Ach, vielleicht sollte man die Weltpolitik einfach mir überlassen? Obwohl, ob dann was großartig anderes rauskäme, weiß ich auch nicht, denn die Boom-Bust-Zyklen sind Teil des Laufs der Dinge (was dann natürlich nichts aussagt, wie die Dinge dann konkret verlaufen). Das war das erste Wort, das man in der Geschichtswissenschaft hat und in der Soziologie, bei Ibn Khaldun, und es wird wohl auch das letzte sein. Omar Chajjam, ein anderer großer Universalgelehrter von in etwa damals, ist heute vor allem durch seine Vierzeiler-Gedichte bekannt, wo er, quasi als letztendliche Summe seiner mannigfachen Erkenntnisse und Überlegungen sich darüber auslässt, dass er gar nicht verstanden habe, worum es bei der irdischen Existenz eigentlich letztendlich gehen soll. Politik ist eine ärgerliche Mischung aus unsäglicher Primitivität und unübersehbarer Komplexität (u.a. aufgrund von Chaos-Einwirkung) sowie allem, was dazwischen ist und ist zur Hälfte Geheimdiplomatie; Hannah Arendt sagt, Politik ist das Management von Pluralität, kann man auch sagen von Heterogenität und also teilweise Inkompatibilität. Den politischen Knoten löst niemand. Einige Länder sind besser darin, ihre Probleme zu bewältigen als andere; als besonders gute Beispiele mögen einem Dänemark oder die Schweiz einfallen. Da hat man ein hohes Maß an individuellem wie an kollektiven Verantwortungsbewusstsein, und das ist der Schlüssel zu allem. Allerdings haben diese Länder auch mit nicht so schwierigen Problemen zu kämpfen und sie sind klein und wie weit sie sich verallgemeinern lassen, ist wieder eine andere Frage.
Wenn man sich jetzt um geschichtstheoretische/philosophische Heuristik bemüht, gibt es mehr oder weniger ideologisch motivierte Denker, und ein weniger ideologischer historischer Denker wie Braudel hat befunden, dass die Geschichte in Kontradiew-ähnlichen Zyklen zu verlaufen scheint oder zumindest, dass solche permanent in ihr stattfinden. Es ist mir leider nicht gegenwärtig, wer das getan hat, aber es ist erwiesen, dass man, wenn man eine Menge von Beobachtungen macht, auch alle möglichen Muster darin finden kann, wenn man nur will, sprich, dass postulierte Verlaufsmuster möglicherweise arbiträr sind und also unter der Oberfläche von beobachteten oder postulierten Verlaufsmustern/strukturen andere Trends verlaufen können, die dann die eigentlich wichtigeren sind. Seit einiger Zeit stellt man in der Wissenschaft der Internationalen Beziehungen fest, dass die Welt komplexer wird, als es die standardmäßigen Modelle erfassen könnten, und 2016 hat das Foreign Policy Magazin gemeint, das sei ein Jahr, für das eigentlich keine Heuristiken oder Modelle mehr greifen (im Zusammenhang freilich auch mit der Chaos-Einwirkung, aus dem der geschichtliche Verlauf zur Hälfte (oder so) besteht). Es gibt da das gute Buch von Dietrich Dörner: Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen, aus dem man vielleicht geschichtstheoretisch (und in anderer Hinsicht) was ableiten kann. Aufgrund seiner Komplexität wirkt das Genie auf die Zeitgenossen monströs und unverständlich, doch das wird geschichtlich nicht dauern, denn indem das Genie durch die Komplexität hindurchgeht, wird es, wie Pessoa sagt, der Stifter einer neuen Einfachheit und Klarheit, sprich einer neuen Heuristik. Das kann dann mittelfristig zu Vereinfachungen und trügerischen Klarheiten führen, incipit ein neuer Zyklus.
JÜRGEN HABERMAS: “FOR GOD’S SAKE, SPARE US GOVERNING PHILOSOPHERS!”