Ni Tsan (ca. 1300 – 1374) war ein chinesischer Kunstmaler und Dichter aus Wuxi (Jiangsu). Bei uns kaum bekannt und kaum übersetzt, mag ich ihn sehr und er erfüllt mich sehr. Seine Gedichte geben reine Eindrücke wieder, da sein Geist, wie man sieht, vollkommen rein und durchsichtig ist. Trotzdem bemerke ich stets ein smaragdenes Schimmern, das sich in einem angedeuteten höheren Raum verliert, wenn ich in sie hineinsehe; aber das ist mein Problem.
Der hohe, Wahrheit suchende Mönch, wohin geht er?
Vor ihm (auf dem Weg nach) Indien (liegen) sehr hohe Berggipfel.
(Wie ein) fliegender Gabelweih möchte er dorthin ziehen, (wo sich) der Himmel auf die Bäume senkt.
Mit seinem Metallstab muss er dorthin gehen, (wo) jenseits der Seen die (Tempel-)glocken (klingen).
Auf einer halben Matte unter weißen Wolken neben dem smaragdenen Wasserfall,
(Wenn) zur vierten Nachtwache der fallende Mond in hohen Kiefern hängt.
(Kann man) in Meditation versunken wohl dreitausend Jahre zurückkehrend (durchmessen)
Und gleichfalls die gepflückte Blume sehen (von der die Kunde in) fernen Lehren überliefert ist.
Im hohen Pavillon der Familie Teng weilte ich zehn Tage lang.
Des Herrn Lu Weinboot kam hundertmal her und fuhr (hundertmal wieder) zurück.
Seerosen-Suppe und Seebarsch-Haschee hatten wir überreichlich.
Eisgleiche Schalen und schneeähnliche Becher, wie oft handhabten (wir die ?)
Flusswolken, duftig und zierlich, nahmen hingegeben am Feste teil;
Uferweiden(-zweige), lässig hängend, fielen in die Weinschalen (hinein).
Trinkend und trunken bemale ich spielend die weißseidenen Fächer.
Ein schönes Spiegelbild auf dem Bergfluss, flattert der Mond hin und her.
Einsam und verlassen der Fluss mit den Ufern darüber,
Das Boot rudernd begegnen wir am Abend einander.
Bei zusammengerolltem Vorhang besingen wir die blauen Bergketten,
(Auf) der nahen Strömung zerstreuen sich die weißen Gänse.
Das starke Herz, ein Tausend-Meilen-Pferd,
Kehrt träumend heim über der fünf Seen Wogen.
Der Stein im Garten (liegt) verlassen und Bambusschösslingen überwuchert
Im Winde wild erheben wir die Stimme zum Gesang.
Bei Nacht durchwandere ich den West-Garten der Insel,
Des jungen Mondes Glanz ist überklar.
(Den Schritt) verhalt` ich zögernd unterhalb des Steines der Schlucht.
(Wie) liebe ich des Waldes Baumschatten!
Still und verloren das Chung-chü-Kloster.
Im Frühlingswind wachsen die Hui-Pflanzen.
Im verlassenen Wald auf dunkelgrün-moosigem Boden
Smaragdgrüne Blätter und purpurjade-farbene Stengel.
Früh erwacht spürt man (sie) in die Gedanken eintreten,
Am Ende (des Tages sind sie) die Ursache, wenn die magische Verwandlung sich vollendet.
Die Gestalt ihrer Unstofflichkeit lässt sich nicht erschöpfen.
Im hellen Mondglanz erblühen sie.
In des Herrn Chang Hütte plaudernd ziehen wir den Lampendocht immer wieder hoch.
Einander gegenüber (sitzend wie) Schatten können (wir uns) nicht trennen, Traum und Schlaf werden eins.
(So) sitzend erreicht uns die Tiefe der Nacht, still ist die lärmende Welt.
Vor der Halle im vereinzelt stehenden Bambus erhebt der Herbstwind sich.
Am grünen Fluss der lichte Bambus geistreich nach der Vorlage kopiert.
Bekümmert-zarter Kieferndunst, so fein als wäre er gar nicht da.
Das ungeordnete Blattwerk „leer“ gezeichnet, teils von der Vorderseite, teils von hinten.
Des kalten Stromes siegelförmige Felsen ganz ineinander verschlungen.
(Angesichts) des Wolkengedränges um die Frühlingsinsel denkt man an Trommeldröhnen.
(Beim Anblick) des über den blauen Klippen fallenden Mondes hört man Vögel rufen.
Wer Wesen und Bedeutung dieser wundervollen Formen mitempfindet,
(Erliegt der) Täuschung, er erfreue sich am „Rot-Blau“ einer knochenlosen Malerei.
Zierlich wie Rauchwolken im Winde sich wiegende Zweige, noch ist die Tusche nicht trocken.
Die Schönen an den Wassern des Hsiang (musizieren) harmonisch auf Mundorgel und Glocken.
Unruhig auf meinem Kissen träume (ich) von einer Fahrt zu den Unsterblichen.
Reine Schatten (tanzen) hin und her; kalt (strahlt) der Mond in den Bergen.
An T´ai-hu spärlicher Schnee, es will kalt werden.
Im Pavillon „Reines Gedenken“ sind die Weinschalen trocken.
Bei abgeschirmter Lampe und Farbpinsel ist (schon) die dritte Nacht vergangen.
Die fernen Berggipfel, der lichte Hain jedoch dulden (noch, dass ich sie) anschaue.
Die blauen Berge aufrecht und hoch, die Wasser weithin gedehnt.
(Wo) das offene Land auf die Hochebene trifft, beginnt der Regenhimmel aufzuklären.
Völlig gleichen (einander) die drei hohen Pavillons, die man auf der Höhe erblickt.
Der Menschen Häuser dicht angeschmiegt an weit ausladende Bäume.
Die kleine Schale taugefüllt, von reinem Weiß des Bleis,
(Wie) Jade und Schnee (und) gleicherweise gefärbt (wie) Smaragd und Rosenwolken.
Die Zartheit ihrer Form, die Feinheit ihrer Haltung machen mir Altem Freude.
Über den Bambuszaun des Nachbarn fallen Ranken mit herbstlichen Blüten.
Wie ist es möglich, dass die Seemöwen mir misstrauen?
Der Alte der Wildnis, der ich jetzt bin, hat lange aufgehört, praktischem Leben zugewandt zu sein.
Ein Fremdling lass ich mein Mattensegelboot oberhalb der Südinsel ankern.
Wolken, Wogen, Dunst und Bäume (alle) Umrisse verdunkeln allmählich.
Der Nachkomme des Großen Mannes von Fu Li
Ist auch ein Nachfahre seiner Wesensart.
Er liebt die Berge und liebt auch Bilder;
Er nötigt zu Leckereien und nötigt zum Becher.
Jedesmal, wenn ich den Wolkenschlaf-Fels erblicke,
Dringe ich deshalb durch den Bambus und klopfe an die Tür.
Heute morgen (sogar) im Nebel und eisvogelblauen Dunst;
Es war ganz passend, dass es dazu in Strömen regnete.
(Innerhalb) der Mao-(Seen)-Ufer weile ich lange Zeit, im Wechsel von Frost und Sommerhitze,
Wo könnt ich unstet Wandernder in Wäldern und Höhen (eine Bleibe) finden?
Beklagenswert ist, dass Eigentum nicht ständig Besitz bleiben kann;
Wenn ich doch wenigstens, meinem Herzen folgend, irgendwo Frieden fände,
Unter dem Boden des Bootes fließendes Rauschen, leise seufzender Wind,
Die zwischen dem Ried aufgehende Sonne ist schon völlig rund.
Ob meine Freunde tot sind oder leben ist schwer in Erfahrung zu bringen.
In meiner Kümmernis schreibe ich Gedichte, um mich über mich selbst zu erheben.
Ich sitze und schaue dem Moose zu, das mein Kleid überwachsen möchte.
Der Teich und die Frühlingswasser schimmern im letzten Abendglanz.
Im verlassenen Dorfe wird es Nacht, kein Lärmen mehr von Wagen und Pferden.
Freundschaftlich geleiten zerrissene Wolken die heimwärts fliegende Kranichschar.
Kühl ist der Abend dieses sommerwarmen Herbsttags.
Ich trinke Tee und schlafe bis zum Morgen tief in meiner Einsamkeit.
Der reine Wind schüttelt die Bäume im Hof,
Und eine frierende Grille klagt im betauten Gras.
Des Morgens schaue ich fröhlich dem strömenden Wasser zu,
Des Abends blicke ich voller Erwartung nach Westen.
Von des menschlichen Treibens Komödie weiß ich nichts mehr;
Nur noch die grünen Berge sehe ich mit Liebe an.
Außerdem empfehle ich die Lektüre von Tao Yüan-ming (ca. 370 – 427).