllenfahrt des Selbsterkenntnisses bahnt den Weg zur Vergötterung). (ebenda S.576) In der Kritik der praktischen Vernunft ist Kant noch bescheidener, und spricht vom moralischen Prozess als einer Annäherung an ein Ideal (der Heiligkeit), die für den Menschen allein im Unendlichen stattfinden könne: Die völlige Angemessenheit des Willens aber zum moralischen Gesetz ist Heiligkeit, eine Vollkommenheit, deren kein vernünftiges Wesen der Sinnenwelt, in keinem Zeitpunkte seines Daseins, fähig ist. Da sie indessen gleichwohl als praktisch notwendig gefordert wird, so kann sie nur in einem ins Unendliche gehenden Progressus zu jener völligen Angemessenheit angetroffen werden, und es ist, nach Prinzipien der reinen praktischen Vernunft, notwendig, eine solche praktische Fortschreitung als das reale Objekt unseres Willens anzunehmen. (Werke VII S.252) Diese Vorstellung vom „unendlichen Progressus“ kann kritisiert werden, da darin der strebende Mensch dem Ideal der Heiligkeit strukturell um nichts näher komme, und es vor allem nie erreiche. Allein „reinen Intelligenzen“ sei ein solche Annäherung möglich – die aber brauchen keinen Moralisierungsprozess. Allerdings kann ich hier keinen tatsächlichen Widerspruch ausmachen, da der moralische Progressus einem Imperativ folgt, und, wie alles moralische Streben, im Folgen dieses Imperativs aufgeht. Heiligkeit ist ein Zustand, der (von einigen Menschen, die dazu die Anlagen haben) über Kasteiung, Selbsterkenntnis, Höllenfahrt u. dergl. erreicht werden kann (und dann auch bewahrt werden muss: sind es doch gerade die Heiligen, die sich dauernd Kasteiungen und Selbstprüfungen aussetzen und Versuchungen widerstehen usw.). Das Erreichen dieser Heiligkeit ist dann tatsächlich eine Erschütterung gleich einer Revolution. Aber eine Revolution ist nichts Mystisches, sondern kann beschrieben werden. Man sagt – und kann mit Kant und dem Kategorischen Imperativ sagen –: der gute Mensch ist derjenige, der sich objektivieren kann. Der also in seinen Handlungen und Einschätzungen nicht von seinem reinen Eigeninteresse ausgeht, sondern der naturgemäß grundsätzlich danach fragt, wie eine Handlung und Einschätzung im objektiven Interesse zu bewerten sei. Das ist die moralische Revolution. Revolutionen gestalten grundsätzlich um, und innere Revolutionen gestalten das Innere um. Mittlerweile gerate ich nicht mehr so sehr ins Schwärmen, ob dem GESETZ und der moralischen Revolution, die mit dem GESETZ in Verbindung steht, zu dem DAS GESETZ aufruft. Nicht dass meine Begeisterung dafür abgeflaut ist, aber die moralische Revolution ist mir nichts Neues mehr. Wahrscheinlich fühle ich mich nicht wie die meisten anderen Menschen. Und bekanntlich fühle ich mich kaum als etwas so Zentriertes wie eine „Person“. Ich fühle mich eher wie eine riesige Fabrik, eine riesige industrielle Anlange, die weit in Gebiete reicht, in denen „ich“ und mein Eigeninteresse gar nichts verloren haben. Trotzdem wird auf allen, und für alle, Gebiete produziert und geschaffen. Trotz seiner moralischen Schwärmerei hat man Kant oft vorgeworfen, er sei im Alter, und gerade mit seiner Moralphilosophie vom Kategorischen Imperativ zusehends unpersönlich und gleichsam „mechanisch“ geworden. Aber wahrscheinlich ist das Bild der zu Ende gebrachten moralischen Revolution das einer ruhigen, mechanischen Anlage, die sich zum Horizont hinaus verstrebt.

Verstand und Vernunft sind Vermögen, mittels derer wir Allgemeines erkennen: über den Verstand sind es Begriffe, über die Vernunft sind es Schlussfolgerungen und Ideen. Qua Verstand und Vernunft erkennen wir also ein Allgemeines, unter das wir dann ein Besonderes subsumieren können. Die philosophische Erkenntnis betrachtet also das Besondere nur im Allgemeinen, die mathematische das Allgemeine im Besonderen… (Kritik der reinen Vernunft S.733) Das Beurteilungsvermögen hingegen hat etwas Besonderes vor sich. Ein Mensch mit einem guten Beurteilungsvermögen ist in der Lage, ein Besonderes richtig unter ein Allgemeines (beziehungsweise anhand eines Allgemeinen) einzuordnen – oder adäquat für sich zu beurteilen, wenn kein Allgemeines und kein Regelfall dafür gefunden werden kann. Im ersten Fall spricht Kant von der bestimmenden Urteilskraft, im zweiten von der reflektierenden Urteilskraft: die also zu einem gegebenen Besonderen das Allgemeine erst zu finden hat. In der Kritik der Urteilskraft befasst sich Kant hauptsächlich mit der reflektierenden Urteilskraft. Die Zweckmäßigkeit wird zum zentralen Begriff, anstelle der Vernünftigkeit: Während etwas Vernünftiges klar und vollständig rational festgestellt und benannt werden kann, bleibt das Zweckmäßige, auch wenn es sich offenbart, letztendlich ein Mysterium für die reine als auch die praktische Vernunft. Die reflektierende Urteilskraft, die ein Besonderes betrachtet, für das kein Allgemeines vorliegt, betrachtet dieses Besondere als Ganzes und für sich, und versucht, seine Zweckmäßigkeit festzustellen. Zweckmäßig kann etwas sein in Bezug auf ein anderes, oder aber auch in Bezug auf sich selbst und in sich selbst. Im ersten Fall ist eine rationale Durchleuchtung der Zweckmäßigkeit leicht, im zweiten Fall scheint sie viel schwieriger, wenn nicht unmöglich. Was ist der Zweck von etwas, das rein zweckmäßig ist in sich selbst – also zum Beispiel etwas Schönes oder ein Kunstwerk – bzw. was für ein Zweck könne daraus abgeleitet werden? Der größere Teil der Kritik der Urteilskraft bezieht sich auf die sinnliche Wahrnehmung, auf die Ästhetik und auf die Kunst. Die Wirkung der Kunst ist rätselhaft und kann weder mit der Vernunft noch mit dem Verstand völlig erfasst werden. Sie bezieht sich auf unsere Einbildungskraft – doch nach welchen Regeln funktioniert die Einbildungskraft? Kann allgemein etwas über sie ausgesagt werden? Gleichzeitig geht ein gutes Kunstwerk offenbar aber auch mit der Vernunft und dem Verstand kongruent, und es verdeutlicht und illustriert Begriffe als auch Ideen. Das Kunstwerk ist ein Besonderes, für das es kein Allgemeines gibt, das aber etwas Allgemeines in sich trägt, oder das ein Allgemeines erst schafft und auf seine Weise etabliert. Kant bemüht sich, die Qualitäten der Urteilskraft, des Kunstwerks und der Kategorien des Ästhetischen genau zu bestimmen. Schließlich liegt Schönheit angeblich im Auge des Betrachters, und es ist ein subjektives Urteil, was man als schön findet und was nicht. Es ist eine Frage des Geschmacks. Allerdings scheint man dann doch wieder unterscheiden zu können zwischen einem guten und einem schlechten Geschmack. Einen so guten Geschmack, dass er einem intuitiv richtigen ästhetischen Beurteilungsvermögen gleichkommt, haben nur wenige Individuen. Allerdings ist man in der Lage, das zu erkennen, und der Geschmack dieser Individuen wird stilbildend und als objektiv gültiges Geschmacksurteil angesehen. Kant geht davon aus, dass in die meisten Geschmäcker subjektive Regungen und Wertungen hineinspielen, oder diesen überhaupt bestimmen – und somit keine reinen Geschmacksurteile bilden könnten: Der Geschmack ist jederzeit noch barbarisch, wo er die Beimischung der Reize und Rührungen zum Wohlgefallen bedarf, ja wohl gar diese zum Maßstabe seines Beifalls macht. (Kritik der Urteilskraft S.82) Wenn aber subjektive Regungen den Geschmack für das Schöne so oft bestimmen, was ist dann reine, das unverfälschte Schöne, das der wahre Geschmack zu erkennen vermag? Kants berühmtes Diktum lautet, dass das Schöne „interesseloses Wohlgefallen“ in uns hervorrufe. Das Schöne hat also eine schlichte, eine reine Wirkung auf mich. In die Wahrnehmung des reinen Schönen spielt kein anderes Motiv hinein (wie das Erotische, das Überraschende, das Ideologische… also lauter Motive, die mit einem subjektiven Interesse einhergehen). Wenn das Wohlgefallen nicht interesselos wäre, hätte es ein praktisches Interesse. Und wenn ein subjektives, praktisches Interesse hineinspiele, sei das Schöne nicht mehr verallgemeinerbar. Interesseloses Wohlgefallen bedeutet vor allem: die freie Übereinstimmung aller Erkenntnisvermögen (Verstand, Vernunft und Urteilskraft), die in diesem harmonischen Zusammenklang nichts aneinander zu beanstanden haben (wie normalerweise sonst immer). Anders als Verstand und Vernunft können Urteilskraft und Einbildungskraft nicht gesetzgebend werden: sie können keine vollständige Klarheit über die Gegenstände ihrer Betrachtung stiften. Aber sie können einen freien, harmonischen Zusammenklang zwischen den Vermögen stiften. Neben dem Schönen widmet sich Kant in der Kritik der Urteilskraft auch dem Erhabenen. Während das Schöne wohlgeformt und spielerisch-harmlos ist, ist das Erhabene ungeformt und wirkt bedrohlich, zumindest aber so, dass wir und zunächst in Anbetracht des Erhabenen verkleinert fühlen. Sogleich aber fühlen wir uns durch das Erhabene aber auch selbst vergrößert und über die Grenzen unserer Subjektivität erhoben: als etwas, das diesem Erhabenen scheinbar gleichkommt – indem wir die Fähigkeit haben, das Erhabene zu erkennen und es dann doch, zumindest teilweise, zu beherrschen. Vor allem fühlen wir uns dem Erhabenen gegenüber erhaben, indem wir uns als moralisch-geistige Wesen wahrnehmen würden, während das Erhabene in der Natur bewusstlos ist. Kant befasst sich in der Kritik der Urteilskraft auch mit dem Genie. Dieses ist gleichsam eine ins Absolute gesteigerte Urteilskraft. Genie ist das Talent (Naturgabe), welches der Kunst die Regel gibt. (ebenda S.189) Die Kunst hat an und für sich keine Regeln. Das Genie entdeckt oder erfindet sie, aus seiner sicheren Urteilskraft heraus. Damit ist, anders als man es erwarten würde, das Genie primär kein Verstandes- oder Vernunftwesen, sondern gleichsam ein „Naturwesen“ außerhalb der Gesellschaft, das sich über seine Urteilskraft in der Welt orientiere und so schöpferisch sei, das ein Auge für das Besondere habe, und das Besondere in einer derartigen Weise behandle, dass es höchste allgemeine Bedeutsamkeit erlange. Über das Genie habe ich mich selber so oft ausgelassen, dass es mir ein wenig peinlich ist und ich jetzt nichts dazu sagen will. Wie alles andere bestimmt Kant auch das Genie als etwas, was innerhalb seines Systems seinen Platz hat und innerhalb seines Systems folgerichtig ist, das heißt tiefsinnig, originell und präzise, aber vielleicht auch ein wenig reduziert (die hochinteressante Frage bleibt natürlich sowieso: inwieweit ist das System von Kant gleich dem Weltsystem?). Dass das Schöne „interesseloses Wohlgefallen“ in einem auslöse, hat immer wieder einen gewissen Spott über den sowieso als eunuchenhaft verschrienen Kant provoziert. Normalerweise denkt man beim Schönen primär an was anderes, an dem man gemeinhin sehr interessiert ist. Ich selber habe einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik. Allerdings finde ich viele ästhetisch reizende bzw. schöne Sachen – z.B. Schönheit in der Natur, in Gegenständen, in Mode und Kleidung – gar nicht unmittelbar „schön“ (oder belege das vielleicht nicht unmittelbar mit diesem Ausdruck), sondern eher „gut“ oder „ästhetisch“. „Schön“ finde ich unmittelbar aber die weibliche Form. Die weibliche Form ist mir Träger des Schönen. Der Verdacht liegt nahe, dass in diese Bestimmung des Schönen das hineinspielt, wovor Kant gewarnt hat: ein anderes Motiv (in dem Fall die erotische Attraktion). Aber ich weiß es nicht. Vielleicht ist die Verkörperung des Schönen einfach tatsächlich die weibliche Form bzw. das Weibliche. Idealerweise ist das Weibliche das Anmutige, und auch das Anmutige provoziert eigentlich ein interesseloses Wohlgefallen, einen reinen Reiz, der gleichzeitig aktiviert und auch beruhigt. Das Schöne ist vor allem etwas Besonderes, und scheint etwas Subjektives. Das Schöne scheint ein pulsierendes Besonderes, eine pulsierende Subjektivität zu sein. Und ich mag das Subjektive. Klinische, rein objektive Schönheit bei Frauen finde ich nicht übermäßig schön. Subjektive Züge in der Weiblichkeit und Idiosynkrasien hingegen finde ich sehr schön. Am idealtypischsten kommt mir diese Form von Schönheit in den Pin-Ups von Gil Elvgren zum Vorschein. Das sind keine vulgären Pin-Up Gemälde, das Erotische und Anzügliche wird bestenfalls angedeutet darin. Die Pin-Ups von Gil Elvgren sind beinahe übernatürlich lebensecht, seine Frauenbilder haben Persönlichkeit und Schwung. Vor allem bestechen sie durch ihre Freundlichkeit – daher sind sie auch die gute Subjektivität. Während die männliche Subjektivität, auch in ihrer schönsten Erscheinungsform, etwas Vierschrötiges, Plumpes und Brutales hat, etwas, das ständig Raum erobern will und alles umwerfen, ruhen die Frauen von Gil Elvgren in ihrer eigenen Freundlichkeit und scheinen sich selbst genug und völlig harmonisch in sich abgeschlossen. Sie sind offenbar zufrieden mit sich selbst. Feministinnen beschweren sich dauernd über einen „verobjektivierenden maskulinen Blick“, der Frauen auf reine (Sex)Objekte reduziere, und der immer und überall am Werk sei, wo Männer seien. Doch die Frauen von Gil Elvgren verkörpern das genaue Gegenteil dazu: eine völlig befreite und liberalisierte Subjektivität, die von einer etwaigen feindlichen Macht kaum kolonialisiert werden kann, weil sie eine jedwede andere Macht einfach umwirft. Wenn Kant meint: nur ein Genie kann das wahrhaft Schöne ausdrücken, so trifft das in dem Fall sicher zu. Mit seinen Pin-Ups hat Gil Elvgren keine „hohe“ Kunst gemacht. Aber auch in seiner Zunft – der der Illustratoren – gibt es herausragende Genies; wie zum Beispiel Norman Rockwell, oder eben ihn. Elvgren meinte, dass gute Modelle etwas Besonderes seien, und nicht leicht zu finden. Er bevorzugte jüngere Modelle, die am Anfang ihrer Karriere standen, und in denen noch die Spontaneität und Frische zu finden sei, die erfahreneren Modellen meist abgehe. Als wichtigste Qualität eines Modells nannte er ein Gesicht, das in der Lage sei, viele verschiedenen Stimmungen glaubhaft auszudrücken. In der Anatomie der menschlichen Destruktivität definiert Erich Fromm das Biophile und das Nekrophile (ähnlich wie Eros und Thanatos bei Freud). Das Biophile ist dem Leben zugewandt, dem Aufblühenden, sich Entfaltenden (und dem blühend Subjektiven). Das Nekrophile hingegen ist eine neurotische Abwendung vom Biophilen, hin zum Abstrakten, zum Lebensfernen, bis überhaupt hin in die Zerstörung, in den Verfall, in Perversion und Tod. Die meisten Menschen haben dabei biophile und nekrophile Anteile. Nur vereinzelt seien Menschen rein nekrophil (als Beispiel führt Erich Fromm Hitler an). Vereinzelt gebe es aber auch rein biophile Erscheinungen. Die Frauenbilder von Gil Elvgren sind solche rein biophilen Erscheinungen – ja, das ist ganz sicher so. Wir leben im Sein und nicht im Nichtsein, das Sein ist für uns notwendigerweise die höhere (oder naheliegendere) Qualität als das Nichtsein. Damit ist das Biophile – das das Sein bestätigen und vermehren will – auch das höhere, und schönere Prinzip als das Nekrophile, das von Sein abziehen und subtrahieren will. Als Illustration des rein Biophilen geben mir die Frauen von Gil Elvgren – als jeweils besondere, subjektive Erscheinungen – eine allgemeine Vorstellung, wie die Welt idealerweise sein soll; sie sind ein allgemeines Idealbild der Welt. So gesehen hat Gil Elvgren das Problem gelöst, wie man etwas Besonderes mit einem Allgemeinen verknüpfen kann. Und wenn ich es recht introspektiv betrachte und mir versuche zu vergegenwärtigen, was die Gemälde von Gil Elvgren letztendlich in mir auslösen: so ist es tatsächlich ein interesseloses Wohlgefallen, und eine behagliche Übereinstimmung, wo alle Vermögen miteinander im Einklang sind. Die Frauen von Gil Elvgren scheinen ihren Zweck in sich selbst zu haben, so wie die reine Kunst ihren Zweck in sich selbst hat. Was aber ist der Zweck von einem Zweck in sich selbst? Außerdem verweist ja eben das selbstzweckhafte Kunstwerk nicht zuletzt (und vor allem) auf Zwecke, die außerhalb seiner selbst liegen. Der zweite Teil der Kritik der Urteilskraft befasst sich mit der teleologischen Urteilkraft und der Frage nach der Zweckmäßigkeit der Natur. Über einen göttlichen Schöpfer der Natur kann gemäß Kant nichts gesagt werden, ein solcher kann daher auch nicht befragt werden, was der Zweck der Natur bzw. seiner Schöpfung sei. Gleichzeitig weist die Natur und weisen alle Lebewesen eine innere Zweckmäßigkeit auf, die auch äußerlich aufeinander abgestimmt ist. Das provoziert die Frage: was ist der höhere Zweck dieser erstaunlichen Zweckmäßigkeit? Ist diese Zweckmäßigkeit rein in sich selbst und abgesehen davon nihilistisch? Ist der höhere Zweck gesetzt von einem bösen Demiurgen, der gerade so viel Zweck in der Welt zulässt, damit diese nicht zusammenfällt, und sich die Lebewesen fortwährend und unter dem Vorgaukeln falscher Hoffnungen (und in einer illusionshaften Bewunderung der „Zweckmäßigkeit“ in der Schöpfung) letztendlich hauptsächlich quälen? Wenn über einen Ursprung der Zweckmäßigkeit nichts gesagt werden kann, liegt der Zweck dann in der Entfaltung der Zweckmäßigkeit, in der Teleologie? Das muss ebenso unbekannt bleiben, denn ebenso wenig wie Ursprung kennen wir das Ziel der Schöpfung. Wenn es einen äußeren, einen höheren Zweck der Schöpfung gibt, ist dann die innere Zweckmäßigkeit der Wesen nur ein Mittel zu diesem Zweck? Über Mittel und Zweck hat sich Kant schon in der Kritik der praktischen Vernunft ausgelassen, da das Zielbestimmungen moralischen Verhaltens sind. Das moralische Gesetz ist heilig (unverletzlich). Der Mensch ist zwar unheilig genug, aber die Menschheit in seiner Person muss ihm heilig sein. In der ganzen Schöpfung kann alles, was man will, und worüber man etwas vermag, auch bloß als Mittel gebraucht werden; nur der Mensch, und mit ihm jedes vernünftige Geschöpf, ist Zweck an sich selbst. Er ist nämlich das Subjekt des moralischen Gesetzes, welches heilig ist, vermöge der Autonomie seiner Freiheit. (Werke VII S.210) Der Mensch ist einerseits ein reines Naturwesen und ein Element der Natur: aufgrund seiner inneren, organischen Zweckmäßigkeit. Aber der Mensch ist auch ein vernünftiges, geistiges, gemäß seiner praktischen Vernunft ein freies Wesen, das über sich selbst und andere Wesen frei bestimmen kann. Damit reicht der Mensch über die reine Natur hinaus in die noumenale Sphäre und wird ein metaphysisches Wesen. Indem es kein anderes derartiges Wesen und keine andere derartige Erscheinung in der Natur gibt, ist der Mensch also dahingehend mit sich allein – und kann keinen anderen Zweck in der Welt finden als sich selbst, in seiner Vernünftigkeit und seiner Freiheit. Die Kritik der Urteilskraft führt aus: Nun haben wir nur eine einzige Art Wesen in der Welt, deren Kausalität teleologisch ist, d.i. auf Zwecke gerichtet, und doch zugleich so beschaffen ist, dass das Gesetz, nach welchem sich Zwecke zu bestimmen haben, von ihnen selbst als unbedingt und von Naturbedingungen unabhängig, an sich aber als notwendig vorgestellt wird. Das Wesen dieser Art ist der Mensch, aber als Noumenon betrachtet; das einzige Naturwesen, an welchem wir doch ein übersinnliches Vermögen (die Freiheit) und sogar das Gesetz der Kausalität samt dem Objekte derselben, welches es sich als höchsten Zweck vorsetzen kann (das höchste Gut in der Welt), von Seiten seiner eigenen Beschaffenheit erkennen können. Von dem Menschen nun (und so jedem vernünftigen Wesen in der Welt), als einem moralischen Wesen, kann nicht weiter gefragt werden: wozu (quenem in fenem) er existiere. Sein Dasein hat den höchsten Zweck selbst in sich, dem, so viel er vermag, er die ganze Natur unterwerfen kann, wenigstens welchem zuwider er sich keinem Einflusse der Natur unterworfen haben darf. (Kritik der Urteilskraft S.350) Wenn der Mensch qua Vernunft und Freiheit Zweck in sich selbst ist, fällt er mit der (unbekannten) Zweckmäßigkeit der reinen Natur auseinander. Diese Abgelöstheit des Menschen von der reinen Natur kann man eventuell als Verdammnis betrachten. Allerdings auch als eine herausragende Qualität, die sich in einen Wert umsetzt. Wenn das auch vielleicht kein Wert für die Natur ist, ist es ein Wert für den Menschen selbst. Nun ist, wenn man der letzten Ordnung nachgeht, es ein Grundsatz, dem selbst die gemeinste Menschenvernunft Beifall zu geben genötigt ist: dass, wenn überall ein Endzweck, den die Vernunft a priori angeben muss, stattfinden soll, dieser kein anderer als der Mensch (ein jedes vernünftige Weltwesen) unter moralischen Gesetzen sein könne. Denn (so urteilt ein jeder): bestände die Welt aus lauter leblosen … vernunftlosen Wesen, so würde das Dasein einer solchen Welt gar keinen Wert haben, weil in ihr kein Wesen existierte, das von einem Werte den mindesten Begriff hat. (ebenda S.367f.) Was aber ist der Wert, der im moralischen Gesetz liegt, was ist der Zweck des moralischen Gesetzes, wonach man also jederzeit so handle, dass es zugleich Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung sein kann? Dass also ein Zustand verallgemeinert wird, in dem Wesen nicht unnötig verletzt werden (negativ gefasst) oder in dem Wesen glücklich leben können (positiv gefasst). Der Sinn und Zweck des moralischen Gesetzes und des Menschen als freiem, moralischen Wesen, ist also die Beförderung von Glückseligkeit unter den Menschen. Das ist der erhabene Zweck, den der Mensch gleichsam in sich trägt: als sein Endzweck. Die Idee eines Endzwecks im Gebrauche der Freiheit nach moralischen Gesetzen hat also subjektiv-praktische Realität. Wir sind a priori durch die Vernunft bestimmt, das Weltbeste, welches in der Verbindung des größten Wohls der vernünftigen Weltwesen mit der höchsten Bedingung des Guten an denselben, d.i. der allgemeinen Glückseligkeit mit der gesetzmäßigsten Sittlichkeit, besteht, nach allen Kräften zu befördern. (ebenda S.373)

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung. (Werke XI S.53) Die Schrift Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? aus dem Jahr 1784umfasst nur einige Seiten und ist eine Marginalie im Oeuvre Kants. Aber sie hebt Kant über den Status eines epochemachenden Genies gleichsam hinaus, macht ihn, ein weiteres Mal, zu einer noch profunderen Gestalt: abermals der einer grundsätzlichen Kopernikanischen Wende. Man könnte sagen, dass Kant mit seiner Programmatik der Aufklärung wohl sogar mehr als ein neues „Achsenzeitalter“ einleitet, sondern etwas, das den Gang der Menschheitsgeschichte wohl bis ans Ende derselben begleiten und bestimmen wird. Das Zeitalter der Vernunft und der Aufklärung: die sich also der Vernunft als dem wichtigsten, primären Mittel der menschlichen Verständigung bedient; in dem die Vernunft der Hegemon ist. Für Kant liegt darin die primäre Möglichkeit des allgemein zufriedenstellenden menschheitsgeschichtlichen Zustandes: Und so ist der Ausschlag einer durch Philosophie versuchten ältesten Menschheitsgeschichte: Zufriedenheit mit der Vorsehung und dem Gange menschlicher Dinge im Ganzen, der nicht vom Guten anhebend zum Bösen fortgeht, sondern sich vom Schlechteren zum Besseren allmählich entwickelt; zu welchen Fortschritte denn ein jeder an seinem Teile, so viel in seinen Kräften steht, beizutragen durch die Natur selbst berufen ist. (ebenda S.102) Und man sieht also: Für Kant ist eine geschichtliche Teleologie, die schließlich zu einem solchen Zustande führe – über Jahrhunderte und Jahrtausende der Irrungen und Wirrungen hinweg – im Menschen (qua seines Vermögens der Vernunft, das progressiv zur Entfaltung komme) selbst angelegt. Heute (wie damals) wird Kant und den Proponenten der Aufklärung gerne Blauäugigkeit vorgeworfen. Aber ein blauäugiger Optimist, der allzu verliebt in sich selbst und in seine philosophischen Hoffnungen gewesen ist, war Kant nicht – vielmehr war er von solchen Dispositionen eigentümlich frei (zumindest in dieser Hinsicht: in anderen, wie in seiner Begeisterung für die Pflichtethik, hinsichtlich der Religion als notwendiger regulativer Idee oder dem Beharren darauf, man könne nur die Erscheinungen erkennen, niemals aber das Ding an sich, schien er über das rational Erwartbare hinauszugehen, bzw. war er leidenschaftlich). In seiner ebenfalls 1784 erschienen und ebenfalls knapp gehaltenen Schrift Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht liefert Kant gleichsam das geschichtsphilosophische Substrat zur Aufklärungsschrift. Darin formuliert Kant eine Geschichtsphilosophie, die progressiv zur Aufklärung führt. Der Text besteht aus 9 „Sätzen“ (bzw. Thesen) und deren Erläuterung; und der Dritte Satz stellt fest: Die Natur hat gewollt: dass der Mensch alles, was über die mechanische Anordnung seines tierischen Daseins geht, gänzlich aus sich selbst herausbringe, und keiner anderen Glückseligkeit, oder Vollkommenheit, teilhaftig werde, als die er sich selbst, frei von Instinkt, durch eigene Vernunft, verschafft hat. (ebenda S.36) Was dann teleologisch in den Zustand einer aufgeklärten, bürgerlichen, auf dem Rechtsgedanken beruhenden Gesellschaft führe, wie im Fünften Satz formuliert: Das größte Problem für die Menschengattung, zu dessen Auflösung die Natur ihn zwingt, ist die Erreichung einer allgemein das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft. (ebenda S.39) Schon aber lautet der Sechste Satz: Dieses Problem ist zugleich das schwerste, und das, welches von der Menschengattung am spätesten aufgelöset wird. (ebenda S.40) Ein blauäugiger Optimismus hört sich wohl anders an. Kant war ein vorsichtiger Optimist. Das war zu seiner Zeit auch die eigentlich rationale Position (wieso hätte man zu Kants Zeit auch pessimistisch oder nihilistisch in die Zukunft blicken sollen? Auch der entschlossene Kant-Bewunderer Schopenhauer war nicht unbedingt pessimistisch, was die Aufklärung und die Segnungen des Fortschritts anlangt, er verneinte nur, jene könnten einen Zustand der Glückseligkeit herbeiführen). Seine wenigen Schriften explizit zum Thema Aufklärung und Geschichtsphilosophie blieben knapp und skizzenhaft, er schien es dem geschichtlichen Verlauf selbst zu überlassen, weitere und entscheidende Kapitel ihnen hinzuzufügen (Wir wollen sehen, ob es uns gelingen werde, einen Leitfaden zu einer solchen Geschichte zu finden, und wollen es dann der Natur überlassen, den Mann hervorzubringen, der im Stande ist, sie danach abzufassen, beendet Kant bescheiden seine Einleitung zu seiner Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. Nun, dieser Mann war dann wohl offensichtlich Hegel. Auf den dann ein exaltierter, übertriebene Hoffnungen formulierender Aufklärer folgte: Marx). Horkheimer und Adorno schaffen mit ihrer Dialektik der Aufklärung eine sehr melancholische Betrachtung auf die Aufklärung und ihrer zahlreichen uneingelösten Versprechen, mehr noch, der Perversionen, die sie begünstigt – oder die ihr sogar innewohnen (eine ausgeprägte, mehr oder weniger krankhafte Melancholie ist allerdings die Grundhaltung des Horkheimerschen und Adornoschen Philosophierens). Darin wird Aufklärung mit einer Herrschaftstechnologie gleichgesetzt, einer amoralischen Vernunft, die sich die Erde untertan macht und sie „entzaubert“, und sie dadurch (angeblich oder tatsächlich) etlicher ihrer Qualitäten als Lebenswelt beraubt. Über Kant liest man in der Dialektik der Aufklärung aber kaum (die macht vielmehr den mystisch-antiken Odysseus und den Marquis de Sade zu Proponenten der Aufklärung). So als ob sie eine Begegnung mit dem gesunden Kern der Aufklärung aus Gründen einer polemischen Grundintention vermeiden möchte. Insgesamt ist das Horkheimer/Adornosche Philosophieren ein narratives Philosophieren, dem es um die Bestimmung bestimmter Qualitäten geht, und unterscheidet sich von dem analytischen Philosophieren Kants. Kant hat eventuell zu wenig vorhergesehen, dass die Herrschaft der Vernunft Befreiung und auch Unterwerfung mit sich bringen mag, und dass Aufklärung nicht nur eine Ideologie der Befreiung sondern auch der Herrschaft sein könne (umgekehrt sind Horkheimer und Adorno, was die Möglichkeiten von Befreiung anlangt, obwohl diese der zentrale Gegenstand ihres Philosophierens ist, so pessimistisch und verengt, dass ein Mangel an Dialektik eher als ihre Sache erscheint). Der führende Kritische Theoretiker der zweiten Generation, Jürgen Habermas, ist hingegen leidenschaftlicher und optimistischer Aufklärer und Verteidiger der Aufklärung. Er aber glaubt trotzdem, dass Vernunftglaube allein keine moralische Verbindlichkeit schaffen kann: Die Vernunftmoral ist, entgegen Kants eigener Überzeugung, eine zu schmale Basis, um den Orientierungsbedarf eines endlichen Vernunftwesens, das sich kraft des autonomen Gebrauchs seiner Vernunft von Lebensformen selbstverschuldeter Unmündigkeit emanzipieren will, zu befriedigen. (Auch eine Geschichte der Philosophie II S.354) Das haben freilich schon Kants Zeitgenossen (wie Herder oder Hamann) moniert. Und vor allem: Kant ist ja gar nicht so sehr überzeugt, dass die Vernunftmoral allein Basis ihrer selbst sein kann, sondern betont die Wichtigkeit der Religion als „regulativer Idee“ (dabei sieht sich auch Habermas in seinen späteren Jahren damit konfrontiert, dass seine einstige Annahme von der fortschreitenden Säkularisierung der Gesellschaft offenbar nicht mehr gültig ist, und dass Religion etwas darstelle, was ernst zu nehmen sei. Er scheint sich aber nicht ganz im Klaren darüber, wie). Es liegt in der Denkbahn Kants, dass Vernunft sich selbst als Prinzip setzen will, und sich in lebensweltliche Realität umsetzen will (und muss). Das ist dann eben die Aufklärung. In den Aufklärungsschriften geht er aber stark davon aus, dass Aufklärung und der „Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen“, die Einzelleistung eines Individuums sei. Wenn die Vernunft allein aber eine zu schmale Basis sei, um die lebensweltlichen Orientierungsbedürfnisse eines Individuums zu decken, wie soll sie dann erst recht als kohäsive Kraft sozial wirksam und gestaltend sein? Habermas nimmt hingegen an, dass Vernunft an sich sich kommunikativ und über soziale Praktiken vermittle und gestalte. Vernunft ist für Habermas grundsätzlich kommunikative Vernunft. Und kein reines, überzeitliches, transzendentales „Vermögen“ wie bei Kant. Das Gute dabei: Aufgrund der Notwendigkeit ihrer kommunikativen Aushandlung ist auch Aufklärung per se als ein über die Vernunft symbolisch strukturierter Lebenszusammenhang möglich. Außerdem hat auch für Habermas die Vernunft einen eindeutigen, überzeitlichen, die gesamte Menschheit und ihre Geschichte bestimmenden Wert. Deswegen steht Habermas der sogenannten philosophischen Postmoderne ablehnend gegenüber, die eher geneigt ist, das zu verneinen, und die Vernunft eher als historisch kontingente „Diskursform“ oder als „Dispositiv“ fasst. 200 Jahre nach Kants Text, im Jahr 1984, legt auch einer der Proponenten dieser Geisteshaltung, Michel Foucault, einen kurzen Text mit dem Titel Was ist Aufklärung vor (als einen seiner letzten). Für Foucault ist die Aufklärung eine moderne Ordnung der Vernunft, innerhalb derer sich die Subjekte als vernünftige Subjekte produzieren. Gleichzeitig können sie über die Ordnung nicht mehr hinausblicken und sie an sich bewerten, auch wenn sie sie zumindest reinterpretieren und sie an ihre persönlichen Lebensumstände anpassen können. Eine von Foucaults Marotten ist, dass der Diskurs mehr oder weniger vollständig unsere Erkenntnismöglichkeiten determiniere und beschränke, das Subjekt daher nicht aus dem Diskurs ausbrechen könne, darin ähnlich hermetisch wie die Erkenntnistheorie Kants. Im Gegensatz zu Kant geht Foucault dabei aber nicht von überzeitlichen und transzendentalen Strukturen aus, sondern von solchen, die sich, aufgrund von historischen Kontingenzen, ändern können, und dann neue hermetische Strukturen begründen. Was allerdings nicht notwendigerweise einen „Fortschritt“ bedeute oder einen geschichtlichen Verlauf begründe hin auf ein bestimmtes Ziel. Foucault hat eine gleichsam nihilistische Sichtweise auf den historischen Verlauf, den er als eine Abfolge von (zudem zumeist unheilvollen) Kontingenzen begreift. Dem muss man nicht zustimmen, und es wehrt sich einiges in uns, dem zuzustimmen. Bei Foucault gibt es keine Hierarchie von Qualitäten mehr. Er billigt auch der Aufklärung keine superiore Qualität zu. Wofür Foucault aber sensibilisiert, ist dass die Zeiten in der Geschichte einfach zu weit reichen, als dass man so einfach etwas Überzeitliches identifizieren könnte. Und dass die Welt einfach zu viel Raum hat, als dass man ihn „in weltbürgerlicher Absicht“ so leicht total okkupieren könnte. Auch wenn es uns wohl so scheint, dass aufklärerische Vernunft und weltbürgerliche Absicht die großen Integrale und fehlerfreie Ideale sind, wissen wir das nicht tatsächlich, und wir wissen nicht, ob sie auf etwas treffen, als ein Anderes, dass ihnen effektiv Widerstand leistet. In den 2000er Jahren war ich bei einer Veranstaltung, die vom Außenministerium unter der damaligen Ministerin Plassnik veranstaltet wurde. Da ging es darum, wie ein Dialog mit dem Islam und der islamischen Welt möglich sein könne, und sie war hochkarätig besetzt: Auch der damalige afghanische Präsident Hamid Karzai war anwesend und der Regierungschef des „befreiten“ Irak. Dementsprechend präsent war auch die Polizei und das Sicherheitspersonal. Anwesend war außerdem der damalige Präsident der Islamischen Republik Iran, Mohammad Khatami. Der galt als Reformer und als ein Gegengewicht zur sinistren Hohen Geistlichkeit der Mullahs. Khatami hielt einen Vortrag zum Thema, und ich kann mich noch gut erinnern, wie Khatami währenddessen immer wieder einmal mit majestätischer Geste seinen Umhang sich zurechtlegte. Im Vortrag gab es einiges an Namedropping, und es fiel auch der Name Kant. Khatami monierte, dass die europäische Aufklärung in der Tradition von Kant prinzipiell vom Individuum ausgehe, andere Kulturräume, wie eben der muslimische, das Individuum so nicht kennen würden, sondern den Menschen stärker als Mitglied eines Kollektivs wahrnehmen würden. Kant war Kosmopolit, aber das heißt nicht, dass auch die Welt kosmopolitisch ist. Was er aber natürlich auch wusste, oder wofür er zumindest einen Sinn hatte. In einer weiteren Schrift, die einen historischen Einschnitt markiert, Zum ewigen Frieden, versucht Kant ein Regelwerk und Institutionen zu definieren, die den Frieden zwischen den Völkern theoretisch möglich machen – auch wenn es praktisch nicht geschehen müsse. Wie in all seiner reifen Philosophie fährt Kant immer nur ein Minimalprogramm – indem er abstrakte Regeln und Zusammenhänge formuliert, die vom Empirischen möglichst absehen – dafür dem Empirischen, als Regeln und Ideale oder als grundsätzliche Verfassungen, aber Bahnen, in denen es sich bewegen sollte und vielleicht endgültig auch bewegen wird, vorzeichnet. Dementsprechend aufrichtig schließt Zum ewigen Frieden: Wenn es Pflicht, wenn zugleich gegründete Hoffnung da ist, den Zustand eines öffentlichen Rechts, obgleich nur einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung wirklich zu machen, so ist der ewige Friede, der auf die bisher fälsch so genannten Friedensschlüsse (eigentlich Waffenstillstände) folgt, keine leere Idee, sondern eine Aufgabe, die, nach und nach aufgelöset, ihrem Ziele (weil die Zeiten, in denen gleiche Fortschritte geschehen, hoffentlich immer kürzer werden) beständig näher kommt. (Werke XI S.251) Mit dieser Einschätzung hat Kant ja Recht: für den europäischen Erdteil. Wohingegen in der islamischen Welt gerade jetzt dauernd Krieg, Rivalitäten und Unruhe herrschen. Aber eine Aufklärung hat es dort ja noch nicht eigentlich gegeben.

Es provoziert öfter Unbehagen (oder Spott), dass Kant eine verengte, auf Prinzipien reitende (im Alter geradezu mechanische) Persönlichkeit gewesen zu sein scheint. Das war er, zumindest als er jünger war, aber augenscheinlich nicht. Vielleicht wäre es zu viel, den jüngeren Kant als einen Lebemann zu bezeichnen, aber er ging gerne aus und er spielte gerne Karten und Billard (wobei das allerdings seine einzigen Vergnügungen waren). Er speiste regelmäßig in Gastwirtschaften und genoss es offensichtlich, dort mit Menschen aus allen Schichten des Volkes in Berührung zu kommen (selbst war Kant Sohn eines Handwerkers und kein geburtsmäßiger Patrizier). Er galt als lustiger Geselle und war bei seinen Studenten beliebt. Seine Vorlesungen waren schwungvoll und er erzählte dabei gerne Witze. Im Alter von ungefähr 40 Jahren machte Kant erste Verluste unter seinen Freunden, so starb unter anderem sein Freund Funk. Das gab ihm wohl auch ein dringenderes Gefühl für seine eigene Endlichkeit. Kant war ein schmächtiger Mann, der vor allem an Kurzatmigkeit litt. Im Zusammenhang damit war Kant Hypochonder, ein Zustand, der ihm das Leben schwer machte. Um diese Zeit trat Joseph Green in Kants Leben, der auf lange Jahre Kants bester Freund werden sollte. Green war ein aus England stammender Großhändler mit prononcierten intellektuellen Interessen. Nichtsdestotrotz leitete er auch seine Geschäfte recht erfolgreich und beriet Kant in Geldangelegenheiten. Angeblich ging Kant das Manuskript der Kritik der reinen Vernunft Satz für Satz mit Green durch (die, so gesehen, damit auch ein Werk Greens ist). Green war ein disziplinierter Mann, der auch seinen Alltag nach festen Prinzipien gestaltete. Dass Kant so ähnlich wurde, und sein Beharren darauf, dass wir mit unserem Verhalten individuellen „Maximen“ folgen würden, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, wonach Kant sich an die Lebensweise von Green anpasste. In seinem siebten Lebensjahrzehnt beendete Kant sein etwas unstetes, nomadisches Leben und kaufte sich ein Haus. Dort hielt er regelmäßig ausgedehnte Mittagessen ab, die bis spät in den Nachmittag dauerten, und bei denen die Geselligkeit im Vordergrund stand (und bei denen sich Kant ausbedingte, dass über alles, nur nicht über Philosophie gesprochen werden durfte). Auch der etwas jüngere Green starb lange vor Kants Tod (1786). Vielleicht ist es ja Kants pedantischer Lebensweise und seiner hypochondrischen Sorge um seine Gesundheit zu verdanken, dass Kant im für die damaligen Verhältnisse recht hohen Alter, kurz vor seinem 80. Geburtstag, gestorben ist. Für die Philosophie ein großes Glück, denn viele von Kants Zeitgenossen erreichten ihr sechzigstes Lebensjahr nicht – in dem er erst die Kritik der reinen Vernunft veröffentlichte, und in den darauffolgenden 15 Jahren seine anderen bedeutenden Schriften. Wäre Kant früher gestorben, wäre er als Fußnote oder gar nicht in die Geschichte eingegangen, denn trotz all seiner Brillanz seit seiner Jugend war beim „vorkritischen“ Kant gar nicht klar, was letztendlich aus ihm werden würde. Kant war im fernen Königsberg von vielen eminenten, sogar genialen Personen umgeben, von denen sich aber selbst der bekannteste unter ihnen, Herder, letztendlich nicht ganz selbst verwirklichen konnte. Es ist das Mysterium des Genies – und in dem Fall die Gunst einer möglichen langen Latenzperiode – warum Kant dies gelungen ist, und den anderen nicht. Aber Kants „Pedanterie“, seine Strenge im Denken, sein übertrieben scheinendes Aussortieren und Reinigen Wollen von Begriffen, sein architektonischer Intellekt, sind eben das eigentliche Spezifikum des speziellen Kantschen Genies und seiner Kritischen Philosophie, die eine Kopernikanische Wende bedeutet. Während man sich das Genie gemeinhin als subjektiv ausschweifend und geheimnisvollen Inspirationen folgend vorstellt, war es bei Kant die scheinbare Reinigung des Denkens von all dem, hin zu einer strengen, analytischen Folgerichtigkeit (vielleicht hatte Kant deswegen Schwierigkeiten, sich als Genie zu sehen, das er nur im genialen Künstler erblicken wollte – also einer Art Antidot zu ihm selbst). Die vorkritischen Schriften von Kant sind auch deutlich weniger abstrakt im Stil gehalten und kennen subjektivistische Einlassungen, oder überhaupt auch das Stilmittel der Satire. Dass Kant diesen Stil in seinen späteren Schriften abgelegt hat, scheint ein Hinweis, dass er sich der Monumentalität seiner Aufgabe bewusst war. Trotzdem er eine „weltbürgerliche Gesinnung“ vertrat und sich wissenschaftlich anthropologisch und ethnologisch mit Land und Leuten aus aller Welt beschäftigte, gelangte Kant in seinem ganzen Leben nie aus Königsberg heraus. Königsberg war allerdings weit vom Schuss, und längere Reisen waren zu Kants Zeiten etwas Unbequemes, damit also gerade für den vorsichtigen Kant nichts Einladendes. Und Kant hatte in Königsberg ja alles, was er brauchte. Er hatte Freunde, gute Beziehungen zum Hof und lebte, wie erwähnt, in einer geistig anregenden Umgebung. Das alles ist nicht selbstverständlich, ein einsamer Philosoph war Kant aber nicht. Vor allen Dingen war er als Philosoph von ungeheurer Weite. Man mag über Kants scheinbar eingeschränkte Lebensweise spötteln (so wie Nietzsche oder Heine das taten, denen das allerdings im Blut lag). Aber die wahren Reisen finden, so sagt man, im Kopf statt. Nicht nur seine umfangreiche Metaphysik der Sitten setzt in Erstaunen, wie weitreichend und dennoch präzise Kant über diverseste moralische Fragestellungen in seinem Leben nachgedacht hat. Trotzdem muss ein weiter Verstand aber nicht mit einer weiten Emotionalität einher gehen. Wie Kant allerdings tatsächlich war, darüber liefern die diversen Biographien kein klares Bild. Laut seinem Zeitgenossen Metzger, Professor für Medizin an der Universität Königsberg, war Kant als Person kein großer Mann. Er sei ein Egoist gewesen, der keinen Kontakt zu seinen Geschwistern hatte und der seine Schwester, die ihn am Ende seines Lebens pflegte, nicht am selben Tisch sitzen lies und sich anderen gegenüber für ihre „Unkultiviertheit“ entschuldigte (am Ende seines Lebens war der senile Kant freilich nicht mehr er selbst. Andererseits heißt es, dass gerade dann eben, bzw. mit zunehmendem Alter, der wahre Charakter eines Menschen zum Vorschein komme). Kant sei knausrig gewesen und misogyn, er habe Kritik nicht ertragen und beleidigend werden können, wenn ihm jemand widersprach. Selber habe er sich als Autorität gesehen. Ein solches Verhalten wurde auch von anderen Zeitgenossen übermittelt. Kant und Metzger waren in einigen universitätspolitischen Auseinandersetzungen zwar aneinander geraten, hatten aber allgemein ein gutes Einvernehmen; Kant interessierte sich sehr für Medizin und hatte auch ein großes Wissen darüber, von dem selbst der Experte Metzger profitierte. Wie diese unerfreulichen Charakterisierungen zu bewerten sind, weiß man nicht, da die Biographien nach Kants Tod solche Misstöne ausließen und eher in Richtung Heldenverehrung schwenkten. Wie erwähnt, geben die Biographien keine schlüssige Auskunft, wie religiös Kant gewesen sein könnte. Auch könnte Kant praktisch nicht so sexualfeindlich und jungfräulich gewesen sein, wie allgemein dargestellt – gibt es doch Zeugnisse von Kant, wonach er die sexuellen Freuden gar als die höchsten Freuden im Leben bezeichnete. Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen, schreibt Wittgenstein im Tractatus. Inwieweit war Kant ein glücklicher oder ein unglücklicher Mensch? Auch das weiß man nicht genau (ist bei Philosophen aufgrund ihrer seelischen Komplexität im Allgemeinen aber auch schwer zu sagen). Tatsächlich könnte man meinen, dass die kritische Philosophie Kants und der Stil seiner reifen Schriften in ihrer Pedanterie was Nekrophiles, Lebensabtötendes, Unspontanes haben: also etwas Unglückliches (wie erwähnt hatte der abstrakte Stil des späten Kant aber ja auch, wenn nicht vor allem, seinen guten Grund). Auch wenn er sich damit nicht entlang der Bahn der meisten anderen Kant-Biographen bewegt, vermutet Bel-Ami Scharfstein (The Philosophers: Their Lives and the Nature of Their Thought) in Kant einen profund unglücklichen Menschen. Unglücklich vor allem wegen des frühen Todes seiner geliebten Mutter, seiner wenig freudvollen Jugend und des Todes seines Vaters, als er ein junger Erwachsener war. Vor allem aber auch unglücklich in seiner Hypochondrie, die ihn quälte. Kant habe enge Bindungen an Menschen und auch zu seinen Freunden vermieden, und das dann philosophisch rationalisiert (von wegen, dass Freundschaften Naheverhältnisse und Verpflichtungen bedeuten, die aber dem anonymen ethisch richtigen Verhalten entgegenlaufen). Kants ständiges Insistieren, wonach wir nur Erscheinungen, niemals aber das Ding an sich kennen könnten, deutet Scharfstein als psychologische Abwehrhaltung, mit der Kant das „Ding an sich“ in seiner eigenen Seele – sein unglückliches Bewusstsein – begraben und unzugänglich machen wollte. So gesehen mit Erfolg zumindest, denn ob das „Ding an sich“ in der Seele Kants so gewesen ist oder nicht, lässt sich kaum sagen. Kant soll auch rassistische Ansichten vertreten haben, obwohl er es bei seiner ethnologischen Bildung und in seiner weltbürgerlichen Absicht eigentlich hätte besser wissen müssen. Auf so etwas bin ich nicht gestoßen, auch wenn ich die entsprechenden Schriften nur durchgeblättert habe. Vielleicht hatte ich dabei, ganz dem Geist der aktuellen Zeit entsprechend, unbewusst zu viel Angst, auf den grundsätzlich schrecklichen Rassismus zu stoßen, und erst recht auf das N***** – Wort! Auf das N***** – Wort stoßen zu können, davor hat die heutige Zeit Angst wie der Teufel vor dem Weihwasser, und will das dann am Liebsten ungeschehen machen, auch wenn es Jahrhunderte in der Vergangenheit zurückliegt. Deswegen höre ich auch keine Rapmusik, speziell von Afroamerikanern gemachte. Weil man da ununterbrochen mit dem N***** – Wort konfrontiert wird. Dabei weiß ich nicht, warum das so ist. Wie es scheint, haben die afroamerikanischen Rapper beinahe eine Art Wettbewerb rennen, wer von ihnen in einem Track am öftesten das N***** – Wort unterbringen kann (gefolgt von Bitch, Shit und Suck my dick). Vor allem hat das ja keinen Neuigkeitswert mehr. Als Ice-T vor über 30 Jahren seinem Album Home Invasion die Warning vorangestellt hat, man solle es nicht hören, wenn man sich ob Wörtern wie shit, bitch, fuck, dick, ass … nigger … nigger fuck shit usw. beleidigt fühle (denn davon sei das Album voll davon), habe ich das noch lustig und subversiv gefunden. Wie ich aber feststellen kann, ist der afroamerikanische Hip Hop – der zuweilen von denselben gebildeten, weltoffenen Weißen, die eine wahnsinnige Angst davor haben, auf das N***** – Wort zu treffen, als authentisch und geradezu poetisch betrachtet wird – scheinbar immer noch eine Art Wettbewerb laufen, wer am öftesten das N***** – Wort unterbringen kann. Ich kann mir nicht erklären, warum die afroamerikanischen Rapper das eigentlich tun. Während sich die Türken und die Araber bei uns so freundlich dauernd mit Bruder! anreden, scheinen die afroamerikanischen Rapper eine Art Wettbewerb zu rennen haben, wer von ihnen am öftesten das N***** – Wort unterbringen kann (gefolgt von Bitch, Shit und Suck my dick). Vielleicht ist diese Kultur tatsächlich einfach nicht ganz richtig im Kopf. Auf jeden Fall aber: Während unsere eigene Kultur eine panische Angst hat, auf das N***** – Wort zu stoßen, scheinen die afroamerikanischen Rapper eine Art Wettbewerb laufen zu haben, wer von ihnen in einem Track am öftesten das N***** – Wort unterbringen kann.

Das Werk Immanuel Kants war zunächst Ausgangspunkt für eine seltene Glanzzeit in der Philosophiegeschichte, die Epoche des Deutschen Idealismus, für die Fichte, Schelling und Hegel die bestimmenden Denker waren. Alle drei waren große Philosophen – und dass solche in einer derartigen zeitlichen und räumlichen Konzentration auftreten, ist wahrlich selten – und alle waren recht eigenständige, originäre Denker. Sie waren also keine Kant-Epigonen, sondern errichteten eigenständige philosophische Systeme, deren gemeinsamer Nenner der Idealismus war. Auf den Linkshegelianismus, einer epigonalen Erscheinung zu Hegel, folgte, sich vereinigend mit sozialistischem Gedankengut, das ab der Französischen Revolution in Europa aufgekommen war, die philosophische Revolution durch Marx. Der Marxismus ist dann eine grundsätzlich verschiedene Philosophie auf („dialektisch“-) materialistischer Grundlage, seine Erkenntnistheorie lautet: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Der Mensch ist nicht mehr, wie bei Kant, in das subjektivistische Gefängnis seiner Anschauungsformen eingesperrt, aus dem heraus er allein Erscheinungen erkennen könne, aber nicht das Ding an sich, sondern wird zu einem unumschränkt prometheischen Wesen, das durch die revolutionäre Umgestaltung des Seins schließlich gleichsam bei einem letztgültigen Ding an sich, dem Sozialismus bzw. der kommunistischen Gesellschaftsordnung ankomme. Im späteren 19. Jahrhundert, als der Marxismus allgemeiner intellektuell Fuß fasste, trat in Deutschland auch der Neukantianismus auf den Plan. Ähnlich wie der Marxismus war auch der Neukantianismus aufklärerisch und optimistisch und von Fortschrittsglauben getragen. Allerdings war er liberal und vertraute auf die wissenschaftliche Methode (während die des Marxismus der „wissenschaftliche Sozialismus“ war). Somit war der Neukantianismus eine Version des „bürgerlichen“ Fortschrittsglaubens. Wie Kant geht auch der Neukantianismus davon aus, dass sämtliche Erkenntnis auch erkenntnistheoretisch befragt werden müsse, dass der menschliche Verstand nicht voraussetzungslos sei, sondern Formen in ihm liegen, die die Erkenntnis bestimmen und präformieren würden. Allerdings wurden diese Formen teilweise anders oder viel allgemeiner und flexibler gefasst als bei Kant (Ernst Cassirer, der den Neukantianismus allerdings fast schon wieder hinter sich lässt, fasst den Menschen allgemein als „symbolisches“, also über symbolische Formen erkennendes und seine Welt gestaltendes Tier). Damit wurde der Neukantianismus auch zum philosophischen Substrat des „Revisionisten“ Eduard Bernstein. Ursprünglich revolutionärer Marxist, musste Bernstein im späteren 19. Jahrhundert erkennen, dass sich zentrale Prognosen des Marxismus – allen voran die der fortschreitenden Verelendung der Massen – nicht erfüllten, vielmehr das Gegenteil der Fall war. Mit seinem Utopismus stelle sich der Marxismus auch jenseits dessen, was streng rational vertretbar sein kann bzw. was rational verhandelt werden kann. Deswegen plädierte Bernstein für einen Weg der sozialen Reform, was der Grundgedanke der Sozialdemokratie ist. Unabhängig davon sollte an der Wende zum 20. Jahrhundert eine völlig eminente, aber einsame intellektuelle Erscheinung auftreten, die in ihrer Leidenschaftlichkeit für das „moralische Gesetz in mir“ ebenso genial wie morbid war: Otto Weininger, der aber gleich wieder verschwand (allerdings ein Werk hinterließ, über das es sich viel mehr nachzudenken lohnt). Zeitgleich zum Deutschen Idealismus bereits schlug jedoch auch ein anderer originärer Philosoph seine eigene Bahn als Abzweigung ein, auch wenn er sich – als großer Kant-Bewunderer – als Vollender von Kant sah: Arthur Schopenhauer. Schopenhauer begriff die Welt als Wille und Vorstellung. Das Ding an sich sei ein egoistischer Wille, der sich in allen Formen in der Welt ausdrücke und hinter all diesen Formen stecke. Mithilfe einer in die Erleuchtung gesteigerten Vorstellung sind zumindest einzelne Menschen in der Lage, das zu erkennen, und den Willen, durch eine Ethik des Mitleids, zu überwinden. Schopenhauers Philosophie ist alles anders als „knöchern“ und abstrakt wie die von Kant, vielmehr wird sie für ihre Lebensprallheit und ihre Plastizität bewundert (oder für ihre scheinbare Trivialität verachtet). Der Aufklärung und dem Fortschritt steht die Philosophie Schopenhauers indifferent gegenüber, dem Sozialismus war Schopenhauer feindlich gesonnen (wobei der Grund für diese Ablehnung aber in seiner Person lag und sich nicht notwendigerweise aus seiner Philosophie ergibt). Umgekehrt wird Schopenhauer aus aufklärerischer und sozialistischer Perspektive als „irrational“ verdammt (auch wenn er das genau genommen nicht ist, sondern seine Philosophie sich auf eine a-rationale Grundlage stützt). Schopenhauer illustriert einen Typ von Philosophen, der sich vom Typus des „akademischen“ Philosophen, wie Kant oder Hegel, deutlich unterscheidet, insofern seine Philosophie starke individualistische und subjektive Züge trägt (und sein Stil viel poetischer ist). Nicht von ungefähr ist er wohl auch deswegen lange unbekannt und für die akademische Philosophie indiskutabel geblieben – der Philosoph als radikaler Außenseiter (als er endlich bekannt wurde, wurde er von Kierkegaard als Geistesverwandten geschätzt, wobei der diesen Individualismus noch einmal radikalisierte und in analoger Weise ein „Einzelner“ unter Zeitgenossen blieb). Schopenhauer führt zu Nietzsche, dem wild um sich schlagenden reinen Genie unter den Philosophen schlechthin. Nietzsche markiert die Absage an den Einheits- und Systemgedanken in der Philosophie, und er subvertiert das Subjekt und die Erkenntnis. Gleichzeitig ist Nietzsche, wie Schopenhauer, Metaphysiker; er hat (über den Gedanken von der ewigen Wiederkehr des Gleichen) eine metaphysische Deutung der Welt und er lässt sich sehr beredt über metaphysische Gegenstände aus, über die man laut Kant eigentlich schweigen müsste. (Die Deutschen Idealisten, und erst recht Marx und seine Anhänger sahen sich nicht als Metaphysiker. Allerdings haben ihre Philosophien einen Totalitätsanspruch, der dem der Metaphysik nahe kommt. Mehr noch, tendieren diese Philosophen ihre Lieblingsideen so sehr zu idealisieren und zu substanzialisieren – bei Hegel die von der Logik des weltgeschichtlichen Verlaufs, bei Marx dessen postulierter dialektisch-materialistischer Verlauf hin auf ein utopisches Endziel –, dass diese zumindest etwas der Metaphysik Ähnliches bekommen.) Weil er ein Metaphysiker war, der das „Sein im Ganzen“ zu durchdenken versuchte, wurde Nietzsche im 20. Jahrhundert von Heidegger aufgegriffen. Ironischerweise begriff sich Heidegger jedoch auch zentral von dem – Nietzsche nicht eben ähnlichen – Kant beeinflusst. Heidegger sieht in Kant die Möglichkeit einer Introduktion einer Metaphysik, die vom Menschen ausgeht, der über seinen Erkenntnisapparat zu ergründen versuche, was das Sein bedeute, was ihn wiederum, in der Selbsterkenntnis dieses spezifischen Erkenntnisapparates, selbstreflexiv auf die Frage nach ihm selbst, auf die Frage „Was ist der Mensch?“ zurückwerfe. Heidegger wird dabei ein Missverständnis, wenn nicht eine gewaltsame Aneignung von Kant vorgeworfen, den er versuche, für seine eigenen philosophischen Zwecke zu instrumentalisieren. Allerdings ist das, zumindest wenn man es weiß, nicht verboten. Zwischen dem Metaphysikverständnis von Kant und von Heidegger besteht dann allerdings ein erheblicher Unterschied. Kant ging es um die formale Bestimmung der Metaphysik, Heidegger versuchte sie andauernd inhaltlich zu bestimmen. Kant beschäftigte sich als rationaler Aufklärer mit der Metaphysik, Heidegger war von einem eher emotional bestimmten, irrationalen „Ahnen“ und „Besinnen“ motiviert und wollte zu einem „eigentlichen“ Seinsverständnis (ähnlich zu einem Ding an sich) vordringen (das er dann, zumindest kurzzeitig, als im antiaufklärerischen Nationalsozialismus ausgedrückt glaubte). Heidegger wollte mit seinem (unvollendeten) Sein und Zeit – Projekt auch eine Ontologie formulieren, die ohne das Subjekt auskomme. Es blieb unvollendet, weil er einsah, dass sich nicht der geringste Anhaltspunkt auftue, wie eine solche Ontologie möglich sein könne (bei Kant spielt das Subjekt eben die zentrale Rolle). Nietzsche als auch Heidegger waren dann für die philosophische Postmoderne im späteren 20. Jahrhundert maßgebliche Denker. Die Postmoderne befragt und hinterfragt die Möglichkeit einer Einheit in der Vernunft, im Wissen, in der Erkenntnis, in der Subjektivität oder im geschichtlichen Verlauf recht kritisch, oder versucht all das überhaupt zu „dekonstruieren“. Dabei ist die Postmoderne ein relativ rezentes Phänomen. Je wie man will, kann man sie als (fröhlichen oder gefährlichen) Abgesang auf den Einheitsgedanken in der Vernunft sehen, oder als notwendige kritische Ausdifferenzierung, die Basis für eine neue, vitale Einheitsvorstellung sein könnte. Wie der Name Postmoderne aber schon sagt, scheint sie aber eine Position im Denken zu markieren, die „nach“ dem stattfindet, was, offenbar im Sinn einer höheren, übergeordneten Instanz, vorher da war und in die Welt gebracht wurde. Als „Revolution“, während sie selbst Evolution oder auch nur Epiphänomen bleibt. Und die profunde Revolution, den Kern der modernen Philosophie, markiert dann eben Kant. Die Kopernikanische Revolution in der Philosophie besteht darin, dass sie das Subjekt, den Menschen, in ihr eigenes Zentrum bzw. zu ihrem eigenen Ausgangspunkt macht. Ähnlich dem Wandel von einem geozentrischen Weltbild hin in ein heliozentrisches bedeutet sie als die Ablösung eines vorwissenschaftlichen, mythologischen oder religiösen Weltbildes hin in ein humanistisches und vernunftgeleitetes (und nicht zuletzt eine echte, wissenschaftlich-rationale Erkenntnisleistung, die unumstößlich ist). Das Universum erzittert und das Universum wird ein anderes, wenn eine Kopernikanische Revolution stattfindet. Es ist ein Ereignis, das so wichtig ist und von einer solchen Tragweite, dass wahrscheinlich auch in den Nachrichten von fernen außerirdischen Zivilisationen berichtet wird: Auf der Erde hat eine Kopernikanische Revolution stattgefunden.

Den Titel Immanuel Kant (und was von ihm übrig bleibt, wenn ich mit ihm fertig bin) habe ich gewählt, um große Empörung zu provozieren, auf dass meine Sachen vielleicht endlich einmal gelesen werden (abgesehen vom Schabernack, der im spontanen Einfall für diesen Titel – und in der Ermangelung eines Einfalls für einen anderen Titel – selbst liegt). Mir dämmert, Kant kann ich gar nicht umwerfen, oder verbessern oder überwinden oder verwinden, so wie mir das bei anderen Philosophen durchaus im Bereich des Möglichen zu liegen scheint. Kant aber kann ich wohl am wenigsten von allen Philosophen umwerfen. Kant wirft vielleicht eher mich um, oder verpasst mir wahrscheinlich ordentliche Breitseiten, wenn es um die analytische Exaktheit der Argumente geht. Aber das tausche ich gerne ein dafür, dass mein synthetisches Denken und Empfinden einfach ausgeprägter sind und ich noch erstaunlichere Integrationsleistungen erbringen kann. Außerdem scheint mir mein Leben interessanter, da ich offenbar über bessere Kontaktmöglichkeiten zum Leben verfüge. Vor allem sehe ich ja keine Notwendigkeit, Kant umzuwerfen, indem ich feststelle, dass ich in allen Bereichen eigentlich kongruent mit ihm gehe. Vielleicht ist unsere Erscheinung verschieden, im Ding an sich sind wir uns allerdings ähnlich oder gleich.

13. August – 31. August 2024

Zitierte Literatur

Immanuel Kant

Kritik der reinen Vernunft, Stuttgart, Reclam 1966

Kritik der Urteilskraft, Köln, Könemann 1995

Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, Stuttgart Reclam 1989

Werke VI Schriften zur Metaphysik und Logik 2, Frankfurt/Main, Suhrkamp 1977

Werke VII (Kritik der praktischen Vernunft / Grundlegung zur Metaphysik der Sitten), Frankfurt/Main, Suhrkamp 1968

Werke VIII (Die Metaphysik der Sitten / Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft), Kant Werkausgabe VIII, Frankfurt/Main, Suhrkamp 1968

Werke XI(Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 1), Frankfurt/Main, Suhrkamp 1977

Habermas, Jürgen: Auch eine Geschichte der Philosophie 2, Berlin, Suhrkamp 2022